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$ B 38 168

DÄMONEN

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WIRTSCHAFT

Dr.H.BUCHNER
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Dämonen

der Wirtschaft

Gestalten und dunkle Gewalten aus

dem Leben unserer Tage

Von

Dr. Hans Buchner

1928

Verlag F. Eber Nachf., G.m.b.H. , München 2, NO .


Alle Rechte,
insbesondere das der Überſeßung
vorbehalten !

Druck: J. G. Weiß'sche Buchdruckerei , München


HG173

B8

Inhalt :
Seite
Verwandtschaften 7
Die Familie Warburg Die Goldkammern der Hochfinanz Inter
nationale Zentralnotenbanken - Der Federal Reſerve Board - Die
Reichsbank und ihre Männer - Das Stammhaus in Hamburg - Mar
Warburg - Melchior und Verſailles

Can the Kaiser 19


Otto Hermann Kahn – Ein kunſtſinniger Bankier -
– Ein Kapitel Kriegs
heße - „ Reformvorschläge “ für den Dawesplan - Ehrendoktor und
Ritter der Chrenlegion - Kuhn, Loeb & Co. - Ölpolitik ―― Der
Mannesmannbeſiß im Rif – Daweſierung der Reichspoſt ?

Eine merkwürdige Stabilisierung • · 30


Löwenſtein und der belgiſche Franken - Der große Elektrotruſt - Drey
fus und die Kunſtſeideninduſtrie - Ein mitteleuropäischer privater Eisen
bahnkonzern ?

Zweifelhafte Ehrenmänner 40
Ein kranker Mann ― Die „Seehandlung" - Faule Wechsel - Das
Hanauer Lager - Justizrat Werthauer -- Die großen Politiker – „Nicht
der Angeklagte, der Ankläger ist schuld !“ ―― Die Brüder Barmat
Koryphäen der Sozialdemokratie - Von Bauer bis Mac Donald

Manager des Geldmarktes 58


Jacob Michael Kunstpolitik und Hypothekenbankaktien – „Mehr auf
Zinsgewinn als auf induſtrielle Kalkulation bedacht!" Grundstück
spekulation - Der Eisenbahnkönig Sinalco Das Delkredere:
konsortium

Politik und Geschäft 66


Otto Wolff - Otmar Strauß - Die ergiebigen Kriegsjahre - Das
„Loch im Westen“ .- Stahl, Eisen und Kohle -- Die Spur des Finanz
kapitals - Der Sozius im Reichsmarineamt ― „Formalitäten von
Amts wegen" - Spinnwebfeine Fäden Der Fall „ Phönir“

M325806
Seite
Friede mit Amerika! 73
Der Kampf in der Filmindustrie ― Heßfilme amerikanischer Juden
Ufa und Deutsche Bank - Hugenberg - Die „verjudetste aller Jndu
- Zukor und Laemmle — Die Loews ―― Der Zug nach Hollywood
ſtrien" —

" Anschlägige Köpfe “ 81


Die Danat und Jacob Goldschmidt - Bernhard Dernburg - Die Ent
wicklung der Danat ―――――――― Stinnes Ende, Goldschmidts Anfang - Finanz
kapital am Werk -— Der hundertfache Aufsichtsrat Krupp -— Nordlloyd

Kaiser der braunen Diamanten 91


Das mitteldeutsche Braunkohlenrevier - Konkurrenzkämpfe und Nieſen
gewinne - Die Brüder Petschek -— Überfremdung der deutschen Kohlen
induſtrie Nicodem Caro und Alfred Mond - Zwischengewinne -
"Soziale" Gesinnung !

Der Ballhausplak 109


Das „Genieland des Ostens “ Sigmund Bosel - Im Salonzug des
Kaisers ――― Kriegskonjunktur - Unionbank und Postsparkasse - Die
Wiener Großbanken

Moral insanity? 116


Camillo Castiglioni - Die B. M. W. ― Inflationspraktiken --- Der
Krach in der Depositenbank ― „Jenseits von Gut und Böſe“

Auch ein " Ausgleich "!. • 126


Wöllersdorf ―― Die verschwundenen Milliarden - Iron Metall und
Metallum -- Die Brüder Sklarz - Der Staat als Angeklagter ·―― Ein
aufgehobener Steckbrief — Alles in „ beſter Ordnung" !

Schwere Sorgen · 132


Der Existenzkampf in der Motoreninduſtrie - Citroën zieht durchs Bran
denburgertor - Der Einbruch der Amerikaner - — Mathis und Renault
----
General Motors in Borsigwalde Der Fall Aga ― Kahn und Stockco
Daimler, Benz und Finanzkapital

Oppositionsstürme • 137
Der Fall Leonhard Tieß A.-G. Köln ―― Das Warenhausſyſtem Die
Rolle der Finanz ― Filialbetrieb ――――― Massenware und Einheitspreise -
Woolworth Der Ramschbazar Ausverkaufspraris ――― Millionen
gewinne
Seite
Lotes Gewicht 147
Das Risiko des Geldes ――― Die A. E. G. - Rathenau und Deutsch ---
Krupps Schicksal — Die Mologa des Doktor Wirth - Die Rombacher
Werke - Die Vereinigten Stahlwerke ― Sprunghafte Mobiliſierung
Goldene Erntejahre"

Finanzkapital und Industrie . 164


Zwölftausend Aktiengesellschaften, darunter zweitausend in Konzernen -
Die Truſts und ihre Banken - Berliner Finanziers - Die Beherrscher
der D-Banken ――― Louis Hagen Levi ― Die Finanz im Stahltrust und
in der Kaliinduſtrie ― Die Arnholds - Hugo Herzfeld -- Karl Fürſten
berg - Die Macht der Großbanken - Kreditinflation

Dawesgewinnler 179
Die Reparationstribute als ergiebige Quelle für Sachlieferungsgewinne
- „Deutsche“ und „französische“ Kontrahenten der Goldschmidt, Levy,
Wertheim - Der Düsseldorfer Reparationsſkandal – Herrn Falks Rolle
- Der Graf und der Kommerzienrat - Riesengewinne auf Kosten der
deutschen Steuerzahler

Register 185
Verwandtschaften.

Die Familie Warburg ―― Die Goldkammern der Hoch


finanz ― Internationale Zentralnotenbanken - Der
Federal Reserve Board - Die Reichsbank und ihre
Männer ―――― Das Stammhaus in Hamburg ――――― Mar War
burg - Melchior und Versailles

Wenige Jahre vor Beginn des Weltkrieges rief ein „,,Bankier aus Deutſch
land", Paul Warburg, in den Vereinigten Staaten von Nordamerika den
Federal Reserve Board ins Leben. Wenige Jahre vor dem Kriege wurde durch
einen " Bankier aus Deutſchland" das Geldwesen der Union nach dem
System der deutschen Reichsbank in Ordnung gebracht. Wenige Jahre vor
dem Krieg also öffneten die amerikanischen Bundesreservebanken ihre Schal
ter und als der große Weltbrand ausbrach, waren die Geldverhältnisse der
U. S. A. so zu einer kompakten Einheit verschmolzen, daß die finanzpolitische
Beeinflussung des europäiſch-amerikaniſchen Geldmarktes ebenso glänzend
funktionierte, als kurze Zeit nachher die Finanzierung der amerikaniſchen
Feldzugsaktion selbst, und nach dem Krieg die Kontrolle der Schuldverhält
nisse aller ehedem kriegführenden Staaten durch den wahrhaft einzigen
Sieger, die Hochfinanz. Darüber hinaus iſt das amerikaniſche Finanzſyſtem,
die Bundesreservebanken (die keinen absolut staatlichen Charakter haben),
heute durch Anleihepolitik zum unumschränkten Herrn eines großen Teiles
der Erde geworden.
Nach Amerika ist schon während des Krieges, beſonders aber nach ſeiner
Beendigung ein immer mehr anschwellender Goldstrom geflossen, der die
Goldbestände der (von dem deutschen“ Juden Warburg gegründeten)
Federal Reservebanken geradezu ins märchenhafte gesteigert hat. Der Gold
bestand dieses Privatbanktruſts iſt in der Zeit von 1913 bis 1923, alſo in
zehn Jahren von 7,9 Milliarden Goldmark auf 13,5 Milliarden Goldmark
alſo rund um nahezu das Doppelte gestiegen. Das geſamte, früher im Ver

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kehr aller Staaten umlaufende Geld ist inzwiſchen in die Tresors der Wall
Street und der mit ihr zusammenarbeitenden Staatsbanken geflossen.
Bis 1926 haben sich die Goldbeſtände der Welt ganz gewaltig erhöht,
sie erreichen 44,6 Milliarden. Die nachstehende Tabelle zeigt die Entwicklung
der Goldbestände seit 1913 in Millionen Mark:
1913 : Vereinigte Staaten von Amerika 7937, Frankreich 5886, Groß
britannien 4880, Rußland 4713, Deutsches Reich 4180, Britisch-Indien
3701, Türkei 2353, Italien 1401 , Osterreich-Ungarn 1243, Argentinien 1183.
1926 : Vereinigte Staaten von Amerika 18 901, Britiſch-Indien 9235,
Großbritannien 3354, Frankreich 2984, Japan 2761 , Spanien 2071,
Argentinien 1984, Deutsches Reich 1897, Australien 1027, Kanada 968.
Danach ist seit 1913 eine erhebliche Verschiebung in der Reihenfolge der
goldbesitzenden Staaten eingetreten. Die Vereinigten Staaten von Amerika
haben ihre Vormachtstellung der Vorkriegszeit stark weiter ausgebaut. Bri
tiſch-Indien kam von der ſechſten an die zweite Stelle, während umgekehrt
Frankreich auf den vierten Plaß ſank. Rußland verlor ſeine frühere Stel
lung und die Türkei verschwand völlig aus der Reihe der Staaten mit
nennenswertem Goldbeſiß. Andererseits ſind beſonders Spanien und Japan
aus einer mittleren Stellung im Goldbeſiß unter die Hauptſtaaten gelangt.
Das Deutsche Reich ist von der fünften auf die achte Stelle gerückt.

Das Federal Reserveſyſtem, ähnlich aufgebaut wie die sog. Reichsbank


in Deutschland, stellt durch seine gewaltigen Goldmengen heute den Mittel
punkt der finanzkapitaliſtiſchen Weltdiktatur dar. Die obigen Zahlen sind im
Grunde genommen nichts anderes als eine Aufstellung des Abhängigkeits
verhältnisses der einzelnen Länder von der Hochfinanz der Wall Street.
Damit aber auch eine Art Quittung darüber, wie die ehemals kriegführenden
Völker, die in „ Sieger“ und „ Besiegte“ eingeteilt werden, alle, samt und
ſonders in eine finanzpolitiſche Zwangslage gegenüber dem Finanzkapital
gekommen sind, die nicht mehr zwiſchen „ Siegern“ und „ Beſiegten“ unter
ſcheidet, sondern nur bereitwillige oder böswillige Schuldner kennt.
Seit Jahr und Tag strömt ein ununterbrochener Goldfluß in den
Tresors der amerikanischen Banken und ihrem Zentrum, den Federal
Reservebanken, zusammen. Alle ehemals kriegführenden Staaten, ſog.
Siegerstaaten, ebenso wie sog. besiegte Staaten entrichten hier ihre Tribut
zölle in blankem, gleißendem Gold, solange sie es aus der Volkswirtschaft
herausholen können. Ist dieser Prozeß erschöpft, dann kommt der große

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Ausverkauf des Landes und geht auch dieser an die Grenzen des praktiſch
Durchführbaren, kommt der Transfer der Arbeitskraft eines Volkes.
Der Franzose und Engländer iſt ein weniger duldſamer und toleranter
Mensch als der Deutſche. Ihm sucht die Hochfinanz mit anderen Mitteln
beizukommen. Ihm erzählt man ſeit langem von Stabiliſierung und Reform
veralteter Währungsverhältnisse. Der große Plan der Hochfinanz geht hier
darauf hinaus, auch diesen Ländern eine Goldwährung internationalen
Charakters, verankert in den Goldbeständen des Federal-Reservesystems,
zu geben, wie ſie Deutschland schon hat. Eine Goldwährung mit eben dem
Gold, das auch diese Siegerstaaten seit Jahr und Tag als Tributleiſtung
opfern mußten und das heute in ungeheueren Maſſen als totes Metall in
den Schazkammern der amerikaniſchen Banken ruhend, dadurch auch an
Wert verliert. Das Geld hat aufgehört, in ſeiner ungeheueren Menge und
seiner Anstauung an einigen Orten, ein restlos zuverläſſiger Wertmeſſer zu ſein.
Auf dem Golde ruht ſeit grauer Vorzeit ein Fluch. Wer es im Besit
hat wird seiner nicht froh und wer es erstrebt, verliert seine Ruhe. Heute
erneuert sich dieser Fluch, das Schicksal des Königs Midas, dem alles zu
Golde wurde, was er berührte, Speiſe und Trank, ſo daß er einen unent
rinnbaren Tod vor Augen ſah. Im Jahr 1926 verſammelte Amerika bei
nahe zwei Drittel alles Goldes, ebenfalls unverpfändet, während Europa
über annähernd ein Drittel verfügt, wovon jedoch der größte Teil ver
pfändet ist. Der Goldbestand Europas hat daher nur um 20 Prozent zu
genommen, während der Beſtand Amerikas um 350 Prozent gestiegen ist,
angesichts der Tatsache, daß sich der Goldbeſtand der ganzen Welt in dieſen
dreizehn Jahren um rund 100 Prozent vermehrt hat.

So soll in absehbarer Zeit ein europäiſcher Staat nach dem anderen die
Goldwährung nach dem System, wie es Paul Warburg nach dem Vorbild
der Reichsbank im Federalreservebund eingeführt hat, mit sanfter Gewalt
aufgesetzt, aufgedrängt erhalten. Mar Warburg, der große Bankierphilo
soph", hat dazu vor kurzem (auf dem Industrie- und Handelstag in Ham
burg) erklärt, daß die Notenbanken der ganzen Welt in ein intimes
Freundschaftsverhältnis getreten ſeien, daß ſie in ihren Konſtruktionen ſich
immer ähnlicher werden“. Es ſcheint, er kennt die Konstruktion gut. Sollte
ſie lehterdings auf ihn selbst zurückgehen?
Man sieht, bei den sog. Siegerstaaten werden die Währungsverhältniſſe
bald ähnlich sein wie in Deutſchland. Im Dawesdeutſchland, das mit grö

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beren Händen angefaßt werden konnte. Bei den Engländern und Franzosen
wird man, eingedenk der Erfahrungen, die man in Paris im Inflations
ſommer fünfundzwanzig machen mußte, vorsichtiger sein. Man wird die
Sache mit Handſchuhen anfaſſen. Es wird aber auch hier gelingen, ſchließ
lich die Reste der Volkswirtſchaft in das System einer internationalen Wäh
rung einzufangen, bis, losgelöst von allen nationalen Bindungen, ſie einzig
und allein unter der Kontrolle der Hochfinanz steht. Ein Staat ohne das
Hoheitsrecht der Geldausgabe hat den ersten Schritt zur Arbeitskolonie der
Hochfinanz getan.
Auf dem genannten Industrie- und Handelstag 1927 in Hamburg hielt
Warburg ein Referat, in dem er auch auf die geplante internationale Ver
bindung der Notenbanken unter den von seinem Bruder Felix geschaffenen
Federal Reservebank der U. S. A. zu sprechen kam.
,,Die Notenbanken der verschiedenen Länder“, führte Warburg aus,,,wer
den in ihrer Konstruktion immer ähnlicher werden. Der Generalrat derReichs
bank — von uns nicht freiwillig eingeführt, sondern auf dem Dawesab
kommen beruhend ――― hat sich, das kann ich hier getrost ausſprechen, ob
gleich ich ihm angehöre, bewährt. Fast scheint es mir wünſchenswert, daß
auch bei den Notenbanken der anderen Länder - analog dem Generalrat
der Reichsbank in Berlin - ein beratendes internationales Gremium, zu
ſammengeſeht aus Fachleuten der maßgebenden Staaten, gebildet wird, von
dem die Direktion der Notenbank wichtige Anregungen erhält, ohne daß
jedoch diesem Beirat ein Anspruch auf Mitteilungsrecht zusteht, ebenso wie
bei uns. Auf diese Weiſe würde ein wertvoller internationaler Austausch
von Erfahrungen der Notenbanken stattfinden.
Die Notenbanken der ganzen Welt ſind in ein intimes Freundschafts
verhältnis getreten, vermitteln Zahlungen direkt, geben sich gegenseitig Zu
sicherungen, im Falle von Geldversteifung sich auszuhelfen, und wir werden
es erleben, daß die Grundsäße, nach denen die verschiedenen Notenbanken
arbeiten, sich immer mehr gleichen werden, ſo daß wir ſchließlich, wenn auch
die Notenbanken in den einzelnen Ländern äußerlich selbständig bleiben
mögen, de facto eine einzige Weltnotenbank oder ein einheitliches Welt
notenbanksystem haben werden, in dem die verſchiedenen, nach außen ſelb
ständig erscheinenden Notenbanken nach einem einheitlichen Plane arbeiten.
Aber wenn man schon ein derartiges Weltnotenſyſtem ſich ſchließlich, wenn
die Welt wirklich friedlich geworden iſt, ſogar ohne Goldunterlage erträumen
kann, so muß die Unterlage, das Privateigentum, auch im Kriegsfalle un
abhängig sein von der Kriegsführung und dem Kriegsausgang. Auch die

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Abmachungen mit dem Federal Reserve-Board, die vielen ſicher ſehr nüß
lichen Besprechungen der Leiter untereinander, haben nur dauernden Wert,
wenn die Heiligkeit des Privateigentums anerkannt wird, für das kein
Land ein größeres Intereſſe haben sollte als Amerika, der größte Gläubiger
der Welt."

Deutlich genug spricht der Finanzfürst von dem Bestreben, das Geld=
weſen aller Nationen in einer Hand zu vereinigen, um es uneingeſchränkt
beherrschen zu können !
Ungeheure Reichtümer, gleißendes Metall liegt in den Tresors der
Bundesreſervebanken, Zinstribute und Zahlungen der ehedem kriegführen
den Staaten, der Siegerstaaten ebenso wie der besiegten Staaten. Das ist
eine große Gefahr für die glücklichen Besizer des Goldes. Das Gold drängt
nach Anlage, soll es nicht im Wert und Preis sinken, totes Metall werden !
,,Es hat schon aufgehört, in seiner heutigen Menge und Lagerung ein ehrlicher
Wertmesser für Ware und Arbeit zu sein ! Drum lautet die Frage aller
Fragen für die Finanziers : wo sind zahlungsfähige Käufer für Gold ? Wie
werden wir unser Gold (das frühere Gold der andern) los, ohne daß wir
unser Geld loswerden ?" So schreibt besorgt das „ Wiener Journal“.
Hier zeigt sich die Achillesferſe des Systems, eine schwache Stelle. Die
Gefahr für das Gold kann abgewendet werden, wenn es wieder in die Welt
hinausgeht, angelegt wird und arbeitet. Das wiſſen auch die Warburgs,
das weiß Schacht so gut wie Finaly oder Montague Norman, die Direktoren
der europäischen Notenbanken.

Von den zwölf Federal-Reſervebanken hängen ab 7000 Nationalbanken,


2500 Staatsbanken, 22 000 Privatbanken, 10 000 Mitgliedsbanken, dar
unter Arbeiterbanken, Landwirtschaftsbanken, Hypothekenbanken, Treu
handgesellschaften, Kreditbanken und Vermögensanstalten. Außerhalb der
Reihe der eigentlichen Finanzbanken (unter denen beſonders zu nennen ſind
Morgan, Kidder & Peabody, Lee & Higginson, Kuhn
& Loeb, Dillon, Brown Brothers, Seligmann, Lazard,
Speyer, Goldmann, Thalman, Sachs, Hallgarten, La
denburg) stehen die von Paul Warburg gegründeten Akzeptbanken,
besonders die International Acceptance Bank , die einen
großen Teil des Auslandsgeschäfts in der Hand hat. Beſonders
auch die Anleihebegebung an Deutschland wird durch dieses Finanz
institut beſorgt. Während des Krieges blieb Paul Warburg in Amerika, ohne

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die Verbindung mit dem Stammhaus in Hamburg, an dessen
Spiße seit langem Mar Warburg ſtand, aufzugeben. Er wurde Schwie
gersohn Loebs, eines Teilhabers der Neuyorker Firma Kuhn, Loeb & Co.,
und Schwager Jakob Schiffs, während der dritte Bruder Felix War
burg die Tochter Jakob Schiffs heiratete und heute gleichfalls im Direk
torium der International Acceptance Bank sist.

Die Funktion der Bundesreservebanken wird erst völlig klar, wenn man
versucht, sie in Parallele zur Deutschen Reichsbank und deren Bedeutung
für die Finanzwirtſchaft zu bringen ; denn es besteht kein Zweifel, daß das
Federalreserve-System Paul Warburgs in manchen Einzelheiten und in der
großen Anlage eine unverkennbare Ähnlichkeit mit dieser hat.
Das System ist wie gesagt noch jung. Im November 1914, während in
Europa der Kampf der Nationen tobte, öffneten die Bundesreservebanken
ihre Schalter. Wer mochte damals auf dem alten Kontinent wohl gedacht
haben, daß hier die kommende Bank der „ Vereinigten Staaten“ von Europa
ihre ersten Schrittversuche zu machen begann ! Während des Krieges und
eine geraume Zeit nach dem Waffenstillstand wurde das Syſtem von der
Regierung als Riesenpumpe für innere Anleihen gebraucht. 21 Milliarden
einer Freiheitsanleihe“ und einer „ Siegesanleihe“ waren in kürzester Zeit
untergebracht. Nach Friedensschluß begann der wirtschaftliche „ boom “,
während dessen die Induſtrie unter die Kreditſchlinge der Banken geriet.
Die amerikanischen Bundesreservebanken gehören, wie fast selbstver=
ſtändlich, nicht dem Staat. Sie sind genoſſenſchaftliche Zentralinstitute,
deren Eigentümer die 10 000 Mitgliederbanken sind. Sie haben seit
längerer Zeit die Notenausgabe für die Vereinigten Staaten in der Hand ;
dieselben sind nicht mehr durch Staatsanleihen, sondern durch Gold und
Wechsel gedeckt und zwar 40 Prozent durch Gold und der Gesamtbetrag,
also 100 Prozent, durch Wechsel. Als „ Ausländiſche Agenturen“ des Sy
stems gelten die Bank von England und die Bank von Frankreich.
Die ungeheure Kapitalkraft der Bundesbanken beruht auf den ihnen
zulaufenden Reſervedepoſiten, deren Summe in sämtlichen derselben schon
vor geraumer Zeit zwei Milliarden Dollar überstieg. Dieses aufgehäufte
Kapital macht die Bundesbanken zu Verwaltern der Geldvorräte des ge=
ſamten amerikaniſchen Banksystems. Daneben führen sie die üblichen Ge
ſchäfte der europäischen Notenbanken: sie geben Banknoten aus, rediskon
tieren Bankwechsel, kaufen auf freiem Markt Akzepte und beſorgen das

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Scheckclearing. Damit beherrschen sie theoretisch und praktiſch den gesamten
Geldmarkt in Amerika.
Das System ist eine riesige Zentraliſierung des Geldverkehrs in einem
einzigen Institut, an dessen Spiße ein „ Board“ aus acht Mitgliedern steht.
Darunter ſind „ ſogar“ zwei Staatsbeamte, der Finanzminiſter und der
Währungskontrolleur. Im übrigen hat der Board in Sachen des Bank
gesezes alle gesetzgeberiſchen und richterlichen Rechte und Funktionen.
Eigentlichste Aufgabe der Bundesreſervebanken ist die Zuſammen
faſſung sämtlicher Reserven und die daraus sich ergebende Kreditpolitik,
welche jeht darangeht, den gesamten europäischen Geldmarkt zu erfassen.
Um diese Entwicklung zu ermöglichen, bedurfte es zunächst der oben ge=
ſchilderten größten Kapitalverlagerung, welche die Wirtſchaftsgeſchichte kennt.

Vergleichen wir die Struktur der „ Deutſchen“ Reichsbank. Bekanntlich


war diese keine Staatsbank, auch keine Aktiengesellschaft ; sie ist nicht durch
Eintragung ins Handelsregiſter entstanden, wie es bei einer Aktiengeſellſchaft
sein müßte, ſondern durch Reichsgeseh. Die Leitung der Bank wurde vom
Reichskanzler und dem ihm unterstellten Bankdirektorium ausgeübt ; aber
nur einmal hat der Reichskanzler in die Leitung der Bank eingegriffen, im
Jahre 1887. Die Aufsicht führte das Bankkuratorium, beſtehend aus dem
Reichskanzler als Vorſizenden und acht Mitgliedern. Der engere Ausschuß
der Bank bestand bei der Gründung aus folgenden Perſonen : den Kommer
zienräten R. Warschauer, Zwicker, Plaut, v. Bleichröder ,
außerdem noch aus Baron v. Rothschild, A. Mayer, Kommerzienrat
Mendelsohn, Freiherrn Abraham v. Oppenheim, Th. Stern und
einigen anderen.
Am 1. Januar 1876 begann die Bank ihre Tätigkeit, nachdem die Par
lamentarier Lasker und Bamberger, die Urheber des Statuts und
ideellen Gründer derselben, gegen den Willen der Regierung die Schaffung
einer Reichsbank im Reichstag durchgesezt und die in solchen Dingen un
erfahrene Mehrheit der Volksvertreter ihre Zustimmung gegeben hatten.
Nur ganz bestimmte Bank- und Handelshäuser genossen Kredit an der
Reichsbank, während Landwirtschaft oder Gewerbe dort wenig Kredit er
hielten. Das Aktienkapital der Bank belief sich auf 120 Millionen Mark.
Die Reichsbank war gegen Hinterlegung von 100 Millionen Mark in
sicheren Werten (Edelmetall und Hypothekenscheinen) berechtigt, für 300
Millionen Mark Banknoten auszugeben. Außerdem war sie frei von allen

13
staatlichen Einkommen- und Gewerbesteuern. Der Geſamtumſaß der Bank
betrug im Jahre 1876 36 Millionen Mark, im Jahre 1880 52 Millionen
Mark.
Bei der Zeichnung der Reichsbankaktien soll eine merkwürdige Affäre
vorgekommen sein. Am 4. Juni 1875 sollten zur Zeichnung für das
„ größere Publikum“ 20 Millionen Mark Aktien aufgelegt werden. Als die
Zeichnung öffentlich begann, ergab sich, daß schon über 4000 Zeichnungen
vorher auf diese 20 Millionen Mark angenommen waren!
Das Notenprivileg der Reichsbank wurde von zehn zu zehn Jahren
erneuert und die Reichsbanknoten 1909 zum gesetzlichen Zahlungsmittel
erklärt. Mit dem 4. August 1914, dem Tag, an dem die deutsche Reichs
bank erklärte, ihre Banknoten nicht mehr gegen Gold einlösen zu wollen,
begann die Umwälzung der deutſchen Währungsverhältniſſe.
Die Grundzüge der alten Reichsbank wurden vermittels des Dawes
diktates durch ausländische Überwachungsbehörden stark abgeändert. Ein
zelne Paragraphen befaſſen ſich mit der vollſtändigen Trennung der Reichs
bank von dem gesamten Finanzgebaren des Reiches und der Länder unter
Mitwirkung des Auslandes, im Generalrat und in einer besonderen Kom
miſſion.
Der Generalrat der Reichsbank besteht aus 14 Mitgliedern, darunter
je ein Engländer, Franzose, Italiener, Belgier, Amerikaner, Holländer und
Schweizer. Der Kommiſſar wird vom Generalrat gewählt und muß ein
Ausländer sein, er kontrolliert die gesamte Notenausgabe und hat damit
die Währung Deutſchlands in der Hand ; das Reich hat sich seiner alten
Währungshoheit begeben. Kredite dürfen an die allgemeine Reichsverwal
tung nur für drei Monate und bis zu einem festgeseßten Höchstbetrage ge
währt werden. Am Schluß eines Geschäftsjahres darf keinerlei Verschuldung
des Reiches gegenüber der Bank vorhanden ſein. Alle Verpflichtungen der
Reichsbank auf Aufwertung alter Banknoten sind von dem Institut grund
säßlich abgelehnt.
Seit dem 22. Dezember 1923 liegt die Leitung der Bank in den Händen
des Präsidenten Dr. S ch a cht, der aus der Darmstädter und Nationalbank
hervorging und somit unter der Ägide Dernburgs und Julius Sterns ſeine
Ausbildung erhielt. In der Leitung der Bank ſizen außer Herrn Schacht
folgende Herren : Sir Charles Addis, London ; Charles Sergent,
Paris ; Emil Francqui, Brüssel ; Gates W. Mc. Garrah, Newyork;
G. Bachmann, Zürich; G. W. A. Bruins, Rotterdam ; J. v. Men
delsohn, Berlin; F. Urbig, Berlin; D. Wassermann, Berlin;

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L. Hagen - Levi, Köln ; H. Rems hard, München, Kommiſſar für
die Notenausgabe ist G. W. J. Bruins, Rotterdam. Im Zentralausschuß
find die Herren: P. von S chwa ba ch in Fa. Bleichröder; Karl Fürsten
berg, Inhaber der Berliner Handelsgesellschaft; A. Salomonsohn,
Inhaber der Diskontgesellschaft.
In der Reichsbank sind durch ihre internationale Einstellung die Voraus
sehungen zum Zuſammenſchluß mit den Federalreservebanken von vorn
herein gegeben. Die Bestrebungen der Hochfinanz, eine europäische Wäh
rungseinheit auf Goldbaſis einzuführen, finden gerade in Deutschland die
denkbar beste Aufnahme. Die Banken von England und Frankreich stehen
infolge ihrer veralteten Konstruktion, wie man ſagt, dieſem Plan der
Währungsinternationaliſierung noch im Wege.

Das Bankgeschäft der Warburgs, das Stammhaus in Hamburg, ist


alt. Es war Zeit ſeines Daſeins aber weniger nach nationalwirtſchaftlichen,
binnenländischen Grundsäßen orientiert; es strebte nach internationalen
Zielen und konzentrierte sich ,,auf eine beschränkte Anzahl großer Geschäfte“.
Die Gründung der amerikanischen Filiale geht intuitiv wohl auf Mar War
burg zurück, der seine Erfahrungen als Generalrat der deutschen Reichsbank
vielleicht auch dort zu verwerten gedachte. Das Geschäft während des Krieges
und besonders nach Beendigung desselben hat ihm „ recht" gegeben. Er war,
ähnlich wie Mendelsohn durch seine von Mannheimer in Amſter
dam geleitete Filiale, dank der in der Dollarbaſis verwurzelten Bruderfirma
in Amerika jedem Sturm der Inflation gewachsen. Und wenn die Geld
entwertung in Deutschland und sonst auch so manche Bankreſerven auf
gezehrt, an den Warburgs ist sie wohl vorübergegangen ; dank der großen
„ wiſſenſchaftlichen, theoretischen Kenntniſſe“ des Sonderchefs in Hamburg,
der ob ſeiner weitſchauenden Pläne ein „ Bankierphiloſoph“ genannt wird.
Heute ist Mar Warburg ein Sechziger, Ehrendoktor der Hamburger Uni
versität, Handelsrichter, Mitglied der Hamburger Handelskammer, Mit
glied der hamburgischen Deputation für indirekte Steuern und Ab=
gaben, Vorstand der Hamburger Wertpapierbörse, Mitglied des Berliner
Börsenehrengerichts, der Hamburger wiſſenſchaftlichen Stiftung, der Hoch
ſchulbehörde, des Weltwirtſchaftsarchivs, Beirat des Kolonialinſtituts und
einunddreißigfacher Aufsichtsrat. Man sagt, in dem großen Privatkontor
seines Hamburger alteingesessenen Finanzhauses hingen an der Wand die
Porträts sämtlicher Potentaten, Fürsten, Könige, denen hier eine Anleihe

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gewährt oder sonstwie finanzielle Hilfe zuteil geworden ſei. Ernſt grüßten
sie, mancher mit eigenartig verschleiertem Blick den Beschauer, als ob sie
an die Wahrheit des alten Sprichwortes erinnern wollten, daß, wer borgt,
Stroh erhält und mit Weizen bezahlen müſſe!

In diesem Zusammenhang will Warburgs Rede auf dem Induſtrie


und Handelstag 1927 zu Hamburg betrachtet sein, in der er sehr offen=
herzig über Deutſchlands Schuldlaſt und Zinsknechtſchaft sprach. An
ſcheinend konnte er eine gewiſſe Zufriedenheit mit der muſterhaften Arbeit
des Finanzkapitals nicht unterdrücken, wenn er auch einige Worte groß
mütigen Wohlwollens gegenüber Deutſchlands Lage fand.
,,Die Belastung Deutſchlands “, führte er aus, „ aus dem Zinſendienſt
der alten und neuen Schulden und aus den Reparationszahlungen des
Normaljahres ſtellt sich ungefähr doppelt so hoch wie die Zinsbelastung der
Vorkriegszeit ; die Verschuldung des Reichs, der Länder, Kommunen, des
ländlichen, städtiſchen Grundbeſißes, der Induſtrie und des Handels war
vor dem Kriege ungefähr 48 Milliarden Mark; heute ist sie, wenn ich die
jährlichen Reparationsverpflichtungen von etwa 2500 Millionen Reichsmark
mit dem Tage als beendet ansehe, an welchem die Eisenbahn- und Induſtrie
Obligationen getilgt sind, und mit einem Gegenwartswert von 40 Milliarden
Reichsmark annehme, 60 Milliarden Reichsmark. Die Zinsenlast war vor
dem Kriege 1950 Millionen Mark, und ist heute inklusive Reparations
zahlungen 4000 Millionen Reichsmark.
Nicht durch das Abſtoppen des Zufluſſes dieſes Geldes, durch Herbeiführen
einer Geldklemme, ſondern durch Aufzeigung der kontrahierten Auslands
schulden müssen wir unsere Sache dem Reparationsagenten gegenüber ver
fechten. Es fehlt uns an Betriebskapital, der Vermögenszuwachs des ein
zelnen ist infolge der übertriebenen hohen Besteuerung nicht oder kaum
möglich. Wir müſſen uns vorläufig weiter an das Ausland verſchulden, um
unſeren ganzen komplizierten Wirtſchaftsapparat in Gang zu halten; von
einer weiteren Verſchuldung kann man in der nächsten Zeit vielleicht nicht
einmal sprechen: was sich abspielt, ist zum Teil jedenfalls die Umwertung
der bereits vorhandenen kurzfristigen Verschuldung in eine langfristige. Eine
gewissenhafte Statiſtik über die bisher erfolgten und vorläufig noch weiter
zu erfolgenden ausländischen Anleihen kann und muß die Klarheit bringen;
inzwiſchen sollten wir aber nicht unſere Wirtſchaft dadurch ſchädigen, daß
wir die Begebung von Auslandsanleihe unnötig strangulieren.“ Er ſprach

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dann von den Grenzen der Verſchuldung,,,da ſonſt Generationen nötig sein
werden, um Deutſchland wieder auslandsschuldenfrei zu machen“.

Es ist bekannt genug, daß Mar Warburg bei den Friedensverhandlungen


in Verſailles und den späteren Reparationsverhandlungen entſcheidende
Worte gesprochen hat und seit dieser Zeit das Wort „ Erfüllungspolitiker“
immer häufiger mit seinem Namen zusammen genannt wurde. Wenn das
der Grund dafür geweſen ſein ſollte, daß dieſer Mann sich von weiteſten
Kreisen Deutschlands in seinen Bestrebungen mißverstanden oder aber
richtig verstanden fühlte, sich aus der Öffentlichkeit und auch fast ganz
aus Deutſchland zurückgezogen“ hat, so wird ihn dieser begreifliche Welt
schmerz nicht daran hindern, seinen Funktionen als Aufsichtsrat auch heute
noch innerhalb der deutschen Grenzen nachzukommen. Er ſizt u. a. in der
Deutsch - Amerik. Petroleumgesellschaft , Deutsch = A t =
lantischen Telegraphengesellschaft, Blohm & Voß, in
der Böhmischen Eskomptebank zu Prag, bei Felten & Guil
laume, in der Hamburg - Amerika - Linie, zu der er seit seinem
intimen Freundschaftsverhältnis zu Ballin enge Beziehungen hat, in der
bekannten Aktiengesellschaft Philipp Holzmann, in der J. G. Far
benindustrie, in den Klöcknerwerken, bei Köln - Rottweil,
in der Österreichischen Creditanstalt für Handel und Gewerbe,
Wien, der Preußischen Zentral-Bodenkredit-A.G. , in der Münchener Rhein
Main - Donau A.-G.; dehnt ſeine finanzpolitiſchen Beziehungen über
die Tschechei und Österreich nach Ungarn aus, wo er in der Allgemei
nen Ungarischen Kreditbank, Budapeſt, ſitzt, der eigentlichen
Rothschildbank unter Baron Adolf Ullmann, jezt unter Baron Moriz
Kornfeld; ferner in der van der Zypen, in der Zugtelephonie
A.-G., Berlin.

Allzu tragisch scheint in Ansehung dieses internationalen Wirkungs


kreises Mar Warburgs das Wort Pinners nicht zu nehmen sein, der
als Grund für das verſtimmte Schweigen des allmächtigen Bankiers an
gibt, daß man ihn vielleicht irritiert habe, weil man ihn, der doch ganz
und gar kein unentwegter Repräsentant der Erfüllungspolitik geweſen ſei,
mit Meuchelmord bedrohte, nur weil er sich herausnahm, als Jude eine
maßgebende Rolle in Deutschland ſpielen zu wollen“. Jedenfalls iſt ſein
Sozius, Doktor Melchior, der hart an dem Posten des Staatssekretärs

2 17
im Reichswirtſchaftsminiſterium vorbeistreifte, in der Funktion eines Ver
treters des Seniorchefs alles weniger als ein Strohmann. Er hat die In
flation als geldtheoretischen Vorgang ebenso gut erfaßt, als ihre Auswirkung
in der Praxis, sicher nicht ohne ſich der Verbindungen des Stammhauſes mit
seiner Tochtergesellschaft überm großen Wasser zu erinnern. Mar Warburg
hat einmal bei einem hochoffiziellen Cercle, an dem auch ein Professor Ein
stein teilzunehmen nicht verfehlte, dem abwesenden Melchior ein großes
Kompliment gemacht, indem er ausdrücklich hervorhob, daß dieser sich
„durch seine Tätigkeit als Sachverständiger in Ver =
failles große Verdienste erworben und mit außeror
dentlicher Umſicht und Klugheit aufgetreten sei". Worin
diese Verdienste bestanden, besonders wenn man das Friedensdiktat von
Versailles und seine Wirkungen auf Deutſchland betrachtet, ist eine Frage
für sich. Sie wird vielleicht beantwortet, wenn man sich erinnert, daß von
amerikanischer Seite Paul und Felir Warburg an den Verhandlungen teil
genommen haben ſollen, während ihnen auf deutſcher Seite Mar Warburg
und Melchior gegenüberſaßen. So oft dies auch dementiert wurde, ſo oft
wurde es wieder behauptet. Die drei Warburgs am grünen Tiſch, in der
Debatte über das Schicksal ganzer Völker ! Wenn man ihren Biographen
glauben soll, alle drei ausgezeichnete Theoretiker ! Aber wohl auch in der
Praris nicht minder erfahren ; das beweist mit schlagender Deutlichkeit der
Geschäftsbericht der International Acceptance Bank von 1926, der einen
Blick hinter die Kulissen der Hochfinanz gestattet wie ſelten ein anderer!
Offenheit, wo man sie sich leisten kann!

18
Can the Kaiser.
--
Otto Hermann Kahn — Ein kunstsinniger Bankier
---
Ein Kapitel Kriegsheße – „ Reformvorschläge“ für den
w
Dawesplan Ehrendoktor und Ritter der Ehrenlegion
Kuhn, Loeb & Co. - Olpolitik - Der Mannesmann
――
besit im Rif Dawesierung der Reichspoſt?

Im Frühjahr 1927 verbreitete sich mit Windeseile durch Deutschland


die Kunde, daß der amerikanische Bankier Otto Hermann Kahn mit Sohn
und Schwiegertochter, einer Einladung seines Schwagers, des Geheimrats
Deutsch von der A.E.G. folgend, in Berlin eingetroffen sei. Ein Akt der
Familienpietät alſo, der dem „ hochgemuten Sinn“ des Wallstreetbankiers
wie einem jeden anderen Sterblichen alle Ehre machte.
Kahn wurde interviewt von dußenden ſenſationsgieriger Journalisten.
Er anerkannte, daß Deutſchland in lezter Zeit ,,außerordentliches geleiſtet“
hätte ; er sprach leutselig über Kunst, über einen Opernplan, über den ge
nialen Mar Reinhardt-Goldmann.
Aber nach kurzer Zeit hörte man von anderen als von Opernplänen.
Man hörte, und zwar in Verbindung mit Namen wie Goldschmidt, Schacht
und Stresemann, daß Kahn bestrebt sei, dem geliebten deutschen Volk
eine sogenannte Revision des Dawesplanes zu unterbreiten, allerdings in
reichlich merkwürdiger Form. Große Blätter wieſen in dem Zuſammenhang
auf eine Dawesierung der Reichspost mit einem Aktienkapital von 5 Mil
liarden hin, auf Verstärkung der Induſtriebelastung um 1,25 Milliarden,
Mehrbelastung des Maſſenverbrauchs von Tabak, Zucker, Alkohol und Bier
durch Monopolisierung derselben. Minister Stresemann erklärte sofort, daß
Kahns Besuch in der Regierung rein privaten Charakters gewesen sei, der
Generalagent Parker Gilbert wußte überhaupt von nichts ; ſomit mußte die
Europareiſe des Bankiers wohl von Sehnsucht nach dem Land, wo er ge=
boren, nach der Stadt, wo er seine ersten Jahre verlebt, bestimmt geweſen

2* 19
sein. Er ist ja sonst kein überzeugter Deutſchenfreund. Man sagt, er hätte
während des Krieges die berüchtigte „ Freie Zeitung“ in Bern mit einigen
50 000 Dollars unterſtüßt, er hätte 1915 in der Carnegie-Hall erklärt, er
schäme sich jedes deutschen Tropfen Blutes, das in seinen Adern fließe; er
hätte, laut ,,Journal" vom 1. Juli 1917 erklärt, man müſſe das Gift des
Preußentums bekämpfen und auf eine Niederlage des Deutſchlands des
Blutes und der Lüge hoffen; er habe zu Franzosen gesagt, sie möchten noch
einige Monate ausharren um eine andere Kanone als jezt zu vernehmen,
die Kanone des Siegers ; er habe das Wort „ Can the Kaiſer“ geprägt, das
zu einer Zeit, als Amerika noch nicht daran dachte, in den Krieg zu ziehen,
den Jankees mit großen Maueranschlägen empfahl, den Monarchen ein
zupökeln.
Aber wozu viel daran erinnern, in einer Zeit, wo O. H. Kahn, der ge=
borene Mannheimer (Ehrenbürger von Mannheim), früher Brite, jeht
hundertprozentiger Amerikaner, Ritter der franzöſiſchen Ehrenlegion und
Ehrendoktor zahlreicher Kuhstalluniversitäten der Rocky Mountains und
des wilden Westens , seiner alten „ Heimat“ einen Beſuch gemacht hat ; der
doch wohl von einem neuen Intereſſe für Deutſchland zeugt, das er ſchon
bekundete, als er dem Münchener Bürgermeister Scharnagl bei deſſen
Anleihereise warm die Hand schüttelte. Aber auch Dankbarkeit kennt der
große Bankier. Seiner Vaterstadt Mannheim stiftete er ein kostbares Ge
mälde, Goyas „ Erſchießung Kaiser Marimilians von Meriko", damit sich
die Väter der Stadt immer des kleinen Mannheimers von einſt erinnern
mögen, der heute ein so einflußreicher Finanzmann ist. Und ſeiner „ mo
narchenfreundlichen“ Gesinnung.

Die Firma Kuhn, Loeb & Co. ist ein Privatbankhaus von bedeuten=
dem, internationalem Ruf. Von den weitverzweigten Geſchäften des Unter
nehmens seien große Transaktionen auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens
erwähnt, so z. B. im Jahre 1906 der Rückkauf von 250 Millionen Franken
amerikaniſcher Eiſenbahnobligationen für Rechnung einer amerikanischen
Eisenbahngesellschaft aus franzöſiſchen Händen und die Finanzierung zahl
reicher franzöſiſcher Anleihen während des Krieges. Es ist hier am Plak,
im Zusammenhang mit Otto Kahn und der Entwicklung des Hauſes Kuhn,
Loeb & Co. auf die Ölpolitik der Hochfinanz zu sprechen zu kommen, über
die Karl Hoffmann in seinem Werk Ölpolitik" ausführliche Dar
legungen gibt.

20
Öl brennt, wenn es mit Zündstoff in Berührung kommt. Wenn der
berüchtigte Vintilla Bratianu einmal ſagte, ohne Öl könne man keinen Krieg
führen, so deutete das allein schon die ungeheure Wichtigkeit dieses Roh
stoffes für Politik und Wirtschaft an. Was sich seit geraumer Zeit zwischen
England und Rußland in der internationalen Petrolpolitik abſpielte, war im
Grund das Ringen zweier weltpolitischer Systeme und Richtungen, bei dem
auf der einen Seite das Interesse der jüdiſchen Hochfinanz am Wohl und
Wehe des ſowjetjüdiſchen Syſtems , auf der anderen Seite die starke natio
nale, antimarristische Haltung sowjetfeindlicher Länder sichtbar, wenn sie
auch nicht immer ganz klar und deutlich wurde.
Zwei große Konzerne stehen im Ringen um die ruſſiſchen Rohstoffe,
das von den Bolschewisten gestohlene Öl, gegenüber, die englische Royal
Dutch mit Deterding an der Spiße und die amerikaniſche Standard
Oil mit Leagle als Generaldirektor. Die Amerikaner (die schon unter
Rockefeller eine ruſſophile Politik trieben und unter anderem auch mit der
von dem Juden Finaly geführten Banque de Paris et des Pays
bas zusammenarbeiten) hatten mit dem Allruſſiſchen Naphta
syndikat ein erweitertes Lieferungsabkommen auf fünf Jahre abge=
ſchloſſen. Und zwar in dem Augenblick, als die engliſche Nationalpolitik sich
troß der City (und vielleicht zum Leidweſen Lord Bearstedts) zum
Abschluß ihres ehemaligen Laisser faire den Sowjets gegenüber entſchloß.
Die scharfen Außerungen Deterdings gegen dieses Einspringen der amerika
niſchen Gruppe der Hochfinanz in den von der City ſozusagen zwangsläufig
verlassenen Markt zeigten, daß der Druck der Nationalpolitiker, fürs erſte
stärker war als der Einfluß der Bankiers .
Die Standardgruppe steht in den Vereinigten Staaten zum Konzern
von W. A. Harrimann (Eiſenbahnen und Schiffahrt) und zur Bank
gruppe des Neuyorker Hauses Kuhn, Loeb and Co. (jüdiſch) in näheren
Beziehungen. Als Schiffahrtsgruppe führt der Harrimannkonzern die Be=
zeichnung „ United American Lines“. In diesem Konzern ſind acht ameri
kanische Reedereien vereinigt, so daß er privatwirtſchaftlich, d. h. , wenn
man von der beträchtlichen ſtaatlichen Handelsflotte der U. S. A. absieht,
neben der aus der U. S. Mail Steamship Co. hervorgegangenen Kombi
nation der ,,United States Lines" als eine der Hauptschiffahrtsgruppen
Nordamerikas gelten kann.
„ Der frühere Leiter des Hauses Kuhn-Loeb, Jacob Schiff,“ ſo führt
Karl Hoffmann aus,,,war ein amerikanischer Bankier von führenden
Eigenschaften, und ſein neuerer Repräsentant, Otto Kahn, ist als inter

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nationaler Finanzmann mit weitreichenden Verbindungen hinlänglich be=
kannt. Zur Bankgruppe Kuhn - Loeb gehört ferner Paul Warburg,
zur Zeit Chairman der International Acceptance Bank“
in Neuyork. Jacob Schiff war sein Schwager. Obwohl Paul War
burg erst 1911 das amerikaniſche Bürgerrecht erworben hat, war er mit
der Organisation des Federal Reserve Banking Systems" unter Wilson
(1912/13) auf das innigste verknüpft. Dieses System wurde zu dem
Zwecke eingerichtet, um sozusagen die in Nordamerika nicht vorhandene
Staatsbank zu ersehen ; und der „ Autorität“ von Prof. Seligmann (Jude)
von der Columbia-Univerſität zufolge hat damals Paul Warburg die Federal
Reserve Bill, die das Syſtem „ trägt und enthält“, wirklich geschaffen. Er
wurde von Wilſon zum ersten „ Deputy-Governor of the Federal Reſerve
System" ernannt und war vor dem Kriege Vize- Chairman des „ U. S.
Federal Reserve Board", der von Amts wegen über eine Kontrolle der
Goldbestände verfügt. In den neueren Jahren (1924 und 1925) war er
Präsident des Federal Advisory Council" und als solcher wiederum Mit
glied des Federal Reserve Board. Paul Warburgs Ansehen und Einfluß
ergaben sich nicht nur aus seinen Fähigkeiten, sondern auch aus der Geltung
der Bankgruppe Kuhn-Loeb, die seine Fähigkeiten zur rechten Wirkung zu
bringen vermochte.
Während die Ölgruppe der Standard in Deutschland mit der Deutsch
amerikanischen Petroleum- Gesellschaft (Hamburg) und den mit dieſer ver
schwisterten Firmen einen Filialkonzern unterhält, iſt die Bankgruppe Kuhn
Loeb vermöge der engen Verwandtschaft zwischen dem Neuyorker Paul
Warburg und dem Hamburger Mar Warburg mit dem Hauſe M. M. War
burg und Co. in Hamburg befreundet, dem beispielsweise der als Gutachter
in Reparationsfragen bekannte Kaufmann Dr. Melchior entſtammt.
Mit der Schiffahrtsgruppe Harrimann hatte sich die Hamburg-Amerika
Linie verbunden.
Zwischen der Hamburg-Amerika-Linie und dem Hamburger Haus M.
M. Warburg & Co. besteht ein gutes Verhältnis, das ſchon unter dem ver
storbenen Generaldirektor Ballin angelegt worden war. Da diese Ver
bindung sich Mittelfahrt auf die Deutsch-Amerikanische Petroleumgesell
schaft zu übertragen vermochte, so ist gewissermaßen ein indirekter Ring
amerikaniſch-hamburgischer Wirtschaftsbeziehungen entſtanden. Die Run
dung des Ringes gelangte darin zum Ausdruck, daß Cuno als General
direktor der Hapag in deren Interessengemeinschaft mit Harrimann und
Mar Warburg als Hamburger Bankier dem Aufsichtsrat der Deutsch-Ame=

22
rikanischen Petroleumgesellschaft angehört haben, bzw. wieder oder immer
noch angehören. Als Cuno im November 1922 Reichskanzler wurde, ſchied
er nicht nur aus der Hamburg-Amerika-Linie aus, sondern er hat mit
Selbstverständlichkeit auch seine sämtlichen Aufsichtsratsposten niedergelegt.
Erst lange nach seinem Rücktritt vom Reichskanzleramte wurde er wieder
in der Deutsch-Amerikaniſchen Petroleumgesellschaft zum Vorsitzenden des
Aufsichtsrates ab 1. August 1924 gewählt.
Nicht nur unterscheidet ſich die Bedeutung der Hamburg-Amerika-Linie
mit dem Gewicht ihrer selbständigen Wirklichkeit in einem weiten Abſtande
etwa von der Compagnie Standard Franco Americaine, die mit amerikani
schem Gelde gegründet wurde, ſondern auch das Haus M. M. Warburg
& Co. ist keine eigentliche „ Standardbank“, wie die Banque des Paris et
des Pays -bas. Im Hamburger Ölgeschäft unterhielt es als Bankverbindung
und durch Dr. Friß Warburg zugleich andere Beziehungen (Stern-Sonne
born), die seit 1924 in einer Richtung der Koninklijke-Shellgruppe laufen.
Daher ist es falsch, die Hamburger Wirtſchaftsverhältniſſe nach franzöſiſcher
Weise in einer rein ſtandardmäßigen Orientierung aufzufaſſen oder ſie viel
leicht gar als einen ſich ausbreitenden deutschen „ Konzern“ der erweitern
den Standard, als vordringenden Träger ihrer Macht und ihres Einfluſſes
zu deuten. Während die Standard Franco Américaine eine politische Grün
dung war, hat das Vorhandensein der Deutſch-Amerikaniſchen Petroleumm
gesellschaft die deutsche Politik nicht beeinflußt. Umgekehrt iſt es falsch, in
der Gruppe Kuhn-Loeb die Neuyorker Niederlaſſung einer zuleßt deutsch
empfindenden und nach deutſchen Geſichtspunkten handelnden Bankrichtung
zu erblicken !
Sofern für Frankreichs Abgleiten im Orient der Ruhrkampf gewiſſer
maßen eine Vorausseßung in den Machtverteilungen war, kann dahin
gestellt bleiben, ob und wieweit die neue Standardpolitik einer britiſch
amerikanischen Vereinbarung über Mesopotamien und die Kurspolitik der
Bankgruppe Kuhn-Loeb wechſelweiſe aufeinander eingewirkt haben mögen.
Sollte etwas derartiges vorliegen, so hätte die Kurspolitik der Bankgruppe
Kuhn-Loeb auf dem Umwege über die Ruhrfrage einen vermittelnden Bei
trag zur Herbeiführung des Gentlemens Agrement in der meſopotamiſchen
Ölfrage geleistet. Sofern aber die Lauſanner Politik Englands einen von
den britischen Ölgruppen verkörperten wirtſchaftspolitiſchen Charakter hatte,
kann man immerhin darauf schließen, daß hinsichtlich der Markſtüßungs
aktion eine Parallelität der Einstellungen zwiſchen dem amerikaniſchen Hauſe
Kuhn-Loeb und Teilen der Londoner Finanz eingetreten ſein dürfte.

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Was heißt das ? Es heißt, daß die angelsächsische Wirtſchaftspolitik,
die das drohende Versagen unserer Kräfte bemerken mochte, im Hinblick
auf die aufblinkenden Erträge der Konferenz von Lauſanne eine langſame
Liquidation des Ruhrwiderstandes beschloß. Das deutſch - amerikaniſche
Kreditabkommen, das nur auf drei Monate getroffen worden war, lief
demnächſt ab; und vorläufig ſchien es nicht mehr nötig, die franzöſiſchen
Energien zu fesseln. Ein bei den deutschen Stellen vielleicht vorhanden ge
wesener Glaube, ſich grundsäßlich auf amerikaniſche Unterſtüßung verlassen
zu können, wäre für den Fall, daß sie mit einer entsprechenden Börsen
politik in Neuyork bewußt gerechnet haben sollten, ſchmählich getäuscht
worden. Die Form der Liquidation sollte die Umwandlung der Entschädigungs
frage, auf die man das Problem des Ruhrkampfes zurückschob, in eine
Frage der internationalen Privatwirtſchaft ſein und das dauernde Ergebnis
dieser privatwirtſchaftlichen Internationaliſierung ſollte eine Überleitung der
deutschen Volks- und Staatswirtschaft in die Hoheit und Nußnießung
fremder Finanzmächte werden.
Neben dem Hause „ Kuhn, Loeb and Co.“ und der mit ihm arbeitenden
,,International Acceptance Bank“ (Paul Warburg) sind in der neueren
Zeit für die Neuyorker Firmen ,,Blair and Co.“, „ Chaſe Securities Corpo
ration“ und „ Dillon, Read and Co.“ Beziehungen zur Standard-Gruppe
nachweislich geworden. Besonders die Bank Dillon, Read and Co. trat
unter der energiſchen Führung von Clarence Dillon seit dem Kriege lebhaft
hervor. Clarence Dillon pflegte in seinen Anfangsjahren ſeit 1914 perſön
liche Verbindungen mit Jacob Schiff, dem früheren Leiter des Hauses
Kuhn, Loeb und Schwager Paul Warburgs. Für die Standard Oil Co. of
California hat die Dillon-Bank in der jüngeren Zeit eine Anleihe-Trans
aktion von 25 Millionen Dollar ausgeführt. Die Beziehungen von Blair
and Cò. und der Chaſe Securities Corporation gehen hauptsächlich über die
Standard Oil Co. of Indiana. Bezeichnet man in Amerika die eigentliche
Erdölgruppe der Standard mit einem Spißnamen als „ Octopus“ (d. i. als
den mit Fangarmen versehenen Polyp), ſo nennt man dieses geſamte Be
ziehungsgebilde von Erdöl, Eiſenbahnen, Schiffahrt, Mineral-Induſtrie und
Bankwesen, wozu z. B. auch Straßenbahnen und Gas und Elektrizitäts
anlagen kommen, mitunter die ,,Standard-Oligarchie“.

Die Börsenrivalität zwiſchen Kuhn, Loeb und ihren Verbindungen zur


englischen City gegen Morgan und seine franzöſiſche Politik tritt von Zeit

24
zu Zeit immer wieder hervor. Andererseits laufen noch Verbindungen
zwiſchen der Wall Street und der City über die Verschwisterung des Lon
doner Hauſes I. H. Schroeder & Co., durch das jüdiſche Neuyorker Haus
Speyer & Co., das als Ableger der britiſch-europäischen Rothschildrichtung
gilt. Und Kahn spielt hier eine führende Rolle!

So nimmt Otto H. Kahn an der Entwicklung des Hauſes Kuhn, Loeb


& Co. einen hervorragenden Anteil; er kann auf eine faſt dreißigjährige
Lätigkeit in der Firma zurückblicken. Er ist am 21. Februar 1867 zu Mann
heim geboren. Sein Vater hatte wegen Teilnahme an der Revolution im
Jahre 1848 nach Amerika fliehen müſſen und konnte erst zehn Jahre später
als naturaliſierter ,,Amerikaner" in seine alte Heimat zurückkehren. Er nahm
nach seiner Rückkehr ſeinen Wohnſiß in Mannheim, wo Otto Hermann ſeine
Erziehung erhielt. Nach Beendigung seiner Studien machte der Sohn eine
Lehrzeit im Bankfach durch und war später fünf Jahre bei der Filiale der
Deutschen Bank in London tätig. Im Jahre 1893 ſiedelte er nach Neuyork
über, um bei der Firma Speyer & Co. einzutreten, und endlich im Jahre
1897 wurde er Teilhaber der Firma Kuhn, Loeb & Co., der er heute noch
angehört. Als Mitglied seiner Firma kam er in den Vorstand mehrerer
großer Eisenbahn- und Truſtgeſellſchaften, von denen als bedeutendste die
Los Angeles und Salt Railway Co., die American International Corpora
tion und beſonders die Equitable Trust Co. zu erwähnen wären.
Kahn genießt großes Ansehen als „ Sachverständiger in Finanzfragen“,
namentlich in Frankreich und England ist sein Rat sehr geschäßt; oft wurde
er ſchon zu größeren Wirtſchaftskonferenzen zugezogen, um seine Ansichten
über aktuelle Probleme darzulegen. Bekannt ist auch seine publizistische
Tätigkeit auf diesem Gebiete; sein Hauptwerk führt den Titel „ Die Ver
einigten Staaten und die großen finanziellen Probleme“.
In weiteren Kreiſen ist Kahn populär geworden durch großzügige
Förderung" der freien Künste, insbesondere auf dem Gebiete der Musik. Er
hat sich ,,bedeutende Verdienste" erworben um die Entwicklung amerikani
ſcher Opernunternehmungen und beeinflußt eine Reihe großer Bühnengeſell
schaften, so der Metropolitan Opera Co., der Boston Opera Co. und vieler
anderer. Er ist Ehrenpräsident der Königlichen Oper und des Covent Gar
den in London. Sein Sohn hält sich im väterlichen Hauſe eine eigene Jazz
kapelle und spielt sechzehn Instrumente. Besonders große Vorliebe hegt der
Bankier für französisches Wesen und franzöſiſche Kultur. Er ist einer der

25
Hauptträger franzöſiſch-amerikaniſcher Freundschaftsbeziehungen, die er in
jeder Weiſe fördert. Auf wirtſchaftlichem Gebiete ,,verdankt“ ihm Frankreich
eine Reihe bedeutender Anleihen, die durch seine Vermittlung zustande
kamen ; zu erwähnen wäre hier neben Anleihen der Stadt Paris namentlich
die große Anleihe der Städte Bordeaux, Lyon und Marſeille über 60 Mil
lionen Dollar im Jahre 1916, die zur Finanzierung der Anforderungen des
Krieges dienten. Nach dem Kriege hat er seine Freundschaft für Frankreich
besonders durch Förderung franzöſiſcher Kunst und Künstler bewiesen.
Kahn war einer der ersten, der kurz nach dem Ausbruche des Welt
krieges eine ausgedehnte Propaganda entfaltete, um die Vereinigten Staa
ten zum Eintritt in den Krieg gegen Deutſchland zu bewegen. Er gibt an,
erst ,,nachschweren inneren Kämpfen", zu seiner Haltung gekommen zu ſein.

Alſo berichtet die objektive Geſchichtsſchreibung unſerer Tage über einen


der einflußreichsten Wall-Street-Bankiers, der nicht nur Deutschland,
Frankreich und Amerika mit Sympathie zugetan iſt. Er „ intereſſiert ſich“ auch
für andere Länder und ihre Schicksale. Man erinnere ſich des vor kurzer Zeit
tobenden Freiheitskampfes der Rifkabylen. Damals , als dieſes tapfere
Bergvolk seine Heimat Schritt für Schritt mit der rauchenden Flinte in der
Faust verteidigte, meldete „ Echo de Paris “ aus London, daß der Bankier
Otto Kahn sich in London aufgehalten und bei dieser Gelegenheit auch mit
der holländischen Firma Müller verhandelt habe. Nach dem Blatte hätten
damals Verhandlungen zwischen der Rifregierung und den engliſchen Finanz
leuten stattgefunden, die sich auf die Gewährung von Minenkonzessionen
bezogen. Dem Staatsschah der Nifregierung sei damals eine Million Pfund
Sterling zugeflossen. Infolge des Konflikts mit Frankreich seien dann die
Verhandlungen unterbrochen worden. Die Entwicklung der Verhältniſſe in
Marokko ging schließlich soweit, daß das Fell des Bären schon verteilt
wurde, ehe er erlegt war. Im Frühsommer des Jahres brachte auch die
gesamte deutsche Presse eine diesbezügliche Nachricht. Das anglo-ameri
kanische Konsortium, unter Führung von Otto Kahn, habe den ganzen
Mannesmann - Besih in Spanisch-Marokko erworben. Der Grund
der Abstoßung dieser Besizungen der Brüder Mannesmann ſei darin zu
ſuchen gewesen, daß eine ersprießliche Tätigkeit infolge der dauernden Un
ruhen und politiſchen Störungen in diesem Gebiet nicht möglich erſcheint.
Es handelte sich um ein sehr erhebliches Objekt, das Zink-, Schwefel- und
andere Bergwerke, sowie Kulturländereien umfaßte.

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Dieses Vorgehen Kahns erinnert von weitem an seinen oben zitierten
Ausspruch vor Franzosen, die bald andere Kanonen, die Kanonen der
Sieger hören würden. Und auch das geniale Wortspiel mit dem „ Einpökeln“
wäre hier mit leichter formaler Abänderung anzuwenden geweſen, wie viel
leicht sogar anläßlich seines leßten lebhaften Interesses für eine Reviſion
des Dawesplanes . Man könnte dafür etwa die Form ,,Can the Germans“
vorschlagen! Aber bis zur Verwirklichung ähnlicher menschenfreundlicher
Absichten, das deutsche Volk betreffend, dürfte es doch noch eine kleine
Weile anstehen! Jedenfalls handelte es sich vorerst um eine Erweiterung
der Daweslaſten nach Kahns Vorſchlägen, über welche die Gerüchte nicht
mehr zur Ruhe kommen wollten.

Zwar mochten seine Absichten, mit denen er sich das lezte Mal in
Deutschland und Europa herumtrieb, wie immer, rein , künstlerische“
gewesen sein. Ja, um seine Unschuld zu beteuern und zu versichern, daß er
höchstens zu dem Zweck nach Berlin gekommen sei, um die Hände ſeines
Schwagers Deutsch zu drücken, die wohl von rauher Dawesarbeit schwielig
und hart geworden, um dem Dawesdeutſchen ins treue, sanfte Auge zu
blicken, wurde die amtliche Dementiermaſchine in Bewegung gesezt und
gab folgende „ Erklärung“ von ſich :
„ Zu den weiteren Meldungen über Pläne zur Erweiterung des Dawes
planes wird an zuständiger Berliner Stelle erklärt, daß Reichsaußenminiſter
Dr. Stresemann den Neuyorker Bankier Kahn zwar empfangen habe, daß
aber weder an die Reichsregierung noch an einzelne Mitglieder der Reichs
regierung in irgendeiner Form derartige Pläne herangetragen worden seien.“
Als ob man zu den Machenschaften der Hochfinanz irgendeine Regie
rung nötig hätte oder nur auch beiziehen wollte, und besonders eine deutſche
Regierung ! Als ob man dieſe fragen wollte, was sie dagegen hätte, die
Reichspost ähnlich wie die Reichsbahn zu Tributleistungen heranzuziehen,
die Industrie erneut zu belasten, Tabak, Zucker, Alkohol und Bier zu monó
polisieren und mit neuen erdrückenden Abgaben zu belegen ! Als ob die
Emissäre der Dreihundert sich um das Einverständnis einer deutschen Re
gierung kümmern würden, nachdem der Plan von der Wall Street, Parker
Gilbert, Morgan, Schacht und Goldschmidt ſchon durchgearbeitet und in
ganz bestimmte Form gebracht worden sein soll. Auch das Londoner Ab
kommen und der Dawesplan ſind nicht von Regierungen gemacht worden,
ſondern von Bankiers ! Die Regierungen hatten lediglich zu unterſchreiben!

27
Zur Entlastung des Reichsetats, der im Regelfall mit 1250 Millionen
Mark belastet ist, sollten, so war ,,geplant“, 250 Millionen Mark aus
geſchieden und anderweitig eingebracht werden, ſo daß der Etat laufend „ nur“
mit 1000 Millionen belastet bleibt. Es sollten aus dem Etat 1927/28 200
Millionen, aus dem Etat 1928/29 weitere 50 Millionen abgelastet werden.
Dieſe 250 Millionen ſollten folgendermaßen aufgebracht werden. Es ſollte
zunächst eine Verstärkung der Induſtrieobligationen um 1250 Millionen
Mark stattfinden mit dem Ertrage von jährlich 75 Millionen Mark, ſo daß
insgesamt die jährliche Induſtrielaſt von 300 auf 375 Millionen Mark
steigen würde. Weiter sollte eine Belastung der Reichspost stattfinden, wobei
die Frage noch offen stand, ob diese unter Umwandlung der Reichspoſt in
eine Aktiengesellschaft mit einem Aktienkapital von 5 Milliarden Mark oder
ohne diese Umwandlung „ lediglich" unter Auferlegung einer Obligations
last nach dem Muſter der Induſtriebelastung geschehen sollte. Aus der Poſt
belastung wurde für 1927/28 ein Betrag von jährlich 100 Millionen Mark,
für 1928/29 ein Betrag von 150 Millionen Mark erwartet. Die restlichen
25 Millionen Mark sollten erbracht werden durch eine Mehrbelastung von
Labak, Zucker, Alkohol und Bier, wobei für Tabak und Zucker die Ein
richtung eines Monopols vorgeſehen war.
Dieses neue ungeheure Opfer, welches dem Dawesmoloch, dem un
erſättlichen Rachen der Hochfinanz damit gebracht würde, konnte auch der
„ Vorwärts “ nicht dementieren. Er mußte in Nr. 179 zugeben, „ daß
Deutschland Monopole für Tabak und Zucker einführen, das Spiritus
monopol erweitern, die Reichspoſt in eine Aktiengeſellſchaft verwandeln und
das Verkehrsmonopol ausbauen sollte. Die Regierung stritt alles ab, wir
betonten, daß aller Wahrscheinlichkeit nach die Meldung durch eine Indis
kretion der vom Rechtsblock geförderten reaktionären Beamten in die
Rechtspresse gelangt ist. Jezt stellt ſich heraus, daß der amerikaniſche Groß
bankier Kahn, der dieser Tage in Berlin geweſen iſt, tatsächlich solche Vor
ſchläge gemacht und in einem Brief dem Reparationsagenten unterbreitet
hat. Die Vorschläge gehen davon aus, daß Deutſchland ſeine Jahresleiſtungen
nicht zahlen kann. Ihr genauer Wortlaut ist nicht bekannt“.
Das Blatt machte dann für seinen Raſſegenossen Kahn und deſſen
neuen Ausſaugungsplan Stimmung. In Deutſchland müſſe „ ſtarkes Inter
eſſe“ an diesen „ Vorschlägen“ bestehen. Kahns Pläne bedeuteten ja eine
„ Erleichterung“, eine Reviſion des Dawesplanes !
Der Vorwärts “ brachte also den traurigen Mut zu dieſer beiſpiel
losen Behauptung auf, daß der neue Würgegriff an die Kehle der schwach

28
atmenden deutschen Volkswirtschaft eine " Erleichterung“ bedeutete. Eine
„ Erleichterung“ allerdings insofern, als die Agonie, in der sie seit den
Lähmungserscheinungen durch das Dawesdiktat liegt, unheimlich rasch ab
gekürzt würde.
Der ,,Vorwärts " und mit ihm die ganze Schar der Wall Street-Anhänger
war wütend darüber, daß die Öffentlichkeit in Deutschland Kunde von
dieſem geplanten neuen Attentat auf das Leben des deutschen Volkes er
halten hatte, ehe die leßten Vorbereitungen beendet waren. Die Zündſchnur,
schon in Brand geseßt, versagte und erlosch, wenigstens für den Augen
blick. Im ganzen deutschen Volk aber hätte sich ein Sturm erheben müſſen
gegen dieſe neuen Vernichtungspläne der Hochfinanz und ihrer Hinter
leute, von denen O. H. Kahn einer der infernaliſchſten Dunkelmänner
ist. Daß dieser es überhaupt wagte, sich eine Stunde auf deutschem Boden
aufzuhalten, daß er das überhaupt konnte, ist allein schon ein Beweis
dafür, wie tief Deutſchland gesunken iſt !

29
Eine merkwürdige Stabiliſierung.

Löwenstein und der belgische Franken - Der große


Elektrotrust Dreyfus und die Kunstseiden industrie
- Ein mitteleuropäischer privater Eisenbahn konzern ?

Dem belgischen Franken ist es seit Jahr und Tag nicht recht viel besser
gegangen als dem franzöſiſchen. Pläne über endgültige Stabiliſierung, Ein
führung der Goldwährung und ähnliches tauchten auf, verschwanden wieder
in der Versenkung, tauchten wieder auf. Da mit einem Male, gegen Ende
des Jahres 1926, schien die Sache endgültig ins Rollen zu kommen. Es
rauschte im ganzen internationalen Blätterwald, daß ein bedeutender
Finanzier, Löwenstein, die belgische Valuta stabilisieren wolle. Die
Belgier sollten 50 Millionen Dollars erhalten, vollkommen zinsfrei, auf
zwei Jahre, und nach Ablauf dieser Frist in Papierfranken zurückzahlen.
Dieses Angebot war geradezu beiſpiellos. Aus ihm sprach greifbar deutlich
die „ reine ſympathische Menschenfreundlichkeit eines Idealiſten“. Andere Ge
währsleute wollten zwar wissen, daß die Bedingungen dieser Stabilisierungs
anleihe alles weniger als ſelbſtlos geweſen ſeien ; Löwenſtein hätte im Falle
des Gelingens in kürzester Zeit 20 Prozent damit verdient.
Jedenfalls war die Wirkung dieses offiziellen, wenn auch etwas ſelt
ſamen Angebotes geradezu ſenſationell. Mit einem Schlage rückte der Name
eines bisher kaum genannten Mannes in den Mittelpunkt der einſeßenden
Pressekampagne.

Löwenstein ist als Sohn eines kleinen Bankiers geboren ; ſein Großvater
soll aus Deutschland ausgewandert sein. Der berühmte Enkel, heute fünfzig
Jahre alt, lebt seit fünfzehn Jahren auf Schloß Melton Mowbroy in
Leicestershire in England, ſtill, zurückgezogen. Er liebt, wie berichtet wird,
sein Vaterland, gemeint ist wohl England, über alles. Es gibt, wie die
Blätter anläßlich der Belgieranleihe erzählten, in der ganzen Welt kein

30
großes Finanzmanöver, an dem Löwenstein nicht beteiligt wäre; aber immer
durch Mittelspersonen gedeckt und der breiteren Öffentlichkeit durch eine
meisterhaft geschickte Regie entrückt. Eine Armee von Agenten reist für ihn
in der Welt herum, in jeder Hauptstadt ſizt ein Botschafter, ein Gesandter
dieses geheimnisvollen Finanzfürſten.
Als die Belgieranleihe ſpruchreif war, hielt sich Löwenſtein gerade in
Biarriß, dem berühmten Weltbad, wo seit Jahrzehnten dunkle Politik ge=
trieben wird, mit einem großen Stabe auf. Er hatte sich in sieben Villen
eingemietet, machte einen Abstecher nach Barcelona ; benußte aber mit
seinem zahlreichen Personal, das meist aus Engländern besteht, zu allen
Reisen Flugzeuge, da in seinen Kreiſen das Auto als ein veraltetes Trans
portmittel angesehen wird und Eisenbahnen für einen Finanzfürsten von
der Bedeutung Löwensteins noch weniger in Frage kommen.
Was seinen menschenfreundlichen Plan betraf, die belgiſche Valuta vor
dem Versinken zu retten, so berührte daran doch manches recht eigenartig.
Er trat mit dem Privatsekretär des belgischen Kriegsministers in Verbin
dung ; die Regierung gab daraufhin bekannt, daß sie keine offiziellen Vor
schläge erhalten habe. Auf die Frage eines Vertreters der ,,Daily Mail“,
warum Löwenstein nicht nach Brüssel fahre um dort seine Vorschläge zu
unterbreiten, erklärte dieser, er hätte es nicht nötig, wegen einiger zehn
Millionen Pfund nach Belgien zu fahren. Wenn die Regierung in Neuyork
verhandle um dort Gelder zu wucherischen Säßen zu leihen, so könne ſie
ihm auch einen Vertreter schicken !
Die ganze Angelegenheit kam aber nicht recht von der Stelle. Die Mehr
zahl der belgischen Blätter machte schließlich kehrt, nur die beiden führenden
Blätter der Hauptstadt wankten nicht. Zwiſchen Brüſſel, Biarriß und Bar
celona ſchwirrten unentwegt Interviews, Telegramme, Funkmeldungen.
Schließlich traten auch die beiden großen Blätter einen vorsichtigen Rückzug
an, leisteten sich aber für ihren Favoriten noch eine vollendete Ehrenrettung:
Herr Löwenstein ſei von seinen Freunden im Stich gelassen worden und er
sei einem Kartenspieler zu vergleichen, der, als das Spiel beginnen soll,
alle Trümpfe für einen glatten Sieg in der Hand hat, aber seine Karten
zurückgeben muß, da sich herausstellt, daß beim Verteilen falsch gegeben
worden ist!

Das Roulettespiel um die Stabiliſierungsanleihe, welches schließlich


geräuschlos eingestellt wurde, bekam seinen tieferen Sinn erst, wenn man
die übrigen Geschäfte Löwensteins betrachtete. Seit langer Zeit war er

31
daran, vier große Wasserkraftgeſellſchaften, und zwar die brasilianische
„Light and Power Co.", die merikaniſche „ Light and Power
Co.“, die „ Mexico Tramway Co.“ und die „ Barcelona Trac
tion, Light and Power Co. " zu einer großen internationalen Ge
ſellſchaft zuſammenzuſchließen, der nachher auch Firmen anderer Branche
angeschlossen werden sollten. Die Verhandlungen wurden von der belgiſchen
Finanzierungsgesellschaft „ Sidro“, einem Löwenſteinſchen Unternehmen,
geführt, das gleichzeitig auch noch mit kanadischen Elektrizitätsgesellschaften
in Unterhandlungen stand.
Löwensteins Bestrebungen zur Fusionierung der internatio =
nalen Elektrowirtschaft wurden von einem Teil der Weltpreſſe
stark vorwärts getragen. Das „ Algemeine Handelsblad“ berichtete von ab
schließenden Transaktionsverhandlungen, an der General Electric
Company, Royal Bank in Kanada, die Insull - Gruppe in
Chicago und die Robert Fleming - Interessen in England beteiligt
waren. Wie in Börſenkreiſen verlautete, sollte diese Fuſion die erſte Etappe
eines Welt-Elektro-Trusts bilden. Der Zusammenschluß mit der deut
schen Elektro - Industrie, der bereits weiter vorbereitet sei, als es
den Anschein habe, könne nicht mehr allzu lange auf sich warten laſſen. In
die große Fusion sollten ferner mit einbezogen werden die europäischen
Elektrizitätsinteressen Löwensteins, die oben erwähnten der General Electric
angehörenden Unternehmen in den Vereinigten Staaten, die Holt-Beteili
gungen in Kanada.
Löwenstein führte durch seinen Unterhändler und Partner James Dunn
wichtige Verhandlungen mit kanadischen und U.S.A.-Elektrizitäts-Inter
essenten. Dunn ist einer der Hauptinteressenten an der Barcelona
Traction Light & Power Company, Toronto-Barcelona. Ihr
gehören alle Anteile und Schuldverschreibungen der „ Ebro Bewäſſe -
rungs- und Kraftgesellschaft“, außerdem die Ferrocaril
les de Cataluna“ und die „ Energia Electrica de Cata
luna“. Gelegentlich der Errichtung der Algoma Steel Corporation trat
Dunn in enge Beziehungen zu dem Torontoer Finanzier E. R. Wood und
zu R. Fleming, London. Leßterer wird als Hintermann der Inſull Brothers,
Chicago, der Kontrollfirma zahlreicher Elektrizitätswerke, angesehen. Löwen
stein steht ferner in enger Verbindung mit der International Uti
lities Corporation in den Vereinigten Staaten. Die International
Utilities hat sich erst vor kurzem noch bei der Western Canadian beteiligt.
Der Versuch, die British Columbia Electric-, die Winnipeg

32
weht

‫ور‬
‫ار‬
ox .

D. H. Kahn
Electric- und die Manitoba - Gruppen in ihren Machtbereich zu
ziehen, mißlang. Die Winnipeg Electric ſowohl als auch die Manitoba Elec
tric gingen an die Power Corporation auf Canada.
Löwenſtein kontrolliert durch die Societe Internationale d'Energie Hy
dro-Electrique (Sidro) bereits die Barcelona- und wahrscheinlich auch die
Brazilian Traction-Gruppe. Die Sidro, die ihren Siß in Brüssel hat, ist
im März 1926 zu dem Zweck der Beteiligung an der Barcelona Traction
Co., der Meriko Tramway Co. und Merican Light an Power Co. gegründet
worden. An allen diesen Gesellschaften besißt sie maßgebende Beteiligungen.
Außerdem finanziert sie zahlreiche Transportunternehmungen und eine
ganze Reihe von Gesellschaften, die mit der Transportinduſtrie zuſammen
hängen.
Es ist bekannt, daß ſich bei dieſem ſeinem Versuch, eine Holding
gesellschaft zu gründen, aus den Unternehmungen selbst ein starker Wider
stand gegen Löwenstein entwickelt hat. Bei der Sidro wandte sich gegen ihn
die an ihrer Gründung beteiligte Sofina (Societe Financiere de Trans
porte et d'Entreprises Industrielles in Brüssel) in Verbindung mit der
Chade (Compania Hispano-Americana de Electricidad in Madrid) ; es ge=
lang dieſen beiden, ihre Intereſſen bis zur abſoluten Mehrheit zu verſtärken
und ihn matt zu sehen. Er verkaufte ſchließlich sein eigenes Paket an die
Gegner, man sagte, ziemlich billig. Auch bei der Brazilian drang er nicht
durch. Die Verwaltung erließ eine Warnung an die Aktionäre mit der Wir
kung, daß offenbar nur ein kleiner Teil das Angebot auf Umtausch ihrer
Aktien in solche der damals geplanten Holding-Gesellschaft oder auf Bar
verkauf annahm.
Löwenstein wollte seine Intereſſen in Latein-Amerika weiter ausdehnen,
und zwar auch über die Pearson - Gruppe. Die Unternehmungen dieſer
Gruppe sind über ganz Südamerika verbreitet. Er war bestrebt, auch die der
Pearsongruppe angehörenden Gesellschaften in Spanien und Südamerika
in das neue Riesengebilde mit einzubegreifen. In die Erscheinung trat er
ferner als Leiter der Cellulose Holdings and Investment Co.
Ltd. in London, die 1922 zur Finanzierung der Britiſh Celanese
Co. gegründet wurde und ihren Namen änderte in International Holdings
and Investment Co. Ltd. und Kapitalerhöhung beschloß.
Löwenstein bot für die Holdinggeſellſchaft der F a brique des Soie
Artificielle de Tubic einen Kredit von Lst. 1 Million an zum Bau
einer Kunstseidenfabrik in Belgien. Er erwarb ein erhebliches Paket Tubize
Aktien und bot in Paris und Brüssel den Aktionären der Tubize den Um

3 33
tausch ihrer Aktien im Werte der Internationalen Holdings und Investment
Co. an. Aber in lezter Zeit scheint dem Herrn auch hier nicht mehr alles
nach Wunsch gegangen zu sein. Verschiedene Versuche, seinen Einfluß bei
beiden Gesellschaften zu stärken, gingen zu diesem Zweck einmal auf ihre
Vereinigung, das andere Mal auf ihre Veruneinigung aus, blieben aber
nunmehr, wie alte Finanzblätter meldeten, die um das Vordringen des
Parvenü in Sorge waren, erfolglos. Bei der englischen Gesellschaft hat der
leitende Direktor und Inhaber der Patente, Dr. Henry Dreyfus, auf
Grund inzwischen aufgekaufter Majorität, die Vertreter der Löwensteinschen
Holding-Gesellschaft aus der Verwaltung abberufen laſſen. Bei der Tubize
gelang es Herrn Löwenstein ſelbſt i. V., die Majorität in die Hand zu be=
kommen, obwohl die Verwaltung sich dagegen wehrte. Nun hat er aber
diese Majorität abgegeben an eine Gruppe unter Beteiligung der Societe
Generale und des Konzerns Solvay. Es bleibt dunkel, ob dahinter etwa
noch Beziehungen zu der engliſch-ſchweizerischen Gruppe Dreyfus bestehen,
die mit der Tubize unter Löwensteins Herrschaft auch Patentstreitigkeiten
bekam. Damit bleiben die Bestände immerhin in der Familie, der größeren
Familie sozusagen, der Raſſe; und dieſe wird sie auch weiterhin ſo ſorgſam
hüten wie bisher, wenn sie auch einmal von der rechten Hand zur linken
oder umgekehrt gehen.

Der nahezu märchenhaft anmutende Aufschwung der Kunstseiden


induſtrie, den wir in den leßten Jahren erlebt haben, ist mit auf die starke
Teilnahme der internationalen Hochfinanz zurückzuführen. Im Jahre 1923
bezifferte sich die Kunstseidenproduktion der Welt auf insgesamt 50 300 000
Kilo, sie stieg im Jahre 1924 auf 69 700 000 Kilo und wird im laufenden
Jahre, soweit sich bisher übersehen läßt, etwa 80 000 000 Kilo erreichen.
Die Kunstseidenproduktion der Welt übertrifft heute
bereits die Naturseidenerzeugung um annähernd das
Doppelte. Deutschland, das vor dem Kriege den ersten
Plah in der Kunſtſeidenfabrikation innehatte, ist heute hinter die Ver
einigten Staaten und Italien an die dritte Stelle gerückt.
An weitaus erster Stelle stehen heute die Vereinigten Staaten
von Amerika. Sie produzieren etwa ein Drittel der gesamten Kunſtſeiden
erzeugung der Welt. Von 1923 auf 1924 haben sie ihre Fabrikation um
mehr als 50 Prozent gesteigert. Den zweiten Plaß hat Italien erobert,
deſſen Kunstseidenproduktion in leßter Zeit viel von sich reden gemacht hat.
In der italienischen Kunſtſeideninduſtrie ſind zurzeit etwa 1,5 Milliarden

34
Lire Kapital investiert, wovon allein 1 Milliarde auf die Snia Vis፡
cosa" in Turin entfällt. Die Snia Viscosa ist heute das weitaus größte
Unternehmen der italieniſchen Induſtrie. Einen deutlichen Beweis für die
gewaltige Entwicklung, die die Kunstseidenfabrikation in Italien in den
lezten Jahren genommen hat, bieten die Exportziffern. Die Ausfuhr an
Kunstseide stieg in den ersten acht Monaten der Jahre 1923 bis 1925 von
72,8 auf 348,2 Millionen Lire, sie hat sich also in den lehten zwei Jahren
nahezu verfünffacht.
Den italienischen Exportziffern zufolge haben ſich die Käufe Deutsch
lands gegenüber dem Vorjahre mehr als vervierfacht. Die deutsche Kunſt
seidenindustrie hat hier einen ihrer ernsthaftesten Konkurrenten. Eine Kon
kurrenz, die sich nach dem Inkrafttreten des deutsch-italieniſchen Handels
vertrages keineswegs vermindern dürfte, da Italien hierin dieselben niedri
gen Zollsäte wie Belgien eingeräumt wurden. Bemerkenswert ist ferner die
starke Zunahme des italienischen Kunſtſeidenerports nach Amerika. Das
ausschlaggebende Moment dürften die billigen Arbeitslöhne und die ganz
allgemein niedrigen Produktionskosten der italieniſchen Induſtrie ſein.
In Deutschland liegt die finanzielle Auswertung der Kunſtſeidenproduk
tion, deren einen Hauptposten die Strumpfindustrie bestreitet (Damen
strümpfe, Socken, Schlipse und Binder), hauptsächlich in den Händen
einiger Truſts, die ſtark von der jüdiſchen Hochfinanz geſtüßt ſind. Bem
berg gehört heute zu den am besten Verdienenden. Der Konzern hat ſich
vor einiger Zeit durch eine Art Schneeballensystem im Abſaß von Damen
strümpfen ein strafrechtliches Verfahren zugezogen.

Durch viele seiner undurchsichtigen Finanzmanöver hat sich aber


Löwenstein manchen Feind, besonders auch an der Londoner City gemacht,
so daß führende Händler des Plazes sich weigerten, seine Papiere zu han
deln. Man sah in ihm einen Finanzier vom Typ Bosel und fürchtete,
beſonders die alteingeſeſſenen Praktiker, Geſchäftsmethoden, wie ſie Par
venüs des Finanzkapitals anzuwenden pflegen.
Inzwischen wurden weitere Pläne des geheimnisvollen Mannes be
kannt. Er sollte beabsichtigen, die mitteleuropäischen Bahnen,
zunächst die tschechischen und österreichischen zu einem
großen Trust zusammenzuschließen. Die Pläne bildeten be
reits den Gegenstand lebhafter Verhandlungen in Wien und Prag. Löwen
stein war hier, wie durchsickerte, hauptsächlich französisch orientiert. Dem

3* 35
Plane sollten so lehterdings auch politiſche und militäriſche Ziele zugrunde
liegen. Als Hintermann der Löwenstein-Gruppe wurde Schneider
Creuzot bzw. die von ihm geleitete Union Europeenne indu
strielle et Financiere in Paris bezeichnet. Schneider-Creuzot kon
trolliert die Skodawerke, die größte Kriegswerkstätte der Tschechoslowakei,
ferner zum größten Teil auch die tschechoslowakische Automobilindustrie und
Eiſenindustrie, da er auch u. a. Präsident der tschechoslowakischen Berg
und Hütteninduſtrie A.-G. iſt.
Die Verpachtung der tschechoslowakischen Staatsbahnen an die Löwen
ſtein-Gruppe würde die Kontrolle der tschechoslowakischen Kriegsinduſtrie
und der Bahnen in franzöſiſchen Händen vereinigen, die Einbeziehung
Österreichs in eine Eisenbahngemeinschaft mit der Tschechoslowakei ſchließ
lich die österreichischen Bahnen unter gewisse Dispositionen Frankreichs
stellen können. Ferner besteht zwiſchen der Union Europeenne und der
Niederösterreichischen Escompte - Gesellschaft eine In
teressengemeinschaft, die sich auf die gemeinſame Behandlung induſtrieller
Geschäfte in Österreich und auf dem Balkan bezieht ; die Escompte- Gesell
ſchaft ist die der sozialdemokratiſchen Partei befreundete Bank, während
die Bodenkreditanstalt, in der ein Mittelsmann Schneiders ſigt,
mit der Koalition in Beziehungen steht.
In der Bodenkreditbank (Direktoren Sieghardt, Herzfeld, Weiner,
Bloch, Friedländer, Mauthner, Taussig, Weißenstein) iſt auch das Haus
Schröder London und die Amsterdamsche Bank vertreten. In
der Eskompte-Gesellschaft sind vertreten die belgische Banque de Bru
relles, das schweizerische Comptoir d'Eskompte de Geneve,
Frankreich mit Union Europeenne, England mit Lloyds Bank
und Hambros Bank (ihre Direktoren ſind Meran, Feilchenfeld, Kann,
Keller, Oppenheimer, Pollak-Parnegg).
Löwensteins Pläne, einen Elektrotruſt zu gründen, beziehen auch die
deutsche Elektrowirtschaft in den Kreis ihrer Bestrebungen ein.
Dabei bediente er sich einer politischen Autorität als Strohmann, des ehe
maligen franzöſiſchen Handelsminiſters Louch e ur. Anfang des Jahres
1927 ſprach dieser in einem Interview von bevorſtehenden Verhandlungen
zwiſchen den beiden großen Elektrogruppen in Deutſchland, der Siemens
Schuckert-Gruppe und der A. E. G. Damals erfolgte eine Erklärung aus
den leitenden Kreiſen der A. E. G. , die eine Einigung zwiſchen ausländischen
Elektrogruppen als möglich bezeichnete. Ob Loucheurs Reise nach Berlin
damit zuſammenhing, den beiden großen Elektrogruppen Vorschläge für

36
eine Arbeitsgemeinschaft der internationalen Elektrokonzerne zur gemein
ſamen Ausführung großer Elektroprojekte und zur Bildung einer inter
nationalen Finanzierungsgesellschaft zu unterbreiten, steht dahin. Diese
Finanzierungsgesellschaft sollte eine Dachgesellschaft darstellen, die mit
Unterſtüßung großer amerikanischer Finanzgruppen ins Leben treten werde.

Löwensteins Aufstieg wurde von der Preſſe des alteingeſeſſenen Finanz


kapitals, von allen seinen Rassegenossen, die in großer Sorge vor der
Karriere des Parvenüs waren, mit nervösem Intereſſe verfolgt. Bald nach
einigen seiner verunglückten großen Finanzmanöver hielt die „ Frankfurter
Zeitung" den Augenblick für gekommen, den Mann als sozusagen erledigt
hinzustellen. Es fragt sich nur, ob diese Darstellung zu den bekannten Ab
lenkungsmanövern gewisser an der Sache selbst interessierter Kreise gehörte.
Man hielt es offenbar für nötig, der aufmerkſam gewordenen Öffentlichkeit
eine Beruhigungspille zu verabreichen:
,,Vor dem Kriege war bankgeschäftlich in Brüſſel tätig Herr Alfred
Löwenſtein, danach kam er in London ins Finanzgeſchäft ; jeßt iſt ſein Wohn
siz Biarriz. Von allen drei Pläßen aus rückte vor knapp einem Jahr sein Name
in den Mittelpunkt internationalen Interesses durch verblüffend großzügige
Finanzpläne. Jezt können die anſpruchvollſten unter ihnen als endgültig
gescheitert angesehen werden. Das erste Aufsehen erregte Herr Löwenstein
durch ein Angebot an die belgiſche Regierung. Eine große Stabiliſierungs
anleihe ſollte, in das Gewand eines patriotiſchen Geſchenkes gekleidet, für
den Entrepreneur ein glänzendes Geschäft werden. Die belgische Regierung
nahm das Angebot nicht ernst, nur in der fremden Öffentlichkeit wurde es
viel erörtert. Mehr Aussicht auf mindeſtens teilweiſe Verwirklichung ſchien
dann ein anderer Plan zu haben, dahingehend, daß eine große Zahl indu
strieller Finanzintereſſen unter Löwenſteinſcher Führung zuſammengefaßt
werden sollte.
Im ganzen ergibt sich, daß Löwenstein alle die großen Pläne schon nach
ein paar Monaten aufgeben mußte. Offenbar hat er seine Kraft und ſeine
Gefolgschaft finanziell überschätzt. Er hat wohl dabei auch Einbußen er
litten, wenn er auch gewiß noch ein beträchtliches Vermögen zurückbehielt ;
in Reichsmark ausgedrückt, ſchäßt man dieſes im vorigen Jahre immerhin
auf eine achtstellige Zahl. Als äußeres Zeichen dafür, daß die vorjährige
Aktivität, die großenteils Werte der Brüſſeler Börſe betraf, nunmehr ab
geschlossen ist, berichtet unser Korrespondent, daß in Löwensteins Brüſſeler

37
Büro das gesamte Perſonal beurlaubt, freilich noch nicht entlaſſen ſei.
Wenn alſo im Augenblick ein unruhiges Element aus dem Gesichtskreiſe
verschwindet, so ist das doch vielleicht nur eine vorübergehende Erscheinung,
wiewohl die Möglichkeit, ja Notwendigkeit besteht, daß man aus Erfah
rungen lerne."
Es ist eine alte Tatsache, daß gewiſſen Kreiſen des eingeſeſſenen Juden=
tums ein Emporkömmling vom Schlage Löwenſteins nicht immer ſympathiſch
iſt. Es iſt aber zu bezweifeln, daß sich seine Laufbahn dem Ende zuneigt.
Er scheint jedenfalls, nach den lezten Säßen der Frankfurter Börsengazette
zu schließen, einige seiner Raſſegenoſſen etwas erleichtert zu haben. Herr
Dreyfus ist auch in die Affäre verwickelt ; Löwenſtein weiß wohl des näheren
Bescheid über die Finanzpraktiken seiner Rassegenossen. Die Auseinander
setzung zwischen ihm und Dreyfus nahm die Londoner Börſe ſenſationell in
Anspruch; eifrig wurden die Millionengewinne der internationalen Kunst
seidenindustrie bzw. ihrer Finanzmänner kommentiert.
Seit langen Jahren hat man, ſo ſchrieb aufgeregt das „ Berliner Tage
blatt“ , auf der Londoner Börſe keine solche Senſationen erlebt, wie ſie ſeit
einigen Monaten durch die Kurssprünge der Britiſh Celanese-Aktien in
rascher Aufeinanderfolge bereitet werden. Vor wenigen Tagen kam in der
City das Gerücht auf, daß die Leitung der Geſellſchaft weitgehende finan
zielle Veränderungen vorzunehmen beabsichtige, worauf die Aktien mit
einem Kurs von über 5½ Pfund einen neuen Rekord erreichten. Das neue
Kapital wird zu einem Teil zum weiteren Ausbau der Fabriken, zu einem
anderen zur Rückzahlung geringer Verpflichtungen benötigt, während
außerdem eine Barzahlung von 1,1 Millionen Pfund an die Löwenſtein
Gruppe (International Holdings Co.) geleistet werden soll, um einen Ge
winnbeteiligungsvertrag zurückzukaufen.
An sich bedeute die Ankündigung dieser Neuemiſſion keine Senſation
für die Börſe, wäre nicht gleichzeitig die Löschung des Vertrages mit der
Löwenſtein-Gruppe beabsichtigt. Denn die Kämpfe zwiſchen der Löwenſtein
und der Celanese-Gruppe um dieses Abkommen haben die Börse Monate
hindurch in Aufregung verseßt, die begannen, als die Brüder Henry und
Camille Dreyfus, nachdem sie die Aktienmajorität der Britiſh Celaneſe Co.
erworben hatten, fast sämtliche Direktoren im Juni dieses Jahres abseßten.
Am hartnäckigsten waren damals die im Vorſtand ſizenden Herrn der
Löwenstein-Gruppe, die sich durchaus berechtigt hielten, ihre Direktoren
posten im Hinblick auf den bestehenden Interessenvertrag zu halten. Vor
einigen Wochen endlich ist es zu einer Einigung zwiſchen den Gruppen ge=

38
kommen und die Zahlung der Summe von 1,1 Millionen Pfund seitens der
British-Celanese Co. bedeutet die endgültige Lösung der Frage.
Wie gewaltig die Kursschwankungen geweſen ſind, dürfte ſchon allein
aus der Tatsache hervorgehen, daß der Wert der 3,5 Millionen Stamm
aktien zu je 10 Schilling von 430 000 Pfund vor knapp Jahresfrist auf
fast 20 Millionen Pfund angewachsen ist. Der Wert des Vorzugsaktien
kapitals ist in derselben Zeit von 850 000 Pfund aufgestiegen, ſo daß sich
das Kapital der Gesellschaft in weniger als einem Jahr um eine halbe
Milliarde Mark im Wert vermehrt hat. Dies ist ein Rekord, wie er in der
Geschichte der Londoner Börse wohl nicht zum zweitenmal aufzufinden ſein
wird. Die Britiſh-Celaneſe Co., die mit der amerikaniſchen und kanadischen
Celanese Co. eng verknüpft iſt, ſtellt den größten, Kunſtſeide produzierenden
Konzern der Welt außerhalb der Glanzstoff-Courtaulds-Sniaviscosa-Gruppe
dar."
Löwenſtein, deſſen Rieſentruſtpläne nicht ganz zu Ende gediehen, hat
(nicht ohne entsprechende Entschädigung) seine Rechte an seinen Raſſen
genossen Dreyfus abgetreten. Im Reiche der Dreihundert handelt es sich
aber in solchen Fällen immer gleich um Millionenſummen ! Daß er aber
nach wie vor ausgezeichnet ,,in Form" ist, bewies die Steigerung der Kunſt
seideaktien im Frühjahr 1928 an der Berliner Börſe, die zum großen
Teil auf ihn zurückgeführt wurde und ihm ansehnliche Gewinne gebracht
haben soll.

39
Zweifelhafte Ehrenmänner.
-
Ein kranker Mann - Die „ Seehandlung“ – Faule Wech
sel - Das Hanauer Lager - Justizrat Werthauer - Die
großen Politiker -- ,,Nicht der Angeklagte, der An
kläger ist schuld !" — Die Brüder Barmat - Koryphäen
der Sozialdemokratie - Von Bauerbis Mac Donald.

Nach dem Kriege, als das alte System in Deutschland, das nie be=
sonders großes Intereſſe für das „ unerschöpfliche Genieland des dunkleren
europäischen Ostens" gehabt, endlich und mit einiger „ künstlicher Nachhilfe
ausgerungen“ hatte, begann die große Zeit der Einwanderung. Was Öſter
reich und Deutſchland hier Zuſtrom an „ wertvollem, unverbrauchtem
Menschenmaterial" erhielt, wird eine spätere Zeit erst in vollem Umfang zu
würdigen wissen. Heute steht die öffentliche Meinung noch zu sehr unter
der Beeinflussung jenes abgedankten Syſtems , das hartnäckig seine Über
lieferung, namentlich auch noch in, der Rechtsprechung fortzusehen strebt.
Nur so ist es erklärlich, daß Ehrenmänner wie die Barmats, wie Ku
tisker, Holzmann, Spritweber noch nicht die volle Würdigung
erfahren, die ihnen kraft ihrer Bedeutung und ſegensreichen Tätigkeit“
für Deutschlands Wirtſchaft zukommt. Statt deſſen reißt sie der eigene
„ ſelbſtloſe Bekennermut“ in den Strudel schwerer Strafverfahren, ihre Frei
heit, ihre Gesundheit gefährdend, während doch alles darauf ankäme, ſie
ihrem Volke noch möglichst lange zu erhalten !
Wie schwer hatte es nicht dieser , argloſe ſchlichte“ oſtiſche Jude I wan
Kutisker, ehe er, verfolgt von einem unſeligen Schicksal, krank und
gebrochen vor den Schranken eines mitleidlosen Gerichts stand ! Aus Litauen
eingewandert, ging er in Deutſchland unter die Inflationsgründer, richtete
ſich für ſeinen „ aus induſtriellen, pompös verſchachtelten Kleinigkeiten zu
sammengerafften Konzern" eine Bank in Breslau ein, stolz auf den alten

40
Adelsnamen E. v. Stein, den dieses Konjunkturdomizil trug. Er war ein
ganzer Mann, ein Mann, der immer aufs ganze ging. Dank dem Himmel
gab es in Deutschland noch einſichtige und weitschauende" Wirtschafts
politiker, die nicht zuerst der unsicheren, kranken Volkswirtschaft selbst
Staats- und Kommunalkredite einräumen wollten, sondern sie in an
erkennenswerter Großzügigkeit zunächst vertrauenswerten und begabten
Ausländern zur Verfügung stellten ! Die Deutſchen konnten nichts beſſeres
tun, als sich an die jederzeit bereitwillige Hochfinanz, an die Wall Street
zu wenden, wenn sie Gelder brauchten; diese war gern bereit und ist es bis
auf den heutigen Tag, ihnen zu entsprechenden Zinssäßen unter die Arme
zu greifen ! Eine Seehandlung, eine Post, eine Oldenburgische Staatsbank
schenkt ihr Vertrauen vor allem den großen Finanzgenies " des Ostens !
Man muß den Fall Kutisker, den Fall Barmat von einer höheren, ſagen
wir wirtschaftspsychologiſchen Warte“ aus betrachten, um zu erkennen, wie
,,undankbar“ das deutsche Volk ist, daß es die schweren Prozesse gegen so
großzügige Finanziers bis zum bitteren Ende durchführen ließ.
Kutisker war in Deutſchland nicht auf Rosen gebettet. Kaum waren die
ersten großen Stürme des Barmatſkandals verrauscht, wurde er in ein
monatelanges Verfahren verwickelt. Dazu war dieſer Mann, ein Lyp „ von
prägnanter Eleganz, repräsentativ, ganz der hochentwickelte ruſſiſch-jüdiſche
Kaufmann“, schwer krank, er litt an Arteriosklerose. Der Berichterstatter
des ,,Berliner Tageblattes “ beſchrieb den tragiſchen Eindruck, welchen dieſer
verkannte Mann vor Gericht macht:
,,Schwer hinkend, auf den Arm ſeiner Gattin geſtüßt, erscheint Kutisker
im Saal, ein gebrochener Mann. Fahlgelb im Gesicht, mit halbgeſchloſſenen
Augen. Er ſinkt zuſammen : Ohnmacht. Er erhält eine Taſſe heißen Tee und
Baldríantropfen. Nach der Pause beginnt er plößlich merkwürdig frisch und
erholt mit ſeinen Darlegungen über seine Geschäfte. Die müden verfallenen
Gesichtszüge beleben sich, der Blick, vorher erloschen, wird klar. Kleine
energische Gesten begleiten seine Worte. Das ist der Kutisker der großen
Schieberzeit, und nicht mehr der kranke Mann der gesunden Epoche ..
Mit ähnlichem psychoanalytischen Tiefblick der Referent des „ Vorwärts“:
,,Kutisker selbst macht seine Bekundungen in hartem, oftmals kaum
verständlichem Deutsch, aber in fließender Redeweiſe . . . :
„ Meine ersten Effektengeſchäfte ſind alle ganz in Ordnung geweſen . . .
Damals konnte ich Villen genug für ein paar Pfennige haben . . . Ich habe
Unglück gehabt, wenn Sie mich dafür bestrafen wollen, ſo tuń Sie es ; ſonſt
können Sie mich aber nicht bestrafen . . .“

41
Und kaum, daß dieser Kelch, der Leidensweg des Strafverfahrens, an
ihm vorüberging, mußte er sich erneut ums tägliche Brot bemühen. Seine
neue Firma, deren Stammkapital voll einbezahlt wurde, schickte sich
wieder an, wieder in den Kreis jener Wirtschaftsmächte einzutreten, die
Deutschlands ,,Wiederaufstieg garantieren“. Kutisker ,,liebte“ Deutſchland,
troh all des Unbills, das ihm widerfuhr ; denn kaum ſonſtwo fand er sicherlich
soviel ,,bestechende Naivität“, nirgends einen solchen Reichtum unge
hobener Schäße“ als hier. Wie oft hat er wohl an das Hanauer Lager
zurückgedacht, an die ungezählten Tonnen ſog. Schrotts, die man bei zweck
mäßiger Verwertung der Heeresbestände erwerben konnte!
Damals hat man die „ eminent volkswirtſchaftliche Bedeutung“ dieſes
Mannes noch geschäßt. Der „ Seehandlung“ wird er jedenfalls keinen Vor
wurf machen können, daß sie ihn nicht in jeder Weise zuvorkommend be
handelt, daß sie ihm nicht gern Millionenkredite zur Verfügung gestellt
habe. Allerdings mochte wohl auch seine „ faszinierende Persönlichkeit“ ſelbſt
mit daran schuld gewesen sein, daß Männer wie der Berliner Oberbürger
meister oder der Finanzminiſter ſich zu ihm hingezogen fühlten.
Da kam die Sache mit Holzmann. Der wußte sehr viel, er ging hin
und erzählte dieses und jenes und dachte nicht daran, in welche Ungelegen=
heiten er seinen Raſſegenoſſen damit bringen mußte. So wurden Herrn
Kutiskers und schließlich noch Herrn Barmats Konten überprüft und eine
Reihe großangelegter Sachen kam zum Vorſchein. Ist es zu verwundern,
wenn es vor Gericht bei Konfrontierung der ehemaligen Freunde zu ,,drama
tischen Szenen" kam? Daß Kutiskers Gesundheitszustand die Anwesenheit
zweier Ärzte erforderte, damit die Wissenschaft sofort in Hilfsstellung
gehen konnte, wenn der aufregende Gang der Verhandlung aufs Gebiet des
Persönlichen übergriff?
Und was hatte es schon mit den Wechseln für eine Bewandtnis ? Der
Eröffnungsbeschluß des Berliner Schöffengerichts warf den Angeklagten
Kutisker, Holzmann und Genossen vor, durch Betrug und Urkunden
fälschung bzw. Beihilfe dazu, die Preußische Staatsbank um 14,3
Millionen geſchädigt zu haben. Nach der Anklageſchrift bekam Kutisker bei
der Staatsbank einen langfristigen Lombardkredit und ein laufendes Konto
eingerichtet. Hauptsächlich wohl mit Rückſicht auf den immer mehr ſinken
den Wert der Kaufkraft des Geldes soll Kutisker die Kredite sehr bald
schon weit überzogen und eine Unmaſſe von faulen Wechseln der von ihm
aufgekauften oder gegründeten Geſellſchaften im Betrage von vielen Mil
lionen als Deckung bei der Staatsbank untergebracht und darauf Millionen

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Kredite bekommen haben. Schließlich war die Staatsbank innerhalb noch
nicht eines Jahres um 14 Millionen erleichtert.
Dazu kam noch die Affäre mit dem Hanauer Lager, wobei Ku
tisker mit Hilfe von verschiedenen Personen den Eindruck bei der Staats
bank erweckt haben soll, daß dieses Lager, das einen Wert von etwa einer
halben Million hatte, einen solchen von 10 bis 12 Millionen repräsentiere.
Ferner handelte es sich um Ausstellung eines Blankowechſels des gleichfalls
angeklagten Blau, der für eine Summe von etwa 50 Mille Schulden
Blaus frei war, von Iwan jedoch über eine Viertelmillion gezeichnet wurde
und dergleichen „ Kleinigkeiten“ mehr.
Kutisker erklärte, die Anklage beruhe auf „ absolut falschen Voraus
ſehungen“, auch über seine Persönlichkeit ſeien „ ganz falſche Darstellungen“
verbreitet. Er ſei kein Kriegsgewinnler, ſondern habe schon im Jahre 1909
in Libau als Fabrikbesißer eine Stellung eingenommen, die in Deutſchland
der eines Kommerzienrates entſpreche. Er müsse bestreiten, daß er Schul
den von 14,3 Millionen Mark bei der Staatsbank habe. Auch faule Wechsel
habe er nicht ausgestellt. Er habe auf die Erhöhung der deutschen Papier
mark immer fest gerechnet ; darum habe er durch deren Sturz sehr viel ver
loren. Auch seine Konzernunternehmungen hätten durch die Wirtſchaftskrise
schwer gelitten.
Man mußte ihm „ restlos“ Glauben schenken! Was er sagte, verdiente
die „ höchſte Beachtung"! Das deutsche Volk neigt gerade seinen größten
Männern gegenüber zu einer hiſtoriſchen Undankbarkeit ! Dies galt es im
Fall Kutisker ebenso wie im Fall Barmat durch wiederholte Beweise des
Gegenteils wenigstens einigermaßen gutzumachen !
Aber es hat ihn ein raſcher Tod in der Charitee ereilt, ihn, der es doch
mehr verdient hätte, auf Staatskosten an der Riviera ſich zu erholen, als
in der dumpfen Krankenzelle des Berliner Sing Sing seinen Lebensabend
zu verdämmern. Noch im Tode fand er nicht die gerechte Würdigung“,
die er verdient hätte. Nur wenige, sich ihm rasseverwandt fühlende Blätter
wurden seiner Bedeutung voll gerecht. Die zioniſtiſche „ Wiener Morgen
zeitung“ z. B. würdigte ſeine ,,Bedeutung“ voll und ganz, wenn ſie ihm in
Nr. 3010 ein mit ostischer Beredsamkeit geschmücktes Epitaph widmet.
,,Auf einmal war er da. War inmitten des Inflationsgetriebes in Ber
lin, Ivan Kutisker, aus irgendeinem Ort des östlichen Europa. Er speku
lierte, machte Geschäfte, auf der Straße, im Kaffeehaus, überall. War zäh,
geschickt, fleißig, hatte Glück -- mit einem Male war Ivan Kutisker reich.
Am andern Tage erwarb er die Aktienmajorität eines großen Induſtrie

43
konzerns, tauſend Arbeiter ſchufen für ihn, bald zog er in die Bankwelt ein,
war auch hier bald Herr, gebot, diktierte der Börſe, dem Wirtſchaftsleben,
und ganz Deutschland zitterte vor ihm. Sein Vermögen war so groß, daß
er ſelber nicht wußte, wieviele Millionen, Milliarden ſein Eigentum waren.
Strahlend, raſant, blendend war der Aufstieg dieſes ſchmächtigen Mannes,
der einst mittellos nach Berlin gekommen war.
Bis an einem Wintermorgen Polizeibeamte in seiner Villa erschienen
und ihn, den Bankdirektor Ivan Kutisker, verhafteten.
Was war geschehen ? Nicht viel. Kutisker stand in enger Verbindung
mit den Brüdern Barmat, den großen, großen Barmats. Und weil die
reichen, reichen Barmats die Liebhaberei hatten, mit ſozialdemokratiſchen
und republikanischen Kreisen zu liebäugeln, darum sperrte man, als Vor
spiel, ihren Freund Kutisker ein. Die Geschichte von den faulen Wechseln,
mit denen er angeblich die Staatsbank respektive die Preußische Sechand
lung hineingelegt hätte, dieses Märchen wurde von niemandem geglaubt.
Obgleich die deutsche Justiz gründlich war : Sie sperrte nicht nur Kutisker
ein, sondern auch seine Söhne und ein Dußend seiner Direktoren.“

Man sieht, diese deutsche Justiz tappte überall an falschen Figüren


herum, beschmußte die weißesten Westen ehrlichster Biedermänner und bringt
es nicht fertig, einen schlüssigen Wahrheitsbeweis beizubringen ! Und dabei
wurden noch die Staatsanwälte, welche schon über die Erhebungen gestolpert
waren, von einem gewissen Teil der Presse in Schuß genommen ! Man
höre die seinerzeitige Beweisführung eines Rechtsorganes !
,,Als er damals die Staatsbank um 14 Millionen Mark, alſo um einen
Wert betrog, für den 14 000 ungelernte Arbeiter ein Jahr lang arbeiten
müſſen, wurden die zu dem Betrug notwendigen Manipulationen in aller
Stille vorgenommen. Und nach der gleichen Methode wollten die Nußnießer
dieses Staatsbetruges eigentlich auch den zweiten Kutiskerprozeß ablaufen
laſſen; deshalb wurde nur in wenigen Zeitungen über den Berufungs
prozeß berichtet. Denn das Volk ſoll sich nicht zu oft und zu viel über ein
trägliche Betrügereien ärgern, durch die Reich, Staat oder Kommune aus
genommen werden. Es gibt da noch so viele andere Schädigungen der All
gemeinheit bei der Verwertung der Heeresbestände und Heereswerke, bei
Darlehen aus Poſtmitteln, bei der Neubautätigkeit, bei der Zinsenberechnung
und bei der Futterkrippenwirtſchaft der Funktionärversorgung zu vertuschen,

44
daß es für eine geheime Leitung der Geſchicke und Finanzen zweckmäßiger
ist, möglichst wenig über Kutiskerprozeſſe drucken zu laſſen.
Aber ein kleiner Teil der deutschen Presse war doch auf der Hut und
unterrichtete den über das Schiebertum aufgeklärten Teil des deutſchen
Volkes auch über das Drama Kutisker zweiter Teil; so stellte diese Preſſe
jezt im Gerichtssaal fest, daß kurz vor dem Ende des zweiten Kutisker
prozeſſes ſich eine einſchneidende Wendung vollzogen hatte und Aufklärung
über Kutiskers Ratgeber geschaffen worden war : Rechtsanwalt Engelbert
blieb wegen Verdachts der Teilnahme an Kutiskers Betrügereien unbeeidigt
und drei Zeugen bekundeten unter ihrem Eide, daß Kutisker unter ernſteſten
religiösen Beteuerungen der Wahrheit sein Gewissen dahin erleichtert hatte,
daß er erklärte:
Sein Rechtsberater und derzeitiger Verteidiger, Justizrat Werthauer,
habe ihm Sommer 1924 mehrfach geraten, die Preußische Staatsbank
anzusch ... Werthauer habe als Aufsichtsrat einer Kutiskerbank, der deut
schen Kreditanstalt, monatlich 6000 Mark, Werthauers Mitanwalt Engel
bert als Aufsichtsrat der Kutiskerſchen Steinbank monatlich 5000 Mark
heimlich von Kutisker erhalten ; die Beträge seien als Privatentnahme über
das Privatkonto Kutisker versteckt verbucht worden ; die gefälschte Stein
bankübersicht vom 30. April 1924, in welcher die tatsächlich überschuldete
Steinbank zum Zweck der Täuschung der Staatsbank um viele Millionen
zu günstig dargestellt wurde und durch welche die Staatsbank zum Weg
werfen weiterer Millionen an Kutisker verleitet werden sollte, sei von dem
Werthauerschen Sozius Engelbert veranlaßt ; die fingierte Forderung von
4 Millionen Mark an eine Kutiskersche Konzernfirma sei zu Unrecht in den
Status der Steinbank eingesezt worden ; wenn seine juriſtiſchen Berater
ſtändig für ihn an die Staatsbank Kreditgeſuche gerichtet hätten, ſo ſei dies
geschehen, um sich selbst daraus auch Einnahmen zu sichern ; er, Kutisker,
habe Werthauer 3 Millionen Mark zum Erwerb der Steinbank gegeben und
dann erfahren, daß Werthauer nur eine halbe Million Mark dabei für ihn
ausgelegt und den Rest von zweieinhalb Millionen Mark zu Unrecht ein
behalten habe.
Erschüttert steht der staatsbewußte Teil des deutschen Volkes vor diesen
Enthüllungen Kutiskers über die Vergeudung preußischer Staatsgelder und
über die Methoden zweier Rechtsanwälte. Das deutsche Volk erwartet die
Wiederaufnahme der öffentlichen Klagen gegen Werthauer und Engelbert
auf Grund der zahlreichen neuen Tatsachen und Beweismittel. Aber es sinnt
auch darüber nach, daß andere Tatsachen und Beweismittel zu den gleichen

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Schuldfragen in reichlichem Maß schon vor zwei Jahren dem Unterſuchungs
richter Dr. Schneider und drei Staatsanwälten Dr. Linde, Dr. Caspary und
Dr. Hölz bekannt waren. Dieſe waren von der Schuld Werthauers und
Engelberts überzeugt und wollten Anklage erheben. Aber weil wir keine
unabſeßbare und unversehbare Staatsanwaltschaft in der selbständigen
Stellung des unabhängigen Richtertums haben, deshalb wurde aus der
Anklage nichts. Vielmehr wurden die von der Schuld Werthauers und
Engelberts überzeugten Staatsanwälte durch die Justizverwaltung aus
ihrem Kampf um die Wahrheit herausgenommen und durch andere
Beamte ersetzt. Dieſe neuen Herren beantragten nach Besprechung mit ihren
Vorgesezten die Außerverfolgungssetzung Werthauers und Engelberts . Bald
danach wurden sie befördert. Der Vorgang erinnert an die Rücknahme der
Anklage, die der Staatsanwalt Gutjahr gegen Sklarz erhoben hatte. Auch
im Falle Sklarz trat ein neuer Staatsanwalt an die Stelle des anklagenden;
dieser wurde nach Naumburg verſeßt.
Was sonst noch im Falle Kutisker hinter den Kuliſſen vorgegangen ist,
konnte man aus den Schlußvernehmungen hören ; hiernach hatte Kutisker
weiterhin gesagt:
Der Rechtsanwalt Heinrich Werthauer jr. habe zu ihm geſagt, daß er,
Werthauer, nicht eher ruhen werde, als bis der Staatsanwaltschaftsassessor
Caspary und der Sachverständige des Kutiskerprozeſſes Lachmann vernichtet
ſeien; der Rechtsanwalt Herbert Fuchs habe ihm, Kutisker, geraten, doch
Werthauer und Engelbert im Interesse der Wahrheit fallen zu laſſen und
sich vor den Besuchen Werthauers in der Charite, die Kutiskers Gesundheit
durch die herbeigeführten Aufregungen gefährdeten, vorzusehen; er, Ku
tisker, hätte Werthauer als Verteidiger schon lange gehen lassen, wenn
Kutiskers Kinder nicht Werthauers Rache fürchteten.
Die Schwierigkeiten, die einer unbegrenzten Aufdeckung des Sachver
halts in den Fällen Sklarz, Barmat, Kutisker und Litwin immer und
immer wieder entgegengestanden haben, sind für den staatsbewußten Teil
des deutschen Volkes nicht mehr ertragbar. Er hat ein nicht wegzuleugnen
des lebhaftes Intereſſe daran, sämtliche Schädigungen der öffentlichen
Hand völlig aufgeklärt und den aus öffentlichen Mitteln betriebenen Staats
apparat hell durchleuchtet zu sehen. Denn er will Staatsgelder sparen und
die Wiederholung der Betrügereien unmöglich machen. Und immer und
immer wieder stehen einer restlosen fachmännischen Aufklärung Schwierig
keiten entgegen. In Sachen Sklarz entfiel der ſo notwendige Hauptver
handlungstermin durch die Rücknahme der schon eingereichten Anklage.

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Im Falle Kutisker war das Bild der Hauptverhandlung dauernd ohne
Schuld des Gerichts in den wesentlichsten Teilen begrenzt, weil Werthauer
und Engelbert nicht mit angeklagt waren. Und doch beruhte der Nimbus
Kutiskers bei der Staatsbank auf seinen Aufsichtsräten, die ihm, dem
ungeschulten und des Schriftdeutschen nicht mächtigen Mannes die Briefe
und Verträge entwarfen. Hier lagen erst die Möglichkeiten für eine Löſung
des Problems, was denn eigentlich zu dem Unheil der Kutiskerschen 14
Millionenkredite, für den das deutsche Volk heute darben muß, geführt
hat."

Hat Kutisker, dieses ,,Genie aus dem Osten“, dieſer „ primitive Menſch“,
der weder leſen nochschreiben konnte, der das Opfer der Verhältnisse geworden
ist, hat er eine solche Sprache verdient ? Müſſen wir nicht in die Totenklage
der oben zitierten ,,Wiener Morgenzeitung“ einstimmen, wenn es den
dahingegangenen Ehrenmännern noch eine Verteidigungsrede ins Grab
hält? Und die noch Überlebenden in seinen ſchüßenden Arm nimmt?
,,Die Brüder Barmat wurden eines Nachts in ihrem Schloß auf
Schwanenwerder wie ganz gewöhnliche Gauner ausgehoben und verhaftet.
Reichspostminister Höfle brachte sich um, der sozialdemokratische Reichs
minister Gustav Bauer wurde von seiner Partei chaſſiert und aller Stellun
gen enthoben. Bankiers, Beamte, Großkaufleute begingen Selbstmord, eine
moralische und wirtschaftliche Katastrophe brach über Deutschland herein.
Ungeheure Vergehen wurden den Barmats zur Last gelegt, Betrug, Be
stechung, Fälschung, bis zu den höchsten Regierungsstellen zogen sich an
geblich die Fäden, eine fieberhafte Untersuchung seßte ein.
Da stellte ein naiver Berliner Zeitungsmann die ebenso naive Frage
auf: „ Wer untersucht denn eigentlich die Kutisker-Affäre und den Barmat
Skandal?"
Und siehe da : Nicht der Reichsstaatsanwalt und nicht die Oberstaats
anwaltschaft hatten die Anzeigen erstattet, nicht die Untersuchungsabteilung
des Reichsgerichtes führte die Erhebungen und Einvernahmen ! Nein, ein
kleiner Assessor namens Hauſſermann, dieſer kleine Subalternbeamte hatte
in eigener Machtvollkommenheit Kutisker verhaften lassen, hatte die Bar
mats dingfest gemacht, er führte die Untersuchung, er, der Herr Aſſeſſor!
Nun: dieser kleine Beamte war ein Mächtiger der Deutſchnationalen, war
ein Führer der Antisemiten, und so gingen bei ihm Staatsanwälte, Richter
und Polizeioffiziere, sich tief vor ihm verneigend, aus und ein. Hauſſer

47
mann gab der Presse von ganz rechts das Untersuchungsmaterial, Hauſſer
mann befahl den Untersuchungsrichtern, Hauſſermann leitete die einsehende
――――
antisemitische Heße er, er, er, der Herr Assessor, lenkte zu dieser Zeit
die Geschicke von Hunderttausenden, die irgendwie mit den Unternehmungen
der Barmats und Kutisker in Verbindung standen.“
So nimmt sich das koschere Blatt den Staatsanwalt Kußmann vor,
dessen Name ihm offenbar ebenso nebelhaft ist, als der ganze Sachverhalt
entſtellt, und ſpricht auch die Barmats frei :
„Man hört heute nichts mehr vom großen Prozeß gegen die Brüder
Barmat. Die Untersuchung ſtockt, kommt nicht weiter : man findet nichts,
faſt nichts. Dafür steht es fest, daß die Beschuldigungen gegen Höfle haltlos
-
sind und sein Selbstmord — Mord ! Gustav Bauer, auch das ist klar, war
völlig unschuldig. Die faulen Wechsel Kutiskers waren gut. Die Staatsbank
ist nicht betrogen worden, die Preußische Seehandlung hat keinen Schaden
erlitten. Die Bestechungsaffären sind keine ――――――― was also ist eigentlich nun
geschehen ? Ach, nichts Beſonderes. Um eine Judenheße entfalten zu können,
darum wurden die gigantischen Werke und Industrien, die Banken und
Geſchäftsunternehmungen ruiniert, darum wurden tausende und aber
tauſende Angestellte und Arbeiter auf die Straße geſeßt. Hauſſermann aber
ist -
— natürlich - nach wie vor der pflichtgetreue Beamte.
Kutisker, der Jude, wurde von Gefängnis zu Gefängnis geschleppt,
von Verhandlung zu Verhandlung. Sein kranker Leib ging im Moderduft
der Zellen zugrunde, er ſiechte dahin - tut nichts ! Der Jude wird ver
urteilt !
Kutisker hat den deutschen Antisemiten einen schweren Schlag verseßt:
Er ist ihnen zu früh, um einen Tag zu früh, gestorben. Die deutsche Justiz,
die deutſchradikale Feme, hat um ein Opfer weniger, der Delinquent iſt
entflohen. Das so schön gesponnene Lügenneß ist unnüß geworden.
Kutisker war ein Jude. Er ſoll darum nicht mit einem Glorienschein
versehen werden. Er war ein Mensch. Ein Mensch mit Fehlern, mit großen
Fehlern vielleicht. Aber dieſer Menſch iſt gemordet worden, nicht mit den
üblichen Mitteln von Kolbenschlag und Schuß in den Hinterkopf. Er ist
gemordet worden von der deutschen Justiz, deren Vollstrecker ein Herr
Hauſſermann ist.“
Damit wäre also der Tatbestand um Kutisker festgestellt. Und die Bar
mats ? Wie war es doch gleich mit diesen?

48
t
Wi

‫ܛܔ‬
‫ܔܔ‬

Sigi Bosel
Das waren alſo vier Brüder ; intelligent, klug, aus einer angesehenen
Lodzer Rabbinersfamilie ſtammend, die nach Deutschland eilen, um dieſem
armen Volk zu helfen“, die soziale Frage mit ,,lösen“ zu können und den
Führern der Arbeiterschaft das schwere Leben zu erleichtern“. In der Tat
waren das auch die erſten, welche die wirtſchaftliche und soziale ,,Bedeutung“
Kutiskers und Barmats erkannten und die Größe ihrer Finanzprojekte
richtig einſchäßten. Herr Julius Barmat gewann hohe Freunde, die sich ihm
in ſelbſtloſeſter Weise zur Verfügung stellten : ein Heilmann, Richter,
Bauer, Krüger, Gradnauer, Wels, prominente Vertreter der So
zialdemokratie in Deutschland, hatten mit dem ihnen eigenen Blick für ge=
schäftliche und politiſche „ Möglichkeiten“ die ganze Genialität der neuen
Wirtschaftsführer Deutſchlands erfaßt; ja selbst die großen englischen Ge
nossen Mac Donald, Henderson und Snowden wußten Beſcheid.
Und das war gut ſo.
Die Barmats kamen als ,,reiche" Leute nach Deutschland, reich an ,,Hoff
nungen“, und all diese ,,Hoffnungen“ wurden ihnen geraubt. Was ist ihnen
geblieben? Ein paar Häuſer, einige Automobile, ein wenig Schmuck und
Brillanten, das ist alles ! Man begreift es nicht, daß die Seehandlung heute
24 Millionen Mark an Verlusten verbucht (die übrigens laut leztem Ge
ſchäftsbericht so gut wie ausgeglichen sind), man begreift die Verluste der
Oldenburgischen Staatsbank, der Reichspoſt mit 12 Millionen nicht, ·-1 im
übrigen sind es doch keinesfalls mehr als 50 Millionen insgesamt — man
begreift nicht, wie Behauptungen entstehen konnten, daß die Windjacken
und Müßen des Reichsbanners davon bezahlt ſein ſollen und machte dieſen
großen Wirtschaftsfürsten einen Prozeß!
Julius Barmat erwarb Induſtrieaktien und das war sein Nuin. Er
sündigte gegen den Geiſt ſeines Volkes. Wäre er beim Handel geblieben,
er hätte ein Castiglioni, ein Bosel, ein Michael werden können ; aber mit
der Industrie fing die Arbeit an. Die Burgwerke wurden sein Sorgenkind.
Das einzig gute daran war ſchließlich noch, daß er sagen konnte, die Staats
bank habe ihm die Aktien aufgedrängt, also sei sie letzten Endes auch an
gehalten, die Kosten zu tragen. Und dieser ihrer Pflicht wollte die Staats
bank eines Tages nicht mehr nachkommen, obwohl Barmat kaum einige
30 Millionen schuldig war.
Heute noch gibt es Leute in Deutſchland, die von einem Korruptions
ſumpf, von einer Barmatdemokratie, von Eiterbeulen am Körper der
Republik reden; die behaupten wollen, es sei noch lange nicht das schlimmste
ans Tageslicht gekommen ; die immer wieder verlangen, daß die kriminelle

4 49
Seite bei den dußenden angeblicher Skandalaffären in den Vordergrund
gestellt werden und rücksichtslose Bestrafung aller Schieber, Gauner und
Volksbetrüger vorgenommen werden müsse. Diese bedauerlichen Leute
haben nicht Schritt gehalten mit dem „ Tempo“ unſerer Zeit, ſie haben den
Sinn des Begriffes „ Demokratie“, haben ihr Wesen, ihre Form und ihren
Inhalt nicht ganz erfaßt!
Man legt heute auch in der Rechtspflege neben der kriminellen Be
handlung strafrechtlicher Sachverhalte vor allem mehr Gewicht auf die
psychoanalytische Würdigung und Kritik solcher Vorkommniſſe, die aus dem
„ Geist der Zeit“ heraus verstanden ſein wollen.
Sehen wir uns doch die beklagenswerten Gestalten jener Männer an,
welche die unerbittliche Justitia vors Tribunal gebracht hat. Das deutſche
Volk hat ein Intereſſe daran, daß die Porträts großer Wirtſchaftsführer
der Nachwelt rein und unverfälscht überliefert werden, daß ihr Charakter
bild nicht von der Parteien Gunſt und Haß verwirrt werde; daß die Be
deutung von dedizierten goldenen Zahnstochern und Schlafanzügen nicht
zuungunsten hoher Beamter in die leichte Wagschale eines allzu raſchen Urteils
geworfen werde. Denn „ Ehrenmänner“ ſind ſie alle! Wenn heute ihr Glanz
verblaßt iſt, wahrlich, das lag nicht an ihnen ! Ihre „ wahre Bedeutung“
wird aber auch vor der Geschichte bestehen bleiben ! ,,Ehrenmänner“ ſind ſie
alle! Aber zweifelhafte „ Ehrenmänner“ !

Als der Prozeß Barmats ſich nach mehrjähriger Dauer dem Ende zu
neigte, begann die gesamte Barmatidenpresse die Sprache zu verlieren, un
sicher zu werden. Man hätte nie gedacht, daß eine Strafe gegen diese ,,Mär
tyrer der Verhältniſſe“ überhaupt nur beantragt würde; daß auf Männer,
die kraft ihrer ausgezeichneten Verbindungen“ zu Reichskanzlern und
Präsidenten, Polizeichefs und Abgeordneten und dank ihrer „ Freigebigkeit“
und „ Großzügigkeit“ im „ Vermitteln “, „ Dotieren“ und „ Dedizieren“ von
Schlafanzügen, Zahnstochern in Gold, Zigarren, Porzellantellern, Delfter
Kacheln, Devisen und Effekten, eigentlich als Wohltäter Deutschlands“
bezeichnet werden müßten, daß auf solche Männer überhaupt nur der
Schatten eines Strafantrages fallen könnte. Was sollten ihre politiſchen
Freunde, die Bauer, Heilmann, Wels, Richter, Lange, Schmidt, Gradnauer,
Severing, Kuttner, Scheidemann sagen, ja, was sollten die Manen derer
empfinden, die über Judkos „ Schicksal“ und die Dauer seines ,,Marty
riums" das Zeitliche gesegnet haben, die Manen der Ebert, Höfle, Krüger,

50
die mit Photos , Pässen und Kreditvermittlungen von einigen wenigen
Dußend Millionen die Finanzpläne dieſes Lodzer Rabbinergenies ,,unter
ſtüßen“, ihm sein „ ſchweres Dasein“ „ erleichtern“ wollten, die ſich dankbar
für ausländische Lebensmittel, für Chromo-Aktien und Eisenmatthes
papiere erweisen wollten? Wozu schrieb sich denn diese rührend besorgte
Preſſe die Finger krumm, daß Judko ſogar Schwierigkeiten gehabt habe,
ſeine Kaution zurückzuerhalten, daß man ihm und ſeiner Chuzpe noch die
paar Villen, Autos und Pelzmäntel, die aus besseren Tagen verblieben,
mißgönnte, Erholungsreisen nach Aachen und Ostende mißgönnte, ſie immer
wieder in Untersuchungshaft einzog?
Man war fassungslos, daß der Staatsanwalt ,,ein strafbares Treiben“
Judkos, „ Betrug“, „ Anstiftung zur Untreue gegen die Staatsbank" ent
deckte ; daß er ein „ moraliſch verwerfliches Handeln“ dieſes oſtiſchen „ Ge
nies“ gegen Höfle, daß der Judkos ,,hemmungslosen Machthunger" ent
deckte; daß der Zentrumsheld Lange-Hegermann seine ,,verantwortliche
Stelle als Abgeordneter schwer mißbraucht“, Staatsgelder für die Ver
wendung im beseßten Gebiet zu profitablen Durchstechereien verwendet,
das Poſtministerium und die Seehandlung in betrügerischer Absicht er
leichtert habe!

Wie wäre es aber auch möglich gewesen, daß dieſe Männer eine
paragraphentrockene, mumienhaft veraltete Justiz richtig beurteilen konnte.
Die Barmats spekulierten, machten Geschäfte, zäh, geschickt, fleißig, wurden
reich, gewannen gutgepolsterte Politiker der Farben Schwarz-Rot-Gelb zu
Vertrauten, Freunden und Hausfreunden ; ſahen ſich in Beſiß von Millionen
öffentlicher Gelder; waren, wie bemerkt, eins mit ihren Gesinnungsfreunden
in Deutschland, die soziale Frage lösen zu helfen“, Arbeiterführern das
„ Leben zu erleichtern“ und dem armen deutschen Volk von seinen über
flüssigen Steuergroschen zu helfen. Gerade die Prominenten der Sozial
demokratie und des Zentrums, kesse Polizeichefs, gutgeölte Minister und
hornbebrillte Parlamentsidealiſten mit gebügelter Kehrſeite und tiefhängen
dem Hosenboden haben den Blick für die „ geschäftlichen und politiſchen
Möglichkeiten" eben rechtzeitig erkannt und pflichtbewußt Hilfsstellung
bezogen.
Es ist nicht schwer, eine Satire zu schreiben. Aber es wird noch einmal
das Buch von den Barmats und dem politiſchen Geſchäft und von Schmuß,
Verdreckung, Verſumpfung und Verlumpung der Politik in Deutschland
geschrieben werden müſſen, deſſen „ Haupthelden“ im Grunde nicht nur

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das halbe Duhend oſtjüdiſcher Schieberparvenüs ſind. Deſſen „ Charaktere“
die Liebesgabenempfänger auf der linken Seite des Hauſes ſind, die Herren
Genossen mit der offenen Hand und dem bewährten Grundſah „ Es riecht
nicht" ; die Herren mit der hochmoralischen Sozial-Atitüde und der funkeln
den Nußnießernaſe. Dieſer eigentliche Hintergrund der Tragödie, in deren
Monstreakten breitgetretene Finanzbeamte mit krummen Rücken und trink
geldgefülltem Handteller, jakobinische Phrygier, Minister, Kanzler, als
Butter-, Fett- und Specklieferungskontraktler, rote Erzellenzen mit Un
kostenkontis herumwimmeln - der Hintergrund ist ein Höllenbreughel
politischer Verfaulung. Dumpf, modrig steigt's aus der Verſaßgrube, in
der im Verweſungsprozeß der Korrumpismus eines Novemberſyſtems liegt,
zerfressen von den Maden ostischen Schmaroßertums . Nicht das halbe
Dußend ostjüdischer Schieber ſaß auf der Anklagebank, ſondern der ver
weſende, Politik und Geſchäft verſeuchende Marrismus !

Barmat hat, wie der Oberstaatsanwalt Dr. Trautmann in ſeiner großen


Anklagerede anführte, am Kriege schwer verdient, an der Inflation schwer
verdient und an der Deflation schwer verdient. Er borgte aus Staatskassen
Millionen zu 15 bis 20 Prozent Jahreszinsen und verborgte das Geld
weiter zu einem Zins bis zu 126 Prozent im Jahre. Verschiedene
Unternehmer wurden dadurch zahlungsunfähig und Barmat baute auf
diesem Wege seinen Konzern auf. Er war in Jahresfrist Inhaber eines
Riesenkonzerns von 60 Fabriken, war die erste Finanzkraft Deutſchlands,
vor der sich alles beugte, bis der Spuk verflog und klar wurde, daß dieses
„ Genie“ es lediglich verstanden hatte, ein bis dahin in der gesamten Wirt
schaftsgeschichte nicht bekanntes Schuldengebäude aufzurichten. 38 Millionen
Mark borgte er im Verlauf eines Jahres zusammen und diese Summe hätte
sich noch erhöht, wenn der Konzern nicht aufgeflogen wäre, da mit der Olden
burgischen Staatsbank und der Stadt Brandenburg Kreditverhandlungen
schwebten. Barmat hat gegenüber seinen Kreditgebern regelmäßig mit dem
Hinweis auf sein großes holländisches Vermögen manövriert. Von diesem
angeblichen Rieſenvermögen hat er nicht einen Kreuzer für die Liquidations
masse zur Verfügung gestellt, ebensowenig wie er je daran gedacht hat,
einem ſtaatlichen Gläubiger einen Pfennig Zinsen zu zahlen.
Die Genossen Wels, Bauer und Heilmann hatten Herrn Judko Bar
mat als reichen Ausländer empfohlen und zwar für Reichslieferungen und
für die Befruchtung der deutschen Wirtſchaft. Reichs- und Länderbehörden

52
waren darauf hereingefallen, noch nach Barmats Verhaftung hatte der
Reichskanzler a. D. Gustav Bauer behauptet, daß jener sich schon vor und
während des Krieges in Holland ein Weltgeſchäft aufgebaut habe und
keineswegs als armer Schnorrer nach Deutschland gekommen sei. Das
holländische Riesenvermögen der Barmats hat sich in der Tat aber als eine
nebelhafte Fata Morgana entpuppt, die nur kurze Zeit als trügeriſches
Gaukelspiel am Horizont dieses ganzen Finanzkorumpismus ſchwebte.
Dieses sogenannte holländische Vermögen ist dreimal festgestellt worden
und zwar mit ungefähr 200 000 Gulden, die Barmat niemals auch nur
zum Teil in die zuſammenbrechenden Unternehmungen in Deutſchland zu
stecken beabsichtigte. Abgesehen davon wären ſie bei seinem ungeheueren
Debet in Deutschland tatsächlich nur als ein Tropfen auf den heißen Stein
empfunden worden.
Zu Beginn seiner Beziehungen zur Staatsbank am 8. Februar 1924
ſchrieb Julius Barmat aus Paris an seinen Bruder Herschel Barmat und
entwickelte ihm einen groß angelegten neuen Finanzierungsplan in Frank
reich, dessen Kosten er auf 16 Millionen Franken berechnete. Herschel sollte
ſich für Beschaffung und Flüſſigmachung bei der Staatsbank bemühen. Das
alles war nur möglich, weil Barmat die Staatsbank getäuscht hat und
darüber hinaus den Oberfinanzrat Dr. Hellwig zur Untreue anſtiftete, ſo
daß dieſer und der Oberfinanzrat Dr. Kühn nur mehr Werkzeuge in den
Händen Judkos waren. Sein Zinsenkonto war im Laufe des Jahres 1924
auf 1,5 Millionen Mark angewachsen, er konnte es sich gestatten, alle Auf
forderungen zur Zahlung von Zinsen unbeachtet zu laſſen.
Barmat wußte, daß Staatsgelder wohl gegeben werden können, um
industriellen und landwirtſchaftlichen Betrieben über finanzielle Schwierig
keiten hinwegzuhelfen, aber niemals zur Weiterverleihung gegen Wucher
zinsen. Deshalb gab er der Staatsbank an, daß er die Lebensmitteleinfuhr
aus dem Ausland finanzieren wolle und erhielt daraufhin 2 Millionen
Mark zu einem billigen Zinsfuß. In Wirklichkeit hat Barmat nie daran
gedacht, auch nur ein Pfund Lebensmittel zu liefern, sondern sich sofort
mit Beginn der Währungsſtabiliſierung auf den Kredithandel geworfen.
Das von deutschen Steuerzahlern aufgebrachte Geld, an dem so viel
Schweiß und Tränen klebten, hat ein jüdiſcher „ Finanzier" zu billigem Zins
geliehen und zu Zinsen bis 126 Prozent an die gleichen Steuerzahler
zurückgeliehen.
Als dieses ganze finanzielle Hochſtaplerſyſtem vor dem Zuſammenbruch
stand, im Oktober 1924, reifte in den Brüdern Barmat der Plan, das

53
Land zu verlaſſen. Die Staatskaſſen waren leer, ausgeplündert bis auf den
letten Pfennig und auch die besten persönlichen und politischen Beziehungen
nüßten nichts mehr. Im Oktober weigerten sich Reichspoſt und Staatsbank,
weitere Kredite zu geben, bis es schließlich doch noch glückte, den be
stochenen Reichspoſtminiſter Dr. Höfle zu bewegen, 2,5 Millionen lehten
Kredit zu geben. Ende Oktober fing Barmat an, seine Gelder nach Holland
zu „ verlagern“ . 1,5 Millionen Mark ließ er auf sein Amsterdamer Konto
übertragen, um es vor dem Steuerfiskus in Sicherheit zu bringen. Und
als das Finanzamt Spandau zugreifen wollte, da berief sich Barmat auf
seine Staatenlosigkeit und auf seine die deutsche Wirtschaft befruchtende
Anwesenheit in Deutſchland.

Das ist Barmat, wie ihn die formale Jurisprudenz ſieht, ein Finanz
hasadeur, den man wegen Betrug, Untreue und Bestechung zu fassen glaubte.
Aber das war ein Fehlschluß. Die Begriffe Volk, Volkswirtſchaft, Volksverrat
und Wirtschaftsverrat ſind im römiſchen Recht nicht enthalten. Und ſo fiel
auch kein Strahl auf die dunklen Hintergründe, vor denen sich der schema
tische Prozeßverlauf des Strafrechtsverfahren mit der ganzen Monotonie
dieser Paragraphenrotationsmaſchine abspielte. Die eigentlichen Angeklagten
desselben aber gehören vor einen deutschen Staatsgerichtshof. Die Barmats,
denen der Staatsanwalt Betrug, Anstiftung zur Untreue, Bestechung,
moraliſche Minderwertigkeit, also Ehrenrührigkeit im höchſten Ausmaß
vorhielt, gingen ſtraffrei aus.
Über Formaljuriſtik und ihre Praris in der Gegenwart ließen sich Bände
ſchreiben und das römische Recht ist ein Kapitel für sich. Aber als vor
etwa 200 Jahren in Stuttgart der Finanzdirektor Jud Süß die öffent
lichen Gelder ähnlich wie die Barmats verlumpte und verluderte, ſeßten
ihn die Württemberger in einen Vogelkäfig gefangen, fuhren ihn so durch
die Stadt und erhängten ihn mit einem guten, ehrlichen, hänfernen Strick.
Doch das ist, wie gesagt, lange her.
Wenn einer fünfzig Mark ohne Wiſſen und Willen des Beſizers für
seine Zwecke verwendet", ist das Diebstahl und er wird bestraft. Wenn
einer das mit fünfzig Millionen macht, ist das eine „ Finanztransaktion“
und er wird freigesprochen. Das alte Sprichwort von den Großen, die man
laufen läßt, hat noch seine Geltung, auch in Deutſchland.

54
Die Barmats wurden freigesprochen. Geld wird nie gehängt, sagte ein
Sachkenner, der diesen Triumph der Barmats über die Staatsanwälte und
das Rechtsempfinden des deutschen Volkes aus nächſter Nähe mit an
gesehen hatte ; der sah, wie schon vor dem Urteilsspruch Barmat ein
zeremonielles Glückwunschcercle im Gerichtssaal abhielt; der ſah, wie in
dessen Gesicht die Befriedigung über den Optimismus seines Verteidigers
glänzte, der ihm bei der Reviſionsinstanz noch das lehte Fleckchen aus der
schon fast weißen Weste wäscht.
Barmat, der im Gerichtssaal das lehte Wort hatte, glaubte, oder beſſer
tat so, als hielte er für möglich, daß er verurteilt würde, weil er ein Jude
sei. Er wurde freigesprochen. Der Syllogismus daraus ist nicht schwer zu
ziehen. Aber dazu kommt noch eine Kleinigkeit. Die Prozeßführung
wurde sorgfältig von dem Justizreferenten der Sozialdemokratischen Partei
überwacht. Der Mann, Kuttner, ein nicht unbekannter Name, Rassegenosse
des Herrn Barmat, Vorwärtsredakteur und ſchon hiſtoriſche Persönlichkeit,
ſaß da, wie ihn Gott in einer Laune erschaffen, breit und wuchtig, im
Bewußtsein seiner Bedeutung und das Gericht wußte, daß er daſaß. Je
länger der Prozeß dauerte, um so freundlicher wurde seine Miene. Denn
ſchließlich handelte es ſich nicht allein um Herrn Judko und Herrn Herrſchel
und die Millionen der Seehandlung und Reichspost. Es wimmelte im
finanzpolitischen Apachenbetrieb einige Zeitlang wie in einem zerstörten
Ameiſenhaufen, bis ein raffiniertes Abwiegelungs-, Verschleierungs- und
Vertuschungssystem wieder zuſammentrug, was der kühne Griff eines
jungen Staatsanwalts auseinandergerissen hatte. Heute kann dieser in
irgendeiner Kleinstadt am Honoratiorenſtammtisch nachdenken über die
komplizierten ,,Wechselwirkungen“ zwischen Politik und Geschäft. Ein
„parlamentariſcher Untersuchungs- Ausschuß“ ſaß in der anderen Schale
der bedenklich schwankenden Gerechtigkeitswage, der die Arbeit des Staats
anwalts im Geist der Bauer, Heilmann, Hoefle, Richter, Severing,
Scheidemann, Ebert ſachte „ auszugleichen“ begann, ſo daß Judko Barmats
Brief aus Paris an Herrschel in Berlin vom 28. Januar 1924 (mit dem
berühmten Sah : „ Du wirst begreifen, daß wir, wenn wir alle Bezieh
ungen und Möglichkeiten ausnüßten, noch viel mehr herausholen könnten")
dem Gericht ebenso bedeutungslos erschien, als dem „ parlamentariſchen
Untersuchungsausschuß einige Dußend „ gehaltvoller“ Unkostenkonten, Brief
wechsel und Aufsichtsratsprotokolle. Um diese lumpigen paar Dußend
Millionen, dieſe Kredite aus Steuergeldern, die Barmat nicht immer sehr
zu sozialen Zwecken handlangerte, wäre überhaupt kein Aufhebens ent

55
ſtanden, wenn die Untersuchungsmaſchinerie nicht „ versehentlich“ illuſtre
Größen des Novemberſyſtems, Reichstagsregisseure und patentierte Volks
beglücker, in ihr Getriebe geriſſen hätte.

Der Fall Barmat iſt ein politiſches Problem, das die Jurisprudenz wie
eine gedroschene Strohpuppe hinter sich herſchleift. Barmat war lang=
jähriger Geldgeber des Marrismus, alle seine Gewährsleute aus diesem
Lager, die samt und sonders keine heurigen Hasen sind, betrachten sich
und ihre Penaten durch den Urteilsſpruch dermaßen rehabilitiert, daß
nächstens Klagen in gerüttelter Fülle gegen alle Aufmuckser steigen werden,
die überhaupt je versucht haben, den blütenweißen Barmats etwas anderes
als eitel Anständigkeit, propere Gesinnung und lauterſte Geschäftspraktiken
nachzusagen. Man höre, was Dr. R. D. Frankfurter in Nr. 252 der
,,Frankfurter Zeitung“ über den Ausgang des Barmatprozeſſes und ſeine
unabsehbaren Folgerungen dem guten Durchschnittsleſer dieſes honorigen
Börsenblattes eintrichtert. Er wirft den Richtern die Möglichkeit schwerer
Suggestion" vor, die hätte zur Verurteilung führen können; die große
Gefahr“, in der die armen, mit Märtyrerblick herumäugenden Angeklagten
ſchwebten ; den ,,Bienenfleiß des Staatsanwaltes “, der einer beſſeren Sache
wert gewesen wäre; die mögliche „ behördliche Befangenheit der Richter“,
ihr möglicherweise „ mangelndes wirtschaftliches Verſtändnis“ ; die unver
antwortliche „ Hehe gegen die Republik“, der man eine Verkuppelung von
Geschäft und Politik zur Last lege; und zieht dann als Fazit :
,,Die Richter haben sich bewährt, die Verhandlung ist vorbildlich ge=
führt worden, die Angeklagten wurden nicht als Verbrecher, ſondern als
Volksgenossen behandelt, ihre hochentwickelte Menschenwürde ist nicht ge=
kränkt worden, das Verständnis für komplizierte, wirtſchaftliche und soziale
Probleme war auf seiten der Richter groß, allerhand Hochachtung, die
Herren! Ein Staat, der gute Richter haben will, muß sie auch entsprechend
einschäßen und entlohnen."
Das ist dieser finanzpolitiſchen Enzyklika erster Teil. Sie muß der
Nachwelt als Musterbeispiel dafür überliefert werden, daß die rabulistische
Dialektik seit Urzeiten gelernt hat, einen Sachverhalt umzukehren, wie man
einen Handschuh umſtülpt, und die Kehrseite des alten Wortes kennt:
Sage mir von jemand drei Worte und ich bring ihn an den Galgen! Sie
gibt aber zugleich den hochpolitiſchen Charakter des Prozeſſes zu, den Herrn
Kuttners basedowſcher Scharfblick hinter der Hornbrille überwachte wie

56
Amschel Rothschild die Affäre von Belle Alliance. Es fehlt hier nicht an
maulſchellierenden Vorwürfen gegen einen grasgrünen und noch nicht
hinter den Ohren trockenen Staatsanwalt, der ,,unreif, unerfahren, ver
heht, ohne Verständnis für die wirtſchaftlichen Zuſammenhänge, und arm
an Einfühlung in die Sonderart der Persönlichkeiten“ sich von einem
Konditor und einem Malermeister, den Schöffen, beschämen laſſen mußte !
Jawohl, was versteht so ein Staatsanwalt von der Seelennot und Höllen
qual dieser Angeklagten und Belasteten, die, Söhne einer „ beinahe anar
chistischen Zeit“, einer ,,wahrhaften Revolution", kaum die Möglichkeit
des guten Glaubens auch bei den verworrensten Transaktionen“ für sich
retten konnten !
Also, sagt Herr Frankfurter, sagt der „ Vorwärts“, sagt die „ Voſſiſche
Zeitung“, sagt das „ Berliner Tageblatt“, alſo übriggeblieben ist von dieſer
ganzen Höllensinfonie um die Barmats, dieſe grundehrlichen Wikinger
naturen, nur ein Fall von Bestechung ! Belastet erscheint sotanermaßen
eigentlich nur Herr Hellwig und Herr Höfle, diese Typen des neudeutschen
Beamten, der die Wichtigkeit des „ Zuſammenwirkens zwiſchen Wirtſchaft
und Beamtentum“ richtig erkannt hat und ſich nur in den seltensten Fällen
eine Kugel vor den Kopf schießt. Wozu der Lärm, es endet alles, ſagt
Frankfurter, im allgemeinen in Harmonie ! Der Begriff Demokratie bürgt
dafür!

Dem Recht ist also, sagt Frankfurter, Genüge geschehen! Der Fall
Barmat hat zu verschwinden, er ist erledigt!
Wir glauben, er ist nicht erledigt. Und wenn die 52 Quartbände des
Tatbestandes, wie Frankfurter will, in den Studierstuben der Theoretiker
und in das Aktenfach der erledigten Prozesse verschwinden, alſo aus der
Praris des Verfahrens verschoben werden sollen, bis sie kein unbewaffnetes
―――――
Auge mehr sieht das deutsche Volk wird kein Quentchen des Prozeß
verlaufes vergessen. Es fühlt, daß eine der größten Gaunereien aller
Zeiten mit den Hungergroschen einer Bettlernation wissenschaftlich ab
geleugnet wurde. Und das gräbt ſich ein. Das pflanzt sich fort auf Kinder
und Kindeskinder.

57
Manager des Geldmarktes.

Jacob Michael - Kunstpolitik und Hypothekenbank


aktien - „Mehr auf Zinsgewinn als auf industrielle
Kalkulation bedacht!" Grundstück spekulation - Der
Eisenbahnkönig Sinalco ――― Das Delkrederekon =

sortium

Als zur Zeit der großen französischen Sommerinflation, 1926, sich das
Gerücht verbreitete, Jacob Michael habe den Staub des , ungaſtlichen
Deutschland“ von den Füßen geschüttelt, da erinnerte man in eingeweihten
Kreisen an die Kreditpraxis dieses Finanzkünstlers zur Zeit der Rentenmark
ausgabe. Man konnte sich recht gut vorſtellen, daß er die neuen Vorgänge
an der Pariser Börse nicht aus allzu großer Entfernung betrachten würde.
Die Franzosen schienen ihn damals anscheinend mit offenen Armen auf
zunehmen, vielleicht weil er, wie der Volksmund raunte, beabsichtigt haben
soll, die Gewinne, die seinen Hypothekenbanken aus der Aufwertung ge=
löschter Hypotheken und durch den Rückkauf von Hypothekenpfandbriefen
zur freien Verfügung stehen würden, zur Inveſtierung in Frankreich zu ver
wenden. Dem war aber doch nicht ganz ſo. Und, wie ſein neuerliches Auf
tauchen in dem rasch wieder liebgewonnenen Deutſchland zeigte, konnte er
ſich anſcheinend auch nicht ganz zu der Überzeugung durchringen, daß er als
franzöſiſcher Untertan samt seinem Konzern besser gesichert sei. Er hat,
nehmt alles nur in allem, auch in Deutschland für sich und seine mehr oder
minder verschlungenen“ Geſchäfte nichts zu fürchten.
Von allen Finanzfürsten, denen Deutſchlands Unglück wenig ſchadete,
hat Jacob Michael dadurch einen beſonderen Vorrang, daß er immer einer
der Bestunterrichteten war. Bei Barmat hat die Eifersucht einzelner Poli
tiker und ſeine Art, gelegentlich auch seine Zuwendungen in Erinnerung zu
bringen, einen gewiſſen Widerwillen gegen ihn erzeugt, während der noch
freigebigere Michael immer sehr gut informiert wurde.

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Als im Dezember 1924, ſo ſchrieb die „ Metallzeitung“ in Nr. 73, die
Staatsanwaltschaft auf alles Jagd machte, was nach Kutisker, Barmat
& Co. roch, da führte der Süderpreß Herrn Michael in die Berge der gast
freien Schweiz, um ihm von „ hoher Warte“ aus Gelegenheit zu geben,
procul negotiis, den Verlauf heikler Dinge abzuwarten. Aber selbst die gaſt
freie Schweiz empfand recht bald, daß es an der Zeit war, ihm zu sagen,
wie es einst der mazedonische Philipp zu ſeinem großen Alexander getan
hatte: Suche dir, mein Sohn, ein anderes Land, das schweizerische Maze=
donien ist zu klein für dich!
In Wirklichkeit waren es natürlich andere Gründe, die das Land der
Eidgenossen bewogen, den unheimlichen Gaſt nach Paris abreiſen zu laſſen.
Und so hörte man längere Zeit nichts mehr über den jugendlichen Finanz
mann. Aber seine Millionen arbeiteten in der deutschen Finanz- und Kapital
welt ungestört weiter. Seine Konzernadjutanten hielten treue Wache, und
ſeine Bank kaufte an der Börse so großzügig, wie es ihr Herr und Meister
in den berühmten Novembertagen mit der jungen Rentenmark gemacht
hatte, als sie wie ein Phönir aus Schutt und Aſche der Inflation_ent
ſtanden war. Er sah ſich inzwischen die franzöſiſche Inflation genauer an,
da er ein großer Sachverständiger in Geldentwertungsfragen ist. Aber er
weiß auch im Rahmen einer ſtabilen Währung etwas anzufangen.“
Während seiner französischen Periode nahm er immer Anteil an er
giebigen und lukrativen Hypothekengeſchäften in Deutſchland, die er mit
einsehender Stabiliſierung zu machen anfing. Plößlich, der Franken war
valoriſiert worden, kehrte er, aus „ kulturpolitiſchen Gründen“ nach Berlin
zurück. Er hat entdeckt, daß es zum guten Ton eines rasch reichgewordenen
Mannes gehöre, den Mäzen und Wohltäter zu spielen. Wieviele Vertreter
seines Standes, die ihren Reichtum hohen Tageszinsen oder klugen Kredit
geschäften verdanken, kann er sich hier zum Vorbild nehmen ! Man denke
an Otto Kahn, Camillo Castiglioni, Sigi Bosel und die vielen, um die
,,kulturelle Hebung" der alten und neuen Welt so verdienten Männer der
Finanzwelt!
Michael kam also wieder nach Deutschland und begann, sich für das
Theater zu interessieren. Er trat in Verbindung mit Reinhardt-Goldmann und
Salten, auch Tagger war, wenn wir uns recht erinnern, mit von der Partie;
er beabsichtigte, durch genügende Geldzufuhr das bedenklich tiefe Niveau
des Berliner Theaterlebens derart zu heben, daß es — sagen wir einmal
- dem Pariser Vorbild zur Seite gestellt werden könne ; denn schließlich
mußte er während seines dortigen Aufenthaltes Gelegenheit gehabt haben,

59
die Folies Bergeres und anderes zu studieren, wenn der anstrengende
Börsendienst des Tages der zaubervollen Nacht im Montmartre wich. Aber
er beschränkte sich in der Folgezeit nicht darauf, lediglich Kunstpolitik zu
treiben. Seine großen Erfahrungen im Pakethandel lockten ihn immer
wieder von der Seite Terpsichores und ihrer Schwestern weg in die Arme
einer mondänen Frau, der Börſe.
Es war allerdings kein Aufatmen der Befreiung, das den Herzen ſonſt
so selbstbewußter Geldleute entstieg, als Michael wieder in seiner eigent
lichen Domäne zu Berlin, in der Mittelstraße, eintraf. Inzwiſchen hatte
ſeine finanzielle und aktienrechtliche Machtsphäre bedeutend neuen Zuwachs
erhalten. Die von ihm verfolgte Politik hatte hauptsächlich in dem Erwerb
und in der Verwendung von Minoritätspaketen an Aktien deutscher Hypo
thekenbanken bestanden. Das Jahr 1926 war für die deutschen Hypotheken
banken ein Jahr wirtschaftlichen Aufschwunges in ähnlichem Maße, wie es
auch für die Kredit- und Effektenbanken gewesen ist. Abgesehen von Kurs
ſprüngen solcher Bankaktien, um die Intereſſenkämpfe entbrannt waren,
ſchnellten keine anderen Bankaktien so raketenartig in die Höhe wie die
Kurse der Hypothekenbankaktien.
Während man sich an der Börſe die Köpfe darüber zerbrach, auf Grund
welcher Berechtigung ſich dieſer Hochbewertungsprozeß vollzog, ſezte Jacob
Michael seine Fischzüge zielbewußt fort, und als die Nächstbeteiligten, das
heißt die Verwaltungen dieſer von ihm aufs Korn genommenen Hypo
thekenbanken den Braten schließlich rochen, war es ihnen stets nur unter
mehr oder weniger größeren Opfern möglich, den Dämon Michael aus
ihrem Bereich zu vertreiben. Einigen gelang es, ihn als Aktionär loszu
werden, aber um einen recht kostspieligen Preis. Sie nahmen ihm ihre
eigenen Papiere, die er zu niedrigen Kurſen ſeinerzeit gekauft und dadurch
in die Höhe getrieben hatte, um ein vielfaches der Einſtandsſumme wieder
ab. In der Tat ein teurer Spaß !

Auf dem Hypothekenmarkt herrschte dieſe Zeit über einige berechtigte


Nervosität, welche vor allem die sachkenneriſch ruhige „ Frankfurter
Zeitung" abzuwiegeln bemüht war. Sie stellte die Sorge vor Michael als
übertrieben hin und empfahl, ihn als Mitaktionär ruhig hinzunehmen, da
eine solche panikartige Scheu ihm das Geschäft, allmählich mehr und mehr
zum erfolgreichen Pakethändler in Hypothekenbankaktien und anderem zu
werden, nur erleichtere. Ob man ihn dadurch abhalten könne, erfolgreich zu

60
bleiben, sei doch recht zweifelhaft. Dabei konnte das Blatt nicht in Abrede
ſtellen, daß „ der Konzern J. Michael & Co. in starkem Maß
auf Zinsgewinn und mehr geldmäßige als industrielle
Kalkulation eingestellt sei", ein recht bemerkenswertes Ein
geständnis !
Das große Interesse Michaels an deutschen Hypothekenbankaktien da
tierte seit den Zeitläufen der Markſtabiliſierung. Gegen Ende der Inflations
zeit ſtabiliſierte der junge Dreißigjährige bekanntlich seinen Finanzkonzern,
er, der vom Geldgeschäft „ keine Ahnung“ hatte und nur als Haſardeur der
Inflationszeit Erfahrungen gesammelt hatte. Er war einer der hunderte
von Finanzparvenüs der Nachkriegszeit, welche der brodelnde Herenkeſſel
des Umſturzes an die Oberfläche trieb. Gleich hatte er das Wesen der In
flation, wie auch der Stabilisierung erkannt ; er verkaufte Devisen, Aktien
und Warenbestände, deren Preiſe weit über den Goldwert emporgeklettert
waren, ſpekulierte in Papiermark und lieh ſie an geldbedürftige Unter
nehmungen aus. Das Risiko der Geldentwertung ließ er sich durch Ent
wertungsprämien bezahlen. Damals flossen ihm die Goldmillionen nur so
zu; es heißt, er habe in wenigen Wochen sein ausgeliehenes Geld verdoppelt
und verdreifacht.
In jener Zeit, als er, ſagen wir einmal, durch eine von der unsicheren
Rechtslage nicht weiter nachgeprüften Zinstechnik mit einem Schlage zu
den Geldgebern an der Börse geworden war, begann er sich auf dem Gebiet
des Hypothekenmarktes zu betätigen. Er interessierte sich für die Mittel
deutsche Bodenkreditbank, die Hannoversche Boden
kreditbank, die Deutsche Vereinsbank, geriet aber dabei teil
weise an zähe, zur Abwehr entschlossene Gegner. Damals fluppte der Coup
noch nicht ganz.
In den Zeitläufen der Geldverknappung wechselte Michael von der Seite
der Geldgeber auf die der Geldnehmer über und verstand es, ähnlich wie
Barmat und Kutisker, an Staatsinstitute heranzukommen ; er wurde hier, wo
man auf Rentenmarkinflation spekulierte, wurde bei der Seehandlung
und bei der Reichs post Großschuldner. Ein Schulbeiſpiel dafür, wie
,,ſegensreich" Staatsgelder, Gelder von Steuerzahlern in den Händen eines
gewandten Mannes arbeiten können, bleibt es , daß er mit den Mitteln des
Reiches Zinszwischengewinne bis zu 4 Prozent pro Monat gemacht
haben soll.
Dann entdeckte Jacob Michael ſeine frühere Liebe für die Meininger
Schuh aktien wieder. Er konnte das gute Geschäft nicht vergessen, das

61
er mit dem Verkauf der Aktienmehrheit an der Hannoverschen Bo
denkreditbank gemacht hat. Ferner nistete er sich bei der Süd
deutschen Bodenkreditbank in München ein. Da schloß sich die
Gemeinschaftsgruppe Deutscher Hypothekenbanken zur Abwehr zuſammen,
als u. a. von der Meininger Bank bereits 25 Prozent der Aktien in den
Händen Michaels waren. Auch die Schlesische und Preußische
Bodenkreditbank sahen der Überfremdungsgefahr mit einigen ge
mischten Gefühlen entgegen. Schließlich entschlossen sie sich doch, ihn aus
zukaufen. Auf dem Grundstücksmarkt war Michael zeitweiſe gleichfalls rege
tätig. Unter anderem hat er in Mannheim Grundstücke, bisher der
Oststadtgesellschaft gehörig, erworben. Es befanden sich darauf u. a. das
Palast-Café, das Kabarett ,,Libelle“ und das Weinreſtaurant „ Clou“. Da
mit begab er sich auf eine dritte Domäne, in der er vielleicht nicht weniger
große Erfolge hat, als bei Kulturpolitik und Finanzpolitik.

Die Grundstückspolitik der Nachkriegszeit ist im übrigen ein Fall für


sich. In Berlin sind während der Inflation 45 Prozent der Wohn- und Ge
ſchäftshäuſer an Ausländer übergegangen. Für die sämtlichen Häuſerver
käufe der größeren Städte berechnet man den Inflationsgewinn auf rund
15 Milliarden Goldmark, der durchſchnittliche, jährliche Überschuß heute
auf etwa 4000 Goldmark für ein verkauftes großes Anwesen. Da in den
größeren Städten Deutschlands etwa 150 000 große Anwesen während der
Inflationszeit verkauft worden sind, so berechnet sich, abgesehen von dem
einmaligen Kapitalgewinn der jährliche Überſchuß auf rund 150 000 mal
4000 Goldmark oder etwa 600 Millionen Goldmark. Ausländer stecken die
Überschüsse von etwa 100 000 Anwesen, alſo nahezu 400 Millionen Gold
mark in die Tasche. Von diesen Summen geht ein großer Teil als bares
Geld ins Ausland. Da die Ausländer vielfach die Hypotheken gelöscht
haben, besteht ihnen gegenüber auch keine Aufwertungsverpflichtung. Damit
ist ein sehr großer Teil der Grundstücke heute hypothekenfrei. Den Betrag,
der auf diese Weise unter Berücksichtigung der heutigen Verkaufspreiſe an
das Ausland sozusagen verschenkt wurde, schäßt man für Berlin auf rund
2 Milliarden Mark.

Mit dieser Schlußfolgerung wollen wir nicht den Syllogismus ver


binden, daß Jacob Michael „ Ausländer“ ist. Im Gegenteil, er nennt ſich

62
einen guten ,,Deutſchen“, der niemals ſeine Nationalität gewechſelt habe. Als
ihm einmal vorgehalten wurde, er habe sich in Paris naturaliſieren laſſen
und ſei „ Vollblutfranzose“ geworden, stellte er mit großer Entrüſtung feſt,
daß er „ Deutſcher" geblieben sei. Nun ist dieser Begriff eben doch nur ein
formaljuriſtiſcher; denn wenn man Michaels Raſſezugehörigkeit heranzieht,
muß man zugeben, daß es ihm wohl ebenso schwer würde, Vollblutfranzose
zu werden, als er ein Deutscher sein kann!

Im übrigen ist Jacob Michael auf dem besten Wege, ein allgewaltiger
Eisenbahnkönig zu werden. Der Michael-Konzern ist seit einiger Zeit Groß
aktionär bei der Lemberg - Czernowißer Eisenbahn - Gesell
schaft und hat zwecks Geltendmachung der Ansprüche der Geſellſchaft
gegen die Regierungen von Polen und Rumänien zusammen mit Ver
tretern anderer schweizerischer und deutscher Finanzgruppen eine Fühlung
nahme mit Mitgliedern des Völkerbundsrates in Genf vorbereitet. Die leßte
Generalversammlung der Geſellſchaft ist ergebnislos gewesen, da die rumä
nische Regierung jedes Entgegenkommen ablehnte. Ein Beschluß der Ver
ſammlung, den Völkerbund anzurufen, wurde von der Regierung bean=
standet.
Herr Michael kennt keinen Spaß. Was er macht, macht er gründlich.
Die rumänische Regierung kann mit dem Manne ihre blauen Wunder er
leben, ähnlich wie die Hypothekenbanken in Deutschland, denen er plößlich
im Pelz saß.

Vor einiger Zeit rollte sich in Detmold vor dem erweiterten Schöffen=
gericht ein dramatischer Prozeß ab, der die ganze Problematik des Aktien
strafprozeßwesens mit greller Deutlichkeit zeigte. Der Tatbestand, umwickelt
von Unzulänglichkeiten des Verfahrens , Lücken in der Wahrheitsermittlung,
Schwierigkeiten der Rechtsfindung, ſchälte sich nirgends klar heraus. Was
sollte auch in all den Hunderten von Fällen trüber wirtſchaftstechniſcher,
finanztechnischer Strafrechtslagen ein recht und schlechtes provinziales
Schöffengericht, ein junger Staatsanwalt ſamt einem einzigen Sachver
ſtändigen ausrichten gegen eine geſchloſſene Front von Finanziers und Fach
leuten, Kennern aller Schliche und Kniffe des Aktienrechtes, der Finanz
praris, die sich von Inflation und Deflation nicht verblüffen ließen, ge=

63
schweige denn von einigen Anklagevertretern, zwei Richtern und zwei Laien?
Dieſe Männer ſtanden vor einem Kompler von Fragen, zu „ deren Ver
ſtändnis und Beurteilung nicht in erster Linie Rechtskunde, Durchschnitts
verstand und Durchschnittsbildung erforderlich sind, sondern vor allem um
fassende Kenntnis kaufmänniſcher Usancen, finanzieller Technik und aktien
wirtſchaftlicher Bräuche und Mißbräuche, außerdem aber noch eine gehörige
Einsicht in Wirtschaftsdinge überhaupt und in ihre Zuſammenhänge“.
In den Jahren 1919/20 , wo die deutsche Mark noch nahezu Friedens
wert und eine erhebliche Kaufkraft hatte, sollen die Kreise um den Vorſtand
und Aufsichtsrat der Sinalco- A. - G. durch ein gegründetes Delkredere
konsortium sich etwa 30 Prozent der gesamten eingehenden Deviſen der
Sinalco-A.-G. gesichert haben und damit etwa den dritten Teil vom Ge
ſamtumsaß des beträchtlichen Erportes, nicht etwa nur vom Reingewinn.
Wie stand es in diesem Fall mit der damals noch allgemein üblichen
Umwandlung der Valutaeingänge in deutsche Mark? Hätte man ſo das
Delkrederekonsortium überhaupt gebraucht ? War das der richtige Weg, statt
deutsche Mark zu kaufen, alle Deviseneingänge an das Konsortium abzu
führen, ihm für Garantieübernahme eine Proviſion von 30 Prozent zu
zahlen und sich selber mit 70 Prozent der eigenen Deviseneinnahmen zu be
gnügen? Kein Wort dazu zu finden, wenn das Konsortium sich am Schluß
des Jahres 62 000 Goldmark als „ Gewinn“ in die Tasche steckte?
Bis Anfang 1923 wurden Kapitalserhöhungen von 1 Million auf 22,4
Millionen vorgenommen, obwohl, wie berichtet wird, die Geſellſchaft in
dieſen Jahren Valuten aus dem Erportgeschäft im Werte von etwa 300 000
Dollar vereinnahmt haben ſoll! Dabei wurden, wie der Geſellſchaft vor
geworfen wird, an die Aktionäre 1 bis 1,5 Prozent Dividende ausgeschüttet !
Überdies wurden an oppoſitionell eingestellte Aktionäre und Teilhaber die Um
sahprovisionen immer nur in den Friedensparitäten der Valuta vergütet !
Obgleich der Dollar schon auf 7000 Mark gestiegen war. Mehr als die
Hälfte des gesamten Aktienkapitals, bis Anfang 1923 über 12 Millionen,
wurde so künstlich verlagert“. Genauer ausgedrückt, hat die Verwaltung,
ohne daß ſie im ganzen genommen, etwas dafür bezahlte, ſich mehr als die
Hälfte des gesamten Aktienkapitals durch die schwer zu begründenden Ver
wässerungen „ verſchafft“. Es handelt sich nach der graphischen Darstellung
des Geheimrats Kuhlmann und Berechnung von Fachleuten um eine durch
die Kapitalerhöhungen von 1918 bis Frühjahr 1923 erlangte Summe von
12,775 Millionen des von 1 Million auf 22,4 Millionen erhöhten Stamm
fapitals.

64
Die angeklagten Verwaltungsmitglieder wurden in der kleinen Provinz
ſtadt Detmold, wo gewiſſe geſellſchaftliche und wirtſchaftliche Zuſammen
hänge viel enger spielen, hinsichtlich der Untreue und Bilanzverſchleierung
freigesprochen. Eine Strafanzeige wegen Betruges gegen die Vorstandschaft
der Sinalco -A.-G., die zunächst in Berlin anhängig gemacht war, dann aber
auf Wunsch des ehemaligen Detmolder Staatsanwaltes nach dort über
wiesen wurde, ruhte dort annähernd drei Jahre, ohne daß Anklage erhoben
und das Verfahren eröffnet worden wäre.
Vorstand der Sinalco-A.- G . wurde in der Folgezeit der Direktor Karl
Vogel, der Aufsichtsrat bestand aus Herren, die samt und ſonders Träger
schöner Namen sind : Dr. Nathan Ernst Weill, Frankfurt, Dr. Elias
Strauß, München, Kommerzienrat Schwarz, Stuttgart, Bankier
Schweisheimer, München, Bankier Hugo May, Frankfurt. In der
fraglichen Zeit der oben geſchilderten merkwürdigen Vorgänge gehörte dem
Aufsichtsrat auch Justizrat Dr. Otto Kahn, München, an, der sich in
Baden-Baden das Leben genommen hat.

Wir kommen auf diese Fälle nicht ob ihrer Einzigartigkeit zu sprechen.


In den Jahren der Inflation und deren sogenannter „ Korrektur“ ſeit Be=
ginn der Stabiliſierung hat sich manches ereignet, was wert ist, späteren
Geschlechtern mit einiger Wahrheitsliebe übermittelt zu werden. Aber die
Affäre Sinalco, der Fall Michael zeigt besonders deutlich, daß man an die
Manager des Geldmarktes jener turbulenten Monate formaljuriſtiſch faſt
nicht herankommt. Immer ist da ein Loch auch im scheinbar beſtgeknüpften
Neß der Beweisführung ; immer iſt ein Hintertürchen offen, durch das der
Ortskundige aalglatt entschlüpft. Die Dußende und Hunderte von Fällen
aus jenen trüben Tagen, wo die untersten Schlammfluten anrüchiger
Bruchmoral aufgewühlt wurden, stehen heute noch zur Aburteilung. Wird
man jemals an ſie herankommen ? Wird das deutsche Volk die Energie auf
bringen, diesen Dämonen der Wirtschaft vor einem Staatsgerichtshof der
ganzen Nation den lehten Prozeß zu machen? Gegen deſſen Instanz es
keine Berufung gibt?

5 65
Politik und Geschäft.

Otto Wolff - Otmar Strauß - Die ergiebigen Kriegs


-
jahre - Das „Loch im Westen“ – Stahl, Eisen und Kohle
- Die Spur des Finanzkapitals Der Sozius im
Reichsmarineamt ― Formalitäten von Amts wegen "
Spinnwebfeine Fäden - Der Fall ,,Phönir“

Als in den ersten Monaten des Jahres 1927 die Blätter von einer
starken Aufkaufstätigkeit des Kölner Großhändlers Otto Wolff in der
Eiſenindustrie des Rheinlandes und Ruhrgebietes berichteten, weckte der
Klang dieses Namens Erinnerungen an Zeitläufte, von denen nicht jeder
gern spricht. Erinnerungen an jene bewegten Tage, wo die Blätter von
einer ,,Nebenregierung des Herrn Otmar Strauß“ ſchrieben, von
,,Kenntnissen über den Aufmarschplan der Engländer und Franzosen“, von
der ,,Unterbindung des nationalen Abwehrwillens"; und später von der
Verwendung gewiſſer Ruhrhilfegelder zu Zwecken, die nicht in der Absicht
der Spender lagen, von Devisenspekulationen und Ausschüssen, die sich mit
der Sache nicht befassen wollten.
Doch das ist alles lange her, fast möchte man sagen, vergeben und ver
gessen! Kein Mensch rührt heute an Dinge mehr, um die ſich damals ge
wiſſe Oppoſitionsredner die Kehle heiſer ſchrieen, bis sie plöhlich, wie auf
höheren Befehl verstummten. Das politische Gedächtnis unserer Tage ist
kurz. Und wenn nicht von Zeit zu Zeit ein äußerer, oft geringfügiger An
laß einen Stein ins Rollen bringt, bleibt der riesige Trümmerhaufen unserer
ehemaligen Nationalwirtſchaft in ſchauerlicher Stille verſunken ; dumpf mo
dern dort zwiſchen gefallenen Säulen Schlingpflanzen und Schmaroßer,
eine stickige Luft steht über dem weiten, starren Feld, die kaum dann und
wann ein frischer Windstrich verjagt.

66
Im Rheinland, im heiligen Köln, ſaßen schon zu ſeligen Friedenszeiten
zwei helle ,,Köllsche Jungens": Otto Wolff und Otmar Strauß und
führten einen kleinen Handelsbetrieb. Die Firma wurde von der Heeres
verwaltung während des Krieges mit günstigen Aufträgen bedacht und
entwickelte sich rasch zu einem Unternehmen ersten Ranges. Dabei ergänzte
sich das Dioskurenpaar in denkbarst glücklicher Form. Es zog besonders in
seinen besten Jahren die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit in ähnlichem
Maß auf sich als Stinnes . Ähnlich vielleicht deshalb, weil die beiden wie
der große Mühlheimer Politik und Geschäft zu verbinden trachteten. Dabei
bestand zwischen diesen Männern aber immerhin ein erklecklicher Unterschied.
Während Stinnes rein machtpolitisch orientiert seine Ziele der damals ge
rüttelt vollen marriſtiſchen Staatsdoktrin entgegenseßte, manchmal national
dachte und das Finanzkapital in Schach zu halten hoffte, stellten sich die
beiden ,,Kölner“ von Anfang an auf den leichter gangbaren ,,Boden der Tat
ſachen“ und bewieſen, daß Politik und Geſchäft auch von dieser Seite aus
in brauchbaren Konner gebracht werden könnten.
Otto Wolff fühlte sich und betätigte sich nie als Induſtrieller, ſondern
seiner Persönlichkeit gemäß als Kaufmann, als Händler. Das Kriegsende
ſah ihn schon als reichen Mann. Daran wäre an sich nichts beſonderes.
Aus dem tief aufgewühlten Grund der in trübem Schlamm versinkenden
Wirtschaft stiegen in jener Zeit Hunderte von schillernden Blaſen empor,
die, oft kaum an der Oberfläche, rasch zerplaßten. Otto Wolffs Auf
stieg vollzog sich ganz anders als etwa der Boſels oder Castiglionis oder
eines der Dußende von smarten Inflationskönnern, die, so rasch sie kamen,
ſo rasch wieder verdufteten. Hier entwickelte ein organiſch gebautes , zähes,
trainiertes ,,Händlergenie“ ſeine Qualitäten durch Krieg, Umsturz, Geld
entwertung und Deflation bis in unsere Tage hinauf mit fabelhafter Selbst
sicherheit. Heute, wo das Finanzkapital über die Fabrik zu herrschen be
ginnt, wo der Händler den Induſtriellen in die Tasche ſteckt, kann man
ſagen, ist das Zeitalter von Männern wie Otto Wolff erst richtig an
gebrochen. Er hat in den Tagen der Inflation von der jeßigen Entwicklung
viel vorweggenommen, er hat als Händler in der Eiſenindustrie das durch
gesezt, was der Industrielle Stinnes im Bankwesen (mit dem Barmer
Bankverein) nicht durchhalten konnte. Vor dem Krieg war der Montan
handel in Abhängigkeit von Kohlen- und Eisenkartellen. Otto Wolff drehte
dieses Verhältnis um. Er faßte im Eisenwerk van der Zypen, in den
Rheinischen Stahlwerken, bei Phönir festen Fuß, er, der
junge Eisenhändler, der vor dem Krieg mit seiner Firma auf höchstens drei

5* 67
Millionen geschäßt wurde. Otto Wolff ging nicht den schmalen, gefährlichen
Weg eines Stinnes. Er legte ſein überschüssiges Kapital mit großer Vorsicht
nur in horizontal aufgebauten Werken an. Die eben genannten Werke
waren seine Hauptoperationsgebiete, die er durch geschicktes Manöverieren
mit holländischem Finanzkapital, wie man wiſſen wollte, ausbaute und
festigte. Und wenn Herr Wolff in der Tat durch hilfsbereite Gulden ſeine
Schornsteine rauchen ließ, so können seine Verteidiger sagen, daß vom Defi
zit keine Maschine läuft!
Die Inflation hat dieſem „ Händlergenie“, wie gesagt, nicht viel geſchadet.
Er war nahe daran, einen Gegentrust gegen Stinnes durchzusehen. Was ihm
damals nicht gelang, ſchien ſich ſpäter auf beſſerem Weg zu verwirklichen.
Mit der Stabiliſierung wurde es um ihn eine Zeitlang ſtiller, seine Arbeit
konzentrierte sich wohl mehr ,,nach innen“, in der Richtung des Ausbaues
seiner Beteiligungen. Die Vereinigten Stahlwerke, van der Zypen und
Wiſſener Eisenhüttenwerke, Werkzeugmaschinenfabriken, die Rheinische Me
tallwaren- und Maschinenfabrik, schließlich die A. E. G., an die er heran
kam, dann das Russengeschäft, die Zusammenarbeit mit der Micum, die
dauernd aufrechterhaltenen Finanzverbindungen mit Holland nahmen wohl
seine ganze Arbeitskraft in Anspruch. Erst in lezter Zeit trat er wieder
mehr aus seiner Reserve heraus. Nachdem die Ruegenbergschen
Eisenwerke in Olpe von Hoesch übernommen waren, wurden eine
ganze Reihe Neuerwerbungen der Firma Otto Wolff bekannt, die dieser
Gruppe einen gewiſſen Einfluß in der Siegerländer Blechwalzwerksinduſtrie
ſichern. Vier der besten kleinen Werke, das Heggener Walzwerk in
Finnentrop, die Firma J. J. Bruchs Wwe. in Weidenau, die
Firma Bonzel & Co. in Olpe und die Juſt. Stahlschmidtschen
Werke in Kreuztal, ſind von Otto Wolff aufgekauft worden. Daneben
liefen noch andere Bestrebungen, die Majoritätsbildung bei der Stol
berger Zinkhütten A. G. zu beeinfluſſen und die Vereinigung mit
der Cadenbachgruppe und dem Finanzier Edel zu vollziehen. Die
Erben des verstorbenen Aufsichtsratsvorsißenden Weidtmann, die Gruppe
des Generaldirektors Cadenbach haben sich mit dem Inhaber eines anderen
Aktienpakets, Otto Wolff und Bankier Edel in Köln, zu einem Aktienpool
zuſammengeſchloſſen ; die zuſammengeſchloſſene Gruppe beſißt die Majorität
des Aktienkapitals. Wolff sollte in der nächsten Generalversammlung für
den Aufsichtsrat vorgeschlagen werden, Geheimrat Strauß für die Zuwahl
bei der nächſten Vakanz. Man war in den Kreiſen der Verwaltung der An
sicht, daß früher oder später Verhandlungen auf internationaler Baſis über

68
die Erportpolitik auf dem Zinkgebiete, ähnlich den Organiſationen auf dem
Kupfermarkt und bei der internationalen Rohstoffgemeinschaft geführt
werden dürften, aus diesem Grunde hatte die Gruppe Cadenbach-Otto Wolff
Edel ein Intereſſe daran, ſich die Herrschaft über die Geſellſchaft zu sichern.
Von anderer Seite verlautete, daß Harriman bzw. die Anaconda
hinter der Sache steht.
Einem Gebiet, dem die Aufmerksamkeit Wolffs im beſonderen Maß
gewidmet ist, galten die Transaktionen mit der Stummgruppe, den
früheren Gelsenkirchener Gußstahl und Eisenwerken und
jeßigen Rhein i ſ ch - We ſt f ä l í ſchen Stahl- und Walzwerken;
von der Viag wurde die Aktienmehrheit der Deutschen Stahl- und
Walzwerke Siegburg erworben. Hier arbeitete er mit Paul Rohde
zuſammen, dem Inhaber der Berliner Metallhandelsfirma Otto Mans -
feld & Co. und der mitteldeutschen eisen- und metallverarbeitenden In
duſtrie, darunter die Büchnerwerke, die Leipziger Werkzeugmaschinen
fabrik Sitler, die Metallwerke Luckau und Steffen, die Stoewer
Nähmaschinenfabrik A.-G., die Zahnräderfabrik Köllmann und
die R. Wolf A.-G. Dazu kommt noch Stummsche Neunkircher
Eisenwerke, deren franzöſiſcher Aktienbeſiß über eine holländiſche
Finanzgruppe zum größten Teil auf die Wolff-Gruppe übergegangen ſein
dürfte. Wolff will seine Position in der Eiſeninduſtrie, die durch das Auf
gehen der ihm nahestehenden Werke Phönix, Van der Zypen und Rhein
ſtahl in die Vereinigten Stahlwerke eine Verſchiebung erfahren hat, durch
unmittelbare Beteiligung an trustfreien Werken der Eiſenindustrie wieder
verstärken. Die lehten, mit Hilfe der Deutschen Bank durchgeführten
Transaktionen seien, so hieß es zwar, ohne jegliche Mitwirkung Otto
Wolffs und ohne vorherige Verständigung mit dieſem erfolgt. Das Finanz
kapital hätte damit unmittelbaren Anteil auch an dieser Entwicklung, deren
konsequente Fortführung sich die gewiegten Bankiers der Deutschen Bank
(wie Blinzig, Fehr, Michalowsky, Schlitter, Stauß, Steinthal, Waſſer
mann, Heinemann) nicht entgehen lassen wollten.

Wenn Otto Wolff auf dieser Höhe seiner Entwicklung Umschau und
Rückschau hält, wird ſein Dank vor allem dem getreuen Sozius und
Helfershelfer Geheimrat Otmar Strauß, einem ,,vollwertigen Vertreter"
des auserwählten Volkes Gottes , in erster Linie gelten. Ohne diesen Mann
wäre Otto Wolff heute wohl nicht so weit. Er fand an ihm Stüße und Rat

69
ſchon vor und während der Kriegszeit, auch noch als Strauß, zum Militär
ausgehoben, dem Vaterland, da er nicht kriegsverwendungsfähig war, im
Reichsmarineamt zu Berlin diente. Dort mag er als angehender Wirtschafts
politiker die hohe Schule der Politik besser kennengelernt haben als drüben
im schönen Rheinland. Nach dem Umsturz stellte er sich entschlossen auf den
Boden der Tatsachen, kam in die Waffenstillstandskommiſſion, finanzierte
das Regiment ,,Reichstag“ und kam endlich in das Preußische Staats
kommiſſariat für öffentliche Ordnung, von dem man ſagte, daß er es ins
Leben gerufen habe, ähnlich, wie man eine Firma gründet. In dieſem treff
lichen Institut brachte er es, troßdem alle Titel abgeschafft waren, bis zum
Geheimen Regierungsrat. Die Parteien waren ihm, so raunte damals Frau
Fama, alle gleich liebe Kinder. Er blieb Geschäftsmann vom Scheitel
bis zur Sohle. Das hatte sein Sozius nicht zu bereuen und auch das
Kölner Stammhaus nicht. Für dieses war in der Zeit nach dem Waffen
ſtillstand, wie für den Handel überhaupt, eine ergiebige, ſehr ergiebige Zeit
angebrochen. Das Loch im Westen, Türangel Köln, stand sperrweit offen,
es drängte sich der Spezialbranche geradezu auf, das maſſenhaft aus ver
fallenen Kriegsaufträgen einkommende Material zu verwerten. Das Finanz
kapital griff tüchtig zu. Der Exporthandel wurde dick und fett. Otto Wolff,
der auch etwas vom Erportgeschäft verstand, begriff nicht nur aufs beste
die ganze Sachlage, ſondern vergaß nie, sich seines hohen Sozius in Amt
und Würden zu erinnern ; dieser ergänzte dann auch im besten Einverneh
men mit ihm von Amtswegen, was zur Sachlage an „ Formalitäten“ erfor
derlich ſchien. Aber Strauß erklärte, wie erinnerlich, im Erzbergerprozeß mit
höchster Entrüstung, daß ,,alle Behauptungen über Schiebung, direkte Be
einflussung oder Bestechung von Regierungsorganen, Gewinnbeteiligung
durch Erteilung von Ausfuhrbewilligung, unwahr“ ſeien. In der Tat, dazu
brauchte es gar nicht zu kommen ; denn ,,wo spinnwebfeine Fäden aus
reichen, um Neße ſolcher politiſch-geſchäftlicher Wechselwirkung zu knüpfen,
da bedarf es nicht fauſtdicker Stricke"! Geheimrat Strauß war nicht der
Mann dazu, sich auf Dinge festzulegen, die mit Händen zu greifen waren
und ſein Kölner Sozius war auch nicht von heute !
Im übrigen entwickelte sich das dortige Geschäft in der internationalſten
Metropole der Übergangszeit, die überflutet von Händlern, Kaufleuten,
Schiebern und Hasardeuren aus Frankreich, Belgien, England, Amerika,
Deutschland, Anschluß an den Weltmarkt durch das „ Loch im Weſten“
vollzog, zu einer Konjunktur ſondergleichen. Otto Wolff war nicht von der
Art, dieselbe ungenüßt vorübergehen zu laſſen.

70
Diese Zeiten legten für die Firma einen ,,gesunden soliden finanziellen
Boden", den auch die Inflation nicht wesentlich erschütterte. Damals tauchten
allerdings gewiſſe „ Kreditſorgen“ auf. Kreditnöte ſollen es gewesen sein, die
Wolff und Strauß bewogen haben, die „ Phönir“ - Majorität einem
holländischen Konſortium zu übergeben. Kreditnöte sollen es gewesen sein,
die Herrn Otto Wolff oder vielmehr drei zu ſeinem Konzern gehörige
Firmen veranlaßt haben, aus der „ Hika“, die eigentlich zur Finanzierung
der gewerblichen Mittel- und Kleinbetriebe geschaffen war, ein Darlehen
von 4 Milliarden Mark aufzunehmen und dieses Darlehen dann nicht nur
für Lohnzahlungen, sondern auch für andere Kreditzwecke zu verwenden.
Kreditnöte haben schließlisch Herrn Otto Wolff veranlaßt, von der Stahl
finanzierungs-G. m. b. H. damals einige 60 Milliarden Gelder aufzunehmen.
Dann kam noch der schwierige Fall mit dem Kommerzienrat Litwin, der
sich als geistiger Vater der Dawesgesetze bezeichnet. Aber das sind alles
längst begrabene Dinge, über die auch nur ein Wort zu verlieren ſich ,,nicht
lohnt" !

Auch in letzter Zeit hatte Otto Wolff noch kleine Sorgen. Die General
Versammlung der Phönir A.-G. für Bergbau und Hüttenbetrieb, Geſchäfts
jahr 1926, verlief bewegt. Es wurden in ihr Beſchuldigungen schärfſter
Form gegen ihn vorgebracht ; Behauptungen wurden aufgestellt, daß die
Firma Otto Wolff ſich im Geschäftsverkehr mit Phönir Verfehlungen habe
zuſchulden kommen lassen, durch die der Phönir um erhebliche Summen
geschädigt worden sei. Die Vorwürfe bewegten sich in der Richtung, daß die
Firma jahrelang von einer Abteilung des Phönir an Stelle des gekauften
Materials höherwertiges Material bezogen habe. Ferner habe die Firma bei
Ausfuhrgeschäften sich unzuverlässige Gewinne zum Nachteil der Phönir
gesichert. Dann ist der Vorwurf erhoben worden, daß sich jene Firma bei
der Abrechnung hinsichtlich der von Phönir und anderen Werken durchge
führten Weißblechgeschäfte Unregelmäßigkeiten habe zuschulden kommen
lassen dadurch, daß sie den Erlös niedriger angegeben habe als er tatsäch
lich war.
Die Anschuldigungen liefen darauf hinaus, daß zwiſchen dem Phönir
und der Firma Otto Wolff fingierte Geſchäfte auf Grund von Beſtechungen
vorgekommen sein sollten, eine Anschuldigung, die Otte Wolff in einer
kurzen Erwiderung als einen „ Erpreſſerfeldzug“ bezeichnete. Ganz geklärt
hat sich auch diese jüngste Sache nicht. Aber darauf kommt es in einer

71
Zeit, von der Marim. Harden sagte : „ es ſei nicht kompromittierend, kom
promittiert zu ſein“, auch gar nicht so sehr an. Heute, wo Politik und
Geschäft sich so gut verstehen, wie selten in der Geſchichte, beſonders in
Deutschland, hat man gelernt einen „ freieren Maßstab“ an ähnliche Dinge
anzulegen ! „ Großzügigkeit“ ist die Losung unserer Tage! Und unter der
Agide dieses Systems ist ähnlich gut leben, als man es im sogenannten
finsteren Mittelalter vom Krummstab behauptete !

72
Friede mit Amerika !

Der Kampf in der Filmindustrie – Heßfilme amerika


- -
nischer Juden – Ufa und Deutsche Bank – Hugenberg
Die " verjudetste aller Industrien " ―――― Zukor und
Laemmle ――― Die Loews Der Zug nach Hollywood.

Die Berliner Aſphaltpreſſe konnte ſich anläßlich des sogenannten Kurs


wechsels in der Filmindustrie nicht beruhigen über die drohenden Ge
fahren, die sich hier zuſammenballten. Sie sah eine rechtsorientierte Regie
rung, ditto Parteien, und den gefährlichen Hugenberg von der Filminduſtrie
Besih ergreifen, und die Ufa zu einer republikfeindlichen Produktionswerk
ſtatt umbauen, die künftig nur mehr vom Parademarſch friderizianiſcher
Grenadiere und dem Pulverdampf von Kulissenschlachten erfüllt ist. Sie
ſah ſchon den allmögenden Einfluß der amerikanischen Filmverleihbetriebe
des Mister Marcus Loew dahinſchwinden wie Schnee in der Märzenſonne
und an seiner Stelle radikale Verlage schalten und walten, Reichsgelder
einen gelinden Zwang auf die Produktion ausüben ; kurz das endlich und
mit Mühe errungene Jagdgebiet der Parufamet auf ein enges Gehege
zuſammengedrängt.
Aus der Nähe betrachtet nahm sich die Sache aber doch erheblich anders
aus. Die Ufa war durch die nicht von Nationaliſierungswahn beſeſſene Groß
zügigkeit einiger ihrer Regisseure in Geldſorgen gekommen. Sie trat an den
Fiskus mit dem Ersuchen um Erlaß ihrer Lustbarkeitssteuer heran, bzw.
um eine Subvention, welche die schöne runde Summe von einigen zwanzig
Millionen Mark ausmachte. Die Firma wußte, daß man in Deutſchland in
der Subventionspolitik einen großzügigen Maßſtab anzulegen pflegt. Jeden
falls einen anderen als in Italien, wo vor kurzem Muſſolini auf ein
Unterſtüßungsgesuch der faschistisch organisierten Filmindustrie, des Sin
dacato chinematografico, dem Vertreter derselben antwortete : „ Mit Steuer
geldern kann ich keine Filmspekulation machen!“

73
In der Zeit führte auch die Spißenorganiſation der Filmindustrie
Verhandlungen zur Unterſtüßung des deutschen Films, zur Abwendung der
immer drohender sich entwickelnden Überfremdung des Marktes in Deutsch
land durch die amerikaniſchen Filmkonzerne, deren Beherrscher Loew ,
Zukor, Fox, Laemmle und Abrams, sich auch Deuſchland zusehends
eroberten. Man hat längst vergeſſen, daß dort die berüchtigten Filme ,,Mare
nostrum" oder „ Die apokalyptischen Reiter" oder „ Die Berliner Bestie"
hergestellt wurden, welche durch maßlose Heßpropaganda dazu beitrugen,
die U.S.A. in den Krieg zu bringen. Diese Filme laufen kaum zenſiert, zu
einem großen Teil heute ſogar in Deutſchland, kraft der Verträge, welche
die Amerikaner" in der Tasche tragen.
In Wirklichkeit sollte die Subvention für die Ufa nicht ohne großes
Interesse des Finanzkapitals vor sich gehen. Die Deutsche Bank hat
das Schicksal der Ufa seit Jahr und Tag getreulich verfolgt ; sie hat der
Nibelunge Not ebenso bereitwillig mitgemacht, wie die Schlacht von Leuthen.
Aber beim Metropolisfilm ſcheint sie etwas tief in den Beutel gegriffen zu
haben, so daß die Sanierungsaktion hier wohl auf erwartungsvoll geöffnete
Taschen getroffen wäre. Aber das Schicksal wollte es anders. Hugen
berg übernahm die Reorganiſation der Firma, die Majoritätsverhältniſſe
erfuhren gewisse Veränderungen, welche sich auch in der Zuſammenſeßung
des Aufsichtsrats ausdrückten. Da sißen nun einträchtig an einem Tisch
beiſammen, unter der klugen und taktiſch ſicheren Leitung Hugenbergs, Kon
ſul Salomon Marx, Direktor Bodenheimer von der Danatbank, ein
Amtskollege Jacob Goldschmidts, Direktor Gutmann von der Dresdner
Bank, Direktor Sobernheim von der Kommerz- und Privatbank, Richard
Pohl vom Bankhaus Hardy, Kommerzienrat Wassermann vom
Bankhaus Wassermann & Co., Geheimrat Louis Levy (Hagen) aus
Köln, der Großinduſtrielle Otto Wolff. In der Tat ein Verzeichnis von
erlauchten Namen, die nicht befürchten laſſen, daß die Ufa nur randalierende
Kriegsfilme dreht, über denen ,,die Farbenpracht der Verwesung wie ein
modernder Schimmel liegt"!
Daß sich an der ehemaligen Arbeitsmethode der Ufa dann im Zeichen
der neuen Männer viel geändert hätte, konnte man nicht gerade feststellen.
Die Weltbühne“ des verflossenen Herrn Jacobsohn hat vor dieser Ufa
Reorganiſation keine große Sorge bekommen :
,,Was hat“, schreibt sie,,,bisher die verjudetste aller Industrien zur
Festigung der Republik getan ? Sie hat uns den Nibelungenhort auf der
Leinwand beschert ; sie hat uns das säuerliche Moralethos in Metropolis

74
vorgeführt, eine Tragödie des schlechten Geschmacks aus dem Geiste des
nationalen Lokalanzeigers . Sie hat uns dank dem Ungarn Czerepy und seinen
jüdischen Regisseuren den Glauben an Fridericus wieder erstehen lassen;
ſie hat uns die wilhelminiſchſten Militärfilme vorgeſeßt ; sie hat sich jedem
vermutlichen Wunsche des monarchistischen Mob mit einem echten Ghetto
bückling unterworfen. Hugenberg wird mindestens in der ersten Zeit vor
ſichtiger sein. Und sollten in der Wochenschau der Ufatheater künftig ein
paar Parademärsche mehr gezeigt werden - es kommt wirklich nicht darauf
an. Es liegt auch gar kein Grund zu der Annahme vor, daß die nicht
ganz reinraſſigen Bewohner der deutſchen Glashäuser von Hugenberg ver
trieben und künftig durch teutonische Gestalten erseßt werden."
Man sieht die Sorgen der Boulevardblätter von der Spree um das
Schicksal des Films ſind nicht so berechtigt, als man glauben machen will ;
obwohl die „ Frankfurter Zeitung“ mit Horror auf die Möglichkeit der
Verwendung von Bildstreifen für die Wahlen verweist. Als ob dem einen
nicht recht wäre, was dem andern längst billig ist !

Die Sorge der ,,Amerikaner“, daß die neuen Männer den Vertrag der
Parufamet kassieren würden, war groß. Adolphe Zukor machte sich selbst
auf, um nach dem Rechten zu sehen, fuhr übers große Waſſer und ſchaute
ſich die veränderten Verhältniſſe in Berlin an. Er hat dabei mit noncha
lanter Handbewegung den sogenannten „ Konfliktſtoff zwischen der Ufa
und Amerika" in die Ecke gewischt. Er gewann von der neuen Ufa und
ihren neuen Herrn den besten Eindruck. Er stellte fest, daß dieselben ,,Ren
tabilität erzielen und Geschäfte machen wollen". Er vergaß nicht zu ver
sichern, daß er ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen werde. Er sagte,
er hoffe, daß alle Reibungen aufhören werden. Er sagte, er wünſche, daß
man sich verständige. Interviewers berichten, daß man sich bei Zukor an
eine große Autorität der internationalen Ärzteschaft erinnere, die zur
Diagnose herbeigerufen, Weiſungen und Weisheiten ausſpricht, auf die man
mit Andacht lauſcht. Selbst wenn es ſich nur um ein Glas Waſſer handelt,
das der berühmte Arzt erbittet. Herr Zukor, der ehedem Rabbiner werden
wollte oder sollte, einem kleinen ungarischen Kaff entſtammend, iſt ein
großer Finanzier. Der allerdings nicht immer mit den ſauberſten Methoden
arbeitet. Im Juli 1927 hat die amerikanische Federal Trade Com
mission die beiden Leiter der allmächtigen Famous Players wegen.
Vergehens gegen das Antitruſtgeſeh unter Anklage gestellt. Adolphe Zukor

75
und Jesse Lasky wurden der „ Konspiration zum Zwecke des Versuchs,
das Monopol über die Filmindustrie zu erlangen“ beschuldigt. Im Film
handel seien viele Mißbräuche, besonders durch die Schuld der Lasky Co.
üblich geworden. Insbesondere versuche dieſe, die Konkurrenz im Handel
der Erzeugung und Verteilung von Filmen zu verhindern, ferner zwinge ſie
die Kinotheater, welche Filme von ihnen kaufen wollen, ganze Gruppen
von Bildstreifen zu erwerben, ohne Rücksicht auf die Art der Filme und
die Wünsche der Theaterbesißer zu nehmen (ähnlich wie die jüdiſchen
Teppichhändler im Orient, welche ein echtes Stück nur mit einem Posten
Schundware abgeben). Endlich unternehme ſie den Ankauf oder Versuch
des Ankaufes von Theatern, um die Kinobesißer, welche sie zum Erwerb
von Filmen des Truſts zwingen will, einzuſchüchtern. Die Famous Players
ſei an mehr als 360 Theatern intereſſiert und beabsichtige die unabhängige
Filmindustrie völlig vom Markt auszuschließen.
Weiter führte die Begründung aus, daß Zukor eine unfaire Politik der
Verteilung von Filmen durchführe. So habe er Theaterbeſizern, die ſeine
Gruppen von Filmen nicht erwerben wollten, angeboten, ihnen auch ein
zelne Filme zu überlassen, jedoch zu Preisen, die um 50 bis 75 Prozent
höher waren, als die üblichen. Dadurch werde diesen Theatern die Kon
kurrenz unmöglich gemacht, die Freiheit der Theaterbesizer, nach ihrem
Geschmack und Urteil Filme zur Vorführung zu übernehmen, beeinträchtigt
und das Publikum der Macht beraubt, die Vorführung der Filme durch
die Theaterbeſizer zu beeinfluſſen. Außerdem habe die Geſellſchaft von 1916
bis 1926 Aktien von 50 erstklassigen Theatern in klug ausgewählten Zen
tralen erworben, die es ihr ermöglichen, eine ungeſeßliche Verkaufspolitik
zu treiben und die Unabhängigkeit der Theaterbesizer zu bedrohen.
Diese aufsehenerregende Affäre zeigte, daß die Beherrscher des Films
vor allem Finanzgenies sind und das Geſchäft um der klingenden Münze
willen, weniger im Glauben an die erzieheriſche Miſſion des Bildstreifens,
betreiben!

Der Friede zwischen Zukor und der Ufa ist im großen und ganzen
wieder geschlossen. Ist dies ein Wunder, wenn ein glänzender Debatter",
wie dieser amerikanische Jude, der nur in Bilanzzahlen und Geſchäftsberichten
denkt, die Stimmung ganzer Generalversammlungen umdreht, wie einen
Handschuh! Aber schließlich handelte es sich für die Amerikaner", deren
Sprecher hier Zukor war, um keine Kleinigkeit. Wenn man bedenkt, daß bis
Jahresmitte 1926 kaum über hundert deutsche gegen mehr als zweihundert

76
ausländische Filme zensiert wurden, ungerechnet der Lustspiele, Grotesken
uſw., deren Einfuhr völlig frei iſt, kann man die Sorgen der Herren von
drüben verstehen. Und 1927 war das Verhältnis ähnlich ungünſtig für
Deutschland.
Langsam waren die großen Vertruſtungsbewegungen der einzelnen Ge
sellschaften in Amerika ins Rollen gekommen. Auf der Börse hatte die
Nachricht eingeschlagen, daß der unter der Führung von Famous Players
stehende Filmkonzern ein unerhörtes Ausdehnungsunternehmen plane. Nicht
nur nach Europa hinüber, ſondern auch dort im Lande. Man verſuchte vor
allem die breite Öffentlichkeit auf die Gefahren aufmerksam zu machen,
die drohen, wenn etwa ein Fünftel des gesamten Lichtspieltheaterbeſizes
Amerikas in der Hand eines Konzerns iſt. Wie erwähnt, führte die Federal
Trade Commiſſion, der die Ausführung der Antitruſtgeſehe obliegt, einen
lebhaften Kampf gegen die Filmtruſtgeſellſchaft Famous Players Lasky
Corporation. Diese Gesellschaft umfaßt zugleich die Loewgeſellſchaft, das
größte Filmunternehmen Amerikas. Da Famous Players auch durch eine
andere Tochtergesellschaft die größten Filmhändler Amerikas sind, so um
faſſen ſie ſo ziemlich alle Verdienstquellen innerhalb des Filmbetriebes.
Als einzige Konkurrenten betrachten die Famous Players die First
National Pictures , die eine Selbstschußorganiſation der Filmtheater
besizer darstellen und sich gegen Zukor, den Leiter der Famous Players , und
dessen Aufkaufstechnik wehren. Man kann sich übrigens denken, daß dieser
Mann nicht aus Liebe zum deutschen Film der Berliner Ufa einen Kredit
von 4½ Millionen Dollar gegeben hat.
Die Famous Players Lasky Corporation mit ihrem Gründer Adolphe
Zukor, der vor dem Kriege als Einwanderer aus dem europäiſchen Osten
noch mit alten Fellen handelte, verfügt heute bereits über einen bestimmen
den Einfluß auf zwei Drittel aller Filmunternehmungen der Erde. Er ist
der fast unbestrittene Magnat der amerikanischen Filmindustrie, in die
gegenwärtig etwa 12 Milliarden Dollar hineingesteckt sind, und die un
gefähr den zweitgrößten Wirtschaftskörper darstellt, den die Vereinigten
Staaten besitzen. Die Famous Players Lasky Corporation hat es ver
standen, die gesamte amerikaniſche Filmindustrie zu einem Mammuth-Truſt
zusammenzuballen.

Zwiſchen der Ufa und Herrn Zukor iſt alſo vorläufig wieder alles in
Ordnung, in bester Ordnung sozusagen. Auch Herrn Lämmles, eines
geborenen württembergischen Juden und großen Deutschenfreundes“ Ver

77
trag läuft noch. Er erstreckt sich auf zehn Jahre und ſieht vor, daß ſein
Konzern der Ufa ſeine gesamte Produktion anbietet. Aus derselben müſſen
im Zeitraum einer festgelegten Entſchädigungsfrist zehn Filme übernommen
und im Lauf dreier Jahre rund eine Million jährlich bezahlt werden. Von
da ab sind je nach dem geschäftlichen Erfolg dieser Abmachung für zwei
bzw. fünf weitere Jahre beiderseitige Optionen vorgesehen, die den ,,Ame
rikanern" ein starkes Übergewicht geben.
Von nicht weniger schwerer Bedeutung ist der Vertrag mit „ Famous
Players“ und „ Metro Goldw y n“ des Amerikaners Marcus Loew,
da diese neben außerordentlichen finanziellen Zugeständnissen den berüch
tigten direkten Filmaustauſchverkehr eingeleitet haben. Die Ufa muß von
jedem der beiden Konzerne die doppelt so große Anzahl wie von Lämmle
übernehmen, alſo je zwanzig Stück. Diese vierzig Filme werden in eine ge
meinſame Vertriebsgesellschaft eingebracht, in welche die Ufa den gleichen
Prozentsah von Filmen ihrer Produktion liefert. Der wesentlichste Beſtand
teil der Verträge ist die gemeinsame Produktion von Filmen, welche die Ufa
und die Amerikaner je zur Hälfte finanzieren. Dabei werden die Filme in
Amerika, England und Auſtralien vertrieben. Die Geſellſchaft, welche den
Vertrieb nach Deutschland übernommen hat, ist die Parufamet ( Para
mount, Ufa, Metro Goldwyn). Durch das Vertragswerk, welches zu deren
Gründung führte, wurde ein wenig befriedigender „ Ausgleich“ zwiſchen
den Interessen der deutschen und amerikaniſchen Filmindustrie geſchaffen.
Der deutsche Qualitätsfilm wird zusehends amerikaniſiert, da die amerika
nischen Gesellschafter der Parufamet in ihren 2-3000 Theatern dem Pu
blikum Bildstreifen nach amerikanischem Geschmack vorsehen müssen. Auch
in Deutschland muß amerikanisch gefilmt werden.
Durch das Vertragswerk, welches zur Gründung der „ Parufamet“
führte, wurde ein sogenannter „ Ausgleich“ zwischen den Interessen der
deutschen und amerikanischen Filmindustrie herbeigeführt und eine Grund
lage geſchaffen, auf der die Vertragspartner der Parufamet auch außerhalb
Deutſchlands und Amerikas gemeinsame Arbeit leisten können. Die ameri
kanischen Gesellschafter der Parufamet, an ihrer Spize Loew, spielen in
ihren 2000 bis 3000 Theatern die Ufa-Filme und beteiligen die Ufa an den
daraus fließenden Einnahmen.
Die 40 amerikanischen Filme, die durch die Parufamet zum Verleih
kommen, werden von der Ufa aus der jährlichen Gesamtproduktion der
amerikaniſchen Vertragspartner, die 300 bis 400 Filme umfaßt, ausgesucht
und der Lendenz einer gewissen Propaganda in Deutschland „ angeglichen“.

78
Die Parufamet hat ihre Zentrale in Berlin, Filialen befinden sich in Düſſel
dorf, Frankfurt a. M., München, Hamburg, Leipzig und Breslau.
Die deutsche Filmindustrie ist heute der amerikaniſchen Diktatur fast
wehrlos ausgeseßt. Man ist der Meinung, daß Amerika das einzige Land
ist, in dem sich ein Film wirklich bezahlt machen kann, weil es über 20 000
große Lichtspieltheater besitzt. Daher paßt man die deutschen Filme dem
amerikanischen Geschmack an und sichert ihnen so von vorneherein den
finanziellen Erfolg. Dieſe Maßnahme bedeutet, daß neben der Einfuhr der
vielen ſattſam berüchtigten „ echten“ amerikaniſchen Filme auch in Deutſch
land ,,amerikanisch" gefilmt werden muß. Man dreht drüben für die ,,ame=
rikaniſche Börse“ den deutſchen Kunstfilm, der seinerzeit vor einem Auf
schwung ſtand und bei uns läuft der dem Deutſchen noch „ fremde“ ame=
rikanische Film unentwegt weiter.

Zugleich entwickelte sich eine Massenabwanderung nach Hollywood.


Nachdem es gelungen war, die deutschen Künstler zu gewinnen, ging das
Filmkapital daran, in Handels- und Fabrikationsunternehmen allmählich
einzudringen mit dem Ziel, die ganze deutsche Filminduſtrie zu unterwühlen.
Schließlich warf man diese Filme in Maſſen und zu Preisen auf den deut
ſchen Markt, daß die einheimische Induſtrie dagegen nicht aufkommen
konnte. Es waren oft Filme, die in Amerika ſchon längst vielfach amor
tisiert waren ; die deutsche Filmindustrie mußte den größten Teil ihres
Produktionskapitals hingegen aus dem armen gepreßten Deutſchland heraus
holen. Gerade die Ufa, eine der führenden deutſchen Unternehmungen, ſuchte
die zersplitterte deutsche Filmindustrie zu einer Zuſammenfassung ihrer
Kräfte zu führen. Sie seßte überall dort an, wo Kräfte am Werke waren,
die für die deutſche Filmindustrie wertvoll erschienen, tauſchte Darsteller
und Regisseure aus und knüpfte schließlich durch Kapitalsbeziehungen das
Band endgültig. So fanden die Amerikaner schließlich einen Block vor und
hatten sich alles in allem auch nur mit diesem zu befassen. Es ist heute
schwer zu entscheiden, ob die Ufa, die diese Entwicklung kommen sehen .
mußte, auch den jetzt erfolgten Ausgang vorausſah. Zweifellos stehen die
Verteidiger der Amerikaniſierung auf dem diskutablen Standpunkt, daß
eine große Gefahr von einer viele Hunderttausende von Menschen be=
schäftigenden Industrie abgewendet wurde und Deutſchland in der Ufa einen
der größten Filmkonzerne der Welt besißt. Die Ufa wird jezt schon über
200 eigene Theater verfügen, von denen einige zu den größten Theatern

79
Deutschlands zählen. Auf dem Arbeitsplan für ein Jahr stehen 60 Filme,
die teils von der Ufa selbst, teils von ihren Tochtergesellschaften hergestellt
werden. Die besten Schauspieler und Schauspielerinnen Amerikas treten in
diesen Filmen auf.
Wie sich die Finanzverhältnisse zwiſchen Deutschland und Amerika ent
wickeln werden, ist heute noch nicht abzusehen. Jedenfalls ist die Tatsache
der Beeinflussung des größten Teiles unserer Filmindustrie durch die ameri
kanische Hochfinanz nicht von der Hand zu weisen, es sei denn, daß es
gerade der Ufa gelingt, die Fesseln zu lockern, in die sie, und mit ihr der
bedeutendere Teil der deutschen Filmindustrie geschlagen worden ist.

80
„Anschlägige Köpfe".

Die Danat und Jacob Goldschmidt — Bernhard Dern


―――――
burg Die Entwicklung der Danat Stinnes' Ende,
-
Goldschmidts Anfang Finanzkapital am Werk - Der
hundertzehnfache Aufsichtsrat — Krupp - Nord lloyd

In der Geschichte der Kapitalentwicklung ſeit Ende der deutſchen In


flation nimmt die Darmstädter und Nationalbank eine ganz
beſondere Rolle ein. Sie steht seit längerem mit an der Spiße der Berliner
Großbanken. Diese Entwicklung verdankt ſie vor allem ihrem jeßigen Leiter
Jacob Goldschmidt, der, heute ungefähr hundertfacher Aufsichtsrat
und Ehrendoktor der Heidelberger Univerſität, im Blütenalter von einigen
vierzig Jahren sich als ungekrönter König des Finanzkapitals in Deutsch
land durchgesetzt hat. Von dem noch vor wenigen Jahren Pinner
schrieb, daß er sich aus ganz kleinen Anfängen und faſt ganz ohne Protek
tion binnen kurzer Zeit in die Helle ansehnlicher Börsenerfolge emporſchwang,
daß er ein echtes Finanztalent sei mit ausgesprochenem
Bankierinstinkt und sehr anschlägigem Kopf. Voll von Ge
danken, mit Geſchick und Schick in den Fingern, noch nicht ganz ausgereift,
mit scharfem, kritischem Blick begabt, vielleicht kein großes Bau
genie, aber ein gescheiter, agiler Former. Seine Faktur, ver
bunden mit dem reichen Fundus eines Henry Nathan, das würde vielleicht
die richtige Mischung für den großen Bankdirektor abgeben, den wir heute
im deutschen Bankwesen nicht haben“.
Seit Pinner in wenigen Zeilen dieſes etwas offene Porträt zeichnete,
sind einige Jahre vergangen. Goldschmidt iſt inzwiſchen wohl „ ganz aus
gereift“ und hat auch ohne den „ wiſſenſchaftlichen Fundus “ Henry Nathans
die richtige Miſchung“ herausbekommen. Er ist allerdings kein großes
Baugenie" geworden, sondern ein Zertrümmerer bedeutender Konzerne und

6 81
Firmen, ein Zerseßer und Auflöser der deutschen Volkswirtschaft. Aber wohl
ein ,,agiler Former“, der die Zuſammenfaſſung des Finanzkapitals an be
sonders geschwächten Stellen der Wirtschaft und den Einbruch in schlecht
verteidigte Stellungen mit ,,Schick und Geschick" leitete. Und heute kann
man in ihm den „ großen Bankdirektor im deutschen Bankwesen“ sehen !

Goldschmidts Vorgänger an der Danat war Bernhard Dern =


burg, der schon Jahre vor dem Krieg als echter Finanzparvenü einen über
raschenden Aufstieg vom Kontormenschen zum Kolonialſekretär nahm. Brüsk,
rücksichtslos, immer im Gegensah zum alten Beamtentum, das in dieſem
zwar nicht ganz hundertprozentigen Vertreter seiner Rasse den Evolutionär
sah und den Revolutionär witterte, machte Dernburg Karriere. Der alte
Fürstenberg war sein Mentor gewesen, bei Ladenburg, Thalman & Co., der
großen jüdischen Bank in Neuyork hatte er gelernt, sich durchzusehen, und
kam zurück an die „ Deutſche Bank“, von jeder ,,Voreingenommenheit“ , jeder
„ Hemmung“ total befreit. „ Er gab ſich“, ſchreibt Pinner in seinem sehr offen
herzigen Buch Deutsche Wirtschaftsführer”, „ nicht mit kleinlicher Flick
arbeit ab, sondern er amputierte kaltblütig, aber mit haarſcharfer Sicher
heit in einem Stil und mit einer Meisterschaft, die man damals in Deutsch
land noch nicht kannte. Er zeigte zum erstenmal seine Löwenklaue. Und er
hatte Erfolg."
Als er zur Darmstädter und Nationalbank kam, galt er nach Strich
und Faden als ein Mann mit robuſtem Gewiſſen“. Aber sein eigentlicher
Aufstieg begann mit seinem Debut als Kolonialſekretär. Er erlöste die ach
so bescheidentliche, beschränkte, bürokratische Kolonialverwaltung in ein
Gewirr von Geschäftsmanipulationen auf und schob den ganzen Wagen vor
allem einmal aufs Gebiet der Parteipolitik. Noch heute erzählt man sich die
Sache mit der Beschlagnahme der südwestafrikaniſchen Diamantenfelder. Herr
Dernburg kam, die bisher aufgesteckten Schürfpfähle behagten ihm nicht,
er beſchlagnahmte ausgedehnte Fundstellen. Aber nicht, wie es für den
kaiserlichen Kolonialsekretär naheliegend gewesen wäre, fürs Reich, ſondern
für ein Berliner Finanzkonsortium. Aber das ist alles schon recht lange
her ... Doch ſchließlich stolperte er über seine eigenen Beine, kam immer
mehr ins Gleis der Politik demokratiſcher und pazifiſtiſcher Tendenz. Er
schied schon nach kurzer Zeit aus dem Amt, ſeine Rassegenossen gingen im
weiten Bogen um ihn herum, Rathenau und Deutsch zogen noch rechtzeitig

82
die Finger aus der ganzen Affäre und ließen ihn links liegen. Zu Beginn
des Krieges sandte die deutſche Regierung Dernburg, den alten Amerika
´fahrer übers große Waſſer, um in U. S. A. ,,moralische und finanzielle Er
oberungen“ zu machen. Aber Amerika zog doch in den Krieg, troß Dern
burg! Oder sollten hier noch andere Schlußfolgerungen naheliegen !?
Mit Ausbruch der Revolution sah sich Dernburg jedenfalls ein ge
waltiges Stück vorwärtsgeschoben. Er wurde demokratischer Abgeordneter,
und nach Schiffers Sturz landete er im Finanzministerium. Aber die Herr
lichkeit dauerte nicht lange. Das Volk hatte für saloppes Experimentieren
mit Finanzproblemen in jener Zeit hereinbrechenden Maſſenelends so wenig
Verständnis, als einige Jahre später in der kurzen, verhängnisvollen Ära
des marristischen Inflationsministers Dr. Hilferding.
Das war die lehte Etappe der öffentlichen Betätigung des oft patho
logisch wirkenden Expanſionsdranges eines Mannes, der als kleiner Bank
clerk begann und als politikaſternder Journalist endete, nicht weit von der
Stelle, wo sein Vater (unterm Strich zwar, aber immerhin im „ Berliner
Tageblatt") begonnen hatte. Und war doch einst einer der vielen Rasse
menschen oſtiſcher Prägung gewesen, auf die das wilhelminiſche Zeitalter
seine schönsten Zukunftshoffnungen ſezte !

Heute steht an dem Plaß in der Danat, den einſt kurze Zeit Bernhard
Dernburg hielt, eine ,,unverbrauchte Kraft", Jacob Goldschmidt.
Mit der Stabilisierung setzte die eigentlich durchgreifende „ Arbeit“ Gold
ſchmidts ein, die im Laufe der Jahre 1925 und 1926 außerordentliche
„ Erfolge“ für die Danatbank zeitigte. Das Finanzinstitut ſchlug die meiſten
Großbanken mit einem bilanzmäßig ausgewieſenen Reingewinn von
einigen zwanzig Millionen. Die Deutsche Bank verzeichnete dem
gegenüber einen Reingewinn von 26 Millionen, die Diskontoge 17,5 Mil
lionen, die Dresdner 11,9, die Kommerz & Privatbank 8 Millionen Mark.
Der Effektengewinn der Bank dürfte eminent hoch geweſen ſein, des
gleichen der Zinsgewinn und bei einer Spanne von etwa 4 Prozent zwiſchen
Soll und Haben bei rund einer Milliarde fremder Gelder schon beim vor
jährigen Status auf 40 Millionen zu beziffern sein! Von dieser schönen
runden Summe lassen sich leicht die entsprechenden Schlüsse auf die an
deren ausgewiesenen und nicht ausgewiesenen Posten des damaligen Ge
ſchäftsjahres anstellen.

6* 83
Seit dem Eintritt Jacob Goldschmidts in die Direktion der damaligen
Nationalbank datiert der große Aufschwung dieſes jüdiſchen Finanz
instituts, das sich bald mit der Bank für Handel und Induſtrie verſchmolz.

Die schwere Kriſe, welche mit der Stabiliſierung über die deutſche
Industrie hereinbrach, wurde mit einiger Nachhilfe seitens des Finanz
kapitals dem großen Stinneskonzern zuerst zum Verhängnis. Eine
geschickt gemanagerte Kreditverknappung seßte ihn aufs Trockene, Jacob
Goldschmidt übernahm ,,bereitwilligſt“ die Leitung des Stüßungskonſortiums
für die ,,ruhige Liquidation“ desselben ; um ein Butterbrot sozusagen wurden
seinerzeit die Riesenpakete von Gelsenkirchen, Deutſchlur und Bochumer
hereingenommen, und als ſie in feſter Hand waren, erklärt, man hätte allzu
schwarzseherisch über den finanziellen Stand des Konzerns gedacht. Der
ſpätere drei- bis vierfache Kursstand der seinerzeit faſt zum Konkurswert
eingekommenen Pakete läßt einige Rückschlüſſe auf die bei dieſer giganti
ſchen Zertrümmerung erzielten Gewinne zu.

Der alte Stinnes war gewissermaßen ein Prototyp des deutſchen Infla=
tionskaufmannes ; einer der ganz wenigen, die das Gefeß der Geldentwertung
verhältnismäßig früh erkannt hatten und mit allen durch den Zweck ge=
heiligten Mitteln für ihre konsequente Weiterführung ſorgten. Der 14. April
des Jahres 1923 hätte manchem die Augen öffnen können, der den
Inflationskönig für den unbedingt einzigen Retter Deutſchlands anſah. In
den Zeiten seines zunehmenden Einflusses hat er sich einige Male durch
allzu große Offenherzigkeit da und dort eine üble Nachrede zugezogen : da
war die Angelegenheit mit den Franzosen, die Angelegenheit mit dem Acht
stundentag, dann die Geschichte mit den großen Deviſenkäufen. Aber nichts
hat im Grunde ſeinen Einfluß, ſeine Macht erschüttert. Seine Schöpfung
war ein Reich im Reiche, die Wirtſchaftsprinzipien ſeiner Regierung waren
die der Reichsregierung, sein Thema war die Vertikalvertruſtung. Der
karzinomartige Organismus ſeines Konzerns, neben dem für eine wirkliche
aktive Wirtschaft der deutschen Volksgemeinschaft wenig Plaß mehr war,
wurde schließlich von außen her durch einen „,operativen Eingriff" entfernt.
Man rühmte es dem alten Stinnes nach, daß er für kleinere, durch
ausländisches Kapital bedrängte Unternehmungen eine offene Hand gehabt
habe. Nun stand sein Lebenswerk vor derselben Schwierigkeit. Der Finanz
kapitalist sieht von seinem Standpunkt aus die nach Atem ringenden Wirt

84
ſchaftsunternehmungen mit denselben Augen an, wie einst der Industrielle
Stinnes die kleinen Happen, die er schluckte.
Es ist nicht mehr die Zeit, über das Wirtſchaftsſyſtem des alten Stinnes
zu rechten. Der Lage zu gedenken, wo er seine geschäftlichen Unter
nehmungen nicht immer mit Rücksicht auf die Allgemeinheit durchdrückte.
Aber fest steht, daß er das Wesentlichste der Kapitalentwicklung, besonders
in der Nachkriegszeit, verkannt hat. Günstigenfalls durch Mittel zu para
dieren versuchte, die alles weniger als volkswirtschaftlich im guten Sinne
des Wortes waren, deren Reichweite über Familienbeſiß und Hausmacht
politik hinausging.
Das Problem internationales Finanzkapital“ eriſtierte für ihn nicht.
Er hatte es nicht nötig, ſich mit solchen „ Kinderkrankheiten“ abzugeben ; er
hatte es nicht nötig, er hatte vor allem „ keine Zeit“, theoretische ,,Klüge
leien" zwischen Leihkapital und Induſtriekapital, zwiſchen produktivem und
unproduktivem Kapitalismus zu machen. Für ihn arbeitete die Inflation,
vor seinen Augen verschleierte sich hinter dem Nebel der Geldentwertung
jede weitere Sicht, das Schicksal ſeines Werkes und das Schicksal Deutsch
lands. Er hatte nicht nötig, ſein System abzuleugnen. Es funktionierte
tadellos und so ziemlich, so lang er lebte. Er hat es auch nicht überlebt, zur
Zeit seines Todes war, fast mutet es wie „ höhere Fügung“ an, die Geld
entwertung beendet.
Seine Söhne aber hatten es bitter nötig, sich mit Dingen zu befaſſen,
die für den alten Stinnes ,,nicht zur Sache gehörten". Der Feldzug gegen
Stinnes Erbe wurde von seiten des Finanzkapitals mit allen Mitteln ge=
führt. Ein Stüßungskonſortium von Banken, an der Spike Herr Jacob
Goldschmidt, begann in das Getriebe der überhaſteten Abwicklung rückſichts
los einzugreifen.
Die Darmstädter und ihr Herr Goldschmidt konzentrierten die ,,Stüßung“
auf sich selbst. Die übrigen Stüßungsbanken bekamen die Stüßungszinsen .
im allgemeinen nur für die ihnen ſelbſt geſchuldeten Beträge. Die anderen
Schulden gingen durch die Darmstädter, und Herr Goldschmidt behandelte
ſie. Die Zinsen, die dabei berechnet wurden, waren enorm. Es waren die
Zinsen, die die Bank für die Bezahlung der Fälligkeiten berechnete bis zu der
Zeit, wenn die Erlöse aus abgestoßenen Objekten hereinkamen.
Stinnes mußte für seine ,,Stüßung" bezahlen. Die Darmstädter hat
auch das ganze Devisengeſchäft auf sich konzentriert. Und verdiente dabei.
Sie tat das, indem sie sich die besten Einlösungskurse herausfiſchte.
Wenn Auslandsforderungen an Stinnes bezahlt wurden, hat sie die aus

85
ländischen Zahlungsmittel gegen Mark gekauft und unter den Kursen des
Vortages, des Zahlungstages und dann des Tages nach der Zahlung den
niedrigsten Markkurs gewählt. Noch eine dritte Verdienstquelle gab es für
die Darmstädter Bank. Herr Goldschmidt hatte freie Hand. Es handelte
sich um die Zinsen, die die Bank zwischen dem Tage, an dem sie an For
derung an Stinnes übernahm und dem Tage, an dem ſie ſie befriedigte,
verdiente. Das war bei den Millionenbeträgen, um die es sich handelte, ein
ganz hübscher Verdienst. So sieht die Behauptung in Wirklichkeit aus , daß
an der „ Stüßung“ des Stinneskonzerns nichts verdient wurde.
Aber der Finanzdiktator hatte ein warmfühlendes Herz in der Bruſt.
Dem noch nicht geſchluckten Teil des Stinnesbeſißes, dem alten, in hundert
Jahren langſam großgewordenen, in rheinischer Kohle verankerten Familien
beſiß, der den Erben gnädigst gelaſſen wurde, verſchaffte er eine Amerika
anleihe. Etwas teuer allerdings. Von den hundert Millionen
gingen gegen achtzig auf Konto des seinerzeitigen
Stüßungskonsortiums zur Abdeckung des Schulden
saldos ; mit dem Rest und einem drückenden Zinsendienst
wird sich die Rumpffirma weiter durch die Jahre schlep =
pen. Der größte deutsche Induſtriekonzern war durch das Finanzkapital
gestürzt. Ein Siegesgefühl ſondergleichen erfüllte die Bankiers und Finan
ziers. Sie datierten von dieſem Tag an die neue Offenſive des Finanzkapitals
gegen das zurückweichende Induſtriekapital! ,,Das Finanzkapital hat auf
der ganzen Linie gesiegt !“ schrieb damals die „ Wiener Morgen=
zeitung" in klarer Erkenntnis der Lage.
Es kam der Fall Aga. Die dem einen Sohne Stinnes verbliebene
Autofirma geriet in eine Kreditſperre, so ganz ,,zufällig“; Goldschmidt zog
die Schlinge an, und das Werk ſtand in kurzer Zeit vor der Stillegung.
Unter Führung der Danat wurde der Linke - Hoffmann - Kon
* zern als leßter der großen Vertikaltrusts ,,gereinigt" und der mittel
deutsche Stahltrust gebildet. Unter Führung der Danat kam der „ deutsche
Schiffahrtstruſt“ zustande, und die Fäden, welche sich so zwischen der
englisch-amerikaniſchen Hochfinanz angeknüpft haben, liefen ausschließlich
durch die Hände des Herrn Goldschmidt. Unter Führung der Danat wurde
die ,,Saatgut - Verkaufsgesellschaft“ gegründet, mit der wieder
ein Stück des Weges überwacht wird, den das Produkt vom Erzeuger zum
Verbraucher zurückzulegen hat. Herr Goldschmidt ſißt maßgebend im
Edelstahltrust, hat den Junkerswerken gegen Hinterlegung
des vom Reich geschenkten Aktienpaketes einen Kredit von 2 Millionen

86
Mark eingeräumt, arbeitet mit Kohlenbaronen wie Wollheim, Kuhnheim,
den Arnholds und Petscheks an der Kontrolle über die deutsche Braun
kohlenindustrie, sißt im Aufsichtsrat der Klöckner-Werke, Büttner
Werke, Uerdingen, Zöllner-Werke Neukölln, Westeregeln, Orientbank Berlin,
Kaliwerke Aschersleben und Salzdetfurth, Lindström Berlin, Böhmisches
Brauhaus Berlin, Victoriaverſicherung, A. E. G., Berger Tiefbau, Berg
mann, Bismarckhütte, Bochumer Stahl, Continental Caoutchouc, Deutſch
Australische Dampfschiffahrts -Geſellſchaft, Kosmos, Hypothekenbank Mei
ningen, Deutscher Aero Lloyd, Deutsch-Lur, Gelsenkirchen, in den Gewerk
ſchaften Glückauf, Bruckdorf Halle, Orlas Kleinwangen, Wolf Calbe,
Grube Leopold Cöthen, Roßleben, bei Hirsch-Kupfer Berlin, Internationale
A. E. G. Mi Amsterdam, Bank de Amsterdam, Schultheiß Paßenhofer,
Kahlbaum, Kaliwerke Steinhörde Hannover, Kostheimer Papierfabrik,
Leykam Josefsthal, Mansfeld, Nationale Auto Oberſchönweide, Natron
zellstoffabriken Berlin, Norddeutsche Kabelwerke, Oberschlesische Eiſen
induſtrie Gleiwiß, Bamag Büttnerwerke, Oleawerke, Osram, Zuckerfabrik
Kleinwanzleben (die eine der größten Saatzuchtabteilungen in Deutſchland
beſißt und Weltgeltung hat), Phönir Düſſeldorf, Preußengrube Miechowiß,
Reichsanleihe A.-G. ( !) Berlin, Rheinische Metallwarenfabrik Düſſeldorf,
Riebeck Montan, Sauerbrey Staßfurt, Schweißer & Oppler, Walzwerk
Henningsdorf, Vereinigte Stahlwerke Düſſeldorf, Lauſißer Glaswerke und
vielen anderen. Er hatte zeitweise an die 114 Aufsichtsratspoſten inne und
damit den Rekord in Deutschland.
Welch gewaltige Arbeitslast ! Jeden Tag Vorstandsſihungen, Aufsichts
ratssitzungen, Generalversammlungen, daneben sozusagen ein Beruf als
Bankdirektor ! Der Schluß liegt nahe, daß ein solcher Mann sich oft auf
geheimnisvolle Weise teilen, verdoppeln, verzehnfachen muß, um überall
zu sein, wo er dringend vonnöten ist; oder daß er die hundertundir Werke
ihrem Schicksal überläßt und es vorzieht, über der Bilanzprüfung nicht auf
Lantiemen und Dividenden zu vergessen ! Wie hoch wohl sein Gesamt
jahreseinkommen ist? Reicht eine halbe Million? Dreiviertel Millionen ?
Und sein Privatvermögen ? Des Volkes Stimme erzählt von 80 Millionen,
dann wieder von 90 Millionen.
Das sind die Märchen und Sagen unserer Zeit, der Romantik unſeres
goldenen Zeitalters, wo alles sich in gleißendes Metall verwandelt, was das
Finanzkapital mit seinem Zauberstab berührt.
Seit Jahr und Lag ruht Jacob Goldschmidt, der Mann ohne Protek
tion, keine Stunde. Er sehte sich in der Hapag fest, das Finanzkapital der

87
Berliner Großbank drang in den Hamburger Reederclan ein, fand als der
Konkursverwalter von Stinnes noch Gelegenheit zu einem Rieſencoup. Die
Stinnesflotte, 120 000 Tonnen stark, wurde von der Deutsch -
Austral- und Kosmoslinie für sechs Millionen gekauft, an der
Nase der Hapag vorbei. Damit war die Danat sozusagen seefähig geworden,
ihre Zukunft lag auch auf dem Wasser, bis Goldschmidt den Majoritäts
inhabern der Auſtral-Kosmos den Verkauf der Linien nahelegte und Herr
Cuno ſich entschloß, neben Herrn Goldschmidt auf einer Bank zu ſizen. Die
Hapag hatte ihre Fuſion mit der Kosmos ,,ohne allen Zwang“ vorgenommen,
ſie verschwand geräuſchlos hinter den dichtverhängten Draperien des Finanz
kapitals. Die Beziehungen zwischen Cuno und Goldschmidt konnten eigentlich
schon in der Zeit herzlicher geworden ſein, als Kuhn, Loeb & Co., die doch
auch die Danat nicht erst seit heuer kennen, sich für die Markſtüßungsaktion
des Kanzlers Cuno intereſſierten ! Gegen Ende 1927 ist auch der Nord
deutsche Lloyd in greifbare Nähe der jüdischen Hochfinanz geraten. Kuhn,
Loeb & Co. und der Guaranty Truſt Cie. in Neuyork haben der großen
deutschen Schiffahrtsgeſellſchaft „ ohne Sicherheiten“ eine Anleihe zu ſechs
Prozent auf zwanzig Jahre zur Verfügung“ gestellt. Als Truſtees fun
gieren die Guaranty Truſt und die Danat des Herrn Jacob Goldschmidt.
Aus Kreisen der Direktion der Schiffahrtsgesellschaft wurde der Pump als
reine ,,Demonstrationsanleihe“ erklärt :
,,Der Norddeutsche Lloyd hätte an ſich das vorliegende Bauprogramm
aus eigenen Mitteln bestreiten können, sei es auch bei einer temporären
Verschuldung im nächsten Jahre. Die Anleihe sei jedoch der Geſellſchaft von
amerikanischer Seite zu den günstigen Bedingungen angeboten, und zwar
sei die Anleihe in erster Linie als ein Demonstrationsgeschäft zu bewerten,
durch welches die amerikanischen Finanzhäuſer ihr Vertrauen zum Kredit
der deutschen Wirtſchaft erneut beweisen wollten.
Die Bilanz der Geſellſchaft zeige ein ſehr günstiges Bild. Rein zahlen
mäßig würden die Rekorderträge von 1913 erreicht werden. Die Geſellſchaft
beabsichtige, den engliſchen Kredit mit Hilfe des amerikaniſchen Kredites
abzulöſen, und zwar wäre ein Abkommen getroffen, wonach es der Gesell
schaft möglich sei, die engliſchen Schulden zu pari abzustoßen, während die
Amerikaner die Unkosten tragen.
Die Schulden der Geſellſchaft würden sich künftig belaufen: 1. auf die
amerikaniſche Anleihe, 2. auf 13 Millionen Regierungsgelder und 3. auf
einige Restkaufgelder auf die in der lezten Zeit gekauften Schiffe. In dem
Prospekt ist besonders die Frage des Dawesplanes behandelt worden. Die

88
entsprechenden belastenden Zahlen sind in der Bilanz nicht aufgenommen
worden. Die Verwaltung führt jedoch aus , daß schäßungsweise die Be
lastung der Gesellschaft aus dem Dawesplan künftig nicht 3,5 Millionen
Dollar übersteigen würde, was eine jährliche Belaſtung von 210 000 Dollar
bedeuten würde. Die Zahlungen dieses Jahres werden auf nicht mehr als
150 000 Dollar geſchäßt.“
Kuhn, Loeb & Co. ſchlagen alſo mit Hilfe von Jacob Goldschmidt den
englischen Gläubiger aus dem Felde, tun überhaupt alles um der schönen
Augen des Nordlloyd willen und ziehen sich wohl ſelbſtlos und beſcheiden
nach geraumer Zeit aus dem Geſchäftchen zurück. So als ob nichts ge=
ſchehen wäre,,,es war nur eine kleine Gefälligkeit"!

Goldschmidt denkt und handelt indes auch „ sozial". Als Krupp zu


Beginn des Jahres 1927 Schwierigkeiten hatte und die Regierung nur eine
kalte Schulter zeigte, war es wieder der Führer der Danatbank, der im
Verein mit Nathan, zwar etwas gekränkt, warum man nicht gleich zu ihm
gekommen sei, aber doch bereitwilligst in die Bresche sprang und eine An =
leihe von 60 Millionen aufbrachte, im Handumdrehen.
Abgesehen von den sonstigen Bedingungen zeichnet ſie ſich allerdings durch
eine erstklassige Sicherheit“ aus. Auf den ganzen Beſik Krupp s
wurde eine erste Hypothek gelegt. Immobilien, Ma
schinen, Häuser, Betriebsgebäude, Dienstwohnungen
der Beamten, Arbeiterhäuser haften für die Sicherheit
der Anleihe!
Ein Beweis von Goldschmidts sozialer Gesinnung ist seine enge
Freundschaft mit den Sozialdemokraten, den berufenen
Vertretern" der Volksinteressen. Es ist noch nicht lange her, da stellte er dem
„Vorwärts “ einige 800 000 Mark „ zur Verfügung“. Man
kann sich gut vorstellen, wie das Arbeiterblatt gegen das Finanzkapital
ſchreiben „ will“. Ähnlich wie die „ Deutsche Allgemeine Zeitung“
nationale Wirtschaftspolitik treiben wird, ſeit ſie, einſt im Beſiß des Reiches
und gern betreut von Herrn Stresemann, nun in die rechten Hände ge=
kommen ist. Um einige anderthalb Millionen hat Jacob
Goldschmidt zusammen mit Otto Wolff das Blatt vor
kurzem gekauft. Nicht viel anders ist es wohl mit der „ Täglichen
Rundschau", der Goldschmidt unlängst eine Million Mark zu Sanierungs
zwecken zur Verfügung stellte.

89
Einmal allerdings hätte er bald auch ſein großes „ ſoziales Herz“ ver
leugnet. In der Generalversammlung der Danatbank, wo er einen Vertreter
der Angestellten, ein Mitglied des D. H. V., in barscher Form abfahren
ließ. Die Angestellten sollten sich um ihre Arbeit und ihre Pflicht kümmern
und nicht immer von ihren Rechten reden ! Seine ſozialpolitiſche Anschauung
scheint nicht allzu weit von der des Direktors Deutsch der A. E. G. ent
fernt zu liegen, der vor einiger Zeit erklärte, daß die prozentualen An
teile der Arbeiter an den Erträgniſſen der Aktiengesellschaften gegen ihre
Vorkriegsbezüge gestiegen und die der Aktionäre geſunken ſeien“ ! Eine Lat
sache, die sich am Reingewinn der A. E. G. in den lehten Jahren ebenſo
überzeugend nachweisen läßt als an Gewinn und Lantiemen der Danat!

90
Kaiser der braunen Diamanten.
――
Das mitteldeutsche Braunkohlenrevier Konkurrenz=
kämpfe und Riesengewinne - Die Brüder Petschek
Überfremdung der deutschen Kohlenindustrie - Nico
dem Caro und Alfred Mond Zwischengewinne ――
„Soziale" Gesinnung!

Im deutschen Braunkohlenbergbau unterscheidet man im großen und


ganzen drei große Konzerne, das ostelbische, das mitteldeutsche
und das rheinische Braunkohlenrevier. Während in den Be
reich des oſtelbiſchen Gebietes die „ böhmiſchen“ Händler Ignaz und Julius
Petschek einzubrechen begannen, herrschte im mitteldeutschen Revier ein
„königlicher Kaufmann“ , Friß v. Friedlaender - Fould. Auch hier
ist es schon zu Kämpfen um die Finanzhegemonie gekommen. Die leßten
Entscheidungen um dieses Riesenreich, das jezt so heiß von Finanziers wie
Kuhnheim, Wollheim, Brüder Petschek umstritten ist, müſſen bald fallen.
Unter den Rivalen war Friedlaender einer der am frühesten und glänzendſten
,,Arrivierten". Der Entwicklungsgang dieses Mannes vom Kohlenhändler
zum Industriemagnaten, der schon vor dem Krieg ein Jahreseinkommen
von vier Millionen Mark versteuerte, während man ſein Gesamtvermögen
damals schon auf etwa fünfzig Millionen Mark schäßte, fiel in jene Zeit
neudeutscher Wirtschaftsgeschichte, wo Hunderte von Konquistadoren der
Finanz und des Handels ihre Eroberungszüge auf die Wohlhabenheit eines
fleißigen, vertrauenden, arbeitſamen Volkes machten, das nicht ahnte und
wußte, was an ihm und mit ihm vorgenommen wurde.

Das mitteldeutsche Braunkohlenrevier umfaßt ein riesiges Gebiet. Sein


zugehöriges Syndikat ist das Mitteldeutsche Braunkohlensyndikat zu Leip
zig. Es zerfällt in die heſſen-naſſauischen Vorkommen, (die im Westerwald

91
und das Kaſſeler Braunkohlengebiet), dann die eigentlichen mitteldeutſchen
Vorkommen um Leipzig, Halle, Magdeburg.
Im mitteldeutschen Braunkohlenbergbau arbeiten mehrere Konzerne,
die zum Teil auch in das ostelbische Revier übergreifen. Der Konzern der
Michelwerke, Halle, umfaßt die Gewerkschaft Michel, Braunkohlen
gruben und Brikettfabriken, Großkayna bei Merseburg, Gewerkschaft Leon
hardt, Neumark, Gewerkschaft Gute Hoffnung, Roßbach, Gewerkschaft
Vesta, Gewerkschaft des Braunkohlenwerkes Neurath, die Gewerkschaft des
Braunkohlenbergwerkes Prinzessin Viktoria, Neurath und die Kohlen
Kontor Eisenach G.m.b.H., Eisenach. Außerdem sind die Michelwerke mit
rund 35 v. H. an der Stahlwerk Becker A.-G. , Willich, beteiligt. Zweitens der
Konzern der Braunschweigische Kohlen - Bergwerke A. = G.,
Helmstedt. Er setzt sich zuſammen aus der Gewerkschaft des conſold. Braun
kohlenwerkes Victoria bei Hötensleben, der Gewerkschaft Kauzleben bei Ott=
leben, der Gewerkschaft Vereinigte Marie-Louise, Braunkohlenwerk Oschers
leben und der Harbker Kohlenwerke A.-G. , Harbke, zu der gehören die
Gewerkschaft Vereinigte Friederike bei Hamersleben und die Norddeutſche
Braunkohlenwerke A.-G. , Helmstedt. Der Braunschweigische Kohlen-Berg
werke A.-G. sind ferner zuzurechnen die Überland-Zentrale Helmstedt A.-G.
in Helmstedt mit der Gewerkschaft Conſolid. Suderſche Braunkohlenwerke
in Helmſtedi und der Braunschweigischen Elektrizitäts -Betriebs G. m. b. H.,
Schöningen, sowie die Kohle A.-G., Magdeburg. Endlich der Konzern, der
viel genannten Braunkohlen- und Brikettindustrie A. - G.
Berlin (Bubiag). Zu ihm gehören die Gewerkschaft Frielendorf zu
Berlin mit der Heſſ. Elektrizitätswerke G.m.b.H., Großalmerode, die Ge
werkschaft Vereinigte Schwiebuſer Kohlenwerke, die Gewerkschaft Marie
am Hirschberg, die Braunkohlengewerkschaft Muskau, an der auch die Ilse
mit 33 % v. H. beteiligt ist, die Barbara Bergwerks A.-G., an der ſowohl
die Ilse als auch die Henckel von Donnersmarcksche Verwaltung mit je
33 % v. H. beteiligt sind, die Ostelbische Braunkohlen A.-G. mit der Prie
buser Braunkohlenwerke A.-G., die Hassia Kohlenvertriebs- G. m. b. H.,
Kaſſel, und die Brennstoffhandelsgeſellſchaft m. b. H., Kaſſel.
In diesem Reich, wo die Brüder Petschek, Wollheim, Kuhnheim
miteinander, nebeneinander und gegeneinander regieren, kam es im
Oktober 1927 zu einem kurzen, schweren Streik. Die Braunkohlenherren
führten als zwingendsten Beweis für ihre jeglicher Lohnerhöhung abgeneigte
Stellungnahme die große wirtſchaftliche „ Notlage“ der Kohlenindustrie an.
Es iſt lohnend ſich diese „ Notlage“ aus der Nähe zu betrachten.

92
So zeigte die Bubiag 1926/27 einen Überschuß von 2,48 Millionen
und 10 Prozent Dividende. Beim Verkauf von 16 Millionen Vorrats
aktien ist ein Agio von 3,2 Millionen erzielt worden. Die Wertpapiere ſind
von 3,7 auf 6,5 Millionen angewachsen, die Bankguthaben von 1,7 auf
4,6 Millionen. An Aufsichtsratstantiemen werden 76 596 Mk. ausgezahlt.
Bei den A. Riebeckschen Montan-Werken ist der ausgewiesene Rein
gewinn von 1719000 Mk. im Jahre 1925 auf 2881000 Mk. im Jahre
1926 und 3990000 Mk. im Jahre 1927 , also um 132 Prozent, gestiegen.
Die Anhaltische Braunkohle- Gesellschaft hatte im Jahre 1924 einen
Reingewinn von 510 000 Mk., im Jahre 1925 1 190 000 Mk. und im
Jahre 1926 1 640 000 Mark verzeichnet.
Die Braunkohle-Gesellschaft Kaline hat für das Geschäftsjahr 1926/27
eine Dividende von 12 Prozent, die Werschen-Weißenfelser Braunkohle
A.-G. 10 Prozent, die Braunkohle- Geſellſchaft „ Zukunft" 10 Prozent, die
Roddergrube-A.-G. 24 Prozent usw. an die Aktionäre ausgezahlt.
Im Fall ,,Bubiag“ sind einige Spezialitäten noch besonders inter=
eſſant. Die hohe Dividende von 10 Prozent hielt die Auszahlungen an die
Aktionäre auf dem Stand der beiden Vorjahre. Auch der von 2,0 auf
2,4 Millionen Mark gestiegene Reingewinn will troß der Erhöhung der
Abschreibungen um eine halbe Million auf 2,75 Millionen Mark noch
nichts besagen. Erst unter Hinzuziehung der enormen Neubauten und
Grundstückszugänge treten die tatsächlich erzielten Reingewinne deutlicher
in Erscheinung. Nicht weniger als rund sieben Millionen sind in Werks
ausbauten und neuen Grundstücken angelegt worden, denen nur eine Er
weiterung der Grundſchulden um 2,3 Millionen gegenübersteht. Außerdem
sind die Wertpapierbeſtände (ohne Bewertungsreſerven) um 2,8 auf 6,5 Mill.
Mark vermehrt, ſo daß zu den im Reingewinn ausgewiesenen bescheidenen
2,4 Mill. noch rund 7½ Mill. verbaute oder angelegte Betriebsgewinne hin
zukommen. Somit hat die Geſellſchaft troß der „ kaum noch tragbaren“
Steuern und Soziallasten rund 50 Prozent ihres Aktienkapitals von
20,6 Millionen Mark tatsächlich verdient. Damit nicht genug sind die
Bankguthaben um weitere drei Millionen auf 4,6 Mill. Mark angewachsen,
und haben sich gegenüber dem Abschluß von 1924/1925 verſechsfacht. Die
gesamten Forderungen einschließlich der Bankguthaben sind von 5,5 auf
7,4 Millionen Mark gestiegen, während die laufenden Verpflichtungen sich
von 3,1 auf 5,2 Millionen Mark erhöhten.
In Mitteldeutschland ist der Schichtförderanteil je Kopf der Beleg
schaft in den Tagebaubetrieben von 4,74 Tonnen im Jahre 1924 auf

93
6,43 Tonnen im Jahre 1926, alſo um 35,6 Prozent gestiegen. Im rhei
nischen Braunkohlenbergbau hat eine Zunahme des Förderanteils von
13,20 Tonnen im Jahre 1924 auf 16,58 Tonnen im Jahre 1926 um
25,6 Prozent stattgefunden. Angesichts dieser Entwicklung ist es nicht ver
wunderlich, daß die Gewinne der Braunkohlenkapitaliſten ganz außerordent
lich gestiegen sind. Es gibt nur wenige Braunkohlengeſellſchaften, die unter
8 Prozent Dividende an ihre Aktionäre verteilen.

In diesem ergiebig arbeitenden Riesenreich lag also Friedlaenders ur


cigenſte Domäne, eines Mannes, der den Aufstieg zu wirtſchaftlicher, ſozia
ler und gesellschaftlicher Höhe sich selbst verdankte, wie man zu sagen pflegt ;
der ,,aus dem Nichts heraus ungeheure Werte geschaffen", von denen zwar
die Volkswirtschaft weniger, die Kohlengroßhandlung Emanuel Friedlaender
& Co. Berlin desto mehr verspürt hat. Einen ,,königlichen Kaufmann“ nannte
man ihn, als die Verleihung von Würden, Titeln und Auszeichnungen
der Öffentlichkeit Zeugnis gab von den Qualitäten des modernen Kauf
mannes ; ehedem kam diese Bezeichnung vielleicht den mächtigen deutſchen
Kaufherren des Mittelalters zu ; den Fuggern, Welsern und Hanſeaten, die
den Kaisern Gelder vorstreckten und Schuldtitel dann im Feuer verbrann
ten; oder mit ihren Schiffen englische Könige gefangen nahmen. Die
mit dem Schwert in der Faust als Eroberernaturen sich und ihr Leben
einzusetzen jederzeit bereit waren. Heute ist das anders. Heute genügt die
Verleihung des Kommerzienratstitels und der erbliche Adelsstand, um
glauben zu lassen, daß die Vorausseßung zu dieſem Epitheton bereits ge
geben ſind. So ändern ſich die Zeiten und die Menſchen !
Ein ungeheueres Vermögen, das auch die schwersten Stürme der In
flationsjahre überdauerte, hat Friß von Friedlaender ,,seiner Energie, ſeinem
weitſchauenden Blick und ſeiner genialen Erfaſſung der Konjunktur“ zu
danken. Er war jung, als er das Erbe ſeines Vaters antrat. Schon Emanuel
Friedländer hatte einen Vertrag mit den Gräflich Schaffgottschen Kohlen
werken in Oberschlesien gehabt, und der junge Chef des Hauses erneuerte
nicht nur diese Beziehungen, ſondern wußte weit darüber hinaus den allei
nigen Vertrieb der Kohlen der Schaffgottschen Gruben sich zu sichern, was
ihm eine Art Monopolſtellung einräumte.
Kurz nach der Überſiedlung der Firma nach Berlin verdiente Fried
laender, wie der deutsche Preſſewald ehrfürchtig rauschte, bei dem steigen
den Preise der Kohlen und dem gewaltigen Aufschwung der deutschen In

94
dustrie schon eine Million Mark im Jahre, und von da an hielt nichts mehr
den beiſpielslosen Aufstieg des Hauſes auf.
Nachdem es Friedlaender weiter gelungen war, einen Teil der Kohlen
des Fürsten Henckel von Donnersmarck und anderer oberschlesi
scher Kohlenmagnaten zum Vertrieb zu erhalten, entwickelte er seine Firma
rasch neben Cäsar Wollheim zur größten Kohlenhandlung nicht nur
Oberschlesiens, sondern ganz Deutſchlands. Mit jedem neuen Wirtschafts
jahre gewann sie an Bedeutung und Ausdehnung.
Zu Anfang dieses Jahrhunderts war der ,,königliche Kaufmann“ bereits
mehrfacher Millionär. Er erbaute sich einen Palast auf dem Pariser Plak
in Berlin, hielt ein fürstliches Haus und hatte Mitglieder des Kaiſerhauſes,
Kapazitäten der Wiſſenſchaften und Kunst, des Handels und der Induſtrie,
Diplomaten, Staatsmänner, Miniſter und Aristokraten zu Gästen. Wenige
Jahre später erhob ihn Kaiser Wilhelm in den erblichen preußischen
Adelsstand. So war er zu einem der bedeutendsten hoffähigen Induſtrie
fürſten geworden, der Großgrundbesißer folgte auf dem Fuße. Kaum einige
Jahre später errichtete er das Fideikommiß Groß-Gorſchüß im Kreis Ratibor.
Mit der Ausdehnung des Kohlengroßhandels weitete sich auch die Sphäre
Friedlaenders nach anderen Zweigen der Industrie. Die oberschlesi =
schen Kokswerke und Chemischen Fabriken waren eine Grün
dung Friedlaenders. Ferner wendete er seine Aufmerksamkeit dem Kohlen
reichtum Österreichs zu. Vor dreißig Jahren kauften die oberschlesischen
Kokswerke den Kurenbestand der Steinkohlen - Gewerkschaft
Marie - Anna in Mähriſch-Oſtrau auf. Mitbeteiligt daran war bereits
das Finanzkapital, und zwar die Berliner Handelsgesellschaft, die später
auch die Ruſſiſche Eiſen induſtrie A. - G. in Gleiwiß gründen
half. Ihr folgte nicht lange nachher die Braunkohlen- und Bri
kettindustrie A. - G. in Berlin. Das Schicksal der A. - G. für Teer
und Erdöl industrie, die später in die Rütgers-Werke A.-G. überging,
und der Hohenlohe - Werke A. - G., in deren Aufsichtsrat Friedlaender
von Anbeginn eine führende Rolle hatte und in dem er nach dem Ausscheiden
Fürstenbergs von der Berliner Handelsgesellschaft stellvertretender
Vorsißender wurde, hing gleichfalls dauernd von ihm ab. Die Zugehörigkeit
zu den Hohenlohe-Werken hatte zur Folge, daß Friedlaender kurz vor dem
Kriege sein Verhältnis zur Berliner Handelsgesellschaft löste und in den
Aufsichtsrat der Deutschen Bank eintrat.
Infolge seiner Verbindung mit dem internationalen Finanzkapital ſind
die Fäden, die ihn mit der Induſtrie des Auslandes verbanden, durch den

95
Krieg nicht zerrissen. Vor dem Ausbruch desselben war er stellvertretender
Vorsitzender der Rumänischen A. - G. für Petroleum industrie
Königreich Rumänien in Campin, der Rybniker Steinkohlen
gewerkschaft in Radlin, der German Amerikan Coke- and
Gas - Company in Neuyork und der Shantung - Bergbau
Gesellschaft. Außerhalb der Montan- und Kohlenindustrie arbeitete der
königliche Kaufmann auch noch in anderen Sparten. Er gehörte dem Auf
sichtsrat der Allgemeinen Elektrizitäts - Gesellschaft, Ber
lin, an (saß also an einem Tisch mit Felir Deutsch und kannte die Ra
thenaus nicht nur vom Hörenſagen), ferner der Deutschen Lloyd -
Transport - Versicherungs - Gesellschaft , Berlinund der
=
Handelsgesellschaft für Grundbesiß, Berlin. Im Zentral
ausschuß der Reichsbank war er als „ Pionier deutscher Indu
strie" den Herren Schwabach, Salomonsohn, Mendelssohn,
Wassermann, Hagen - Levi ein hochgeſchäßter Kollege.
Im Verlauf des Krieges bewährte sich das „ induſtrielle Feldherrntalent“
Friedlaenders in einem selten hohen Grade; zusammen mit seinen Stabs
chefs Franz Oppenheimer und Dr. Carl Danz, die als persönlich
haftende Gesellschafter der Firma eingetragen sind, während der tatsächliche
Inhaber des Hauses als solcher nicht im Handelsregister aufgeführt war,
bestimmte er die Kohlenzwangswirtſchaft in Deutſchland, von der alle, die
sich ihrer erinnern, noch ein Lied singen können!
Als sich das deutsche Volk nach dem Friedensschlusse wieder dem Auf
bau der Heimat und seiner zerstörten Wirtſchaft zuwenden konnte, fand man,
wie es die Blätter so schön ausdrückten, Friedlaender-Fould „ in den erſten
Reihen jener Persönlichkeiten, deren Erfahrung und Umſicht bei Wertung
der realen Verhältniſſe und Ausnüßung ſich bietender neuer Konjunkturen
von höchster Bedeutung waren". Auf vielen Gebieten des induſtriellen
Lebens, das nicht nur frischer, sondern auch praktiſcher und mit den voll
kommen geänderten Kapitalsverhältniſſen in Einklang zu bringender An
regungen bedurfte, wies er den Weg, der wieder zum Weltmarkte führte,
und zeigte die Methoden, die entzwei gegangenen Beziehungen zur Han
delswelt des Auslandes neu zu schaffen. Für die große Öffentlichkeit hielt
er sich dabei stets im Hintergrund, wie überhaupt die Beſcheidenheit dieſes
Mannes eine seiner hervorstechendsten Charaktereigenschaften ist“.
Diese kurze Apotheose auf den königlichen Kaufmann ist geeignet, ein
flüchtiges Bild vom Charakter und von den Methoden seiner Geschäfts
praris zu geben. Sie zeigen den Aufstieg eines Mannes, der, wie mancher

96
seiner Naſſegenoſſen, das wilhelminiſche Zeitalter charakteriſiert. Fried
laender gehörte sozusagen zum eisernen Bestand jener Zeit, die binnen zwei
Generationen auf das zu verzichten sich entschloß, was die Väter auf
den Schlachtfeldern mit Blut und Eiſen geſchaffen hatten. Ein Zeitalter
von Händlern und Maklern folgte auf jene Jahre, da das Schwert Ge
schichte schrieb. Die königlichen Kaufleute von heute sind aus anderem Holz
geſchnißt, als die Wikinger der großen Vergangenheit eines Volkes, das
heute Finanziers und Börsenroutiniers als ,,deutsche Männer der Tat" be
trachtet !

Der Aufbau und die Entwicklung des Braunkohlenſyndikats in ſeiner


heutigen, schon stark internationalen Form und die Überfremdung der deut
ſchen Braunkohleninduſtrie reicht in die Zeit vor dem Kriege zurück. Zwei
Brüder, Ignaz und Julius Petschek, die aus dem böhmischen
Braunkohlenhandel kommen, in Aussig ihr Stammhaus und in
Prag ihre Bank haben, begannen seit Jahren sowohl im deutſchen Stein-,
wie Braunkohlengeschäft sich eine bedeutende Stellung zu verschaffen. Den
ersten beherrschenden Einfluß (auf die Eintracht A.-G.) gewann Ignaz
Petschek schon im Jahre 1908, während die Erwerbung der Nieder
lausißer Kohlenwerke aus dem Jahre 1918 datiert. Julius Pet
ſchek faßte insbesondere im mitteldeutſchen Revier, ſo im Meuselwiß -
Rosizer, im Luckenauer, im Merseburger Bezirk, festen
Fuß. Hier hielt er etwa 21 Prozent der Brikettproduktion in der Hand, im
Luckenauer Gebiet etwa 40 Prozent und im Roſißer deren 30. Die Kohlen
intereſſen von Julius Petschek waren zunächst auf den anhaltiſchen Bergbau
beschränkt. Anders Ignaz Petschek. Seine Ziele sind größer, umfaſſender.
Er strebt danach, den ostdeutschen Briketthandel zu monopoliſieren. Er ist
ein Finanzier. Seine Einstellung ist „ rein händleriſch“. Das Intereſſe an der
Produktion spielt erst in zweiter Linie, sozusagen als Mittel zum Zweck eine
Rolle.༡ སྭཱ ཏྟནཱནོ
Ignaz Petschek ist im Steinkohlenhandel und Stein
kohlenbergbau gleichfalls außerordentlich tätig. Im polnischen O b er
schlesien, wo er alte Besizrechte erweiterte oder behalten konnte, und
auf der deutschen Seite hat er auf die Preußengrube und Hohen፡
lohe - Dehringen starken Einfluß und kommt ſo in einen gewiſſen
Gegensah zu den alten ,,oberschlesischen" Handelsunternehmungen Emanuel
Friedländer und Cäsar Wollheim , die früher die Handelsinter
essen der Familie Schaffgotsch, Ballestrem, Borsig u. a. verkörperten.

7 97
Damit geraten dieſe Firmen mit den Petscheks auf dem Braunkohlengebiete,
das sie sich stark angliedern möchten, dauernd aneinander.
Die Deutsche Kohlenhandels G. m. b. H. (Berlin) des Ignaz
Petschek ist eine Handelsorganiſation für Hausbrandbriketts und Induſtrie
kohle, die sie von der Leitung des oſtelbiſchen Syndikats in Berlin zu
gewieſen erhält. In Wirklichkeit ist die Machtstellung Petscheks schon über
ragend. Außerdem verfügt Ignaz Petschek im Ostelbiſchen Syndikat über
eine Erzeugungsquote von 33 Prozent Briketts. Es folgen die Ilse =
Bergbau A.-G. mit 27, Friedländer mit 13, Werhahn mit
7, Julius Petschek mit 4 Prozent.
Die Ilse-Bergbau verfügt nicht über eine ſelbſtändige Handelsorgani
ſation, ebensowenig hat die von Friedländer beherrschte Bubiag (Braun
kohlen- und Brikettinduſtrie A.-G. ) eine solche. Ignaz Petschek vermochte
ohne die Ilse nicht weiter vorzudringen, weil die Ilse-Briketts im oſt
deutschen Haushalte sich einer großen Beliebtheit erfreuen, aus der ſie die
vom Syndikat festgelegten Einheitsmarken (Kaiſer, Anker) nicht verdrängen
können, während im mitteldeutſchen Syndikat die besten Brikettmarken im
Besize von Ignaz Petscheck sind (Tell, Kraft u. a.).
Daneben besaß seit langem die Gruppe Wollheim - Kuhnheim,
eigentlich der alte, jüngst verstorbene Finanzier Arnhold, der ein Schwieger
ſohn des Ilse-Gründers Kuhnheim war, mindestens 8 bis 9 Millionen
Mark Ilse-Aktien, während Friedländer mit etwa 1½ Millionen Mark in
Betracht kam. Hier gelang es nun Ignaz Petschek durch rücksichtsloſes
Vordringen eine neue Entwicklung heraufzuführen, welche die schließliche
völlige Überfremdung der wichtigsten Produktionsgebiete der deutſchen
Kohlenindustrie durch fremdes Finanzkapital zum Ziel hat. Er forderte
mit einem Drittel aller Quoten und einem rasch erworbenen Paket Ilse
Aktien in Höhe von 10 Millionen einen Aufsichtsratsſih in der Ilse-Ver
waltung und zog nach kurzem Kampf dort ein. Dies bedeutete eine Macht
verstärkung der Brüder Petschek auch im mitteldeutschen Braunkohlen
syndikat. Dort besißt Ignaz Petschek 23 Prozent, ſein Bruder 14 Prozent,
Friedländer 0,6 Prozent, Mansfeld 3 Prozent der Briketterzeugung. Die
Brikettbeteiligung der D. E. A. von 18 Prozent, der J. G. Farben =
industrie von 16 Prozent braucht die Petscheks ebensowenig zu stören
wie die der Elektrowerke und R. W. E. (6 Prozent) oder der A. E. G.
(2,5 Prozent).
Im Frühjahr 1928 lief der auf zehn Jahre abgeſchloſſene Vertrag
des oſtelbiſchen Braunkohlenſyndikats ab. Es dürfte den Petscheks langſam

98
gelungen sein, die Braunkohlenindustrie völlig zu majorisieren, und die
Interessen der Verbraucher auch hier von der Geldpolitik des fremden
Finanzkapitals abhängig zu machen. Heute verfügt diese Gruppe böh
mischer Händler, in der Julius und Ignaz Pets chek mit den Söhnen
des leßteren, Karl und Dr. Ernst Petschek, und dem mit Ignaz
Petschek verschwägerten, aus Lodz gebürtigen Juden Geheimrat Caro,
dem Aufsichtsratsvorsißenden der Eintracht A.-G., zur Petschekgruppe zu=
ſammengeſchloſſen ſind, über eine Vormachtstellung im Braunkohlenhandel,
die ihr im mitteldeutschen Braunkohlensyndikat bereits ein diktatoriſches
Bestimmungsrecht einräumt, während sie im ostelbischen Braunkohlen
ſyndikat durch den Beſiß von rund 40 v. H. der Verkaufsbeteiligung die
positive Arbeit im Sinne einer deutschen Geschäftsführung beeinträchtigt.
In der Hohenlohe A.-G. sißt Ignaz Petschek, heute wohl einer der
reichsten Männer Europas, ein durch Liſt und Klugheit gleich bedeutender
Finanzier, als Aufsichtsrat neben Dr. von Kleefeld, dem Sohne Sa
muel Kleefelds und Bruder Frau Stresemanns , und dem
„Franzosen“ Ernst Weyl. Er hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich.
1880 war er Lehrling bei der Aufſiger Kohlenfirma Weinmann, die vor
dem Kriege den weſtböhmischen Kohlenbergbau beherrschte. Dann wurde er
„ ſelbſtändiger Händler“ ; Mitte der neunziger Jahre übernahm er die B rü -
rer Guido - Schächte in eigenen Besiß, den er durch Ankauf immer
neuer Bergwerke langſam vergrößerte. So vollzog sich allmählich sein Auf
stieg vom ,,Händler" zum,,Industriellen". Aber in Petscheks Gedanken und
Dispositionen steht auch heute noch der Händler obenan. Vielleicht strebt er
danach, die Absazorganiſation des Syndikats zugunsten des Handels lockern
und das Syndikat, das, wie erwähnt, 1928 ablief, nach Händlergrund
säßen umformen zu wollen. Unter Ignaz' Leitung wuchs das Auſſiger kleine
Geldgeschäft zu einem überragenden, die österreichischen Braunkohlengruben
" beherrschenden Großbetrieb heran. Der „ Bruderzwist im Hauſe Petschek“
ward von den „ oberen Zehntausend Europas" mit dauerndem Interesse
verfolgt. Während der Inflation gingen Prag und Aussig verschiedene
Wege, bis die Petscheks auf die illustre Idee kamen, auf die damals ein
jeder Valutarier zwangsläufig kommen mußte, eine Bank zu gründen. Herr
Popper wurde Direktor des neuen Unternehmens", ward dann ab
gelöst von dem begabteren Herrn Epstein, dem Sohn des bekannten
Zuckerkönigs. Der machte in Devisen und Effekten und brachte das Geschäft
in die Höhe. Man munkelte damals , daß die Umsäße hinter denen der
Häuſer Bøſel und Castiglioni nicht mehr zurückſtanden. Man baute in Prag

7* 99
einen Palast, sezte sich kommerziell in Ungarn und Deutſchland fest, ver
söhnte sich, bewies, daß man große Verluste erlitten, wie alle, die nicht in
Valuten gedeckt gewesen seien, war getrennt marschiert und hatte vereint
geschlagen. Der Bruderzwiſt im Hauſe Petschek war beendet. Das Schicksal
der Stabilisierungsjongleure in Österreich und Deutschland traf die böh
miſchen Galizier nicht. Dafür sorgte die Politik der Maſaryk und Beneſch.
So konnte man ſpäter wieder daran gehen, ſich nach Unternehmungen
umzusehen, die dem Abbau und der Stabiliſierungskriſe verfallen waren.

Ein paar Worte über den Schwiegervater eines der Söhne Petscheks,
Nicodem Caro, sind hier am Plaze. Die Finanzpläne der J. G. Farben
induſtrie A.-G. traten, wie die „ Deutsche Zeitung“ in Nr. 275 in 1927
berichtete, im Spätherbst dieses Jahres wieder in den Vordergrund. Es
schien, daß der Finanzbedarf nicht nur durch die neuen Ausbaupläne und
erfolgten Angliederungen entstanden war, sondern daß auch die weitere
Ausdehnung der vorhandenen Anlagen neue Mittel erforderte. Das Aktien
kapital der J. G. Farben beträgt 1100 Millionen Mark, von dem ein Teil
betrag von etwa 200 Millionen Mark noch nicht verwertet ist. Anleihen hat
das Unternehmen bisher nicht aufgenommen.
Wie weit der Ausbau beſtehender Anlagen neue Mittel erfordert, iſt bei
der Verschlossenheit der Gesellschaft nicht ersichtlich. Bekannt ist, daß sich
das Geschäft in allen Zweigen weiter ausgedehnt hat. Die recht beträcht
liche Stickstoffproduktion vermochte den Bedarf immer nicht zu befriedigen,
so daß man wohl an einen weiteren Ausbau der Werke in Leuna denkt.
Jedoch noch weit erheblichere Mittel dürfte der Ausbau der Werke in Oppau
und Leuna zur Aufnahme neuer Verfahren erfordern. In erster Linie dürfte
wohl an einen großzügigen Ausbau der Anlagen zur Erzeugung künstlichen
Benzins gedacht sein, da der Abſah auch dieſes neuen Produktes über Er
warten gut ist. Große Pläne schweben hinsichtlich der Rohölverarbeitung.
Eine nicht geringe Rolle dürften auch die hoffnungsvollen Ausführungen
Weinbergs über die Herstellung ſynthetiſchen Kautschuks und ſynthetiſcher
Guttapercha spielen. Erhebliche Mittel dürften auch zur Durchführung der
in lezter Zeit beſchloſſenen Angliederungen benötigt werden (Genschow,
Norsk Hydro). Es ist jedoch möglich, daß zu dieſem Aktienaustausch in
erster Linie die noch vorhandenen Vorratsaktien verwendet werden. Man
spricht auch schon von weitergehenden Angliederungsplänen und nennt dabei
"1
die Rütgerswerke.

100
Bekanntlich schwebten seit einiger Zeit auch wichtige internatio
nale Verhandlungen der J. G. Farben, insbesondere mit Eng
land. Abgestritten wurde noch, daß Verhandlungen mit der franzöſi
schen chemischen Industrie schwebten. Man mußte jedoch annehmen,
daß die J. G. Farben auch hier bald zu einem Abkommen zu gelangen
wünschte. Amerikanische Kreiſe berichteten sogar schon von einem europäi
schen Chemie kartell, an dem nicht nur England, Deutschland und
Frankreich, sondern auch Schweden, Italien und zahlreiche andere
europäische Staaten beteiligt sein sollen. Von einem europäiſchen Chemie
kartell mit einer Spitze gegen Amerika darf man in dieſem Zuſammenhange
aber wohl nicht ſprechen. Bekannt iſt ja, daß die J. G. auch mit den ame
rikaniſchen Kreiſen zu einem Übereinkommen zu gelangen ſucht.
Der englische Jude Sir Alfred Mond betreibt seit längerer Zeit die
Gründung dieses Chemietruſtes von der anderen Seite her, der in Deutſch
land mit der J. G. Farben aufgezogen werden soll. Deren Repräsentant ist
der zu Lodz in Polen geborene Geheimrat Caro, ein Vertreter des auser
wählten Volkes Gottes. Die „ Voſſiſche Zeitung“ berichtete unterm 19. No
vember voll Eifer über den Plan dieses ungeheuren Chemietrustes, der schon
ziemlich vollendet erscheint.
„ Bei den internationalen Besprechungen handelt es sich einerseits um
Verhandlungen mit den Spikenorganisationen der natio =
nalen chemischen Industrie Frankreichs , Belgiens , der
Schweiz, als deren Zweck eine gewisse Abtrennung der
europäischen Interessengebiete zu vermuten ist. Weiter
gehend sind Verhandlungen mit dem englischen Chemietrust , die
einen Patentaustauſch auf dem Gebiete der Farben und
Stickstoffe, sowie eine Erschließung der britischen und
kolonialen Absaßgebiete für die J. G. Farbenindustrie
bezwecken. Es ist also mit einer zeitlich zuſammenfallenden Unterzeich
nung der verschiedenen Abkommen nicht zu rechnen. Der Gegenstand der
deutsch-englischen Verhandlungen macht ihre lange Dauer verständlich. Wie
erinnerlich, hat seinerzeit die engliſche Regierung den Abſchluß eines deutſch
englischen Chemieabkommens verhindert. Nachdem der Regierungsbeſiß an
Dyestuff-Aktien abgestoßen worden ist, steht der Regierung ein formales
Einspruchsrecht nicht mehr zu. Im übrigen gehen die jeßigen Verhandlungen
weiter als die damaligen. Widerstand fand sich auch innerhalb
der Leitung der Imperial Chemical selbst, und zwar
vornehmlich bei dem maßgeblichen Führer Brunner.

101
Nach seinem Ausscheiden aus der Leitung, welches offen
bar im Zusammenhang stand mit den Annäherungsab
sichten an die J. G. Farbenindustrie, hat deren haupt
sächlichster Befürworter Sir Alfred Mond größere Be
wegungsfreiheit erhalten."
Man erinnere sich, daß Mond seinen englischen Kompagnon Brunner
langſam herausgedrängt hat, bis er Alleinherrscher im Imperial Chemical
war. Brunner hat, wie bekannt, vor einiger Zeit Selbstmord begangen. Ob
diese furchtbare Lat unmittelbar mit Monds Geschäftstaktik zuſammen
hängt, wird wohl ein ewiges Geheimnis bleiben. Die zeitliche Nähe der
Ereignisse ist aber in der Tat höchſt merkwürdig.
Jeht steht Herrn Mond kein Hindernis mehr im Wege, den Zuſammen
ſchluß seines Truſts mit internationalen Finanzgruppen in Deutſchland zu
betreiben.
Der Geheimrat Caro, königlich bulgarischer Generalkonsul, dreifacher
Doktor, Professor, wohnhaft in Berlin, iſt beſonders in der bayeriſchen
Chemieindustrie tonangebend. Er ist mehr als dreißigfacher Aufsichtsrat,
darunter bei: Bayer. Kraftwerke A.-G. , Bayer. Stickstoff
werke A.-G., Stickſtoff - Syndikat Berlin, Mitteldeutsche
Stickstoffwerke, Oberschlesische Stickstoffwerke, Donau
werke A.-G., Innwerk, Kokswerke und chemische Fabri
ken A.-G. , Rhein Main Donau A.-G., Staßfurter Che=
mische Fabrik, Stettiner Chamotte, Stickstoff Land
Berlin usw.
Man könne sich ein Zukunftsbild denken, wo Nikodem Caro wie wei
land König Polykrates auf Samos seinem Freund vom Dache seines
Hauses die beherrschten Länder zeigte, seinem Raſſegenossen Alfred Mond
die beherrschten Betriebe zeigt : „ Dies alles ist mir untertänig, gestehe, daß
ich glücklich bin !" Am wahren Glück fehlt ihm vielleicht noch die perfekte
Geschäftsverbindung mit Alfred Mond!

„Entscheidend für die Preise und Löhne in der mitteldeutſchen Braun


kohlenindustrie ist heute das Haus Petschek, als Produzent und als Händ
ler das größte Unternehmen Mitteleuropas . . . Man hat den Petſcheks
Sinn für Wohltätigkeit nachgerühmt . . . Von einem ſozialen Empfinden
kann man aber nicht sprechen, eher von einem schlechten Gewissen dieſes
Reichtums. Es ist in ganz Prag bekannt, daß die Petscheks unter einer

102
ewigen Angst leiden. Sie fürchten jede Berührung mit Menschen, die
Dienerschaft darf ſich nur auf ein paar Schritte Diſtanz den Familienmit
gliedern nahen. Die Speiſen . . . werden unter Siegel und Verschluß eines
Vertrauten auf den Tisch getragen. Das ist aber nicht etwa eine Abart des
Prager Snobismus, ſondern wirkliche Angst vor Bazillen und vor Gift.
Dieser phantaſtiſche Reichtum trägt kein fröhliches Gesicht. Die Millionen,
die aus den Gruben Deutschlands in das Prager Kohlenpalais fließen,
führen ein kümmerliches Daſein. Dementsprechend ist auch das Wohltun
der Petscheks unfroh, es drückt sich sozusagen in Ecken und durch trübe
Gaſſen; es kommt kleinen Bettlern, ein paar Spitälern zustatten. Soweit
sich die öffentliche Kritik mit diesen Herren der deutschen Braunkohlen
reviere beſchäftigte, geschah es meist unter dem Schlagwort der „ Über
fremdung" im Kohlenbergbau. Als Problem ſteht die Privatbewirtſchaftung
des deutschen Bergbaues nicht auf der Tagesordnung. Man weiß nur, daß
hunderttauſende Menschen, die täglich elf Stunden lang an die trostloſeſte
Arbeit gebunden sind, nicht soviel verdienen, um den Kindern genug Essen
geben zu können.“
So schreibt der „ Montag Morgen" unterm 24. Oktober 1927, ein
Blatt, das leicht in Verdacht kommen könnte in ,,Wahrung berechtigter
Interessen“ zu handeln, wenn es Rassegenossen im Licht des verklärendsten
Idealismus erstrahlen läßt. Doch die Petscheks können eine kleine, reklame
technisch gut verteilte Belastungsprobe ſchon vertragen; ſie waren nie beſon
ders empfindlich und ihr Werdegang ist ein von Gewiſſensſkrupeln nicht all
zuſehr erfüllter Run. Das hat ihre Finanzpolitik, die auf Preiserhöhung
der Hausbrandkohle seit Sommer 1927 hinarbeitete ebenso bewiesen, wie
das Ergebnis des großen Braunkohlenstreiks.
,,Sechzig deutsche Reichspfennige Zuwachs in den Lohntüten der Berg
arbeiter, ſchrieb der „ Metallmarkt“, waren der Friedenspreis . Die Arbeiter
nahmen den Schiedsspruch an und die Arbeitgeber wurden verpflichtet.
Annehmen konnten lehtere nicht, weil ja nach dem unumſtößlichen Geheiß
des Reichswirtschaftsministers der braune Diamantenpreis nicht in die
Höhe gesezt wurde.
Man kennt die Bergarbeiter aus den Liſtenrollen und man kennt auch
die Leiter der Werke, die für die Rentabilität der Werke verantwortlich
zeichnen. Man nimmt an, ſie ſeien die Träger der Herrenpolitik an Saale
und Elster, weiß aber nicht, daß die wahren Majeſtäten im braunen Dia
mantenglanz zu Außig an der Elbe und zu Prag an der Moldau thronen
und gebieten. Und wenn sich Majestäten bei feierlicher Begrüßung mit dem

103
vertraulichen ,,Du“ anbrüdern, so erübrigt sich diese Zeremonie bei den
braunen Diamantenkönigen ſchon deshalb, weil ſie ſeit ihrer Geburt leib
haftige Brüder sind. Vor 2000 Jahren saßen die Ahnherren des Ge=
schlechtes Petschek allerdings nach berühmten Muſtern zu beiden Seiten
des Rheins : aber ein Vorfahr war es, der im 14. Jahrhundert das Domizil
in den Wald verlegte, wo Schillers Räuber hauſten.
Wir wollen hier weder von Räubern noch von Raubrittern sprechen,
wenn wir feststellen, daß es die Brüder Ignaz und Julius Petschek ver
standen haben, sich Macht und Beſiß im deutſchen Braunkohlengebiet durch
das bezwingende Wesen ihrer Tschechenmillionen anzueignen. Und wie
kamen sie in den Besiß dieser ungezählten Millionen, die es ihnen gestatte
ten, sich die reichen Bodenschäße Mitteldeutſchlands anzueignen ? Man ſagt,
sie hätten es gemacht, wie das ihnen benachbarte, wenn auch nicht stamm
verwandte Haus Habsburg, das durch Heiraten „ glücklich“ geworden ist.
Man täte den beiden Brüdern Petschek Unrecht, wollte man sie zu
denen zählen, die Deutschlands Not und Österreichs Zerreißung zum
Sprungbrette ihres finanziellen Erfolges genommen hatten. Sie waren
ſchon, und für Ignaz gilt das ganz bestimmt, ſchwerreich vor dem Kriege.
Schon damals war Ignaz Petschek der eigentliche Hausherr der Grube
Eintracht, Phönir A.-G. für Braunkohlenverwertung, sowie vor allem der
Rheinischen A.-G. für Braunkohlenbergbau und Brikettfabrikation, und
wenn späterhin jemand ihm seinen Besiß streitig zu machen versuchte, ſo
war es kein deutſcher Gegenintereſſent, ſondern jemand, der ihm recht nahe
ſtand, nämlich sein Bruder Julius. Bei einer solchen Gelegenheit kam es
dann zwischen beiden zu Aufkäufen, wie bei der Werschen-Weißenfelser
Braunkohlen A.-G. Die Petschek'schen Interessen haben erst unlängst bei
der Grube Ilſe einmal wieder das Börsenintereſſe in Atem gehalten.
Beide Petscheks ſizen gewissermaßen in einem goldenen Käfig. Sie
können ihres Reichtums so recht nicht froh werden. Drüben im Böhmerland
ſpricht man im Kaffeehaus und auf der Plattform der Straßenbahnen
zwanglos von dem unruhigen Geist der Petscheks, den man bei uns unter
der Bezeichnung schlechtes Gewiſſen“ landläufig kennt. Anekdoten ranken
sich um ihre Paläste wie von Raupen zerfreſſener wilder Wein. Und wenn
auch ihr Reichtum unzerstört die leßtjährigen finanziellen Umwälzungen
überdauert hat, so ist ihr Sinn bis auf den heutigen Tag verstört geblieben,
der Sinn der Herren der deutschen Braunkohle, der Sinn der braunen
Diamantenkönige.“

104
Als der Reichsarbeitsminiſter in den großen Streik eingriff, leitete er
ſeine Vermittlung mit einem tiefen Bückling vor der Macht der Petscheks
ein. Die vorsichtige Zurückhaltung des Arbeitsministers, deſſen prieſter
licher Würde christliche Mäßigung entsprach, ging aber auf sehr reale Gründe
zurück. Er kannte die Macht des tschechischen" Finanzkapitals in der
Kohlenindustrie genau ; er wußte gut, daß der als Grubenbesizer und Groß
händler doppelt verdienende tschechische Jude Ignaz Petschek und sein An
hang heute eine Diktatur auf dem Kohlenmarkt ausüben, die nur mit rück
ſichtslosen Mitteln zu brechen wäre. Die großen jüdiſchen Syndikatsherren
und ihr Anhang aus dem Kreise derer um Caro, Friedlaender, Wollheim,
Kuhnheim und Konsorten machen nicht nur in Riesengewinnen, Lantiemen
und Dividenden der Gruben, sondern stecken auch einen Prozentſaß der
früher an den Handel gefallenen Zwiſchengewinne ein, die an die Syndikate
ſelbſt zurückfließen.

Was in der lehten Zeit an Spekulationen mit Syndikatsgeldern im


Kampf zwischen Ilse Bergbau A.-G. und Bubiag hin- und herging, was
durch ſehr großzügige Selbstkoſtenrechnungen an Millionenbeträgen gema
nagert und von Männern wie Geheimrat Caro, (Schwiegervater eines der
Söhne Petscheks) gegen die Regierung gedeckt wurde — ,,mit Rücksicht
――――
auf die Arbeiterſchaft“, wie man so schön sagte zeigte, wie ohnmächtig
man dieſer Diktatur gegenübersteht.
Der Kreis um Petschek war es auch, der ein gut Teil Verantwortung
für den Streik trug. Er erklärte, daß die Löhne nur erhöht werden könnten,
wenn gleichzeitig die Kohlenpreise gesteigert werden. Petschek wollte schon
vor Monaten die Preiserhöhung auf den Hausbrand ſchlagen, weil es hier,
wie er sagte, auf ein paar Pfennige nicht ankomme.

Da das ostelbische Kohlensyndikat 1928 ablief, so versuchte die


Bubiag, die mit den ihr nahestehenden kleineren Geſellſchaften über eine
Syndikatquote von 24 Prozent verfügt, die Ilse mit ihren 29 Prozent für
sich zu gewinnen, um auf Grund der so hergestellten Mehrheit sämtliche
Syndikatshandelsgesellschaften aufzulösen und den Kohlen- und Brikett
vertrieb lediglich auf die Ilſe und die Bubiag zu übertragen. Als dies Ignaz
Petschek, der durch die Eintracht und die Niederlausißer Kohlenwerke mit
33 Prozent am Syndikat teilnimmt, zu Ohren kam, versuchte er um jeden
Preis Ilse-Aktien aufzukaufen, um nun ſeinerseits die Quote der Ilse Berg

105
bau-A.-G. in die Hand zu bekommen. Eine gewaltige Hauſſe in Ilſe-Aktien
war die Folge, da Petschek und im Kampf mit ihm auch die Bubiag, Kurſe
bis 420 Prozent anlegten.
Den Kampf gewann schließlich Petschek, da die Verwaltung der Ilse
und die ihr nahestehende Mitteldeutsche Kreditbank, die bei der Ilse zum
Schuße gegen Überfremdung ( !) geschaffenen Schuß- und Vorzugsaktien
Herrn Petschek sozusagen zur Verfügung stellten. Hinter verschlossenen
Türen spielte sich damals, wie die Blätter meldeten, eine kaum glaubliche
Affäre ab. ,,Als die Bubiag und die Ilse noch in trauter Freundſchaft
nebeneinander lebten, gründeten ihre beiden Generaldirektoren zuſammen
mit fünf anderen Generaldirektoren der dem Syndikat angeschlossenen
Werke, dem Generaldirektor des Syndikats und vier Syndikatsangestellten
im Jahre 1924 eine private Holzhandelsgeſellſchaft, die Kurt Ehrlich & Co.
Kommanditgesellschaft, die sie mit Geldern des Syndikats finanzierten.
Durch umfangreiche Wechſelmanipulationen wurden zeitweise nicht weniger
als 2½ Millionen Mark beim Syndikat bzw. bei der dem Syndikat unter
ſtellten „ Brikettvertrieb Mark G. m. b. H.“ „ entlichen“. Die Holzgeſchäfte
endigten aber mit einem Verlust von über 1 Million Mark.
Um diese Verluste nun nicht aus eigener Tasche decken zu müſſen, ver
fielen die Beteiligten auf folgenden Ausweg : Man wollte die Kurt Ehr
lich & Co. einfach in Konkurs gehen lassen, da die Manager der Gründung
formell außer ihren Einlagen von zuſammen etwa 100 000 Mark nicht zu
weiteren Zahlungen gezwungen werden konnten. Da nun das Syndikat faſt
der alleinige Gläubiger war, so hätte es den Schaden zu tragen gehabt ;
aber das ließ ſich beheben, da dieselben Persönlichkeiten, die dieſe zwei
felhaften Privatgeſchäfte aufgezogen hatten, ja auch im Syndikat tonan
gebend waren. Hier machte aber die Eifersucht unter den inzwiſchen in
Streit geratenen Syndikatsgruppen einen Strich durch die Rechnung. Ge
heimrat Nicodem Caro, erstattete in einer Druckschrift Bericht an das
Reichswirtschaftsministerium, das den Skandal ,,mit Rücksicht auf die
Arbeiterschaft" inoffiziell behandeln wollte. Die Schuldigen blieben nach
wie vor an der Spiße der größten deutschen Braunkohlenunternehmungen.
Und da Beiſpiele hinreißen, wurde weiter der Wechſelkredit des Syn
dikats in Anspruch genommen, woraus dem Syndikat ein neuer nicht ge=
deckter Schaden von etwa 3½ Millionen Mark entſtand.“
Aber diese ganzen Sachen wollte das Ministerium ,,mit Rücksicht auf
die Arbeiter" inoffiziell behandelt haben, gehörte doch Herr Petschek selbst
zu den zur Abdeckung der Syndikatsverluſte angehaltenen Generaldirektoren !

106
So sind dem Syndikat Verluste in Höhe von rund fünf Millionen ent
standen! Eine Kleinigkeit im Zeitalter Barmats, wo es zum guten Lon
gehört, ſich näher mit einer derartigen Sache erst zu befaſſen, wenn ſie
einige zehn Millionen erreicht!

Zuſammenfaſſend kann das Reich der Petscheks etwa folgendermaßen


umſchrieben werden : Das sogenannte ostelbische Braunkohlenrevier, neben
dem rheiniſchen und mitteldeutſchen eines der größten und gewinnbringend
sten, ist fast völlig in der Hand Petſcheks. Es umfaßt das Niederlauſißer
Kohlengebiet, die Vorkommen in der Oberlausiß und die zahlreichen Ein
zelvorkommen im Gebiet von Frankfurt (Oder).
Zum Konzern Julius Petschek gehören : die Werschen-Weißen
felser Braunkohlen-A.- G. Halle mit der Chriſtoph-Friedrich-Braunkohlen
A.-G., die Anhaltiſche Kohlenwerke A.-G. Halle mit den Gewerkschaften
Oskarſegen, Grube Oskar, Grube Boruſſia und Hohenzollernhall, ſowie
die Thüringische Kohlen- und Brikettverkaufs-G.m.b.H. und die Märkische
Brikett- und Kohlen-Verkaufs-Aktiengesellschaft.
Der Konzern Ignaz Petschek umfaßt: Die Eintracht Braun
kohlenwerke und Brikettfabriken mit der Matador Bergbau G.m.b.H. und
der Freia Braunkohlenwerke A.-G. , die Niederlauſißer Kohlenwerke A.-G.
mit der Bleichertſchen Braunkohlenwerke A.-G. , die Klettwißer Bergbau
Gesellschaft, die Rückersdorfer Kohlenwerke G. m. b. H., die Beuterſizer
Kohlenwerke G.m.b.H., die Frankfurter-Finkenheerder Braunkohlen A.-G.
mit der Braunkohlen- und Brikett-Verkaufsvereinigung G. m. b. H., die
Braunkohlenwerke Borna A.-G. , die Phönir A.-G. für Braunkohlen-Ver
wertung, die Braunkohlenwerke Leonhard A.-G. und die Hubertus Braun
kohlen A.-G. Hierzu kommt die Ilse Bergbau A.-G.
Aus dem Gebiet der Steinkohlengewinnung gehört Ignaz Petschek noch
die Oehringen Bergbau A.-G. und die Preußengrube A.-G. Miechowiß.
Die Braunkohlenförderung in Deutschland betrug im Jahre 1923
118,248 735 Tonnen, wovon auf Ostelbien und Mitteldeutschland 92 Mill.
716 689 Tonnen entfielen. Die Brikettherstellung betrug im gleichen Jahre
26 856 111 Tonnen, von denen 21 626 260 Tonnen in Ostelbien und Mit
teldeutſchland erzeugt wurden. Daraus allein iſt ſchon der ganze Umfang der
Überfremdungsgefahr erkennbar !
Petscheks Reich greift jedoch über die Braunkohleninduſtrie weit hinaus.
Er steht gleichzeitig in enger Intereſſenverbindung mit den Vereinigten

107
Stahlwerken A.-G. , wie auch mit der A.E.G. , dem großen jüdiſch gelei
teten Elektrizitätskonzern, ist unter anderem Mitglied des Verwaltungs
rates der österreichischen Alpinen Montangeſellſchaft, dem großen öſter- .
reichischen Stahltrust, der im Besiße der Vereinigten Stahlwerke A.-G. iſt,
sigt im Aufsichtsrat der Linke-Hoffmann-Lauchhammer A.-G., die als eine
AE.-Geſellſchaft mit der mitteldeutſchen Stahlwerken A.-Ö. verbunden iſt.
Ferner besteht eine Interessengemeinschaft der A. Riebeckschen Montan=
werke A.-G., mit dem Chemietrust, der J. G. Farbenindustrie A.-G. Der
Braunkohle-Konzern, der in Mitteldeutſchland über 17 Grubenbetriebe,
14 Brikettfabriken, 15 Schwelereien, 4 Mineralöl- und Parafin-Fabriken
verfügt, stellt auf Grund des Interessengemeinschaftsvertrages mit der
I. G. Farbeninduſtrie A.-G. dieſer alljährlich ſeinen Reingewinn zur Ver
fügung". Hierfür hat der Chemietruſt die Dividenden-Auszahlungen an die
Aktionäre zu leisten und für die Zukunft zu garantieren.

Aber die Bedeutung der Petscheks liegt nicht etwa nur auf dem Gebiet
der Agiotage und Börſentransaktion. Es wird nicht mehr lange dauern
und der Klang dieses Namens, ehedem kaum in Ausſſig bekannt, erfüllt
nicht nur die alte, sondern auch die neue Welt mit unverwelklichem Ruhm.
„ Petschek“ ſoll der Name eines Flugzeuges sein, welches von den Brü
dern ausgerüstet worden ist, um einen Flug von Europa nach Amerika
zu machen. Den Amerikanern soll die Bedeutung eines Namens, wie
der dieser böhmischen Kohlenhändler, die heute einen großen Teil des
deutschen Bergbaues beherrschen, kraft ſeines edlen Klanges von Grund auf
beigebracht werden. Des Raſſegenoſſen Levine bahnbrechende Heldentat läßt
die Auſſiger Kohlenkönige nicht mehr schlafen. Man kann es verstehen,
daß Männern wie Epstein, Popper, Weinmann, die einſtmals die kleine
Kille in Mähren kannten, dann erst richtig der überzeugende Glaube an
dieſen Namen aufkommt, wenn ſie ſehen, er glänzt an dem Rumpf eines
Transozeanflugzeuges ! Und wenn ein behäbiger Schraubendampfer „ Albert
Ballin" heißt, warum soll ein elegantes leichtes Flugzeug nicht ,,Ignaz
Petschek" heißen?

108
Der Ballhausplaß.

Das " Genieland des Ostens" - Sigmund Bosel — Im


Salonzug des Kaisers ―――― Kriegskonjunktur — Union =
bank und Postsparkasse - Die Wiener Großbanken

In Polen und Galizien, auf dem Balkan und in Vorderasien, in den


Ghettos von Lemberg und Lodz, von Drohobycz und Braila, in dieſen engen
Gaſſen voll starrendem Dreck und heimlichem Reichtum, wo verlotterte,
verlumpte Lebensform den gleißenden Inhalt baufälliger Ruinen verdeckt,
da iſt das „ unerschöpfliche Reſervoir jener unverbrauchten Kräfte“, welche
das untergehende Abendland sich zu Dußenden als Wirtſchaftsführer und
Politiker wählt. Jener Kräfte, die heute den Börsenbetrieb mit ihren Tips
ebenso beherrschen wie die Kreditgewährung für Induſtrie und Landwirt
schaft, für Handel und Gewerbe. Jener Männer, deren Machtwort heute
alte Kaufmannsgeſchlechter und ihr Beſißtum zersplittert, riesige Truſts
als diktatorische Macht über ganze Nationalwirtſchaften ſeßt, Ländergrenzen
und Völkergegenſäße verwiſcht, Krieg und Frieden nach Angebot und Nach
frage, nach Profit und Verlust betreibt.
Aus diesem dunklen Genieland des Ostens sind sie aufgestiegen, aus
dem brodelnden Sumpf ungehemmter Geschäftsgrundſäße, mit robuſtem
Gewissen und kräftigen Ellenbogen. Sie hielten nicht sehr viel von Sauber
keit, innen und außen, von kaufmännischem Anstand und vornehmer
Denkungsart. Ihre Methode war rabbuliſtiſche Leiſetreterei, rücksichtslose
Strangulierung und Erbschleichertum an Hab und Gut der Nationen.
So kamen sie heran aus den Winkeln und Ecken der Judenviertel,
krochen heraus aus den Kaninchenſtällen Galiziens und Polens und machten
Karriere. Rücksichtslos Karriere. Manche, die nichts verstanden als im
Trüben zu fiſchen, sind wieder gurgelnd untergetaucht. Andere, die ihren
Geschäftskollegen des Westens so etwas wie rationelles Geschäftsgebaren,

109
Umgangsform und gute Manieren abgeguckt hatten, kamen zu Amt und
Würden, zu Orden und Ehrenzeichen. Sie aſſimilierten ſich mit mehr oder
weniger großer Geſchicklichkeit. Sind heute mächtige Finanzdiktatoren und
Trustkönige, Bankherren und Aktienſammler. Manche ſizen hinter ſchwedi
ſchen Gardinen oder wieder daheim, woher sie gekommen und ſind doch im
Grunde alle gleich, ſchieben und arbeiten nach den gleichen Methoden und
Grundsäßen, wenn man dies Wort dafür anwenden darf. Aber Dreck am
Stecken haben sie alle.
So zogen sie heran aus dem dunklen Oſten ſeit vielen Jahrzehnten,
ein ununterbrochener Strom, gegen den man unterlaſſen hat, Schußdämme
aufzuführen. Wie eine Springflut aber schlug das über die Landesgrenzen,
als die Börſenrevolte des Jahres 1918 das alte Staatsgefüge abbrach. Da
begann die Erntezeit der Boſel und Castiglioni, der Petschek und Weinmann,
der Barmat und Kutisker, Michael und Strauß, die im Schlamme der
Inflationszeit buddelten, die Kanäle schmußigster Börſenabwäſſer durch
wühlten und an ſich riſſen, was die Schlammflut verfaulender Wirtſchafts
moral unterſpült und losgelöst hatte. Mit kühnen Säßen legten Schnorrer
zu Hunderten den glitschrigen Weg zu raschem Reichtum in einer Zeit
zurück, deren Zehnfaches ihre Vorfahren gebraucht hatten, um aus polni
ſchen Kaftanträgern mit Hängelocken und Hauſiererbutten zu Berliner
Bankiers im Zylinder und Cut zu avancieren. Das sogenannte amerikanische
Wirtschaftstempo ſchien auch auf das verſchlafene, rückständige Europa
übertragen werden zu können. Man wollte nicht minder rasch Karriere
machen, als drüben die Lewinſon, Lazard, Speyer, Thalman, Warburg,
Guggenheim, Kahn, Loeb, Kuhn, Hallgarten, Zukor, Laemmle, Gerſtle,
Stoß, Baruch, Untermeyer, Strauß.

Die Republik Österreich war in den Tagen, da die Habsburger Monar


chie wie ein morscher Bau zuſammenſank, ein Tummelplatz finanzpolitiſcher
Freibeuter. Aus dem unerschöpflichen Reservoir des Ostens strömten Scha
ren eroberungslüſterner Konquistadoren herzu; Hunderte von Kometen
ſtiegen am dunklen Himmel der Wirtſchaftsverwüstung empor, der bis hoch
zum Zenith vom Brand entfesselter Gewalten düſter erglühte. Nicht viele
dieser Sterne stehen heute noch im aufpolierten Glanz einer Zeit, die nur
auf die Fassade sah und nicht mehr nach dem Inhalt urteilte.
So sank der Stern Sigmund Boſels, des ehemaligen galiziſchen
Kleinhändlers, späteren Kriegslieferanten und Gönners der Wiener Polizei,

110
Präsidenten der Unionbank und bedeutendsten Gegenspielers seines Raſſe
genossen Castiglioni langſam wieder zurück in das Dunkel, aus dem er
aufgestiegen. Wenigstens will man dies glaubhaft machen. Man ſagt, ſeine
Laufbahn sei zu Ende. Ob dies der Fall ist, wird sich zeigen. Bosel ist noch
nicht alt, er steht Anfang der dreißiger Jahre. Die Affäre mit der Post
ſparkaſſe ſoll ihm das Genick gebrochen haben. Der Mann aus der Schaf
faer Kille, der mit alten Kleidern anfing und es bis zum heimlichen Kaiser
Österreichs brachte, würde wieder mit alten Kleidern aufhören. Was da
zwiſchen liegt, sei eine Zeit voll ſchmußigen Glanzes , Talmigold in den
Händen eines Alchemisten, der sich mehr als einmal an eisernen Gardinen
vorbeiſchlängelte.
In seiner ,,besten Zeit“ , der Zeit, wo er die Krone durch Kreditgeſchäfte
immer mehr in den Abgrund der Inflation stoßen half, war er daran, in .
die Schar jener Dreihundert einzutreten, von denen jeder jeden kennt. Er
wurde Kommerzienrat, zehn Jahre nachdem er als Altkleiderhändler nach
Wien gekommen war. Er reiste im Salonzug des ehemaligen deutſchen
Kaiſers, aviſiert von Station zu Station, war Perſona gratiſſima bei den
österreichischen Sozialdemokraten und zahlte im Jahre einige 10 bis 15
Millionen Kronen Einkommensteuer.
Als Hausierer kam er vor dem Krieg in Österreichs Hauptstadt. Wit
terte bei Ausbruch des Krieges Morgenluft und entwickelte sich vermittels
--- er zog
seiner eigenartigen Auffassung des Begriffes Kriegsdienstpflicht
es vor in der Heimat des Wirtsvolkes sich dem Vaterland der anderen durch
Verdienen verdient zu machen ――――――― zu einem der einflußreichsten Kriegs
lieferanten der Donaumonarchie. Zum erstenmal geriet er mit der heiligen
Hermandad in Konflikt, als er Waren seines Brotgebers unterschlug ; er
wurde entlaſſen, machte ſich ſelbſtändig und gründete eine Warenhandels
A.-G., welche hauptsächlich die Ausfuhr von Eisenwaren, Maschinen und
Emailgeschirr nach dem Balkan besorgte. Die Schuldverbindlichkeiten von
Wiener Firmen im inneren Stadtbezirk, welche er ablöſte, ſeßten ihn in
stand, sich im Zentrum des Geschäftsverkehrs zu „ betätigen“.
Nach Kriegsende befaßte er sich vorwiegend mit Devisenspekulation; er
nahm ſich der verfallenden österreichiſchen Währung „ großzügig“ an. Ge
kaufte Waren bezahlte er erst, wenn die Krone um vieles geſunken war. Das
Geld legte er in Pfund oder Dollars an, die er ins Ausland ,,verlagerte".
Er kaufte eine Bank. Er wurde Bankier. Er verlegte sich größtenteils auf
Börsengeschäfte, betrieb aber nebenbei einen lukrativen Lebensmittelhandel,
gründete den ,,Lebensmittellager-Vertrieb" der Wiener Polizei. Er knüpfte

111
Beziehungen zu prominenten Größen der freien Republik Öesterreich an, er
stand in Hießing eine prachtvolle Villa, gewann hohe und höchste Staats
männer für ſeine Interessen, brachte den größten Teil der Aktien der Wiener
Unionbank von Castiglioni an sich und ward deren Präsident ; damit war
er ein gemachter Mann. Der Lebensmittellager-Betrieb ſeßte ihn in die Lage,
mehr einzukaufen, als die Polizei brauchte. Den Überschuß verkaufte er
unter der Hand. Unter den von ihm an die Küchenanstalten gelieferten
Lebensmitteln sollen sich einmal so stark verweste befunden haben, daß
mehrere Perſonen an Vergiftung starben. Die Untersuchung ergab natür
lich seine ,,völlige Unschuld“.
Boſels Dollars und Pfunde aber wuchsen und wuchsen. Nun, da er
allmählich börsenfähig geworden, begann er im großen Stil zu „ arbeiten“.
Um dies Geschäft richtig betreiben zu können, mußte er Stimmung machen.
Er nahm sich Zeitungen und Redakteure: den „ Tag“, die „ Sonn- und
Montagszeitung“, den „ Morgen“; sie wurden hauptsächlich von Mittel
ständlern gelesen, waren geschickt aufgemacht und billig.
Er arbeitete fieberhaft am Zerfall der Krone. Im Oktober 1921 er
ſchien im „ Morgen" ein Telegramm aus Amerika des Inhalts, daß Kredite
für Österreich aussichtslos ſeien. Das gab der Krone einen entscheidenden
Stoß. Aus Zuſammenbruch, Elend, aus Hungersnot, Arbeitslosigkeit und
Verzweiflung entstanden ſo Millionen auf einer anderen Seite. Später hörte
man, daß das Telegramm eine fingierte Meldung war. Der alte Börsentrick
hatte sich wieder einmal glänzend bewährt.
Boſel wurde nun „ Wohltäter“ im größten Maß. Die von den Sozial
demokraten gegründeten „ Hammerbrotwerke“ standen vor dem Bankerott.
Da schickte der Chefredakteur der ,,Wiener Arb.-Ztg. ", Austerliß, der in
Boſels Werdegang gut eingeweiht war, Herrn Elders ch zu ihm und Boſel
kaufte die Hammerbrotwerke zu 40 Prozent des Wertes. Seitdem war er
Gönner der Sozialdemokratie. Da blieben die Vollstrecker des Testaments
eines Karl Marr stille, der predigte, daß Eigentum Diebstahl sei. Da
ſchwiegen sie, die Gegner des Kapitalismus, ſie, die wie ein Mann hätten
aufstehen und auffordern müſſen zur "/Expropriation der Expropriateure“.
AberTheorie und Praxis , was ſagt schon der alte Goethe von ihrem Unterſchied!
Bosels ,,Energien“ wuchſen im Grad, als er politiſche Freunde gewann.
Er trat zum Endkampf um die Wolfs egg - Traunthaler Kohlen
gewerkschaft an. Er streckte seine Hände nach Oberſchlesien aus.
Laurahütte, Bismarckhütte, Kattowizer Bergbau, A.
E. G., Linke - Hofmann, Caro - Hegenscheidt, Phönir : ein

112
gigantischer Kampf um die Vorherrschaft in der deutſchen Induſtrie ſchien
zu beginnen: hie Stinnes, hie Boſel, ſo war eine Zeitlang die Losung!
Das war mit einem Schlag vorbei, als die Stabiliſierung wie eine kalte
Dusche auf die Fiebertemperatur der Inflation herabsauste. Der Glanz
zerrann, die Schwierigkeiten begannen. Es kam der schwere Rückschlag mit
der Frankenspekulation, mit der Bodenkreditbank, der Versuch mit der
Schweizer Transaktion, die Expreſſungsaffäre und ſchließlich der Skandal
mit der Poſtſparkaſſe, dieſem ehrwürdigen Inſtitut, das nahezu zu einer
Spielbude herabgewürdigt werden sollte. Die lehtere hing durch Boſel mit
einigen hundert Millionen. Eine Steuerschuld von 46 Millionen Kronen lag
zuleht auf dem Mann. Er trat von der Präsidentenstelle der Unionbank
zurück, ſein Reich zerfiel. Es ging zu Ende mit aller Herrlichkeit. Der Ab
gott der Sozialdemokraten, der auch für andere eine „,offene Hand“ hatte,
der sich einen geweſenen Gesandten der Monarchie als Almosenier zulegte,
der raffte, raffte - kehrte er zurück zu Mazzesknödeln und alten Kleidern,
zurück ins Ghetto, aus dem er gekommen?
Vielleicht findet sich ein Romanschriftsteller, der das bewegte Leben des
Finanzabenteurers einmal darſtellt, am besten etwa im Stil Georg Kaiſers ;
damit der Nachwelt die Taten eines Mannes erhalten bleiben, der vom
Trödler zum Kronenbeherrscher aufstieg und dann wieder in die trübe Nacht
des Oftens untertauchte; damit aber auch das Urteil über den Unglücklichen
nicht zu hart werde, ſondern ein frommes Imprimatur von hoher geiſt
licher Stelle, sozusagen als Epitaph über dem Denkmal ſeiner Finanzkunſt
sich wölbe, vergesse er nicht das Urteil Seipels : ,,Daß viele von uns
in jenen Tagen sich gleichfalls mit Dingen abgegeben, die sie nicht ganz
verstanden hätten! Und daß man dies entschuldigen müſſe!“

Boſels Erbe ist zerstoben in alle Winde. Der Wehler konzern hat
mit ihm einen Vertrag abgeschlossen, wodurch er Besizer der 2½ Millionen
Stück Aktien der Hammerbrotwerke A.-G. wurde. Sämtliche Aktien der
Hammerbrotwerke A.-G. , die für die Boſelſchuld der Poſtſparkaſſe mit
verpfändet waren, gehören jezt dem Konzern. Der Rest des außerdem
verbliebenen Besizes war nicht mehr groß, ebensowenig wie die Lust der
Reflektanten am Kaufen. Nach dem Verkaufe der Unionbankaktien
und der Hammerbrotwerke aktien kamen noch die Aktien der
Laurahütte und der Veitscher Magneſitwerke A.-G. in Betracht. Um die
Laurahütte bewarb sich vor allem die Gruppe des tschechoslowakischen Groß

8 113
induſtriellen We in mann. Er hatte eine ſcharfe Konkurrenz in der durch
den Generaldirektor Flick vertretenen deutschen Gruppe und in einer
Gruppe polnischer Industrieller. Weinmann und seine Freunde besaßen be
reits 30 Prozent der Laurahüttenaktien. Für die Veitscher Magnesit =
aktien zeigte sich bei zwei Wiener Großbanken Intereſſe.

Noch lange wird die Hauptstadt der Republik Österreich Spuren vom
Wirken dieses großen Mannes tragen. Nicht allein, daß heute noch die
Wiener Sicherheitswache in Bosels Uniformen Dienſt tun soll, auch das
Bild der Stadt erinnert noch an jene Zeit, da dieser größere Rothschild auch
als Verschönerer des Ballhausplahes fungierte. Als er auf dem Gipfelpunkt
des Glückes stand, gedachte er, mitten unter die ehrfurchtgebietenden Zeugen
des alten Wien, auf dem von der Hofburg, von dem Barockpalast des
Miniſteriums des Äußern, von den Gebäuden der Statthalterei und des
Niederösterreichischen Landtages, sowie der schönen gotiſchen Minoriten
kirche eingerahmten Plaß einen Palast der Union-Bank aufzurichten. Als
er die Kosten für den Neubau eines Staatsarchivs und für die Unter
haltung der wiſſenſchaftlichen Inſtitute der Univerſität zuzulegen verſprach,
gab die Stadt nach. Der Plaß wurde eingeplankt, die Bäume ausgerodet,
die Rasenbeete zerstampft.
So weit war man, als der große Krach kam. Boſel zeigte auf seine
leeren Taschen, als Staat und Univerſität die Erfüllung seiner Zusagen ver
langten. Von Plänen war ein Wüſtenei übrig geblieben. Boſel iſt von ſeinem
Bauvorhaben zurückgetreten, ohne seiner Verpflichtung, die Gartenanlage
wieder herzustellen, nachzukommen. Schließlich wurde die Gartenanlage von
der Bundesgarten-Verwaltung auf Antrag des Bundesministeriums für
Handel und Verkehr hergestellt und Boſel zum Erſaß der Koſten aufge
fordert. Da er auch dieser Aufforderung nicht nachkam, wurde von der
Finanzprokuratur eine Klage auf Zahlung eingebracht.
Undank iſt der Welt Lohn ! Hätte nicht ein widriges Schicksal Boſels
Reichtum zerstört, so hätte Wien einen Palast troß Castiglionis Prunkbau,
die Bundesgarten-Verwaltung hätte nicht 7000 Schilling in die Wüſtenei
hineinzustecken gebraucht, die Finanzprokuratur nicht klagen müſſen und
alles wäre gut. Ob Bosel das Geld wohl schon gezahlt hat ?

114
An die großen Wiener Banken ist Bosel nie recht herangekommen. Sie
haben ihre Finanztradition auf ſogenannter „ ſolider Grundlage“ bewahrt und
das Geschäft langsam aber sicher ausgebaut. Nur die Bodenkreditbank hat
von Bosels Umtrieben mit der Unionbank einiges verspürt.
Der Reingewinn 1926 betrug bei der Kreditanstalt 7.86 Millionen
Schilling (gegen 6.57 für 1925), bei der Bodenkreditanſtalt 6.69 (gegen 6)
Millionen Schilling, beim Bankverein 4.62 (gegen 4.49) Millionen Schil
ling, bei der Eskomptegesellschaft 5.82 (gegen 6.15) Millionen Schilling.
Ein Beweis für die internationale Geltung und die rückſichtsloſe Profit
politik der Großbanken ist ihre rückſichtsloſe Ausdehnungstaktik. Während
die Kreditanstalt im Zuge ihrer Vereinigung mit der Anglobank bereits im
Vorjahr ihr Kapital um 15 Millionen Schilling nominell vermehrt hat, die
in ihrer Gesamtheit von einem engliſchen Konſortium übernommen wurden,
ſchritten die Bodenkreditanſtalt und der Wiener Bankverein zu Kapital
vermehrungen. Die Niederösterreichische Eskomptegeſellſchaft, die als ein
zige Wiener Großbank beim zentralisierten Geschäftsbetrieb geblieben ist,
begnügte sich mit der bisherigen Kapitalsdecke. Die Bodenkreditbank be
durfte mit Rücksicht auf ihre Fuſion mit der Unionbank und Verkehrsbank
neuer Mittel und hatte schon früher, zwecks Umtausch der Aktien der fuſio
nierten Banken eine Kapitalsvermehrung um 15 Millionen Schilling in
Kürze zur Durchführung gelangen laſſen. Der Bankverein erhöhte ſein Kapital
um 15 Millionen Schilling, von denen die Neuyorker Bankfirma Dillon,
Read & Co. zwei Drittel, die Deutsche Bank ein Fünftel, den Rest die alten
belgischen und schweizerischen Konsorten des Instituts zum Kurſe von etwa
30 Schilling übernahmen.
In den Banken ſelbſt iſt das jüdiſche Element völlig vorherrschend. Und
zwar ſind die Leiter in der Kreditanſtalt : Rothschild, Mauthner, Broch,
Deutsch, Engländer, Gutmann, Regendanz, Singer, Ullmann, Warburg.
In der Bodenkreditbank : Sieghardt, Herzfeld, Weiner, Bloch,
Friedländer, Mauthner, Tauſſig, Weißenſtein.
Im Bankverein : Adler, Mauthner, Klinger, Lehenhauser, Popper,
Pollak.
In der Eskompte geſellſchaft : Meran, Feilchenfeld, Kann,
Keller, Oppenheimer, Pollak-Parnegg.
Das Finanzkapital iſt alſo in Österreich auch nach Bosels und Castig
lionis beendetem Gastspiel nach wie vor in besten Händen!

8* 115
Moral insanity ?

Camillo Castiglioni ―― Die B. M. W. - Inflationsprak


tifen ――― Der Krach in der Depositenbank — „Jenseits
von Gut und Böse"

Es bedeutete eine große Überraschung, als Mitte 1925 durch die Preſſe
die Nachricht ging, daß der bekannte Großfinanzier Camillo Castig =
lioni Wien verlassen habe, um sich dauernd in München niederzulaſſen.
Er warschon zuvor Hauptaktionär der Bayerischen Motorenwerke.
Der schönen Stadt an der Iſar konnte man zu ihrem neuen Bürger,
von dem der Volksmund wiſſen wollte, daß er sich eine prächtige Villa in
Bogenhausen gekauft habe, nur Glück wünschen. Castiglioni verfügt über
einen außerordentlich beweglichen Geist und einen scharfen Verstand ; er
hat die Kriegskonjunktur nicht minder erfaßt als die erfolgreichen Geſchäfts
praktiken der Umsturzzeit und der Inflation.
Die Übersiedlung nach München schien ihm und den B. M. W. nicht
schlecht bekommen zu haben. Das Werk ſchüttete in den lezten drei Jahren
eine zehnprozentige Dividende aus, die auch für absehbare Zeit in dieſer
Höhe mindestens gesichert erscheint. Der Krach mit der Wiener Depositen
bank, welcher Castiglioni ſeinerzeit, als die Stabiliſierung sich wie eine Läh
mung auf die Inflationskünstler herabſenkte, und die Frankenkontermine
aufflog, so sehr zuſchte, muß an ihm einigermaßen spurlor vorüber
gegangen sein. Im Gegenteil, er konnte es sich offenbar bald darauf
leisten, den ihm angeborenen Kunſtſinn durch neue Aufkäufe zu pflegen.
Vor einiger Zeit fand, wie die Blätter meldeten, im Haag eine Versteige
rung von Kunstgegenständen statt, von der bekannt wurde, daß bei dieſer
Auktion des zweiten Teiles der Sammlung Castiglionis eine Anzahl der
schönsten und wertvollsten Stücke von Händlern erworben wurden, die im
Auftrage und für Rechnung Castiglionis ſelbſt handelten.

116
Castiglioni hätte, wie versichert wurde, angesichts der Beſſerung ſeiner
materiellen Lage von dieser zweiten Auktion überhaupt Abstand ge=
nommen, wenn er nicht zu ihrer Abhaltung, durch bereits im Frühjahr
1924 abgeschlossene Verträge mit den Amsterdamer Veranstaltern gezwungen
gewesen wäre. Doch sei mit dieser Veranstaltung der Verkauf der Castig=
lioniſchen Kunſtſammlungen endgültig abgeſchloſſen worden, ſo daß von
den ursprünglich 3000 Nummern seiner Sammlung ungefähr 1700
und unter dieser befanden sich vielfach die wertvollsten Objekte ――――――― auch
weiterhin im Castiglioniſchen Besiß verblieben. Größe und Wert der Samm
hung Castiglionis zeigten, welche Mittel dieſem idealen Liebhaber von Alter
tümern und Devisen in den Jahren seines Inflationsſpurts zur Verfügung
gestanden haben müssen. Sollte er schon unterm väterlichen Dach die
Grundgeseße der Asthetik ebenso wie die des Terminhandels kennen gelernt
haben ?
Castiglioni ist geboren als Sohn eines Rabbiners in Triest und war
vor dem Kriege kleiner Autoreifenagent. Als die Kriegskonjunktur anbrach,
gewann er freies Feld. Er organisierte Fabriken für Maſſenartikel. Die
Revolution sah ihn bereits als reichen Mann. Aber jetzt begann erst seine
Zeit. Das Gesetz der Geldentwertung hat er rasch erfaßt : er raffte zu=
ſammen, was an Sachwerten in seine Nähe kam, als Aufkäufer und
Steigerer war er, wie man in Wien bestätigen hörte, einzig in ſeiner Art.
Er machte Kronenschulden wo er ging und stand und zahlte später mit
einigen Inflationslappen zurück.
Im Jahre 1918 hatte ihn Goldstein in die Depositenbank
gebracht und von hier aus verschaffte er sich Eintritt in eine ganze Reihe
der vornehmsten Geſellſchaften der österreichischen Induſtrie. Unabhängig
von der Depoſitenbank gelang es ihm, geſtüßt auf italieniſche Beziehungen,
die Majorität der österreichischen Alpinen Montangesellschaft
zu erwerben, deren Präſident er wurde. Im Verwaltungsrat dieſer Gesell
schaft saß Castiglioni mit Trägern der vornehmsten Namen wie Hugo
Stinnes, Fürstenberg u. a. zuſammen. Auch in den übrigen Unter
nehmungen, an denen er beteiligt war, befand er sich bald in beſter Geſell=
ſchaft. So ſaß er in der Verwaltung der Felten mit Kraßny, bei der Ste =
weag mit Landeshauptmann Rintelen, bei Fe instahl mit dem Eduard
Prinzen von und zu Liechtenstein und Oberkurator Leopold Steiner, bei
Elin mit Anton Auersperg, Heinsheimer und Lippe, bei Schoeller
Bleckmann mit Banhans, Schoeller, bei Semperit mit Heinsheimer
und Kraßny, bei Brown - Boveri mit Kraßny und Leopold Telſchner

117
von Friedrichskron. Auch die im Zuſammenhang mit der Depositenbank
vielgenannte ,,Orion“ -Zündwaren- A.-G. gehörte zum Castiglioni
Konzern ; doch ließ sich Castiglioni im Verwaltungsrat gewöhnlich durch
ſeinen Generalbevollmächtigten Dr. Eduard Nelken vertreten.
Durch den Friedensvertrag wurde er ,,Italiener". Das war für ihn der
Ausgangspunkt neuer Spekulationen. Man kann sich an den Fingern ab
zählen, was die damals noch starke italieniſche Valuta gegenüber der zer
fallenden Österkrone bedeutete. Er kam zur Fiat und von da in die
Alpine Montan, wälzte das riſikoreiche Unternehmen Herrn Stinnes
auf die Schultern, als er herausgeholt hatte, was ihm möglich erſchien.
Dann drang er bei Leobersdorf - Traizen ein, beteiligte sich an den
Skoda - Wehler - Werken, bei Felten - Guilleaume, Ley
kam - Josefstal und Elbemühl. Aber er war weit entfernt, ſich auf
das substanzarme Österreich zu beschränken. Er dehnte seine Interessen auf
Italien, Jugoslawien, Ungarn, Rumänien, die Tschechoslowakei aus. Das
war die Zeit seiner Hochblüte. Damals gab er, das mußte ihm der ſtärkste
Neid lassen, ein glänzendes Beispiel für die Freizügigkeit des inter
nationalen Finanzkapitaliſten ab. Man übt, ähnlich wie die dunklen Kinder
der Steppe, Zigeuner, ſein Gewerbe im Herumziehen aus. Man kennt kein
Heimweh, da man keine Heimat kennt. Man begnügt sich mit Absteige
quartieren in einigen Prunkräumen erster Hotels. Das iſt der einzige Pfuhl,
wo der internationale Finanzier nach der Börſe Müh und Arbeit ſein Haupt
für wenige Stunden zur Ruhe bettet. Hier, im Spezialfall, erzählt die Hi
storie allerdings auch noch von einem Palast im italieniſchen Renaiſſanceſtil
und einem vielstöckigen Etagenhaus in Wien.
Da kam die Affäre mit der Depositenbank in Wien. Die Bank
geriet im Sommer 1924 überraschend unter Geschäftsaufsicht ; fünf der
angesehensten Wiener Großbanken, die 280 Milliarden investiert hatten,
und recht entschlossen in Hilfsstellung gegangen waren, zogen sich ange
sichts von 450 Milliarden weiterer Schulden wieder zurück. Für den Zu
ſammenbruch der Bank wurde Castiglioni verantwortlich gemacht. Je weiter
die Untersuchung des verworrenen Standes des Instituts fortgesezt wurde,
desto mehr zeigte sich die zweifelhafte Rolle ihres bisherigen allmächtigen
Herrn. Die öffentliche Meinung war damals äußerst entrüſtet über die
inflationistische Finanzpolitik des Auſtroitalieners, der sich sehr raſch ſeiner
neuen Staatsangehörigkeit entsann und umgehend verſchwand. Damals
forderte man rücksichtslose Bestrafung, weil nicht nur die Depoſiten=
bank mit einigen sechzig Filialen, sondern mit die ganze österreichische Volks

118
wirtſchaft ausgeplündert worden ſei“. Eine Strafanzeige auf Veruntreuung
und Betrug wurde beim Landgericht Wien erhoben.
Als sich die Wogen der ersten Erregung über den Fall Depositenbank
gelegt hatten, trat die Dementierſprize in volle Tätigkeit. Man pochte auf
starke italienische Stüßen, machte diplomatiſche Einflüſſe mobil, ſette Bravi
und Agenten in Bewegung, bis man restlos rehabilitiert war und als
Märtyrer einer neuartigen Rechtlichkeit und Geſchäftsgesinnung daſtand.
Castiglioni erstrahlte bald in blütenweißer Unschuld. Er hatte damals,
als es um die Alpine Montan ging, ſeiner geschäftlichen Sauberkeit ſelbſt
das beste Zeugnis ausgestellt und geschrieben : „ Mit Warengeschäften,
Effekten- oder Valutaspekulationen habe ich mich nie abgegeben. Weit davon
entfernt, jemals etwas zur Beschleunigung des Markrückganges beigetragen
zu haben, habe ich an der Kursgestaltung der Mark nur jenes Intereſſe,
welches sich aus meinen induſtriellen Beteiligungen in Deutschland ergibt."
Damit war allerdings über seine Währungspolitik in Österreich noch nichts
gesagt. Doch auch darüber vermag der Chroniſt ſchon heute beruhigende
Auskunft zu geben. Als die Bürde der Deflation und der Depositenbankaffäre
allzu schwer auf seinen Schultern ruhte, ſoll er an einen früheren Geſchäfts
freund wie folgt geschrieben haben :
,,So will ich, nur um Sie zu überzeugen, daß alles, was geschehen
ist, nicht gegen Sie persönlich oder gegen Ihre Familie gemünzt war,
Ihnen sagen, daß mein Bruder, der für mich der erste Psychiater
der Welt ist, vor vielen Jahren zu mir sagte, ich stünde jenseits von
Gut und Böse. So wie es mir absolut kein Opfer ist und ich es als
ſelbſtverſtändlich empfinde, manchmal Handlungen zu begehen, die mehr
als großzügig ſind, ſo fühle ich oder, Gottſeidank beſſer gesagt, fühlte ich
bis vor kurzem kein Bedenken, manche Wege zu betreten und Handlungen
zu begehen, die dann im selben Moment von meiner Seele oder meinem
Gewissen auf das schärfste verurteilt wurden. Glauben Sie nicht, daß ich
mir ein milder Richter bin, im Gegenteil, ich habe mich sehr oft an den
Kopf gegriffen und mich gefragt, ob es sich hier nicht bei mir um einen
Fall von Moral insanity handelt, und daß ich den Trost finde, dieses Be
kenntnis heute für das erstemal in meinem Leben auf das Papier zu
bringen, muß Ihnen einerseits beweisen, wie unendlich ich für Sie empfinde,
andrerseits aber auch, wie hartnäckig und eiſern ich an meiner Beſſerung
arbeite und wie weit ich schon mit derselben bin."
Damals war Castiglioni „ krank“. Aber auch heute würde er ſich wohl
noch zu einem solchen Brief voll Aufrichtigkeit und innerer Wahrheit be

119
kennen. Ob allerdings Moral insanity als heilbare Krankheit bezeichnet
werden kann, darüber steht das Urteil höheren Autoritäten zu. Nach den
Lagen der Franckontermine mochte wohl mancher der Faiseure in einer Art
manischer Depreſſion dahindämmern. Sie hat sich inzwischen sicher wieder
völlig behoben und Moral inſanity ist wohl inzwischen gleichfalls so gut
wie erloschen ! Möchte man hoffen !
Übrigens hat sich auch Mussolini mit Castiglioni befaßt. In einem
Aufsatz vom 27. August 1922 griff er in seinem „ Popolo d'Italia" den
früheren jüdischen Minister des Auswärtigen, Schanzer, an, weil er bei
den Verhandlungen mit Österreich in Verona Castiglioni eine Unterredung
gewährt hatte. Mussolini schrieb: ,,Es ist höchst bedauerlich, daß im Ver
laufe von Verhandlungen von Staat zu Staat der Miniſter Schanzer nicht
die ganze Unzuträglichkeit gefühlt hat, dem Bankier Castiglioni eine Unter
redung zu gewähren, der ein privater Bürger ist und außerdem - nebenbei
gesagt - weder Österreicher noch Italiener und deſſen Lätigkeit während
des Krieges sehr umstritten ist.“ Bald darauf suchte aber Muſſolini ſelbſt
sich Castiglionis zur Unterbringung italienischen Kapitals in Österreich zu
bedienen. 1925 berichtete das Mailänder Sozialistenblatt „ Avanti“ folgen=
des Bekenntnis über eine Unterredung Castiglionis mit Muſſolini:
Mussolini bemerkte : „ Ich habe erzählen hören, daß Sie die Intereſſen
Italiens vertreten, besonders aber die Ihren. Ich möchte, daß Sie mir
einmal den Beweis erbringen, daß Sie nur das Intereſſe Italiens ver
treten.“ Um Muſſolini zufrieden zu stellen, kehrte er nach Wien zurück,
attackierte an einem einzigen Tage 12 Banken und gründete im Ein
vernehmen mit der Regierung in Rom die Steweag. Die Steweag ist
eine Aktiengesellschaft zur Ausbeutung der Wasserkräfte Steiermarks.
Steiermark und Kärnten sind die wichtigsten österreichischen Gebiete für
eine italienische Durchdringung. Abgesehen von dem Reichtum an Mine
ralien und Industrien ist Italien an diesem Gebiete auch aus eventuellen
militärischen Gründen und mit Rücksicht auf die Grenze gegen Südslawien
und Ungarn intereſſiert. “ Zur Belohnung für seine „ Verdienste“ um ſein
neues ,,Vaterland“ erhielt Castiglioni das Großkreuz der Krone von
Italien, eine der höchsten italienischen Auszeichnungen.
Ende September 1924 wurde nun der neue Ritter des Großkreuzes
der Krone von Italien durch den Wiener „ Spiritus -Skandal“ ſchwer bloß
gestellt, so schwer, daß der Staatsanwalt gegen ihn und seine Rasse
genossen Paul Goldstein und Gabor Neumann Haftbefehl erließ.
Der Zusammenbruch der Wiener Depositenbank, der auch durch die er

120
wähnte Stüßungsaktion der Wiener Großbanken nicht aufgehalten werden
konnte und bei dem sehr viele Sparer ihr Geld einbüßten, wurde großen
teils auf Castiglionis zeitweiſes Wirken in dieser Bank zurückgeführt.
Insbesondere wurde behauptet, daß Gewinne aus einem Spiritusgeschäfte
der Depositenbank mit dem tschechischen Juden Bondy auf unrecht
mäßigem Wege dem Castiglioni-Konzern zugeleitet wurden. Seit langem
ſchwebten hierüber Prozesse und gerichtliche Untersuchungen, als plötzlich
die Beweisdokumente aus der Depositenbank gestohlen wurden. Die Rats
kammer beschloß nun die Vernehmung von Castiglioni, Goldstein und
Neumann, aber alle drei waren bereits aus Wien verschwunden; Castig
lioni befand sich zufällig in Mailand. Gegen die Herren wurde mun ein
Verfahren wegen Betrug, Vertrauensbruch und betrügerischer Manipula
tionen eingeleitet, gegen Goldstein und Neumann auch Steckbriefe erlaſſen.
Der Direktor der Depositenbank Hilpert Pilz erhängte sich.
In Sachen Castiglioni aber erſchien am 29. September der italienische
Geſandte Bordonare beim Bundeskanzler Dr. Seipel und erklärte, die
italienische Regierung werde einem Antrage auf Auslieferung Castiglionis
wenn ein solcher von Österreich gestellt würde, nicht nachkommen. Gleich
zeitig trat fast die gesamte Wiener Preſſe für den „ unſchuldigen“ Caſtig
lioni ein. Die Folge dieser Propaganda war, daß die Staatsanwaltschaft
das Verfahren gegen Castiglioni fortzuführen ſich nicht getraute.
Goldstein war früher Präsident der Depositenbank gewesen. Neumann
wurde als Generalbevollmächtigter des Hauses Castiglioni bezeichnet. Ein
Kollegium von Raſſegenossen von der Börse bereinigt die Sache privatim.
Die Deutsch-österreichische Tageszeitung“ ſchrieb dazu u. a.:
„Die Großbanken haben hier eine Machtprobe geleistet, wie vielleicht
noch niemals zuvor in diesem Staate. Sie, die seinerzeit die Erlaubnis
zum Strafprozeß gegen Castiglioni gaben - denn ohne eine solche hätte
kein Staatsanwalt, kein Richter in Österreich in die geheiligten Rechte der
großen Finanzschieber einzugreifen gewagt. - Sie haben nunmehr be
wiesen, daß die Gerichte in diesem Staate lediglich Erekutivorgane ihres
Willens ſind, ja noch mehr, ſie haben das denkbar verwegenſte Spiel mit
der Justiz getrieben, ſie haben sie zum Vorſpann für ihre eigenen Zwecke,
zu Erpressungen gegen den Erpreſſer verwendet und, als das große Ziel
erreicht war, einfach mit einem Fußtritt unter den Tisch gejagt." Der
jüdiſche „ Abend“ in Wien aber erklärte: „ Daß Herr Castiglioni nicht ein
gesperrt wird, war schon vor einer Woche selbstverständlich. Wie denn auch
anders? Soweit ist alles in Ordnung."

121
Eine Anfrage des Abg. Schönbauer (Bauernvertreter) und Genoſſen
im Reichsrat über die seltsame Einstellung des Verfahrens gegen Caſtig
lioni verlief ergebnislos. Castiglioni hatte aber das Pech, so viele Geld
geschäfte gleichzeitig eingegangen zu ſein, daß ihm plößlich die Luft aus
ging. Er hatte mit der Mailänder Banca Commerciale Geschäfte gemacht,
einen großen Teil der Aktien der Prager Unionbank gekauft, in Ungarn
drei Budapester Banken gekauft und zur Banca-Ungaro-Italiano zu=
ſammengeſchloſſen, in Rumänien ſich an Banken beteiligt, die sämtliche
in Judenhänden waren, er hatte den Marksturz während des franzöſiſchen
Ruhreinfalls kräftig ausgenußt, da wurde ihm die Spekulation auf das
Sinken des Franken zum Verhängnis. Er kaufte Franken in hohen Sum
men, als aber das amerikanische Bankhaus Morgan Frankreich einen
100-Millionen-Kredit gewährte und den Franken zum Stehen brachte, saß
Castiglioni an allen Bankpläßen mit riesigen Krediten fest. Sein Ver
mögen war dahin, ihm blieb nur sein Wiener Palast mit den wertvollen
Kunstschäßen. Um sich zu „ sanieren", mußte er seine sämtlichen Unter
nehmungen liquidieren und beauftragte damit die Mailänder Handelsbank.
Nach längeren Verhandlungen gelang es Castiglioni in der Tat, ſich aus
seinen Schwierigkeiten herauszuwinden und der ganze Skandal verlief im
Sande wie so viele andere auch. Bemerkenswert war dabei, daß die gesamte
Judenpresse Wiens ſich für ihn einmütig einſeßte, während sein unmittel
barer Einfluß sich auf fünf Tageblätter erstreckte. Eins dieser Blätter, das
,,Neue Wiener Journal", leistete sich folgendes :
„Heute sind es vier Monate, daß Sie auf die Nachricht eines Vor
führungsbefehls der österreichischen Strafbehörden aus Italien zurück
gekehrt sind, und sich zur Verfügung der Gerichte gestellt haben. Eine wilde
Hehjagd war entstanden. Ihr moraliſcher und materieller Zuſammenbruch
ſchien unvermeidlich, fünfundzwanzig Jahre rastloser Arbeit sollten zu
Boden gestampft werden. Ein Orkan schien entfesselt und jeder war über
zeugt, daßſie in die Luft gewirbelt, dann mit zerbrochenen Gliedern liegen bleiben
würden. Mit eiserner Geduld, mit titanischer Kraft, mit unvergleichlicher Energie,
nur vom Bewußtsein Ihrer Schuldlosigkeit und Ihrer Kraft durchdrungen,
haben Sie sofort nach Ihrer ſenſationellen Rückkehr nach Wien allen erklärt,
daß niemand einen Heller durch Sie verlieren würde und daß Sie die Beweiſe
zu erbringen gewillt sind, daß Sie sich nichts, aber auch gar nichts haben zu
ſchulden kommen laſſen, was dieſe Heße gerechtfertigt hätte. Ihre Feinde waren
zahlreich, Ihre wenigen Freunde waren teils verſchüchtert, teils geblufft durch
die Vorgangsweise der Behörde. Heute aber haben Sie gesiegt. "

122
Die Charakteriſtik von Castiglionis Geſchäftsgebaren, die sich in dem
Buche seines Rassegenossen Ernst Nekkarsulmer „ Der alte und der neue
Reichtum" findet, spricht für sich. Es heißt da von dem Reichtum Castig
lionis : ,,Selten einmal ist ein so ungeheures Vermögen in so kurzer Zeit,
im Laufe von zehn Jahren, angehäuft worden.“ Und von dem großen
Krach: „ Der wahre Kern des Unheils ( !) war darin zu erblicken, daß der
Mann, der zehn Jahre hindurch dem Grundſaße des Schuldenmachens
seine märchenhaften Erfolge zu verdanken hatte, nicht imstande war, um
zulernen, ſich anders einzuſtellen; daß er an ſeinem Syſtem feſthielt, und
daß er, der durch Schulden zur rechten Zeit ( !) zu so gewaltigem Besih
gelangt war, durch Schulden zur unrechten Zeit fast alles verlor."
Zum Schluß möge noch die Charakteriſtik folgen, die die Wiener ſozia
listische, vom Juden Colbert geleitete Zeitung „ Der Abend“ von Castiglioni
gab, indem sie ihn als Italiener hinzustellen ſuchte. Das Blatt ſchrieb
nämlich: „ Es tauchte . . . da plößlich unter gräflichen Lumperln, General
ſtäblern und Geldmenschen ein Unbekannter von gelber Gesichtsfarbe und
abstoßender Häßlichkeit auf, mit dickwulstigen Lippen und pechschwarzen
Drahthaaren. Wäre nicht sein Dialekt ganz unzweifelhaft gewesen, so hätte
ihn niemand für einen Italiener gehalten, sondern eher für eine Kreuzung
zwischen Juden und Zigeuner.“
Und dieser Herr ist Hauptaktionär der B.M.W. Das Reich allerdings
drängte zusehends mehr darauf, seine Beteiligung an den Motorenwerken
abzustoßen. Mitte Februar 1928 wurde im Haushaltsausschuß des Reichs
tags bekanntgegeben, das Reich sei an den Bayerischen Motorenwerken mit
300 000 M. beteiligt, versuche diese Beteiligung jedoch in Privathände
zurückzugeben.
Die Motorenwerke bestehen seit etwa 12 Jahren. Sie sind eine Kriegs
gründung, 1916 entstanden zur Herstellung von Flugzeugmotoren in den
ehemaligen Rapp-Motorenwerken an der Schleißheimer Straße in München.
Das Aktienkapital betrug mehrere Millionen und stieg bis Kriegsende auf
10 Millionen, die Zahl der Arbeiter betrug 3000. Die für das Kriegsflug
wesen gelieferten Motoren bewährten sich gut, kamen aber infølge des
Waffenstillstandes nicht mehr zur vollen Auswirkung.
Der Friedensvertrag“ zwang dann zur Ablieferung und Zerstörung
der fertigen Flugmotoren und verbot die Herstellung von neuen ganz. Die
B.M.W. mußten infolgedessen die Mehrzahl ihrer Arbeiter entlassen. Statt
Flugzeugmotoren bauten sie nun Motoren für Motorräder und Lastwagen.
Dadurch konnten ſie bis 1923 durchhalten, dem Jahr, in dem der ,,Friedens

123
vertrag“ der deutſchen Induſtrie wieder den Bau von leichten Flugzeug
motoren gestattete. Die B.M.W. zogen nun in die Nähe des Flugplatzes
Oberwiesenfeld, wo sie heute ein riesiges Gelände beſißen. Hier begannen
sie dann auch mit dem Bau ganzer Motorräder, mit dem ſie ebenfalls
bedeutende Erfolge erzielten. Diese Räder gehören zu den besten und zu
verläſſigsten, die von der deutſchen Induſtrie bisher hergestellt worden sind.
Ähnlich wie die Motorräder der B.M.W. haben auch ihre Flugmotoren
einen guten Ruf. Auch ihr Hauptvorzug ist das zuverlässige und sichere
Arbeiten auf großen Strecken. Der bekannte Schweizer Mittelholzer flog
mit einem B.M.W.-Motor nach Persien und bis Kapstadt. Auch sind
mehrere Strecken- und Geschwindigkeitsrekorde mit B.M.W.-Motoren auf
gestellt worden. Die Deutsche Lufthansa, die Dornier-Wal-Werke, Heinkel
usw. statten ihre Flugzeuge großenteils mit B.M.W.-Motoren aus. Ferner
haben die B.M.W. Aufträge nach Japan, Rußland und Südamerika aus
geführt. Das will schon allerhand heißen, denn erst 1923 durften in
Deutſchland wieder leichte Flugzeugmotoren gebaut werden und erſt 1926
nach dem Londoner Abkommen fielen auch die leßten Schranken des
,,Friedensvertrages" für unser Flugwesen, so daß die B.M.W. heute auch
12-Zylinder-Motoren bauen und dem Ausland Konkurrenz machen können.

Wie ihre Ergebniſſe, ſo machen auch die B.M.W. ſelbſt den beſten Ein
druck. Ihre Gebäude auf dem Oberwiesenfeld ſind neu und ganz modern
eingerichtet. Die Maschinenhalle ist ein Bau von imponierender Größe.
Weitere Gebäude sind im Entstehen begriffen, ebenso eine eigene Rennbahn
zum Einfahren der Motorräder.
Nicht nur in der Münchener Industrie stehen die B.M.W. mit an erster
Stelle, sie sind zweifellos auf dem Gebiete des deutschen Motorenbaues
überhaupt als eines der modernsten Werke und ihren Leistungen nach als
führend anzusehen. Um so bedauerlicher ist es, daß, wie so viele andere
deutſchen Induſtriezweige auch sie zweifelhaften Finanzeinflüſſen unterworfen
ſind. Bei Kriegsende mußten die B.M.W. ihren Betrieb außerordentlich
einſchränken und die meiſten Arbeiter und Angestellten entlaſſen. Die Ende
1918 erreichte Arbeiterzahl ist auch heute noch nicht wieder aufgeholt
worden. Natürlich war die Finanzlage der Werke dabei keine günstige.
Diese Notlage hat es dann Castiglioni ermöglicht, die Aktienmehrheit der
B.M.W. an ſich zu reißen. Castiglionis Einbruch in die B.M.W. ſoll bereits
1920 oder 1921 erfolgt sein, als seine Spekulationen zum erstenmal von

124
Österreich nach Deutſchland übergriffen. Und nun beſteht die groteske Tat
sache, daß ein Jude und italieniſcher Staatsangehöriger die Aktienmehrheit
eines der besten deutſchen Induſtriewerke beſißt oder doch wenigstens maß
gebenden Einfluß auf ſie ausübt. Übrigens hat Castiglioni auch seinen Sohn
in den B.M.W. untergebracht. In diesem Zusammenhang gewinnt die
Zurückziehung der Beteiligung des Reiches an den B.M.W. eine beſondere
Bedeutung.
Daß die BM.W. ein recht ertragreiches Unternehmen sind, erkennt
man daraus, daß im Jahre 1926 ein Reingewinn von fast 1 140 000 M.
erzielt worden ist. Nach Abschreibungen konnte noch an die Aktionäre das
schöne Sümmchen von 600 000 Mark, also 12 Prozent bei einem Aktien
kapital von 5 Millionen Mark verteilt werden.
Diese hohen Gewinne sind aber zum großen Teil mit durch starke Aus
mutzung der Angestellten erreicht worden. Ein Kapitel, das Castiglionis
,,traditioneller Sozialpolitik“ sehr wenig Ehre macht.
Es verlautete, daß bereits früher einmal das Luftfahrtsminiſterium
durch die Drohung der Sperrung von Aufträgen an die B.M.W. Caſtig
lioni gezwungen habe, einen Teil seiner B.M.W.-Aktien an die Deutsche
Bank, an die Darmstädter und Diskonto-Bank abzugeben. Tatsächlich ist
zur Zeit Aufsichtsratsvorſizender der B.M.W. Herr v. Stauß von der
Deutschen Bank, und Herr Goldschmidt ſpielt auch eine Rolle. Es
find die B.M.W. -Aktien also nur von einer Hand in die andere über
gegangen. Auch seinem Wiener Sekretariat, das ſo eine Art Überwachung
und entscheidenden Einfluß in den B.M.W. ausübt, dürfte dieſe Rolle ge
nommen und damit der „ miserablen Facharbeiterentlohnung“, wie der
„Vorwärts “ ſich ausdrückte, ein Ende bereitet werden. Es trifft durchaus
nicht zu, wie Staatsrat Rohmer bei seiner Verteidigung der B.M.W.
meinte, daß man ,,doch gerade ausländisches Kapital heranziehen" wolle.
Deutschlands Überſchuldung durch Aufnahme ausländiſchen Kapitals ist
der direkte Weg zum Abgrund.

125
Auch ein „ Ausgleich"!
Wöllersdorf --
Die verschwundenen Milliarden – Fron
Metall und Metallum - Die Brüder Sklarz - Der
Staat als Angeklagter - Ein aufgehobener Steckbrief
Alles in bester Ordnung !"

Die letzten Nationalratswahlen in Österreich und der vorausgehende


Wahlkampf rührten eine alte, aus den bewegten Tagen der ersten Nach
kriegsjahre berüchtigte Affäre auf, in deren Mittelpunkt der Wöllersdorfer
Skandal stand. Der trübe Niederschlag des Auflöſungsprozeſſes der ganzen
Wirtſchaftsmoral überzieht heute, längst verhärtet wie eine graue Kruste,
die tiefsten Bruchstellen des öffentlichen Lebens. Er überzieht Zuſammen
hänge in Staaten und Regierungen, und findet ſeine beste Bezeichnung
durch das schöne, durch älteste Überlieferung veredelte Wort : Demo
kratie! Moderner gesprochen und mit einem Seitenblick auf die Form ſeiner
Kristallisation im Staat unserer Lage: Parlamentarismus !
In Wöllersdorf war während des 4 Krieges die größte kriegsindustrielle
Anlage der österreichiſch-ungarischen Monarchie. Eine Riesenfabrik, eine
kleine Stadt an der Südbahn auf dem Steinfeld, bevor man nach Wiener
Neustadt kam. Als der Zuſammenbruch ſeine ſchmußigen Fluten über den
Staat wälzte, schwebte über dem Werk dauernd das Schwert des un
gewissesten Schicksals. Die Kommuniſten ſuchten unter Bela Kun sich der
Munitionsfabrik von Ungarn aus zu bemächtigen ; dann ſpielte der Gedanke
der Sozialisierung, des gemeinwirtſchaftlichen Betriebes eine große Rolle,
Wöllersdorf ſollte Staatsbetrieb bleiben; die Doktrin des gemäßigten Mar
rismus hatte aber ihren schönen Syllogismus ohne den Praktiker der
Händlerlogik gemacht.
Die Staatskassen waren leer und wurden immer wieder mit ungedeckten
Banknoten gefüllt ; der Betrieb aber, auf den Krieg eingestellt, verschlang
Rieſenſummen. So wurde er auf Friedenserzeugung „ rationaliſiert“, wie wir

126
heute sagen. Aber das Werk blieb eine Laſt und eine Verlegenheit für den
Staat. Da griff die Berliner A. E. G. ein, war aber nicht lange Besitzerin.
Wöllersdorf wurde Eigentum einer österreichiſchen Geſellſchaft, an welcher
der Staat mit 40 Prozent beteiligt blieb. Die eigentlichen Herren aber waren
„ Berliner“ Geschäftsleute, die auf den Namen Sklarz hörten.
Mit diesem Zeitpunkt ſchien ſich ein klares Gebilde aus dem bisherigen
Zustand brodelnder Unsicherheit entwickelt zu haben für das die öffentliche
Meinung raſch entſchloſſen ein anſchauliches Bild in drei raſch aufeinander
folgenden geflügelten Worten prägte. Zuerst: „ In Wöllersdorf wird
Staatsgut gestohlen !" Dann : „ Ganz Wöllersdorf wird gestohlen !" End
lich: "Es ist schon alles gestohlen !“
Der Sachverhalt war aber so, daß heute der Mantel allverzeihender
Nächstenliebe im Geiste moderner Demokratie über den Trümmerhaufen
des Werkes gebreitet werden konnte. Das Aktienkapital der neuen Geſell
ſchaft betrug eine Milliarde Kronen, woran der Staat mit einem Drittel
beteiligt war. Nach dem Vertrage war bestimmt, daß das Werk an sog.
Tochtergesellschaften zu verkaufen sei. Es sollten also auf dem Werke
verschiedene selbständige Aktiengesellschaften erstehen und ihre Betriebe
führen. An jede dieſer Tochtergesellschaften ſollte der Staat mit 40 Prozent
beteiligt sein. Mit der A.E.G. in Berlin wurde vereinbart, daß ihr für ihre
Investition in Wöllersdorf 33 Milliarden zu bezahlen seien. Dieser Betrag
ſollte aus dem Erlöse einer im Vertrag bezeichneten Menge von Roh
ſtoffen, Halb- und Ganzfabrikaten, die in Wöllersdorf lagerten, aufgebracht
werden. Die neuen Inhaber sollten für je 100 Millionen, die ſie zurück
zahlten, 160 Millionen an Material verkaufen dürfen. Davon ſollten den
neuen Inhabern eine Verkaufsproviſion von 15 Prozent zuerkannt worden ſein.
Mit anderen Proviſionen und Zinſen ſollen die ' neuen Inhaber aus
dieſem Verkauf gegen 40 Prozent gezogen haben. Damals wurde behauptet,
daß nicht eine einzige der Vertragsbestimmungen, die im Interesse des
Staates gelegen wären, bei der Führung von Wöllersdorf eingehalten wor
den sei und daß namentlich der Verkauf von Materalien
unerhörte Mißbräuche gezeitigt habe. Es sei also in
Wöllersdorf Staatsgut veräußert worden ohne Zu=
stimmung des Nationalrates und zu ganz anderen Be
dingungen als seinerzeit im Vertrage festgesezt war.
Von den auf 200 Milliarden geschäßten Vorräten an
Rohmateralien, Halb- und Fertigfabrikaten war bald
nichts mehr da. Das sei durch Gründung der Fron Metall A. - G.

127
„ gelungen“, deſſen Verwaltungsrat der Sektionschef angehörte, welcher der
Vertreter des Staates bei der Wöllersdorf A.-G. war !
Der Handelsminister beſtätigte im Nationalrat, daß die Sklarzgruppe
(Metallum A.G. ) seinerzeit, als sie in das Unternehmen eintrat, ihr Geld
nur zu sehr drückenden Bedingungen abgegeben habe, Maſchinen zu billig
verkauft habe; daß der Staat 26 Mill. Kronen oder eineinhalb Mill. Mark
eingebüßt habe; daß Spesen und Proviſionen der Sklarzgruppe bei einem
Umſah von 53 Milliarden (Materialverkauf) 27,5 Milliarden betragen
hätten. Der Miniſter dankte ſchließlich Herrn Sklarz in öffentlicher Parla
mentssitzung dafür, daß dieser auch weiterhin seine schäßbare Arbeitskraft
und Geſchäftskenntnis zur Verfügung stellte!
Freilich gab es in der Regierung Männer, die das Tiſchtuch mit den
Sklarz zerschneiden wollten, aber der Druck von sozialdemokratiſcher Seite
war zu groß. Die Sache verschleppte sich, monatelang, jahrelang. Der
Bund ließ sich in Friedensverhandlungen mit den ſmarten Berliner Herren
ein, die ihm schon damals sehr imponiert hatten, als sie kurzerhand mit
Schließung des Werkes drohten, aber der Bundesverwaltung großzügig
Ersaß für Benachteiligung oder entgangenen Gewinn versprachen Der
seinerzeitige Prozeß wurde, bezeichnend genug, in Abwesenheit des Haupt
angeklagten Leon Sklarz geführt und dann, wie man euphemistisch sagte,
„ vertagt“; ſchließlich ſtrebte man einen Ausgleich an. Regierungspreſſe und
Opposition schwiegen, es herrschte Stille über den Wassern. Die Sache
wurde nicht mehr ,,vertagt“, sie war „ verjährt“ !
Die Forderungen der Sklarz wurden keineswegs für null und nichtig
erklärt oder etwa ausgeglichen mit den ungeheuren Schadenersahanſprüchen,
die der Staat hier hatte. Ja die Ansprüche der Metallum sollten als heiliges
Recht geschont werden und eingebracht in eine neue Geſellſchaft, welche aus
Wöllersdorf hervorgehen sollte.
Man kam so zu der famosen Rechnung, daß Herr Sklarz und ſeine
Kompagnons dem Bunde eigentlich gar nichts schuldig waren ; jene Geſell
ſchaft, welche als Deckmantel für dieſe Praktiken wirkte, konnte zu 50 Pro
zent Eigentümerin der neuen Gesellschaft werden, und der Bund war noch
froh, ein Einvernehmen getroffen zu haben. Die Vereinbarungen, die im
einzelnen getroffen wurden, verſchwieg man der Öffentlichkeit.
Es waren wenige österreichische Blätter, die zu der Erklärung des Fi
nanzministers Stellung nahmen, daß die Strafverfolgung Sklarz durch den
Vergleich in keiner Weiſe berührt werde. Wie könne man erklären, daß
eine Zivilſache erledigt ſei, bevor der Strafprozeß zur gleichen Angelegen

128

་་

ox.
‫ܢ‬
‫ܚܚ‬

Camillo Castiglioni
heit noch durchgeführt wurde ? Wie denn, wenn es ſich im Strafprozeſſe
herausstellte, daß die Forderungen des Herrn Sklarz, die mit so vielen
Milliarden abgekauft werden mußten, nicht zu Recht bestünden, daß nicht
Herr Sklarz auf den Bundesſchah, ſondern dieſer vielmehr an ihn außer
den bestehenden Strafrechtsansprüchen noch Milliardenforderungen beſiße?
Klassisch nahm das Wiener Journal" zum Fall Sklarz Stellung,
wenn es Anfang 1927, als der Ausgleichsvertrag mit der Metallum vor
dem Abschluß stand, ſchrieb :
„ Die Ausgleichsverhandlungen gestalten sich darum schwierig, weil
ſelbſtverſtändlich die Einstellung des Strafverfahrens eine der Bedingungen
des Ausgleichs bilden sollte. Nunmehr scheint doch die Einsicht bei uns
gesiegt zu haben, daß dem Wöllersdorfer Problem mit dem vom Hofrat
Stern herbeigesehnten Strafgericht nicht beizukommen ist, ebensowenig wie
mit Gewaltmaßnahmen des Erſparungskommiſſärs Dr. Hornik, ſondern
nur durch vernünftige Ausgleiche und durch Vorbereitung einer neuen In
duſtrialiſierung auf dem zerstampften Boden von Wöllersdorf.“
Das liegt ganz auf der Linie jener Tendenz, eine Strafsache von großer
Tragweite in eine Zivilsache zu verwandeln. Man seßt sich vermögensrecht
lich mit einem Manne auseinander, der mit dem Staat um ungezählte Mil
liarden in „ Meinungsverschiedenheiten“ kam, der mit ihm ein Geſchäft ein
ging, in der Absicht, das Vermögen der Allgemeinheit von seinem persön
sönlichen Standpunkt aus zu betrachten, während das Ziel der Vereinbarung
die Schaffung einer großen, produktiv arbeitenden Aktiengeſellſchaft war.
Seit geraumer Zeit ist es mit der Wöllersdorfer Affäre so weit, wie
es in einem dem Hochdruck des parlamentarisch-demokratischen Systems
restlos ausgeseßten Staat wie Österreich zwangsläufig kommen mußte. Gar
nicht anders kommen konnte. Die Anklage gegen Leon Sklarz und Sieg
fried Neuhöfer, diese beiden Hauptbeteiligten an der sehr ergiebigen Ab
wrackung des alten großen österreichischen Staatsbetriebes Wöllersdorf, iſt
längst zurückgezogen.
Man hätte sich ja auch wundern müſſen, warum Männer von den erwie
senen Fähigkeiten“ der Sklarz und ihrer Kumpanei ein anderes Schicksal
erleiden ſollten als die Barmats und Genoſſen in Deutſchland. Dieſe Her
ren aus dem dunklen, unverbrauchten Menschenreservoir des Ostens“
stehen einander in der höheren Zinkenſprache ebensowenig nach als in der
ergiebigen Einbalbierung füffisanter Politiker und Beamter, deren Quali
täten hintennach oft nicht einmal dazu ausreichen, sich richtig herauszureden.

129
Die Wöllersdorfer Affäre ist eines der trübsten Kapitel der öfter
reichiſchen Umſturzzeit. Viele Millionen Staatsgut und -Geld verſchwanden
hier auf Nimmerwiedersehen. Kein Mann fand sich, der den Mut hatte,
zu sagen, wie dort gehauſt, verſchleudert, verſchoben und verlumpt wurde.
Dafür erhielten die Berliner Herren in öffentlicher Parlamentssißung noch
eine besondere Dankadreſſe „ für ihre Verdienste um die tatkräftige Mithilfe
am wirtſchaftlichen Wiederaufbau“. Dieſe „ Mithilfe“ hatte sich aber darauf
beſchränkt, aus dem blühenden Werk, in dem zur Zeit der Hochkonjunktur
Tausende von Arbeitern beſchäftigt waren, ein Trümmerfeld rostenden Alt
eiſens zu machen, auf deſſen verſumpftem Grund die Schlinggewächse zäher
Schieberprofite wucherten. Und schließlich kam der Abschluß, wie er kommen
mußte.
Die Straffache gegen Leon Sklarz und den Generaldirektor Siegfried
Neuhöfer der Wöllersdorfer A.-G. hat, wie die ,,Wiener Morgenzeitung"
in Nr. 3034/1927 mit Genugtuung in Rücksicht auf die Rehabilitie
rung ihrer Raſſegenoſſen ausführlich meldete,,,eine entscheidende Wen
dung“ genommen. Die Ratskammer des Wiener Landesgerichts beſchloß
,,das Strafverfahren gegen Leon Sklarz zur Gänze und gegen Siegfried
Neuhöfer zum Teil einzustellen“. Der gegen Leon Sklarz vor Jahren crlaj
ſene Steckbrief wurde, wie bemerkt, widerrufen.
„ Die Einstellung des Strafverfahrens “, ſchrieb das Blatt, „ erfolgte,
weil die Staatsanwaltschaft die Anklage gegen beide zurückgezogen hatte.
Das Wiener Landgericht hat zweimal bereits die umfangreiche Anklage ver
handelt, beide Male mußte die Verhandlung vertagt werden. In der zweiten
Verhandlung war außer dem Präsidenten der Gesellschaft, Pitter, keiner
der Angeklagten anwesend. Sklarz weilte damals in Berlin, Siegfried Neu
höfer war nach München abgereiſt, angeblich um dort in einem Sanatorium
Aufnahme zu finden. Auch die zweite Verhandlung mußte auf Antrag der
Verteidigung vertagt werden, weil die Verteidigung wichtige Ergänzungen
zum Beweisverfahren stellte. Mit diesen Anträgen befaßte sich das Gericht
nun ſehr lange Zeit. Es wurde ein Gutachten der Buchsachverständigen
Hofrat Stern und Regierungsrat Sedlak eingeholt, das nun der Staatsan
waltschaft übermittelt wurde. Die Staatsanwaltschaft erkannte
aus dem Gutachten, daß ihre Anklage unhaltbar gewor
den war und in Konsequenz dessen zog sie die Anklage
zurück.
Der Industrielle Rudolf Po chwadt war in dieſem Strafverfahren
als Privatbeteiligter zugelassen worden. Die Einstellung des Verfahrens

130
im Falle Neuhöfer bezog sich lediglich auf die eigentliche Wöllersdorfer
Affäre, während gewisse Vereinbarungen mit der Metallum- Geſellſchaft
noch weiter den Gegenstand der gerichtlichen Untersuchung bildeten. Poch
wadt hat erklärt, die Anklage als Privatbeteiligter aufrecht zu erhalten, doch
steht die Ratskammer auf dem Standpunkt, daß er kein Recht zu einem
Einspruch beſize.“
Der Triumph des Zionistenblattes über den Ausgang der Sache ist
wohl zu begreifen. Nicht zu begreifen (mit dem beschränkten Untertanen
verſtand des durchſchnittlichen Staatsbürgers, der nach anständiger Faſſon
selig werden will) ist das geradezu einzigartige Verhalten der Juſtiz. Es iſt
erst zu begreifen, wenn man die Zusammenhänge zwischen Politik und Ge
ſchäft auch dieſer Erscheinung zugrunde legt.
Man kann alſo als Schlußergebnis dieſer öſterreichiſchen Barmataffäre
das Motto ,,Alles in bester Ordnung" wählen. Leon Sklarz wird sich um
seinen Steckbrief auch früher kein graues Haar haben wachſen laſſen. Aber
jezt steht er wenigstens wieder als vollendeter Ehrenmann vom Scheitel bis
zur Sohle da. Es fehlt nur noch, daß er gegen den österreichischen Staat
eine Klage wegen Geschäftsschädigung als Folge des Strafverfahrens ein
bringt und der Staat zu einer nicht zu knappen Entſchädigungsſumme und
emer Erholungsreise im Stile Barmats verurteilt wird.

g. 131
Schwere Sorgen.

Der Existenzkampf in der Motorenindustrie - Citroën


zieht durchs Brandenburger Tor Der Einbruch der
Amerikaner ― Mathis und Renault ―――――― General Motors
in Borsigwalde ― Der Fall Aga - Kahn und Stockco ––
Daimler, Benz und Finanzkapital

Die deutsche Automobilinduſtrie hat seit einigen Jahren gegen ein Über
maß ausländischer Konkurrenz zu kämpfen. Die Erfolge derselben gehen
zum großen Teil darauf zurück, daß ihre Produktionsweiſe rationeller aus
gebaut ist, zum andern Teil unter keinen oder nur geringeren volkswirt
schaftlichen Schädigungen der Kriegs- und Nachkriegszeit im allgemeinen
zu leiden hat, welcheHerſtellung und Abſaß aufs empfindlichste mit beeinfluſſen.
Einer der gefährlichsten Konkurrenten in jüngster Zeit ist der „ Pariſer“
Industrielle Citroën, welcher jezt in Köln eine Filiale seines Betriebes
errichtet hat. Es handelt sich um das „ Rheinwerk Poll", einen Kom
pler von 63 000 Quadratmetern. Durch geschickte Anwendung und teilweiſe
Vervollkommnung von Fords Produktionsmethoden, unterstüßt von ge=
wissen Finanzkreisen, hat er es verstanden, sich eine der ersten Stellen in
der franzöſiſchen Automobilinduſtrie der Nachkriegszeit zu erringen, ſich
aber auch darüber hinaus eine beherrschende Position auf dem Automarkt
überhaupt zu erkämpfen. Dieſer Jude iſt ein spekulativer Kopf erſter Güte. Er
arbeitet mit Reklame und nochmal Reklame. Seine Transſahara-Erpedition
auf Laſtautos und Raupenschleppern, die ihn vom Atlas bis nach Timbuktu
führte, verarbeitete er zu einem erstklassigen Film „ Das schwarze Ge
schlecht“, der eine enorme Zugkraft ausübte. Citroëns Autos stehen dabei
ebenſoſehr im Mittelpunkt des Bildſtreifens als die Negerkultur Timbuktus
und die Kampfspiele der Tuaregs !
Der Franzose“ läßt nicht mit ſich ſpaſſen. Man erinnere ſich des von
ihm gegen Opel angeſtrengten Prozeſſes wegen der von dieſem angeblich vor
genommenen widerrechtlichen Aneignung des Citroëntypus in seinem neuen,
kleinen Serienwagen. Citroëns Expansionskraft ist außerordentlich. In
England, Spanien und Belgien hat er Niederlaſſungen, Läden und Werk

132
ſtätten eröffnet, dazu kam jezt auch noch Deutſchland. Für England allein
ſollen in 1927 gegen 18 000 Wagen hergestellt worden sein. Citroën ist aber
nicht nur ein geſchäftstüchtiger Mann, er legt Wert darauf, als „ franzöſi
ſcher Patriot“ bezeichnet zu werden. Als ſolcher läßt er sich die Unterſtüßung
der von Deutſchfreundlichkeit nicht gerade überfließenden, katholiſch-royali
stischen " Action francaise" durch seitengroße Inserate manches schöne
Sümmchen kosten. Das allein wäre vom Standpunkt des ,,modernen" deut
ſchen Staatsbürgers ſchließlich noch kein Grund, ſich über die Kölner Depen
dence des Herrn aufzuregen, da es schließlich jedem freisteht, sich seiner
innersten Gefühle in der Form zu entledigen, die ſeiner Raſſe und Kultur
entspricht. Es hieße aber die Objektivität zu weit treiben, die erstaunlich
hartnäckige Pflege des Bochesprinzips durch angeregte Propaganda für die
unübertreffliche Qualität der Citroënwagen gerade beim braven deutschen
Abnehmer selbst noch zu unterſtüßen.
Die deutsche Autoinduſtrie kämpft um ihre Existenz. Alte Firmen sind
gezwungen, sich zu Intereſſengemeinschaften zusammenzuſchließen, um be
ſtehen zu können, andere haben den schweren Gang zur Finanzierung mit
fremdem, teilweise auswärtigem Geld schon angetreten. Zum Teil ist der
Prozeß der rationellen Produktionsumstellung noch nicht beendet, ist mitten
in der Entwicklung und trifft mit den ganzen Schwierigkeiten der heutigen
Wirtschaftslage zuſammen. Der deutſche Markt droht geradezu zu einem
Lummelplatz der ausländischen Konkurrenz zu werden. Seit Citroën mit
ſeinen in Frankreich gefertigten Serienteilen nach Deutſchland eindrang und
hier baute, hat sich die Konjunktur für manche ſolide deutsche Firma wieder
verschlechtert, weitere Kreise der deutschen Arbeiterschaft müſſen mit der
Zeit gleichfalls in Mitleidenschaft gezogen werden. In den für Citroën
günstigsten Zeiten des Geschäftsganges betrug (besonders dank der niederen
französischen Valuta) die Preisspanne zwiſchen einem solchen franzöſiſchen
Vierſißer und dem entſprechenden deutschen Wagen 35 bis 40 Prozent,
entsprechend den Schwankungen des Franken.
Unmittelbar nach Citroën errichtete eine zweite franzöſiſche Autofirma
in Deutſchland eine Niederlaſſung. Die längere Zeit umlaufenden Gerüchte,
wonach die Großfirma Renault die Fabrikräume der Aachener
Fafnirwerke A. G. aufgekauft haben sollte, um ähnlich wie Citroën
in Köln große Sammellager für Autoteile zwecks Montage durch deutsche
Arbeiter einzurichten, wurden ſchließlich bestätigt. Unter den Objekten, die
für das Unternehmen in engere Wahl gezogen worden waren, befanden sich
die Fabrikräume der Fafnirwerke. Ein sehr gefährlicher Konkurrent für die

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einheimische Autoinduſtrie ist die Straßburger Firma Mathis, welche in
Deutschland seit Jahren eine große Anzahl Vertretungen hat. Der Inhaber
der Firma soll während des Krieges eine merkwürdige Rolle gegen Deutsch
land gespielt haben, die heute, unter dem neuen Syſtem, natürlich mit
keinem Wort eine Erwähnung erfährt. Die amerikaniſche, von der Wall
Street finanzierte General Motors G. m. b. H. hat in Berlin=
Borsigwalde große Werkanlagen errichtet, welche alle Marken der
großen Firma dort bereits herstellt. Das Unternehmen ist infolge großer
Steigerung seiner Verkäufe, durch Reduzierung der Betriebs- und Abſaß
kosten in der Lage, Ersparnisse in den Grundkosten ihrer Marken heraus
zuwirtschaften, welche dem Wagenkäufer zugute kommen sollen. Die Ge
neral Motors umfaßt eine große Anzahl von Automobilfabriken u. a.
Buick, Chevrolet, Cadillac, Pontiac, Oakland, deren Mar
ken heute in Deutſchland schon vielfach laufen. Ein glänzender Reklame
apparat steht der Firma zur Verfügung ; sie arbeitet in großzügigster Weiſe
mit Zeitungsinseraten, die alle hervorheben, daß sämtliche Wagen „ von
deutschen Arbeitern gebaut“ werden. Eine Chevroletkarawane durchzog die
deutschen Städte.
Das Unternehmen hatte im Jahre 1926 einen Reingewinn von 186 Mill.
Dollars zu verzeichnen, im ersten Vierteljahr 1927 einen Reingewinn von
52 Millionen. In Wall Street gehen Gerüchte, daß die General Motors
eine hundertprozentige Aktiendividende ausschütten.
Amerika ist heute neben Italien der größte Automobilerporteur der
Welt. Im Jahr 1926 sind nicht weniger als 240 000 Personenwagen und
66 000 Lastwagen ausgeführt worden; im ersten Vierteljahr 1927 98 000
Wagen. Das Bestreben der meiſten Staaten, sich durch Zollmauern gegen
die Überschwemmung mit amerikanischen Automobilen zu schüßen, wird
durch Errichtung von Fabriken in den zollgeschüßten Ländern illuſoriſch
gemacht. Teile handelt es sich dabei um echte Fabrikationsbetriebe, teils um
Montagewerkstätten für die aus Amerika bezogenen Einzelteile. Das leßtere
ist besonders in Deutschland ein erfolgreiches Verfahren“, weil Autoteile
einem weit niedrigeren Zoll unterliegen als fertige Automobile.

So hat die heimische Autoinduſtrie ihre schweren Sorgen ; ein Unternehmen


nach dem andern steht vor wirtschaftlichen Schwierigkeiten größten Ausmaßes.
Über der ehemals zum Stinneskonzern gehörenden Aga (A. G. für
Automobilbau) schwebte seit Jahren ein Unstern. Es ist noch in Erinnerung,

134
wie der junge Stinnes, um aus der Verlegenheit zu kommen, die ihm Gold
schmidts Hartnäckigkeit bereitete, ſeinen Arbeitern Beteiligung am Werk
anbot, in dem er ihnen ein größeres Paket Werkaktien zur Verfügung
stellte. Die Verhandlungen zerschlugen sich an politischen Quertreibereien.
Um vieles später trat dann ein neuer Intereſſent auf den Plan, der
Richard Kahn - Konzern. Das Lichtenberger Grundstück der Aga
wurde von einem Konsortium unter Führung der Allgemeinen Werk
zeugmaschinen A. G. in Berlin (Kahn-Konzern) gekauft. Durch dieſen
Kauf trat der Konzern wieder mit einem größeren Geschäft, nach seiner
vielbesprochenen ,,Reorganisation", an die Öffentlichkeit. Die Affäre mit den
Stockmotoren ist inzwiſchen eingeſchlafen, die Angriffe in der Preſſe ver
ſtummten. Später schien der Konzern zu beabsichtigen, im Rahmen des
Handelsbetriebes der A. W. G. die Maschinen zu verwerten. Für das
Grundstück war damals noch kein fester Zweck vorgesehen. Das Objekt war
einschließlich der Maſchinen mit einigen Millionen hypothekariſch belaſtet.
Das neue Verkaufsabkommen sah vor, daß die A. W. G. einige 16 Mi
lionen an die Gläubiger bezahlte.
Der junge Stinnes merkte bald, daß für die Inflationspraris ſeines
Vaters im Zeitalter der Stabilisierung kein Raum mehr war. Er begriff,
daß in den Schwierigkeiten der Aga der Kampf zwiſchen Induſtriekapital
und Finanzkapital zum Durchbruch kam. In der Zeit der Geldentwertung
war das Finanzkapital der schwächere Partner. Nicht viel fehlte, und die
Aktien-Pakete der Großbanken wären in den Tresors der Industrie ver
schwunden. Der das wagte, war Hugo Stinnes. Jetzt wurde die Induſtrie
zum größeren Teil in ihre alte Stellung der Botmäßigkeit zurückgedrückt.
Der Versuch, der in Amerika nur dem darum viel gelästerten Ford glückte, sich
von den Banken so gut wie unabhängig zu machen, hätte unter normalen Ver
hältnissen einem Hugo Stinnes glücken können. Kein anderer in Europa hätte es
gewagt, und keiner hat es gewagt, den Geldleuten den Tribut zu verweigern.
Der Gewaltstreich des Dr. Edmund Stinnes, Aktien der Aga ſeinen
Arbeitern anzubieten, hat seine Wirkungen auf politiſche Gemüter nicht
verfehlt. Wenn die zwei Millionen tatsächlich in die Hände der Arbeiter der
Aga übergegangen wären, so wäre damit für Deutſchland ein Novum ge
schaffen worden, das von nachhaltigsten Folgen hätte ſein können.

Auch Daimler - Benz, die sich vor einiger Zeit zuſammenſchloſſen,


haben einen schweren Stand. Nach dem Geschäftsbericht 1926 ergab sich

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ein bedeutendes Defizit, dem durch eine starke Zuſammenlegung des Aktien
kapitals begegnet werden sollte. Als neue Geldgeber kamen mit dem Betrag
von zirka 20 Millionen Mark Kapital die Gemeinschaftsgruppe
deutscher Hypothekenbanken in Frage. Überdies nahm die Ver
waltung den früheren Kapitalerhöhungsplan wieder auf. Die Gemeinſchafts
gruppe hatte in 1926 einen Reingewinn von 6,7 Millionen und verteilte
acht Prozent Dividende. Die Bankſchulden der fuſionierten Firmen ſollten
im wesentlichen durch Begebung einer hypothekarischen Anleihe in der oben
angegebenen Höhe beglichen werden, während für Abdeckung der reſtlichen
Bankschuld 14 Millionen neue Aktien ausgegeben werden. In unmittelbarem
Zusammenhang mit dieser Begebung stand die ,,Deutsche Bank“!
Die Daimler-Benz-Aktien erfuhren zur Zeit der großen Frühjahrshauſſe
1927 gleichfalls eine starke Steigerung. Zum Teil ging dies , wie verlautet,
auf starke Aufkäufe einer Finanzgruppe zurück, die sich auch für Leonhard
Lies, Rheinstahl, Siemens & Halske, Bergmann u. a.
lebhaft interessierte. Zu ihr gehörten neben der Bankfirma Berglas die
Firmen Bernheim, Blum & Co., Albert Joel und der Autohändler
Jacob Schapiro, ein in Kreisen der Autoindustrie recht gut bekannter
Name! Er hat vor einigen Jahren bei der Nationalen Automobil- Geſellſchaft
für ein an der Börſe zuſammengekauftes größeres Aktienpaket einen be
trächtlichen Überpreis erzielt ! Castiglioni hatte übrigens zur Generalver
ſammlung 1928 ein Aktienpaket von 3,8 Millionen angemeldet. Auch
Jacob Goldschmidt drängte sich Anfang 1928 heran.
Die deutsche Autoinduſtrie kämpft mit schweren Sorgen. Die Belebung
des Absages geht bei der schwer darniederliegenden Kaufkraft des Innen
marktes nur äußerst langſam vor sich. Der Auslandsmarkt ist ihr durch die
übermächtige Konkurrenz, beſonders Amerikas (das 87 Prozent der Gesamt
erzeugung in Händen hat, gegen 1,7 Prozent, die Deutschland und mehr
als 3,5 Prozent, die Frankreich produziert) nach wie vor verſchloſſen. Dazu
kommt jezt das Ringen um den Inlandsmarkt, der heute weithin einer
billig arbeitenden internationalen Konkurrenz Tür und Lor öffnet. Der
Kampf um die Schußzölle, zeitweise mit größerem Erfolg geführt, hat aber
bis heute keine durchgreifende Besserung der Lage gebracht. Es besagt
schließlich weniger, die Einfuhr des Fertigfabrikats glücklich zu vermeiden,
wenn der ausländische Produzent die Einzelteile in seiner deutſchen Werk
stätte montiert. Die Preisspanne gegenüber dem deutschen Erzeugnis iſt
nicht so groß, daß leßteres ſich immer mit Erfolg dagegen durchſeßen könnte.

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Oppoſitionsstürme.
-
Der Fall Leonhard Tieh A. - G. Köln – Das Warenhaus
system - Die Rolle der Finanz ――――――――― Filialbetrieb ―
-
Massenware und Einheitspreise - Woolworth - Der
Ramschbazar - Ausverkaufspraris - Millionenge =
winne

In der Generalversammlung 1927 der Leonhard Tiez A.-G. zu


Köln, der ersten Firma, welche in Deutſchland das sogenannte Einheits
preisſyſtem einführte, das Woolworthſyſtem, blies ein scharfer oppositio
neller Wind. Man hatte große Schwierigkeiten mit der Oppoſition Roſen
dorff, die nicht glauben wollte, daß für 1926 bei einem hohen Reingewinn
keine entsprechende Dividende herausschaue. Später stellte sich heraus, daß
die unzufriedenen Querulanten in der Berliner Bankfirma Berglas, dem
Autohändler Schapiro, der Firmen Bernheim & Co. und Albert
Joel zu suchen waren.
Diese hatten bei der damaligen Hauſſe einige 5—6 Millionen Liezaktien
in wenigen Wochen an der Börse zuſammengekauft. Nach dem Rückgang
des Kurses entstand der große Krach, der hauptsächlich mit auf Schapiro
zurückzuführen war. Er hat bei Tieß einen großen Einfluß.
Allseits wurde gegen Ließ der Vorwurf unzulänglicher Bilanzvorlagen
und unbefriedigenden Abschlusses gemacht. Die ganze Affäre war ein neuer
Beweis für die unglaublichen Auswüchse des Aktienwesens überhaupt, das
es dem dunkelsten Finanzkapital ermöglicht, ungehindert zu „ arbeiten“.
Die Handelsblätter wieſen allgemein auf die Lückenhaftigkeit und Unzu
länglichkeit der Bilanz bei Tieh hin, der Abschluß war in allen Teilen
ungenügend und unbefriedigend. Der Umſaß, den Leonhard Tieß in 1926
erzielt hat, hat sich auf 115 Millionen belaufen. Im Verhältnis dazu
erschien den baß staunenden Aktionären der mit 1,8 Millionen ausgewiesene
Reingewinn etwas wenig. Man hielt es für selbstverständlich, daß Tieß

137
aus seinen laufenden Gewinnen eine höhere Dividende als die beantragten
6 Prozent bezahlen könne ; Karstadt, auf den man sich berief, zahle
10 Prozent, das Maſſenfilialſyſtem führe ſich gut ein, die franzöſiſchen und
amerikaniſchen Einkaufsverträge wirkten ſich glänzend aus und ſo fort.
Die ganze Angelegenheit wäre an sich nicht weltbewegender als eine
andere Oppoſitionsstreitigkeit geweſen. Aber auch sie zeigte nur, daß gerade
das Warenhaus, in welches das breiteste Publikum seine Sparpfennige
trägt, weil es glaubt, dort billig und gut zu kaufen, einen Tummelplaß ver
wegenſter Spekulation auf seinem Rücken trägt. Es tat weniger zur Sache,
ob die Finanzpolitik der Familien Tiez zerklüftet ist und früher, als Herr
Grünbaum den Wagen steuerte, beſſer war, oder ob die Dresdner Bank hinter
Herrn Schapiro steht und Bernheim Hauſſekäufer iſt. Es handelt sich hier
um das System.

Um das Warenhaus und sein Finanzſyſtem, für das in den Schul


lesebüchern Reklame gemacht wird, wenn es auf Seite 18 der „ Aufgaben
und Übungen zur deutschen Sprachlehre und Rechtschreibung“ heißt : „ Im
Warenhause gibt es alles, was das Herz begehrt. Die Damen kaufen
Lederstiefel, Kleiderstoffe, Winterhüte, Hutfedern, Damenmäntel und Kin
derkleider. Im Möbellager siehst du Schreibtische, Kleiderschränke, Küchen
möbel und Rohrstühle. Auch für die Schule kannst du einkaufen. Wenn du
eine neue Ledermappe, einen Federkasten, ein Tintenfaß oder eine Stahl
feder haben willst, so brauchst du nur in ein Warenhaus zu gehen“. Und wie
das Kind geschickt gemanagter Reklame ausgesezt iſt, ſeinen Vergnügungs
park im Dachgarten findet und beglückt mit einem Gratisluftballon den
Palast verläßt, so ,,deckt das kleine Tippfräulein dort seinen ,,großen Bedarf“
an kosmetiſchen Artikeln, Parfüms und Seidenstrümpfen ; die Hausfrau
kauft neue Teller und Geschirr ; der Arbeiter holt sich hier seine Krägen
und Strümpfe und auch die elegante Dame beſucht das Warenhaus gern
und häufig, weil sie glaubt, die Gegenstände, die ſie dort kauft, seien von
extra Qualität ; ja sogar der vielbeschäftigte, immer eilige Geschäftsherr
kauft noch im Vorbeigehen bei Karstadt oder Liek, denn hier findet er, wie
er meint, immer das Passende. Die Frau, welche um einen Knopf zu
kaufen, zu Wertheim geht, kehrt mit Paketen beladen nach Hause zurück;
der Garcon, ein ungewandter Käufer, kriegt, wenn er eine Zahnbürste
braucht, bei Jandorf oder Conißer ein ganzes Aggregat von gemeinnüßigen
Utenſilien dazu, Seife, Lappen, Kamm und Spiegel.“

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Das ist Warenhausſyſtem, das ist Reklame, Propaganda und Kauf
reiz, gekrönt durch Woolworths Einheitspreisſchema, das in Hamburg, Ber
lin, Köln und dußenden von mittleren deutſchen Städten schon eingeführt
ist. Etwa sechs Konzerne machen in Deutschland weit über die Hälfte des
geſamten Warenhausumſaßes, ein Beweis, wie fortgeschritten die Konzen
tration hier ist. Die Verdienste des Finanzkapitals, welches hinter dem
größeren Teil der Unternehmungen steht, sind enorm. Während man in
Amerika mit einem Durchschnittsreinverdienst von 4 Prozent rechnet, in
Deutſchland mit einem nicht viel niedrigeren Saß, veranschlagt man in
England den Gewinn auf 6 Prozent des Umſaßes. Nimmt man etwa
Lieh mit 100 Millionen Mark oder Lewiſſon (drei Häuſer in Liver
pool) mit 100 Millionen Mark oder Levi C. und Loeb (Neuyork) mit
100 Millionen Dollar, so läßt sich die Ergiebigkeit des Betriebes ohne
weiteres feststellen.

Die mächtigsten Häuser in Deutſchland sind Karstadt, Jandorf,


Ließ und Wertheim, sorgfältig abgestuft, sozusagen nach dem Prin
zip der Klassenwahl : Ihr Arbeitsfeld ist Berlin, der feudale Wert
heim mit Teeraum, Erfrischungsraum und Reſtaurants vornehmer Auf
machung, Liftgirls und Käufern aus dem diſtinguierten Westen. Jandorf
das Fünfundneunzigpfennighaus mit Restaurationsecke im Kantinenſtil;
und Tieh so etwa in der Mitte zwiſchen beiden, das Warenhaus des Mit
telstandes !
Daneben arbeiten mehr in der „ Provinz“ die Schocken, Emden,
Oberpollinger, Knopf, Joske, Ury, Wronker, Althoff,
Alsberg, Conißer, Hirsch, von denen bezeichnenderweiſe der größte
Prozentſaß aus dem „ beweglichen Osten“ ſtammt, dem Deutſchland erst den
sogenannten wirtschaftlichen Aufschwung bis in die zauberhafte Fata
Morgana des Silberstreifenhorizonts verdankt. Sie sind zu einem gewiſſen
Teil in das horizontale und auch vertikale Vertruſtungssystem einbezogen
worden, das einerseits die bisher ſelbſtändigen Häuser zu Riesenkonzernen
zuſammenſchließt, andererseits zur Angliederung oder Errichtung von Fa
brikationsunternehmungen drängt, welche die marktgängigſten Artikel des
Warenhausgeschäftes für den Eigenbedarf, also in eigener Regie herstellen.
So hat die Karstadt A.-G. die Firma M. J. Emden ansich gezogen
und ihr Kapital unter Führung des Finanzkapitals (Warburg, Jet
dels , Goldschmidt , Delbrück , Schickler & Co., Falk ,
Hirschland, Levy) auf 51 Millionen erhöht. Mit 54 Kauf- und

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Warenhäusern besteht eine Einkaufsgemeinschaft; zu dem Intereſſenkreis
Karstadts gehört auch Oberpollinger in München.
Ein zweiter Riesenblock ist die Vertruſtung der Firmen Ließ und
Jandorf unter Mitwirkung der Diskontoge, an deren Spize die
Bankiers Salomonſohn, Solmßen und Frank stehen. Der Kon
zern beschäftigt achtzehntausend Angestellte und umfaßt neunzehn Waren
häuser, fünf Fabrikationsbetriebe und etwa dreißig Anschlußbetriebe ; außer
dem etwa vierundzwanzig Geschäfte des Conizerkonzerns, eine Wäsche-,
Konfektions-, Damenhutz, Herrenhutfabrik; eine Weberei, Ausrüstungs
und Appreturanſtalt, Herrenwäſche- und Kragenfabrik, Schürzen- und
Bluſenfabrik, eine Bäckerei, Schlächterei und anderes.
Die Ausdehnung der Warenhauskonzerne hat bis in die lehte Zeit herein
rapid zugenommen. Nach bestimmten Plänen und Richtlinien werden An
käufe von Kaufhäusern und Terrains, Neugründungen durch bekannte
Konzerne vorgenommen. Die Filialen der großen Trusts verteilen sich auf
Einzelfirmen
Filialziffer
Rudolf Karstadt, Hamburg 90
Leonhard Tieh, Köln 27
Hermann Lieh, Berlin 20
Conizer, Brandenburg 15
Schocken, Zwickau 14
Lindemann, Berlin 12
Alsberg, Bochum 11

Auf den Geschäftsumfang läßt die Filialziffer der Warenhäuser keine


Schlüſſe zu, was die angegebene Reihenfolge anlangt.

Als ausgesprochener Krebsſchaden für eine verarmte Volkswirtſchaft


muß das Einheitspreissystem, der früher ,,billige Bazar" betrachtet werden.
Die durch die Not der Zeit und den Ruf nach Verbilligung künstlich beför
derte Massen- oder Reihenherstellung dehnt sich rapid aus.
Hand in Hand mit dieſen Anstrengungen geht das ergänzende Beſtre
ben auch des Warenhandels, Maſſenware zu Einheitspreiſen zu vertreiben.
In den Vereinigten Staaten besteht ein riesenhaftes Neß sogenannter
Kettenwarenhäuser, deren hauptsächlichster Repräsentant die Großfirma
F. W. Woolworth ist. Diese und die ihr verwandten anderen Warenhaus
konzerne vertreiben in allen nennenswerten Großstädten, vom Atlantiſchen

140
bis zum Stillen Ozean zahllose 5–10 Cents -Artikel, die Preisgrenze einer
jeden Ware ist 42 Pfennige in deutſchem Markgelde. Allein die Firma
Woolworth, die in ihrer heutigen Form eigentlich erſt ſeit 1911 beſteht,
und seither in etwa 1400 Filialen den Einzelverkauf an das große Pub
likum betrieben hat, hat einen Umsaß zu verzeichnen, der den der deutschen
Warenhauskonzerne bei weitem übertrifft.
Das Woolworth-System greift auch in Deutſchland mit unheimlicher
Schnelligkeit um ſich. Es arbeitet mit dem sogenannten Einheitspreisgeſchäft
zu 25 und 50 Pfennig und wirft für das Finanzkapital riesige Gewinne
ab. Es spekuliert auf die mangelnde Kaufkraft, die Armut in Deutſchland
und bietet den breitesten Massen um billigen Preis natürlich keine Quali
tätsware.

Die Deutsche Woolworth-Geſellſchaft war im Begriff bis zum Früh


jahr 1928 neben den bisher bestehenden Geschäften unter anderem in
Berlin und Bremen Zweigniederlassungen in folgenden Städten zu er
richten : Düsseldorf, Wiesbaden, Oberhauſen, Krefeld, Barmen, Bochum,
Duisburg, Dortmund und Hamborn. Wie mitgeteilt wurde, war das Geschäft
ſowohl in Bremen wie in Berlin zufriedenstellend. Unter dem Vorbehalt, daß
der bisherige Beſuch anhält, beſtünde Aussicht, die Einheitspreisgeſchäfte
zu 25 und 50 Pfennig ,,mit Erfolg zu halten".
Ein anderes System, das beispielsweise drüben vom Konzern der United
Cigar Stores (Vereinigte Zigarrenläden) aufrecht erhalten und ſehr erfolg
reich gestaltet wird, ist der Vertrieb von Maſſenartikeln aller Art, von der
Seife bis zum Radiogegenstand, auf Rechnung der betreffenden Fabrikan
ten, die die gut eingeführte Firma zu erfolgreicher Propaganda eigener
Waren benutzen.

An diese Vorbilder will sich das Warenhaus auch bei uns anlehnen.
Und zwar soll das billige Massengenre auf allen Gebieten möglichst in
Einheitsverpackung feilgehalten werden. Durch billige Ware, die auf unsere
Verhältniſſe übertragen, leider, und zwar mit Berücksichtigung der geringeren
Kaufkraft der deutschen Löhne auch einen höheren Goldwert als die in den
amerikaniſchen Chaine-Stores repräsentieren dürfte, ſoll den Verbilligungs
bestrebungen der Industrie seitens der großen Verkaufshäuser mit ihrem
riesigen Reklameapparat und ihren einladenden Verkaufsräumen in die
Hände gearbeitet und dem verarmten deutschen Publikum die Gelegenheit
zu ,,billiger Deckung laufender Bedürfniſſe“ ermöglicht werden. In Be
tracht braucht nicht nur die Parfümerieware, Kurz-, Lederwaren und der

141
gleichen dabei zu kommen, sondern das ganze unermeßliche Reich der täg
lichen Bedarfsgüter.
Vom volkswirtſchaftlichen Standpunkt iſt zu dieſen Plänen zu be
merken, daß sie zunächſt ſehr zurückhaltend beurteilt werden müſſen. Der
Kernpunkt liegt in der Frage, ob es möglich ſein wird, den täglichen Bedarf
des deutschen Publikums ebenſo zu ſtandardiſieren und uniformieren, wie
es drüben mit Hilfe eines grandiosen Reklameapparates, der unerschöpf
lichen Kaufkraft des amerikaniſchen Publikums geschehen kann, deſſen
Durchschnittsbildung bei weitem nicht der des deutſchen gleicht, ſo daß die
Bedürfnisse auch weniger individuell sind.
Das amerikanische Ramſchſyſtem, das sich in ganz Europa unter der
Deviſe , Billig und Schlecht“ breitgemacht hat, spekuliert natürlich auf die
starke, künstlich unterhaltene Geldknappheit in Deutſchland. Der Verkauf
geht hier (im Gegenſaß zu den großzügigen Abzahlungsgeſchäften der feu
dalen Häuſer, welche die Konſumfinanzierung betreiben) per Kaſſe und
trägt den ,,Pofelbasaren“, wie sie schon Sombart nannte, allerhand Geld
ein. Das amerikaniſche Baſementſyſtem mit ſeiner minderwertigen Keller
ware ist für deutsche Verhältnisse besonders heute eine vollendete Katastrophe.

Die Aktiengesellschaft Rudolf Karstadt hat, wie erwähnt, sämtliche


Kaufhäuſer und Warenhausbetriebe der Firma M. J. Emden Söhne in Hain
burg übernommen. Hermann Ließ in Berlin übernahm gleich darauf die
gesamten Warenhäuſer der A. Jandorf & Co. einschließlich des Kaufhauſes
des Westens, nachdem der Einkaufskonzern der Firma kurz vorher durch
die Angliederung der 22 Warenhäuſer von M. Conizer & Söhne ver
größert und wenige Tage später das Kaufhaus Wilhelm Stein in Berlin
übernommen worden war.

Diese Vertruſtung befördert gleichfalls die skizzierte Rationaliſierung


und Vereinheitlichung, welche in den Vereinigten Staaten geradezu groteske
Erscheinungen zeitigt. Der amerikaniſche Warenhauskönig Filene hat eine
offenherzige Schilderung seines Erfolges, den er der Maſſenproduktion und
Maſſenverteilung verdankt, gegeben.
Für den Unternehmer, den Arbeitgeber, entſteht der größte Geſamt
profit dann, wenn er den kleinsten Profit am einzelnen Stück, aber Maſſen
umſaß hat. Einer der größten Schuhfabrikanten Amerikas hatte ungefähr
zwölf Fabriken und ließ etwa 50 verschiedene Typen von Schuhen her
stellen. In der Wirtschaftskrise nach dem Jahre 1920 brach er zuſammen.

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Er hat ſich darauf neu aufgetan und fabriziert nur mehr einen Typ Schuhe,
den er um vier Dollar im Detail verkauft. Nach drei Jahren seiner Neu
internehmung hat er im lehten Jahre für 11 Millionen Dollar Schuhe ver
kauft und dabei einen Reingewinn von fünf Prozent erzielt. Nach der neuen
Methode verdient er viel mehr Geld wie früher.
In einem Vortrage auf der Leipziger Herbstmeſſe erzählte Direktor
Bach aus Berlin, bis vor zwei Jahren habe es „,in den Vereinigten Staaten
von Nordamerika 78 Typen für Betten gegeben ; jezt gibt es deren nur mehr
vier. Maſſenproduktion und Maſſenverteilung ſind nur möglich, wenn Maſ
ſenkaufkraft vorhanden ist. Kaufkraft der Maſſen kommt von gutem Ein
kommmen, alſo von guten Löhnen. Man muß ſich darüber klar ſein, daß der
Unterschied zwiſchen einem guten und schlechten Lohn, an der Geldſumme
gemessen, wenig bedeutet, wenn man ihn auf das einzelne Stück Ware
berechnet ; das heißt, wenn der gleiche Arbeiter Hunderte von Stück einer
Ware täglich mehr macht."
Eine mit Hochdruck betriebene Verbreitung dieser billigen Massenerzeug
niſſe bedeutet vor allem auch eine schwere Bedrohung des Handels, des
Handwerks und Gewerbes. Wer die Produktion nicht in gleichem Maß zu
beherrschen vermag, alſo Erzeugniſſe gleicher Art teurer verkaufen muß,
vermag den Kampf mit den Einheitsläden und dem Warenhaus nicht auf
zunehmen. Es hat „ ſeine großen Schäden, wenn ein überwiegender Teil des
Warenbedarfes durch billige Maſſenartikel gedeckt wird, weil dem Kauf
mann und Fabrikanten die Möglichkeit genommen wird, durch Qualitäts
erzeugniſſe den Wohlstand der breiten Volksmaſſe zu heben. Die Billigkeit
brauchbarer, wenn auch nicht hervorragender Waren verleitet auch Kreise
zum Ankauf, welche für Gegenstände gleicher Art, aber besserer Qualität,
höhere Beträge anlegen könnten. So werden sowohl die Fabrikations- wie
auch die Handelsbetriebe und mittelbar auch der Staat geschädigt, der ein
hervorragendes Interesse an zahlreichen, selbständigen geschäftlichen Un
ternehmungen hat, nicht an der Blüte einzelner Betriebe, welche speziell
die billigsten Erzeugniſſe vertreiben. Je mehr die Einheitspreisgeschäfte
Erfolge zeitigen, umſomehr werden auch andere Spezialgeschäfte dahin
gedrängt, Einheitspreise einzuführen. Daß dieſes Syſtem die Erzeugung von
Qualitätswaren zu steigern vermag, wird man im Ernste nicht behaupten
können. Es erſcheint nicht erfreulich, wenn der Einzelhandel mehr und mehr
in die Hände großer, millionenschwerer Konzerne gelangt, und die kleineren
geſchäftlichen Betriebe, welche bisher die Warenverteilung in Deutſchland in
ganz vortrefflicher Weise bewirkt haben, vernichtet werden."

143
Dazu kommt, daß die großen Warenhäuſer beim Finanzkapital eine
Rückversicherung gegen Konjunkturſchwierigkeiten befizen, internationale Bin
dungen pflegen und selbst auf die Produktion übergreifen. Das bedingt eine
große Ausdehnungsfähigkeit des Speſenkontos und Reklameapparats. Dazu
ein besonders markantes Beiſpiel aus 1927. Daß das Warenhauskapital,
,,Filiale Berlin", z. B. heute mit London, morgen mit Neuyork, übermorgen
mit Paris, zusammenarbeitet, liegt durchaus auf der Linie des Systems :
„ Von einem Bankenkonsortium unter Führung des Bankhauſes Schle
singer, Trier & Co. ist eine Deutsche Warenhaus A.-G. neu gegründet
worden. Das Aktienkapital beträgt 12 Millionen Mark. An der neuen Ge
ſellſchaft sind mehrere Warenhauskaufleute beteiligt. Das neue Unternehmen
ist eine Interessengemeinſchaft mit dem Pariſer Kaufhaus Galeries
Lafayette eingegangen, mit dem eine gemeinſame Einkaufsbaſis geſchaf=
fen werden soll. Die Aktienmehrheit ſoll in deutſchen Händen liegen.“ (?)

Das Warenhaus macht seine Geschäfte mit Aufmachung und Aus


stattung. Künstlerische und wiſſenſchaftliche Reklame, auffällige, oft auf
Anreiz abgestellte Bedienung, Schaufensterkultur bis zu den bedenk
lichsten Verirrungen, Wechsel, Rabattſyſtem, Lieferung ins Haus, das
sind die Stärken des Großbetriebes, mit denen das Detailgeschäft nicht
konkurrieren kann. Sein größter Nebenbuhler und erfolgreichster Konkur
rent iſt das größere und große Spezialkaufhaus, das nach seinem Geſchäfts
prinzip, gute, ſolide und nicht zu billige Ware zu geben, als durchaus
volkswirtschaftsfördernd bezeichnet wird.
Vorausſeßung für den Beſtand eines Warenhauſes im allgemeinen iſt,
daß eine breite minderbemittelte Bevölkerung Waren angeboten erhält, die
scheinbar in besserer Anpreiſung, meist aber in minderer Qualität zum Ver
kauf gelangen. Die Warenhäuſer machen ihre Geſchäfte nicht wie die alten
Handwerker mit der Ware und deren Material und Arbeit, sondern mit
dem Preis, mit Reklame, Aufmachung und Ausstattung. Dies alles muß
der Käufer mitbezahlen, was natürlich auf Kosten der Qualität der Ware geht.
Die Art der Warenhaus -Ausstellung wirkt auf die Besucher eines
Warenhauses suggestiv und die zum Teil niedrigere Preisfestseßung, die
durch die schlechtere Qualität möglich ist, veranlaßt zum Kauf sehr oft von
Dingen, die der Warenhausbesucher gar nicht braucht. Außerdem werden
Bedürfnisse geweckt, die an und für sich nicht vorhanden sind und die erſt
durch den ungesunden Anreiz ausgelöst werden. Ebenso wie die Hauſierer

144
ox.

Alfred Ließ
auf dem flachen Lande und auf den ländlichen Märkten, rechnen auch die
Warenhäuser auf den Mangel an Warenkenntnis des Käufers. Dazu liegt
die Gefahr des unlauteren Geschäftsgebarens sehr nahe. Wenn auch in
großen Orten vielleicht die Warenhausleitung den Charakter des „ Ramſch
geschäftes" abzustoßen versucht, so sind billige Markenartikel immer nochdie
Lockvögel, ganz abgeſehen von der raffiniert ausgebauten marktſchreieriſchen
verführenden Reklame. Wenn ein Käufer auch nur etwas Warenkenntniſſe
besitzt und auch vielleicht noch über persönlichen Geschmack verfügt, wird
er stets ein Spezialgeschäft, ein Kaufhaus mit Spezialartikeln, vorziehen.
Eine große Stärke des Warenhauses besteht nun allerdings in der
Schwäche der mit ihm konkurrierenden Detailgeschäfte, die es verſäumen,
diejenigen Möglichkeiten zu entfalten, von denen viele Käufer sich gefangen
nehmen laſſen, insbesondere die entgegenkommende Bedienung. Durch die
Erkenntnis jedoch der irreführenden Reklame, der minderen Qualität der
Waren und des Ramschbetriebes ist es leicht, das Warenhausprinzip des
Zaubers zu entkleiden, den es in den Augen eines weiten Kreiſes der Be=
völkerung genießt und in ſeinen Erfolgen auf greifbare Ursachen zurückzu
führen.
Bismarck äußerte sich schon vor Jahren, als das Warenhaus noch nicht
als eine der großen volkswirtschaftlichen Gefahren bezeichnet werden konnte,
in Friedrichsruh zu deutschen Handwerkern, die ihn aufsuchten: ,,Der Staat
hat gar kein Intereſſe daran, daß solch große Maſſengeschäfte entſtehen;
umgekehrt ſollte dem Staat, politiſch gedacht, doch mehr an der wirtſchaft
lichen Zufriedenheit dieser zahlreichen kleinen Leute als an dem Aufblühen
einer einzigen Großeristenz gelegen sein . . . Es iſt ein Grundfehler in der
liberalen Wirtschaftsanschauung, daß ſie glaubt, das Volksglück werde be
wirkt durch eine äußerste Verbilligung aller Produkte. Jeder Deutsche, der
ſeinen Bedarf an gefertigter Ware in den billigen Maſſenunternehmungen
deckt, versündigt sich nicht nur an seiner eigenen Eriſtenz, ſondern auch am
ganzen Vaterland, indem er Unternehmungen unterſtüßt, die infolge ihrer
landeswidrigen Schleuderpreiſe natürlich auch gezwungen sind, ihren Ar
beitern Löhne zu zahlen, von denen man keinen deutschen Magen satt, aber
selbst aus friedfertig angelegten Naturen gedankenlose Sozialdemokraten
macht."
Damit hat der große deutſche Staatsmann den Geiſt und die Technik
des Systems so scharf charakterisiert, daß man auch heute noch Wort für
Wort davon unterschreiben kann. Die Taktik des Systems jener Charakter
typen, die aus Birnbaum und von weiter östlich herkamen ; von dort, wo

10 145
der Kaftan und die Hängelocke bis auf dieſen Tag zu unentbehrlichen
Requisiten der Volkszugehörigkeit zählen, wo der Smoking und Cut
dem „ oſtiſchen Händlergenie“ noch nicht den börsengerechten Nimbus der
Burgstraße verleihen. Sie haben vielfach in wenigen Jahrzehnten verstanden,
durch ihr sorgsam vertarntes Ramſchſyſtem reich zu werden, den ehrlichen
Kaufmann mit Schleuderpreisen zu schlagen, Handwerk und Gewerbe im
weiten Umkreis an die Wand zu drücken, eine Inflation von Stapel- und
Kellerwaren ins Werk zu sehen, die der breiten Maſſe durch schlau garnierte
Vorspiegelung verlockender Minderwertigkeiten oft leßte Notpfennige aus der
Tasche holt.

146
Totes Gewicht.

Das Risiko des Geldes — Die A. E. G. — Rathenau und


Deutsch Krupps Schicksal – Die Mologa des Doktor
Birth ― Die Rombacher Werke - Die Vereinigten
Stahlwerke ――――― Sprunghafte Mobilisierung ――― ,,Gol=
dene Erntejahre"

Als Ford in ſeinem Buch „ Das große Heute und das größere Morgen“
den berühmten Sah ſchrieb : „ Solange das Finanzkapital bereit ist, der In
duſtrie zu dienen und das iſt ſeine eigentliche Aufgabe, wird es als Teil des
Dienſtinſtruments der Menschheit anerkannt.“, dachte er vielleicht zu aller
erst an die ,,General Motors “, seine schwere Konkurrenz, die von der
Wall Street finanziert wird. Aber man läßt in gewiſſen Kreisen nicht gelten,
daß überhaupt ein Gegensatz zwiſchen Finanzkapital und Werkkapital
beſteht. Andererseits wird behauptet, daß heute die beiden Typen des Ka
pitals ſchon ſo ineinander übergegangen seien, daß niemand den Unterſchied
zwischen einem Bankdirektor und einem Werkdirektor feststellen könne, daß
beide Angestellte ihrer Aktionäre seien. Der Fall Stinnes oder der Fall
Krupp und Namen wie Herzfeld, Goldschmidt, Petschek beweiſen aber aufs
deutlichste, in welcher grundsäßlichen Haltung die ehemaligen Pole des Kapi
talismus zueinander heute stehen. Man kann immer noch das Wort Fords
von der Finanzierung, der Beteiligung zitieren, das lautet : ,,Der Gefahr
punkt für jedes Geſchäft tritt nicht etwa ein, wenn es Geld benötigt, nein,
wenn es erfolgreich genug gearbeitet hat, um finanziert werden zu können.
Geld, das kein Risiko an der Industrie mitträgt, sondern barsch seinen Zoll
fordert, gleichgültig, ob mit Profit oder Verlust gearbeitet wird, ist kein
lebendiges Geld. Es pulſiert nicht mit aufrichtigem Herzen in dem Geſchäft
als Teil desselben, es ist ein totes Gewicht.“

10* 147
Wissenschaftlich drückte dies Profeſſor Euſtach Mayr von der Handels
hochschule Mannheim aus, wenn er in einem vielbeachteten Auffah ,,Die
Zinsdiktatur der Banken" schrieb :
,,Heute ist allgemein sichtbar, daß die unerhörten Zinsen der Banken
einesteils an die materielle Substanz der industriellen Unternehmer ge
gangen sind, andernteils dadurch nicht nur die Arbeitsbedingungen der In
duſtrie erheblich verschlechtert und die Produktion ſo verteuert haben, daß wir
mit unseren meiſten Waren im Auslande nicht mehr konkurrenzfähig sind,
sondern auch unmittelbar einen erheblichen Teil des Arbeitsertrages der
laufenden volkswirtſchaftlichen Arbeit an sich gerissen haben, welcher den
volkswirtſchaftlich tätigen Arbeitern und nicht den Banken zukam.
Der Druck der Zinsen auf die Substanz der nichtbanklichen Unternehmer
muß von diesen auf die Arbeiterschaft naturgemäß weiterzugeben verſucht
werden, aber dieses Geſetz der Überwälzung ist bei einer ſo wahnsinnigen
Überspannung der Zinsen nicht tragbar, da der Reinertrag der Volkswirt
schaft nur einmal erarbeitet werden kann, und die Arbeiterschaft ihr Existenz
minimum mit Hilfe ihrer politiſchen und wirtſchaftlichen Organiſation er
kämpft, muß sich der Zinswucher zum großen Teil in der Verſchiebung des
Eigentums des Unternehmerkapitals in die Bankbücher äußern.
Der Einfluß der Banken auf die Induſtrie erreicht ein bis jeßt nie da
geweſenes Ausmaß, das sich heute noch in nachteiligſter Weiſe auf dieſe und
auf alle Wirtschaftsverhältnisse auswirkt. Die Banken gewinnen einen un
geheueren, ihnen gar nicht zukommenden Einfluß auf die Geſtaltung un
ſerer Arbeit, und man muß ſagen, einen im ganzen höchst ungeſunden Einfluß.
Das ganze Aufsichtsratswesen wird von der Idee geleitet, daß die Not
wendigkeit beſtimmter Produktionszweige ihren Gradmeſſer lediglich in der
Höhe der Rente und insbesondere in der Höhe der Aufsichtsratstantieme
besißt, welche aus den Unternehmungen herausgeholt werden kann.
Die Tributpflicht der induſtriellen Arbeit an dieſe Bankaufsichtsräte iſt,
durch den Zinswucher der Nachinflationszeit auf das Höchste gesteigert,
heute zu einem Krebsschaden unserer Wirtschaft geworden, demgegenüber
die Ertraglosigkeit der Aktien für den kleinen Aktionär beſonders ſcharf absticht.
Während früher die Aufsichtsratseigenſchaft doch vielfach noch bestimmt
wurde durch die technische Sachkunde, welche der Unternehmung nüßen
könne, ist heute die Bankwelt mehr als je dafür ausſchlaggebend geworden.
Die Zahl der Aufsichtsratsstellen, die von solchen Zinsgewaltigen aus
geübt wird, ist beweisführend für die Verderblichkeit des Syſtems, für die
Gewißheit, daß es sich dabei nicht mehr um eine fördernde, sachlich be=

148
ratende Einflußnahme, ſondern nur um eine gewalttätige, zu einer wirk
lichen Beratung gar keine Zeit findende, nach bloßen Einkommensrückſichten
arbeitende Tantiemewirtschaft handelt, welche dem Volksganzen nur zum
Schaden gereichen kann. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Die ganze Stillegungspolitik in unserer Wirtſchaft geht von dieſer
durch den Zinswucher eingeleiteten Überſyndizierung der Wirtschaft, die
von den Banken durchgeführt wird, von dieser wahrhaft an die Herrschaft
des alten Rom über die tributpflichtige übrige Welt erinnernde Zinsüber
wachung und Lantiemeüberwachung der deutschen Wirtschaft aus.
Es ist ganz klar, daß auf dieſem Wege schon eine ganze Reihe von
Unternehmungen stillgelegt worden sind, welche wir brauchen, obwohl sie
nicht den Ertrag abwerfen, der unter tantiemewirtschaftlichen Gesichts
punkten gefordert wird. Die übermäßig bezahlte Machtkonzentration in der
Hand einzelner zwingt zur Bildung hoher Preise und zur Produktionsein
schränkung und Stillegung, das Volksinteresse dagegen verlangt große Pro
duktion und billige Preise, also ein Zufriedenſein mit einem niedrigen
Zinsfuß, um manche Produktion noch zu ermöglichen, bei welcher die
Geldleihe und die Lantiemebezieher eben nicht soviel verdienen können, als
sich die Banken vorstellen.
Man muß sich wundern, daß man noch nicht einmal den Vorſchlag
gemacht hat, die Landwirtschaft stillzulegen, weil man in derselben nicht
mehr verdienen kann, als höchstens 2 bis 3 Prozent im Jahr. Aber es gibt
sicher nicht wenige Induſtriezweige, in welchen die Dinge nicht viel anders liegen.
Deshalb ist es in jeder Hinsicht unangebracht, die Rentabilität des Ka
pitals in der Wirtſchaft von den Banktiſchen aus diktieren zu wollen.
Wenn aus solchen Unternehmungen dadurch, daß man mit Hilfe des
übermäßigen Zinſennehmens die eigentlichen Kapitaleigentümer enteignet hat,
heute für das Bankkapital fortdauernd eine höhere Rente, fließt, so ist dies
nicht nur ein höchst ungerechter und verwerflicher Zuſtand, sondern auch
eine offenbare Täuſchung über die Wirklichkeit, denn die mit Hilfe des
übermäßigen Zinsnehmens enteigneten Kapitalien stehen in Wirklichkeit
noch in den Unternehmungen und arbeiten darin mit, ſie müßten mit
gerechnet werden, wenn man die wirkliche Rente feststellen wollte.
Bankaufsichtsrechtlich rentable Induſtrie bedeutet nach diesen Erwäg
ungen noch keineswegs eine wirkliche Rentabilität, das heißt also etwa den
Nachweis eines tragbaren höheren Zinsfußes, als vor dem Kriege.
Da unsere Wirtschaft infolge der Daweslasten gegenüber der Vor
kriegszeit selbst bei gleicher Beschäftigung mit Bestimmtheit eine Minderung

149
des dem deutschen Volke verbleibenden Reinertrages aufweist, kann die
Kapitalrente, welche jeht aus ihr gezogen werden kann, nicht größer, ſondern
muß kleiner sein als vor dem Kriege.
Und aus diesem ganz offenliegenden Grunde, den jedermann einsehen
muß, kann der Zinsfuß aus der Geldleihe nicht höher, sondern muß
niedriger ſein als vor dem Kriege, wenn wir noch durchkommen ſollen.“

Das Auf und Ab dieſes Kampfes, der ſeit Kriegsende mit einer Heftig=
keit ohnegleichen tobt, zeigt sich am deutlichsten an den Gegensäßen zwiſchen
den Inflationsperioden und den Zeiten der Geldverknappung. Die Induſtrie
finanzierte sich in Zeiten der Geldentwertung sozusagen selbst und machte
ſich vom Bankkapital unabhängig. Deflationsmethoden, verbunden mit
Krediteinschränkungen, brachten aber wieder das Finanzkapital mehr in
Offensive. Die Abschlüsse der großen Finanzinstitute Deutſchlands in den
lezten Jahren, ihre Gewinne, Dividenden und Lantiemen, sprechen eine sehr
eindeutige Sprache. Durch Vermittlertätigkeit und Eigengeschäfte wird ein
überwiegender Teil der Wirtschaft vom Finanzkapital kontrolliert : Syn
dikate, Kartelle und Truſts, Privatunternehmungen des Handels, der In
duſtrie und Landwirtſchaft, Genoſſenſchaften und Konsum-Vereine. Der
Nachweis an zahlreichen Einzelfällen, die besonders typisch erscheinen, fällt
nicht schwer.

Ein Muſterbeiſpiel, zu welchen Folgen die finanzkapitaliſtiſche Durch


organiſation eines Unternehmens führen kann, zeigte der Abschluß des
Zwischengeschäftsjahres 1926/27 der großen Gelsenkirchener Berg
werks A. G., in der u. a. die Bankiers Salomonsohn, Nathan
und Goldschmidt das Finanzkapital vertreten.
Das Geschäftsergebnis verzeichnete einen Verlust aus der Geſchäfts
verbindung mit Wirths Mologaleß in Höhe von 9,5 Millionen. An
leihen, Hypotheken und sonstige langfristige Verpflichtungen machten 30,7
Millionen aus. Der Reingewinn von 15,4 Millionen wurde nach Abzug
der Dividenden und Tantiemen (die ſich auf etwa 10 Millionen beliefen)
mit 5,5 Millionen vorgetragen !

Im Mai 1927 feierte die große A. E. G. (Allgemeine Elektrizitäts - Ge


sellschaft) ihr vierzigjähriges Gründungsjubiläum. Das Werk der Ra

150
thenau und Deutsch blickte auf eine bewegte Vergangenheit zurück. Der
Auftakt zur Jubiläumsfeier war aber nicht sehr erhebend. Die Firma,
welche in 1926 mit 10 Millionen Mark Reingewinn und einer Dividende
von 7 Prozent abgeſchloſſen hatte, drohte 2500 Arbeiter wegen einer Lohn
forderung von einigen zehn Prozent auf die Straße zu sehen. Daß dieſe
Lohnbewegung gerade mit dem Geschäftsjubiläum zusammentraf, war ein
böser Zufall. Jedenfalls aber machte Herr Deutsch , später Leiter der
Firma als Nachfolger Nathenaus, aus seinen ſozialpolitiſchen Anſchauungen
nie ein Hehl.
Die A. E. G. war im Grunde von der ersten Zeit ihres Bestehens an
finanzkapitaliſtiſch aufgezogen ; im Gegensah zu der deutschen Firma
Siemens & Halske, welche, nach alten soliden Grundsäßen der
kaufmännischen Arbeit sich in Finanzgeſchäften bis zum äußersten zurück
hielt. Erst in den letzten Jahren änderte sie ihren Kurs. In der A. E. G.
saß von Anfang an Felix Deutsch wohl als Vertreter der Bankintereſſen;
die Firma hatte, als sie sozusagen noch im Embryonalzuſtand war, zum
Bankhaus Nachmann (Emil Rathenaus Frau war eine geborene Nach
mann) Beziehungen. So wurde das erste Unternehmen Rathenaus schon
finanzkapitaliſtiſch aufgezogen mit dem Erfolg, daß der Dreißigjährige nach
wenigen Jahren sich mit einem Vermögen von nahezu einer Million ins
Privatleben zurückziehen konnte.
Emil Rathenau war kein Erfinder, kein Techniker. Er war ein Finan
zier, der die Möglichkeiten und Entwicklungskräfte der modernen Technik,
des Telephons, der Elektrizität raſch erkannte und auszuschlachten beſchloß.
Er begann nach Deutschland zu übertragen, was er in Amerika, in Paris
erspäht hatte. 1883 gründete er die „ Deutſche Ediſon-Geſellſchaft für an
gewandte Elektrizität“ mit 5 Millionen Kapital, aus der sich die A. E. G.
unter Beteiligung der Großbanken Deutsche Bank, Gebrüder Sulz =
bach in Frankfurt am Main, Delbrück Leo in Berlin und der Ber
liner Handelsgesellschaft entwickelte. Das Finanzkapital hatte
damit schon begonnen, sich der weißen Kohle, der Elektrizität, zu bemäch
tigen. Ende der achtziger Jahre betrug die Dividende des Unternehmens
bereits 10 Prozent, das Kapital wurde von 5 auf 12 Millionen erhöht, die
neuen Aktien zu 122 Prozent ausgegeben ; die nächsten Begebungskurse
betrugen schon 150 und 165 Prozent.
In dieser Zeit entwickelte sich der Gegenſaß der Familienfirma Siemens
und Halske und der A. E. G. immer mehr. Fürstenberg und die
Handelsgesellschaft verſtärkten deren Front. Rathenau hatte es

151
im Gegensaß zu ſeinen ſchwächeren Jahren nicht mehr nötig, mit Siemens
gut zu stehen und sich von ihm helfen zu lassen. Das Finanzkapital, welches
der A.E.G. hohe Zinssummen und Börsengewinne in die Kassen trieb,
ſeßte der zurückhaltenden, ſoliden, dem Bankgeschäft abgeneigten Firma
Siemens schwer zu. Rathenaus Bilanz- und Bankpolitik aber trug reiche
Früchte. Er verdeckte seine Reserven, Beteiligungs- und Finanzierungsge
winne erſchienen ſelten in den Bilanzen, lediglich die Gewinne aus Fabri
kation prangten dort.
Rathenau begann nun den Wirkungskreis der A. E. G. auszudehnen,
nachdem er sich gegen seinen gefährlichsten Gegner, Siemens, durchgeſeßt
hatte. Bankverbindungen in die Schweiz, eine sorgfältig organiſierte Be
triebsabteilung mit 300 Bureaus in ganz Deutſchland (die Deutſch leitete),
Fuſionierung und Bedrängung ſchwächerer Firmen, wie Schuckert,
Lahmeyer, Löwe, der großen Berliner Straßenbahn (hinter
der schon die Dresdener Bank stand), Felten - Guillaume ,
zeigen, daß Rathenaus Grundſäße rein finanzkapitaliſtiſch waren.
Das kurze Interregnum Walter Rathenaus wirkte auf die
Finanzprinzipien des Unternehmens gleichfalls stark vorwärtstreibend. So
hat sich in der Elektroinduſtrie und die mit ihr verwandten und zuſammen
hängenden Gebiete das Finanzkapital breit gemacht. Es verdrängte Schritt
für Schritt den alten, ſoliden deutſchen Kaufmannsgeiſt; es macht sich die
Arbeit der Ingenieure, der Techniker und Wiſſenſchaftler ebenso dienſtbar,
als die Arbeit des Mannes am Schraubſtock, des Monteurs und des In
ſtallateurs ! Der Sieg des Bankiers über den Arbeiter der Stirn und der
Hand feiert in unserem Jahrhundert ſeine größten Erfolge ! Heute sind in
der A. E. G. die Großbanken wie folgt beteiligt : Von der Diskonto
gesellschaft Dr. Arthur Salomonsohn, von der Dresdner
Bank Henry Nathan, von der Darmstädter Bank Jacob Gold
schmidt ; ferner Bankier Louis Hagen - Levi

Greifen wir als Gegenſaß zur finanzkapitaliſtiſchen A. E. G. ein In=


duſtrieunternehmen heraus, das ähnlich wie Siemens oder Stinnes im
Familienbesig verankert war und ſich bis zuleht von Finanzierungsmanövern
ferngehalten hatte, Krupp.
Nie hat Krupp den Weg zur Börſe angetreten, keine Aktie ſeines Unter
nehmens ging je durch die Hand eines Maklers. Konnte auch die frühere
Form des patriarchaliſchen Familienbeſißes nicht aufrechterhalten werden,

152
blieben doch die Papiere der jungen Aktiengeſellſchaft im Familienbeſiß. Als
der Betrieb über den Siß der Gußſtahlfabrik Essen hinausgriff, als Rhein
hausen, als die Germaniawerft in Kiel entstand, als das Magdeburger
Gruſonwerk angegliedert wurde, iſt die ſolide alte Überlieferung Friedrich und
Alfred Krupps aufrechterhalten geblieben. Dies änderte sich auch nicht in der
Konjunkturzeit nach Kriegsende, wo das Spekulationsfieber ſelbſt die ge
festigtſten Männer in den Trubel des Konzentrationstaumels hineinriß und
der Geldmarkt für jede finanzpolitiſche Hintertreppenexistenz Tür und Tor
offen hatte. Bis in die Zeit der Kreditverknappung hielt die alte Firma ihre
ſtrenge Überlieferung troß größter Schwierigkeiten durch. Ihr Geſchäfts
jahr 1926 schloß mit einem Verlust von 2,1 Millionen, ein Jahr zuvor
hatte er sich auf 15,2 Millionen belaufen. Zugleich mit Eröffnung des Ge
ſchäftsergebniſſes wurde auch die aufsehenerregende Mitteilung erlaſſen, daß
eine unter Führung der Dresdner und Darmstädter Bank stehende
Finanzgruppe eine 60-Millionen-Anleihe der Friedrich Krupp A.-G. über
nommen habe. Die Anleihe sei mit 6 Prozent verzinslich und gelange zum
größten Teil im Inland zur Auflegung. Die amerikaniſche Tilgung über
nahm Goldmann, Sachs & Co.
Damit hatte das Finanzkapital einen bedeutenden Schritt nach vorwärts
getan. Als Krupp, dies war ein offenes Geheimnis, in Schwierigkeiten ge
kommen war, trat er mit dem Ersuchen ans Reich heran, ihm eine Anleihe
aus öffentlichen Mitteln zu niedrigem Zinsfuß zu gewähren. Die Sub
ventionspolitik gewiſſer offizieller Stellen, wie sie im Fall Mologaleß oder
Ufa im Gang waren, ſchien sehr vielversprechend. Als promptes Echo auf
diesen Versuch schrieben damals die Blätter der Hochfinanz, daß man mit
Krupp keine Ausnahme machen dürfe. Der Weg zum Finanzkapital stehe
ihm ja gleichfalls offen. Warum verstimme er die Bankiers, indem er sich
an die Behörden wende ?
Die Verhandlungen mit dem Reich verliefen ergebnislos ; man zeigte
dem alten deutschen Unternehmen die kalte Schulter. Dem Finanzkapital
stand jezt der Weg offen. Krupp trat, ähnlich wie einſt Stinnes, den Gang
nach Canoſſa an. Die beiden genannten Großbanken bestimmten nunmehr
die Finanzpolitik des Hauses Krupp maßgebend. Auch Amerikaanleihen
ruhen seit einigen Jahren auf dem Haus.
Man kann keinen Vergleich anstellen, zwischen dem Schicksal dieſes
nationalen Riesenunternehmens und dem eines anderen großen, dem
Stinnesschen, dessen Trümmer heute das internationale Finanzkapital ver
waltet und die Familie des Gründers mit einer gnädigen Geste am Tiſch

153
der Hochfinanz teilnehmen läßt, ihr aber sonst einen Plaß im Austrags
stübchen angewieſen hat. Beide Unternehmungen waren zu verſchieden auf
gebaut, hatten sich unter anderen Vorausseßungen entwickelt.
Im alten Kruppschen Unternehmen war die Familientradition das
oberste Prinzip. Da gab es nichts von Finanzierung, nichts von Ver
truſtungspolitik, Konzerndiplomatie und Börſenintrigen, nichts von Arbi
trage, Agiotage, Aktienklügeleien und ähnliche Dinge. Das war ein rein
induſtrielles, langſam und in zähem Ringen von Generationen aufgebautes,
von oben bis unten im Familienbesig verbliebenes Werk, in dem jeder
Ziegelstein der Gebäude und jede Schraube der Maschine Krupp und nur
Krupp gehörte. Niemals irrlichterte eine Kruppsche Aktie an der Börſe um
her, niemals legte sich irgendeine dunkle Hand auf einen Teil des Unter
nehmens, niemals fanden raffinierte Transaktionen statt, niemals waren
die Krupps Schuldner von Banken, Börsenmännern und Geldfürsten. In
der Zeit, als die Aktienform nicht mehr zu vermeiden war und die Beſizer
den ganzen Kompler geschäftlich nicht mehr überblicken konnten, selbst dann
blieb das Werk noch reiner Familienbeſiß. Niemals kam ausländisches Ka
pital an die Fabrik heran.
Der Name Krupp war leßterdings ein Symbol des alten deutschen
Unternehmens, das seine Eigenschaften auch in der modernen Zeit bewahrt
hatte : den Gedanken und die Kraft in die Tat umzusehen, auf das Perſön
liche zugunsten des Gedankens, der Tat und der Arbeit bis zum leßten zu
verzichten, ſich ſeiner Verantwortung und ſeiner ſozialen Pflichten bewußt
zu ſein und in der Pflichterfüllung bis zum letzten zu gehen. Das hat die
Krupps und ihr Werk groß gemacht.
Was gestern Ford in U.S.A. war, das waren die Krupps in Deutſchland
ſeit langem. Die gleiche Unabhängigkeit dem Finanzkapital gegenüber, der
gleiche Fleiß, die gleiche Pflichterfüllung, die gleiche ſoziale Verantwortlich
keit, der gleiche technische Modernismus ―――――― nur bei Krupp um Jahrzehnte
früher. Sogar Fords Grundgedanke war kruppiſch. Die Fabrik muß sich
ihre Bedürfnisse selbst schaffen ! Mit dieſem monumentalen Grundſaß hatte
Krupp die Entwicklung unserer Tage und der Zukunft vorweggenommen, hat
das Produktionsprinzip des gemischten Werkes , der Selbstbedarfsdeckung,
aufgestellt, in Jahren, wo die Spezialproduktion eine wirtſchaftliche Selbſt
verständlichkeit war. Krupp schuf einen Vertikalbetrieb mit Stahlwerken,
Hochöfen, Erzbergwerken, Kohlenzechen und Walzwerken und legte eine Kette
von Nebenwerken um die Hauptproduktion. Eisenerzeugung, Eisenbahnbedarf,
Schienen, Radsätze, Achsen, Schwellen. Erstspäter kam Geſchüßfabrikation dazu.

154
Daneben lief seit Jahrzehnten eine geradezu patriarchaliſche Sozial
politik des Hauses . Die Anfänge desselben reichen in die fünfziger Jahre
zurück, lange bevor von Staats wegen die Notwendigkeit ſozialpolitiſcher
Grundſäße in der Induſtrie akademiſche Beachtung fand. Krupp baute Ar
beiterwohnungen, Krankenhäuser, Schulen, gründete Lebensversicherungen
und Penſionsanſtalten, alles indiskutable Dinge beſonders für den partei
politischen Marrismus, für den es das nicht gibt und nicht geben darf !
Vor einigen Jahren hatte die Firma, in einer Zeit, wo die Inflation
das ganze Nationalkapital eintrocknen und auspumpen ließ, den Reigen
der bei der Hochfinanz Anleiheſuchenden eröffnet, kurz vor Thyſſen und
Siemens & Halske. Damit war das alte Prinzip durchbrochen. Die Hoch
finanz streckte ihre Hände nach Krupp aus . Die Firma hat „ den Geiſt der
Zeit" erfaßt, besser als früher die Gründer und Inhaber des Werkes. Die
Firma hat die Folgerungen aus diesem " Geist der Zeit“ gezogen, ziehen
müssen. Ihre Referate über den Geschäftsverlauf und über die Finanzen
sind hochmodern. Sie hat vor kurzem einen ersten Leiter der Dresdner Bank,
an deren Spiße Henry Nathan steht, in ihren Aufsichtsrat berufen, ebenſo
wie der verstorbene Geheimrat Wiedfeldt von Krupp in den Aufsichtsrat der
Dresdner Bank gewählt worden ist. Damit haben erste „ Sachverständige
in Finanzfragen", Vertreter der Hochfinanz, die Finanzgeſchäfte der alten
Firma in der Hand.

Im großen ganzen sind die offiziellen Stellen in Deutschland, was


Kreditpolitik und Subventionsweſen zugunsten bedrängter Unternehmungen
anlangt, oft von erstaunlicher Großzügigkeit. Man denke an die Fälle
Barmat und Kutisker oder den Fall „ Mologaleß“ der Herren Doktor
Wirth und Haas . Überhaupt sind die sogenannten russischen Konzessionen
ein Kapitel für sich, troßdem der verfloſſene Sowjetgeſandte in Berlin,
Joffe, alles tat, um die hereingefallenen Kapitaliſten des Westens zu
trösten und durch glänzende Konzeſſionsangebote erneut aufs Glatteis zu
locken.
Die Mologageſellſchaft hatte seit längerer Zeit bedrohliche Schwierig
keiten. Es hieß, daß Direktoren verhaftet worden seien und der Betrieb
wegen Ausfall von Lohngeldern und Steuern von Staats wegen geſchloſſen
worden sei. Doktor Joseph Wirth schwieg ſich darüber aus, obwohl öffent
liches Interesse bestand, hier Aufklärung zu schaffen, denn in der Mologaleß
stecken sowohl Gelder des Reiches, als auch Vermögen von Stiftungen.
Endlich meldete sich der Vogelfänger, Herr Joffe, und erklärte:

155
,,Ein Teil der Schwierigkeiten der Mologaleß sei durch den Mangel
an Kapital im allgemeinen und an Umſaßmitteln im beſonderen bedingt ge
wesen. Die Sowjetregierung habe die Mologaleß in der verschiedensten Weife
unterſtüßt und ihr eine Reihe von Vergünstigungen gewährt, u. a. die Auf
hebung der in der Konzeſſion enthaltenen Verpflichtung zur Holzausfuhr
und die Genehmigung, ausschließlich für den Inlandsmarkt zu arbeiten,
was angesichts der günstigen Konjunktur des inländischen Holzmarktes
überaus rentabel war. Wenn die Mologaleß unrentabel gearbeitet habe, ſo
liege das nicht an den Bedingungen des Konzeſſionsvertrages und an den
allgemeinen Arbeitsbedingungen des Konzeſſionskapitals in der Sowjet
union, ſondern an den beſonderen Verhältniſſen, unter denen der Konzeſ=
ſionär arbeitete, wobei zu berücksichtigen ſei, daß man sich vorwiegend
fremder Mittel bedient und den Kredit überaus teuer bezahlt habe.“
Hier konnte man nur fragen, ob die Gelder deutſcher Steuerzahler und
Stiftungen dafür da waren, in einen Betrieb gegeben zu werden, das mit
dem Sowjetſyſtem unter einer Decke steckte. Es scheint zum System der
Subventionspolitik zu gehören, international eingestellten Unternehmungen
Gelder von Steuerzahlern geradezu nachzuwerfen und einheimischen Fa
briken, wenn ſie in Geldnot geraten, die leere Hand zeigen!
Die „ Mologa“ war eine Holzunternehmungs A.-G. in Rußland, deren
Leitung die bekannte Holzfirma Gebr. Himmelsbach in Freiburg hatte,
zum Zwecke der Ausbeutung ihr von der Sowjetrepublik verliehenen Holz
konzessionen. Also ein spekulatives Unternehmen im Ausland. Wer nach
Rußland geht, um Waldungen auszubeuten, weiß, daß er ſeine Haut zu
Markte trägt. Das ist nicht so leicht, wie in der Pfalz Waldungen auszuholzen.
An der Spize der seinerzeit in der Hauptsache mit engliſchem Kapital
gegründeten „ Mologa“ standen der frühere Reichskanzler Wirth und der
demokratische Abgeordnete Ludwig Haas. Welches Interesse hatte das
Deutsche Reich an dieſer ſpezifiſtiſch ruſſiſchen Holzſpekulation zu einer
Zeit, wo es kein Geld gab, die wichtigſten deutſchen Unternehmungen, die
ſich ebenfalls in Kreditnot befanden und Zehntausende von Arbeitern Brot
und Verdienſt verſchaffen, mit Krediten zu unterſtüßen ? Wäre es wirklich
nicht nötiger, berechtigter und verdienstvoller gewesen, eine Firma wie
Krupp, die lediglich infolge ihrer durch den Krieg verursachten Umstellungs
verluste in eine Notlage geraten war, und mit deren Sein oder Nichtſein
Hunderttausende von Eristenzen verknüpft sind, zu halten ? Und ist das
Reich etwa Stinnes beigesprungen ? Die großen deutschen Kolonialunter
nehmungen, die durch den Krieg alles verloren haben, sind bis heute noch

156
nicht im Besiß ihrer mit Recht geltend gemachten Entſchädigungsſummen
gelangt. Und wer entschädigt die Millionen von Auslandsdeutſchen, die alles
verloren haben und nun in Deutschland betteln können ?
Nach Joffes Angaben saß Mologaleß beim Sowjetſtaat und deſſen
Staatsbank mit über sechs Millionen in der Kreide.
So wird mit zweierlei Maß gemeſſen. Das Ruſſengeſchäft mußte aus
finanzkapitaliſtiſchen Gründen durchgehalten werden !
Und das Ende vom Liede? Die Konzession ist eines etwas gewaltsamen
Todes entſchlafen. Die Namen ,,bedeutendster Politiker" waren mit diesem
Geschäftchen, welches im Geiſte Rathenaus und Rapallos mit den Sowjet
juden zuſammengemanagert werden sollte, wenig rühmlich verbunden. Die
Schlaueren saßen doch in Moskau, da die Gläubiger in Deutschland
25 Prozent ihrer Forderungen, die in Rußland dagegen 100 Prozent aufs
Trockene gerettet haben. Und das ging so zu:
,,Der Wert der Aktiven, alſo hauptsächlich der Holzvorräte, wurde auf
17,39 Millionen Rubel, die Paſſiven, hauptsächlich Verpflichtungen gegen
über der russischen Staatsbank, auf 14,10 Millionen Rubel angenommen.
Es blieb also ein Aktivſaldo zugunsten der Mologa in Höhe von 3,29 Mil
lionen Rubeln. Davon waren abzusehen die Kosten für die Liquidation, die
der Mologa von russischer Seite vorgestreckt worden waren, in Höhe von
0,65 Millionen Rubeln und die von den Ruſſen rasch geleistete à Konto
zahlung in Höhe von 0,93 Millionen Rubeln. Schließlich ſtanden der
Mologa für die Befriedigung ihrer Gläubiger 5,7 Millionen Rubel zur
Verfügung. Der Aufsichtsrat der Mologa hat festgestellt, daß diese Summe
ungefähr eine Befriedigung der Gläubiger mit 25 Prozent ermöglichte.
Demgemäß wurde beſchloſſen, als Abſchlagszahlung eine Rate von 20 Pro
zent auszuschütten.
Die Gläubiger der Mologa haben rund 15 Millionen Mark cingebüßt.
Hauptgläubigerin war die Gelsenkirchener Bergwerks A.-G., die auch die
Forderungen der Gebr. Himmelsbach übernommen hat."
Der Forellensepp, Doktor Josephus Wirth, verflossener Reichskanzler
von Deutſchland, der es als „ etwas gewaltiges fand, am Sterbebette eines
Volkes zu stehen“, stand hier am Grabe einer auf spekulativer, auf
sowjetfreundlicher Politik aufgebauter Unternehmung, die von vornherein
den Moskauer Juden alle Vorteile zuſichern wollte.
Wirth hat aus seiner Vorliebe für die Sowjetherren nie ein Hehl
gemacht. Schon 1922 ſagte er anläßlich der wiederholten Versuche mit
Rußland ins beste Einvernehmen zu kommen, er hoffe, daß sich eine Eini

157
gung ergibt, die es Rußland ermögliche, seinen Wiederaufbau vorzunehmen:
,,Wir wollen uns allen nüßlich erweisen, von denen wir annehmen dürfen,
daß sie uns wohlwollend gegenüberſtehen.“
Nun der Fall Mologa, wo die Sowjetjuden mit 100 Prozent ihrer For
derungen abzogen, während die Gläubiger in Deutschland 75 Prozent ein
büßten, scheint diese fromme Gesinnung zu bestätigen. Es ist eben der Geist
echt christlicher Nächstenliebe, der auch einmal einem Sowjetjuden etwas
zukommen läßt, damit dieser Edeltypus ,,den Wiederaufbau Rußlands“
betreiben kann ! Dafür, für dieſen ſogenannten ,,Wiederaufbau“ hat sich die
Mologa allerdings „ nüßlich erwieſen“ !

Nicht viel anders als bei Krupp iſt das Schicksal der Rombacher
Hüttenwerke ; die Selbstständigkeit dieſes ehemals ſo ſtolzen Montan
werkes ist dahin. Der Name Rombach verschwindet heute, in der Zeit des
internationalen Finanzkapitals, wie ſo manch anderer klingender alter Name
aus dem Wirtſchaftsleben. Nur die Zeche Konkordia erinnert noch an den
großen Montantrust, der vor dem Krieg bereits ein Aktienkapital von
50 Mill. Mark besaß, dem ſpäter noch Erhöhungen gefolgt sind, und der
mit einem Obligationskapital von über 20 Mill. Mark gearbeitet hat. Heute
ist er eine der vielen Beteiligungen der Kokswerke und chemischen Fabriken
geworden. Das Finanzkapital hat auch hier über ein altes Produktivunter
nehmen gesiegt.
Der Mangel an Eisenerzen in Deutſchland hat unſere in den achtziger Jah
ren erstarkende Induſtrie auf den Gedanken gebracht, sich in dem minette
reichen Lothringen und Luremburg anzuſiedeln. Dort wurden neben den
Kirdorfschen und Thyſſenſchen Gründungen im Jahre 1888 die Rombacher
Werke gegründet, die erhebliche Erzfelder und auch Grubenrechte erwarben
und im Anſchluß daran bedeutende Hüttenwerke errichteten. Die Geſellſchaft
zählte zu den gewinnbringendsten Unternehmungen der deutschen Hütten
induſtrie. Der Kriegsausgang führte zur Liquidierung des in Lothringen
gelegenen Besißes der Rombacher Hüttenwerke. Von der Entſchädigung,
welche die Reichsregierung für das liquidierte Eigentum der Geſellſchaft
zahlte, erwarb sie zum Ausgleich ihrer verlorenen Hüttenwerke die Weſt=
fälischen Stahlwerke und die Konkordiahütte in Bendorf. Später beteiligte
sie sich an den Howaldtwerken und kam dadurch auch in Verbindung mit
der Eisenhütte Holstein in Rendsburg. Die Gesellschaft erlitt von Jahr zu
Jahr wachsende Verluste.

158
Die Geschäftslage ſpizte sich schließlich unter dem Druck des Finanzkapitals
in solchem Maße zu, daß die Gesellschaft gezwungen war, ihre neuerwor
benen Eisenwerke an den Stahlverein abzustoßen. Dies konnte nur unter
den größten Opfern geschehen. Rombach blieb ſomit als einziges wertvolles
Aktivum noch der Besiz an der Konkordia Bergbau A.-G. in Ober
hauſen, die vor dem Kriege zu den Kohlenzechen des Ruhrrevieres gehörte.
Die Konkordia-Zeche, die ein Kapital von ungefähr 10 Mill. Mark hat,
hatte im Frieden eine Förderung von beinahe 1½ Mill. Tonnen Kohlen
und eine Erzeugung von über 300 000 Tonnen Koks zu verzeichnen. Aber
nun hatte die Stunde für Rombach doch geschlagen. Das Finanzkapital for
dert seine Rechte !
Ein Bankkonſortium hat ſich dieſer Notlage des Unternehmens, ähnlich
wie in manchem anderen Fall ,,angenommen“. An der Spize desselben stand
Dr. Sintenis, der in der Vorſtandſchaft der „ Berliner Handelsgesell=
ſchaft“ ſißt, neben Dr. Otto Jeidels und dem jungen Hans Fürsten
berg. Er erklärte in der Generalversammlung klipp und klar die Entwick
lung der Schuldenlast von Rombach und ihr Verhältnis zum Bankhaus
Spaeter, das sich durch seine Kredite für Rombach bei In- und Aus
landsbanken übernommen habe. Die Reichsregierung habe eine Subvention
abgelehnt. Aus dem Verkauf des Eisenwerks an den Stahlverein seien
15 Mill. Mark Aktien des Stahlvereins mit durchſchnittlich 138 Prozent
gleich rund 21 Mill. Mark verwertet worden. Die Vorräte habe der Stahl
verein mit mur 5 Mill. Reichsmark übernommen. Die ersten größeren
Schulden habe die Geſellſchaft im Jahre 1924 aufgenommen, um ihre von
Vorräten entblößten Werke nach dem Ruhrkampf wieder in Gang zu ſeßen.
Ferner erforderten die Micum-Verträge und Steuern erhebliche Summen.
Die Verwaltung hätte den Zeitpunkt der Veräußerung nicht beliebig wählen
können, weil sie von ihren Gläubigern abhängig war. Das alte Lied !
Außer Dr. Bie kam als neuer Vertreter der Hochfinanz Bankier Oskar
Schlitter in den Aufsichtsrat des Werkes.

Als hervorragendes Beispiel der Unterordnung der Schwerinduſtrie


unter das Finanzkapital können die Vereinigten Stahlwerke
A. - G. gelten. Sie zeigen die Entwicklung zum Hochkapitalismus und ſeiner
feudalen Diktatur, die große Staaten im Staat errichten, sich über Länder
grenzen und Volksintereſſen hinwegsehen ; die Entwicklung zum Truſt
ſyſtem, das ſeine wirtſchaftspolitiſche Vormachtstellung, seine Hausmacht

159
politik mit dem Mittel des Aktienmonopols betreibt, das den Aktionär, den
Kleinaktionär vernichtet, den schon Walther Rathenau als „ Hemmſchuh der
hochkapitaliſtiſchen Entwicklung“ hinſtellte. Der Truſt beſißt ein ungeheures
Vermögen. Von dem auf 18 Milliarden geschäßten Gesamtkapital der
Aktiengesellschaften nehmen die Vereinigten Stahlwerke allein etwa 2 Mil
liarden für sich in Anspruch. Die Krönung des schwerindustriellen Zuſam
menschlusses bestand in der Gründung der Vereinigten Stahlwerke A.-G.
mit der Aufsaugung der Betriebe der Rhein-Elbe-Gruppe, der Thyſſen- und
Phönir-Gruppe und Rheinſtahl. Das eingebrachte Kapital des Stahltruſtes
belief sich auf 800 Millionen. Dann erfolgte die Angliederung der Char
lottenhütte A.-G. im Siegerland mit ihren Geſchäftsanteilen an anderen
Unternehmungen und ihrem Besih an Bergwerkskuren. Weiter verschaffte
das Auseinanderfallen des Stummkonzerns dem Stahltruſt 60—90 Pro
zent des Kapitals der dazu gehörigen Betriebe und damit die Mehrheit. In
ähnlichem Verhältnisse sicherte sich der Trust die Herrschaft über die Rom
bacher Hüttenwerke.
Der Polyp der Montaninduſtrie zog ſeine Kräfte jedoch nicht nur aus
der Angliederung anderer Großbetriebe - er verfügt auch in den einzelnen
Kartellen über die Mehrheit oder gewichtige Minderheiten. So im Rheinisch
westfälischen Kohlensyndikat nahezu mit 22 Prozent Verkaufs- und Ver
brauchsbeteiligung ; im Roheisenverband mit 43,1 Prozent, in der Roh
stahlgemeinschaft 41 Prozent, in der Bandeiſenvereinigung 48,4, im
Grobblechverband 44,5, im Röhrenverband über 50 Prozent und im
A-Produktenverband rund 41 Prozent. Die Gruppe Stahlverein kontrolliert
31 Prozent der gesamten Förderung des Ruhrkohlenbergbaues . In der
Eisenproduktion ist der Trust in großem Maße Selbstverbraucher. Vom
1. April bis 30. September 1926 hatte er an Roheiſen allein eine Erzeu=
gung von 2 273 647 Tonnen, während die Gesamtjahresbeteiligung aller
Werke am Roheiſenverband nur 2 268 852 Tonnen betrug. Zu den von
ihm mittelbar oder unmittelbar beeinflußten Werken gehören auch die öfter
reichische Alpine Montan-Ges., die Mitteldeutschen Stahlwerke und die
Vereinigten Oberschlesischen Hüttenwerke.
Der Grundbesitz des Truſts beläuft sich auf über 121 Millionen
Quadratmeter, die Ausdehnung der Kohlenfelder auf 360 Millionen Qua
dratmeter und die Kohlenreserve bis zu einer Tiefe von 1500 Metern auf
5,300 Milliarden Tonnen. 29 Kokereien und 71 Koksbatterien ermöglichen.
eine jährliche Erzeugung von 9 Millionen Tonnen. Der Erzfelderbesig um
faßt 45 000 hektar mit einem Gesamtvorrat von 650 Millionen Tonnen.

160
An Stahlwerken sind im Besiße des Trusts 40 Bessemerbirnen und Elektro
öfen und 157 Siemens -Martinöfen. 91 Walzwerke werden auf eine
Leistungsfähigkeit von 8,5 Millionen Tonnen eingeſchäßt. Die Eisenbahn
anlagen nehmen eine Länge von 1244 Kilometern ein, auf denen 411 Nor
malſpurlokomotiven und 10 300 eigene Güterwaggons laufen. Acht eigene
Häfen mit 1½ Millionen Quadratmeter und zahlreiche Verfeinerungsbe=
triebe nennt der Truſt ſein Eigen, der in dieſem Rieſenreich nahezu 200 000
Arbeiter beschäftigt. Dazu kommt eine eigene Handelsorganiſation, die
neueste Entwicklung der Zusammenarbeit mit der Schrottgemein
ſchaft der Edelstahlwerke A. - G., der dem Stahlverein angeſchloſſe=
nen Thyssenschen Maschinenfabriken, der Deutschen Ma
schinenfabrik A.-G. in Duisburg, der Mitteldeutschen
Stahlwerke unter Friedrich Flick, der Tochtergesellschaften Edel
stahlwerk, Oberschlesische Hüttenwerke.
Auf diesem ganzen Riesenreich liegt wie ein schweres Gewicht der
Druck des Finanzkapitals. Die großen Banken der Hochfinanz in Deutſch
land waren ausschlaggebend an der Entwicklung des Truſts beteiligt, kon
trollieren und überwachen ihn heute, fordern aber auch ihren Zoll!
Vertreter sind alle Großbanken und zwar : Die Berliner Han
delsgesellschaft durch Karl Fürstenberg, die Darmstädter
Bank durch Jakob Goldschmidt, die Dresdener Bank durch
Henry Nathan , die Diskonto - Gesellschaft durch Salomon
sohn, die Deutsche Bank durch Oskar Schlitter, das Kölner
Bankhaus A. Levy & Co. durch Louis Hagen. Aber auch im Aus
lande sind große Bankinstitute am Stahltruſt intereſſiert. Repräsentierte
das Anleihekonsortium deutscher Institute an Kapital und Reservefonds
814,8 Millionen, so belief sich der Anteil der holländiſchen, ſchweizerischen,
schwedischen, amerikaniſchen und österreichischen Institute auf eine Milliarde
und 271 Millionen. 1927 erforderte der Anleihezinsendienst 29 Millionen
Mark!
Welch ungeheuren Einfluß muß dieses tote Gewicht auf die geſamte
Wirtschaftspolitik des Riesentrusts ausüben!

Diese kurze Gegenüberstellung zeigt den Kampf um die Macht auf dem
Kapitalmarkt in greller Deutlichkeit. Er ist heute keineswegs zugunsten des
Finanzkapitals schon entschieden. Aber Sombarts Anschauung, daß der
Weltkrieg das Zeitalter des Hochkapitalismus abſchließe, wird durch die

11 161
Entwicklung der Kräfteverhältnisse zwiſchen Finanz- und Werkkapital nach
dem Krieg doch sehr in Zweifel gezogen. Die Entwicklung des ersteren
gerade in unserer Zeit spricht hier Bände.

Die Mobilisierung der deutschen Volkswirtſchaft, jenes Restes von pro


duktiver Naturkraft und Menschenkraft, deren Ernte noch nicht durch die
Dividendenmühle läuft, deren Soll und Haben noch nicht in Aufsichtsrats
sizungen von jüdiſchen Bankiers überwacht wird, deren Arbeitsergebnis noch
nicht in Hauſſe und Baiſſe, in Börſenſpekulation umgewandelt wird, dieſe
Mobilisierung geht mit Riesenschritten weiter vor sich.
Allein im ersten Halbjahr 1927 war ein Rekord an Börsenzu
lassungen festzustellen. Sie erreichten nach den Ermittlungen des
Statiſtiſchen Reichsamtes mit 728,2 Mill. RM. für Aktien und
mit 3370,4 Mill. RM. für Schuldverschreibungen den
Höchststand der Stabilisierung. Gegenüber dem vorangegange=
nen Halbjahr stieg der Gesamtbetrag der Zulaſſungen um 33 Prozent, der
Betrag der zugelassenen Obligationen um 86 Prozent.
Die Obligationen im ersten Halbjahr 1927 verteilten sich wie
folgt: 640,5 Mill. RM. auf Reich und Länder, 44,5 Mill. RM. auf
Provinzen und Kreise, 11,5 Mill. RM. auf Großstädte,
33,5 Mill. RM. auf andere Städte, 1326,2 Mill. RM. auf Hypo
thekenbanken, 909,5 Mill. RM. auf Landschaften und sonstige
öffentlichrechtliche Kreditanſtalten des Grundbeſißes, schließlich 304,7 Mill.
RM. auf sonstige gewerbliche Unternehmungen.
Von den Aktien entfielen 401,9 Mill. RM. auf gewerbliche
Unternehmungen, 126,4 Mill. RM. auf Banken und 5,7 Mill.
RM. auf Eisenbahnen. Die Obligationenausgabe der Hypotheken
banken erreichte im ganzen vorangegangenen Jahr 1506 Mill. RM., die der
Landschaften 561,5 Mill. RM. Dafür wurden Aktien im Werte von
1047,6 Mill. NM. zugelassen, wozu noch Aktienzulaſſungen von Banken
in Höhe von 129 und von Eisenbahnen in Höhe von 154 Mill. NM. treten.

Der Handelsschriftsteller Lewinsohn hat Recht behalten, wenn er


in seiner „ Vossischen Zeitung“ schrieb : „ Das Jahr 1926 ist mit
goldenen Lettern in das Buch der Börse eingeschrieben !"
Daß die Gewinne an den deutschen Börsen im Jahre 1926 phantastisch

162
gewesen sind, geht aus der Tatsache hervor, daß der Kurswert der Papiere
in der Zeit vom Frühjahr bis zum Jahresultimo von ungefähr bis 8 Mil
liarden auf etwa 20 Milliarden gestiegen ist. Man konnte also von einem
Gewinn von etwa 8 bis 10 Milliarden, unverſteuertem Gewinn, reden.
Legt man die bis damals aufgekommene Börsenumsatzsteuer zugrunde, die
bekanntlich 1 bis 3 von Tauſend ausmacht, so war bei einem Aufkommen
von bisher etwa 60 Millionen (bei Etatabſchluß konnte sich die Summe
noch um viele Millionen ſteigern) ein Börſenumſaß von etwa 120 Milliarden
zu schäßen.
Das Jahr 1926 war also in des Wortes wahrster Bedeutung ein
Rekordjahr für die Banken. In triumphierender Stimmung schrieb darüber
Paul Elsberg in Nr. 8 der ,,Vossischen Zeitung", daß unsere
Großbanken ein Rekordjahr hinter sich haben, eine
Tatsache, die umso mehr ins Gewicht fällt, als das Jahr
1926 in den meisten Wirtschaftszweigen nur leichte An
jähe einer beginnenden Geſundung von schwerster Krise
gebracht hat".
Mit zynischer Offenheit wird betont, daß man sich zwar hüten müſſe,
die Rekordgewinne in 1926 als einen Dauerzustand hinzustellen, aber sich
schon durch entsprechende Ausschüttung von Gewinnen, vor Rückschlägen
werde zu schützen wissen. Das Rezept der Bilanzfrisierung, welche in Anbe
tracht der horrenden Gewinnſummen wohl besondere Kunst erforderte, war
aber bald gegeben. Man gab zwar zu, daß die Riesensummen schwer zu ver
bergen seien, oder wie Elsberg meint, diese Ziffern würden durchweg ein
Bild von der ungeheuren Ausdehnung des Effektengeschäftes entwerfen.
Aber man wußte angeblich nicht, wie ſich der Wert der eigenen Bestände
in Zukunft gestalten würde. Darum war damit zu rechnen, daß die Banken
in ihrer großen Mehrzahl zum mindesten einen erheblichen Teil ihrer
Effektengewinne vorweg ,,zur inneren Stärkung“ verwenden und nicht in
die Erscheinung treten lassen wollten. So war das Jahr für die Börse und
in ihr besonders für die Bankaktien und die Papiere jener Induſtrien, die
mit der Thoirypolitik Hand in Hand gingen oder das internationale Finanz
kapital zur Seite hatten, ein goldenes Erntejahr. Es iſt bezeichnend, daß die
Papiere dieser Unternehmungen den Friedensnennwert ganz bedeutend über
schritten haben. Eingerechnet die Goldumstellung einerseits, welche die
kleinen Aktionäre in rücksichtslosester Weise vom Kapitalmarkt verdrängte,
und die Geldentwertung andererseits kann man doch sagen, daß besonders
die genannten Papiere ihren Vorkriegswert erreichten und zurückließen.

11* 163
Finanzkapital und Induſtrie.

Zwölftausend Aktiengesellschaften, darunter zweitaus


— ――――
send in Konzernen Die Trusts und ihre Banken
Berliner Finanziers - Die Beherrscher der D - Banken
- Louis Hagen Levi - Die Finanz im Stahltrust und

in der Kaliindustrie Die Arnholds — Hugo Herzfeld
― -
Karl Fürstenberg ―――― Die Macht der Großbanken
Kreditinflation

Vom Statistischen Reichsamt ist unlängst eine Denkschrift veröffent


licht worden, die den Stand der Konzernbildung im Deutschen Reich am
Ende des Jahres 1926 darstellt. 65 v. H. des Kapitals der deutschen
Aktiengesellschaften ſind in irgendeiner Form konzerngebunden. Das Nomi
nalkapital der deutschen Aktiengesellschaften beträgt 20,354 Milliarden,
davon sind 13,243 Milliarden von Konzernen erfaßt. Wir haben heute
12 000 Aktiengesellschaften in Deutschland, 2000 sind in Konzerne einge
gliedert. Man unterscheidet, wie dort ausgeführt, bei der Entwicklung des
Trustwesens im Deutſchland der Nachkriegszeit zwei Perioden, die Inflation
und die Stabiliſierung. In der ersten iſt das Induſtriekapital im Vormarsch
gegen das Finanzkapital begriffen, obwohl auch in dieser Zeit Kapital
beteiligungen eine große Rolle spielten. Mit der Stabiliſierung begann ein
deutlich wahrnehmbarer Umschwung. Das Finanzkapital fing an entſchei
dend in die große Umorganisation der kapitaliſtiſchen Wirtschaft einzu
greifen, es drängte zum Monopol, zur Beherrschung der Märkte von
börsengerechten Prinzipien aus. Formen dieser Monopolbewegung sind
einerseits die großen Konzerne und Trusts, die auf finanzpolitiſcher Zu
ſammenfaſſung oder Intereſſengemeinſchaftsverträgen beruhen, andererseits
die verbandsmäßigen Zuſammenſchlüſſe, wie Kartelle, Konventionen, Syn
dikate. In manchen Konzentrationsaktionen vereinigt sich beides.

164
Mit der einsehenden Stabiliſierung neigte sich die Wage des Einfluſſes
immer mehr zugunsten des Finanzkapitals. Zuvor war die Bedeutung
ausschlaggebender Kartelle hinter der Macht der großen vertikalen Kon
zerne zurückgetreten. Sie faßte nicht nur verſchiedene Produktionsstufen
eines Induſtriezweiges zuſammen, ſondern es beſtanden die mannigfachſten
Verbindungen zwiſchen den einzelnen Induſtriezweigen, bald durch Kapital
beteiligungen hergestellt, bald durch Arbeitsergänzung der Betriebe gefestigt.
Am weitesten war dieſe Entwicklung in den ersten Jahren nach dem
Kriege in der rheinisch - westfälischen Montanindustrie vor
geschritten. Als die deutschen Unternehmungen ihren Lothringer Besih ver
loren hatten, ſuchten ſie mit den Entschädigungsgeldern gemäß der vom
Reich gemachten Auflage einen Erſah in Rheinland-Westfalen. Der Wunsch
zur schnellen Verwertung dieser Kapitalien verstärkte das Streben der Tech
nik zum vertikalen Aufbau, und die billigen Inflationskredite erleichterten
den Erwerb neuer Anlagen. Hinzu kam, daß bei der Marktlage der Infla
tionsjahre ein dringendes Intereſſe an gesicherten Rohstoffquellen bestand.
Diese Entwicklung vollzog sich im allgemeinen so, daß die Banken und das
Leihkapital zwar nicht ausgeschaltet waren, aber im Schlepptau der Indu
strie fuhren. Das wurde seit 1925, wie besonders der Fall Stinnes
zeigte, zusehends anders. Es gibt heute kaum einen größeren nennenswerten
Konzern, der nicht in irgend einer Form auf die Kreditpolitik des Finanz
kapitals Rücksicht nehmen müßte.
Bei der Stabilisierung standen im Ruhrgebiet zehn große gemischte
Konzerne nebeneinander ; Siemens-Rhein-Elbe-Schuckert-Union (unter der
Führung von Stinnes), Krupp-Haniel (Gute Hoffnungshütte), Stumm,
Henschel-Essener Steinkohlen, Lothringen, Klöckner, Thyssen, Hoesch Köln
Neueſſen, Phönir und Rheinſtahl. Die ſchärffte Zuſammenfaſſung in Kon
zernen weist der Kalibergbau auf, der von 21 Aktiengeſellſchaften 20 mit
über 98 Prozent des Gesamtkapitals zu Konzernen vereinigt hat. Es folgt
die Gruppe der mit Bergbau verbundenen Unternehmungen. Im Bergbau
ſelbſt ſind zirka 93 Prozent des Aktienkapitals in Konzernen vereinigt und
zwar ist die Zusammenfaſſung bei den Braunkohlengruben mit 94,5 Pro
zent noch schärfer als beim Steinkohlenbergbau. Außerordentlich ſtark iſt die
Kapitalkonzentration auch in der chemiſchen Induſtrie. Hier sind von 620
Gesellschaften 118 und von 1,85 Milliarden Kapital 1,53 = 82,7 Prozent
verbunden. In der Farbenindustrie ſind von 81 Fabriken 9 nicht konzentriert,
ſo daß 96,3 Prozent des Gesamtkapitals zuſammengefaßt erscheinen. Auch in
der elektrotechnischen Industrie sind zirka 87 Prozent des Aktienkapitals

165
in Konzernen zuſammengefaßt. In der Eiſen- und Metallinduſtrie beträgt
die Zahl ungefähr 80 Prozent, bei den mit Eiſen- und Metallgewinnung
verbundenen Werken 83 Prozent. Dagegen sind bei der Herstellung von
Eisen-, Stahl- und Metallwaren nur 26 Prozent vertreten. Gering ist die
Konzentration bei der Textilindustrie, bei der Papierinduſtrie, der Leder
und Bekleidungsinduſtrie. Die geringste Ziffer weist die Holzinduſtrie auf,
von der nur 6 Prozent des gesamten Aktienkapitals in Konzernen zusam
mengeſchloſſen ſind. Im Handelsgewerbe zeigt sich, daß von 720 Banken
mit einem Nominalkapital von 1659 Millionen Mark 142 Institute mit
1224 Millionen Mark, gleich 73,8 Prozent, konzentriert sind. Bei den
Hypothekenbanken ist diese Zahl mit 68,1 Prozent etwas geringer, bei den
Finanzierungsgesellschaften mit 77,3 Prozent etwas größer. Gering iſt das
Konzentrationsbedürfnis des Grundstückshandels, der zirka 20 Prozent
aufweist. Dagegen sind im Versicherungswesen zirka 77 Prozent, im Ver
kehrswesen 50 Prozent konzentriert. Die See- und Küstenschiffahrt weist
81 Prozent konzentriertes Kapital auf. Im Theater- und Sportgewerbe ist
mit 64, 4 Prozent und im Gastwirtſchaftsgewerbe mit 35 Prozent eine relativ
recht umfangreiche Konzentration zu verzeichnen.
Aus dieser statiſtiſch-ſchematiſchen Aufstellung ist die tatsächliche wirt
schaftliche Macht der Konzerne ebensowenig voll und ganz zu erkennen, als
der Einfluß des Finanzkapitals auf dieselben festzustellen ist. Klarer wird
das Bild, wenn man den Versuch macht, die Aufsichtsratsposten der
Bankiers und Finanziers in den einzelnen Geſellſchaften herauszuarbeiten.
Beschränken wir uns auf die „leitenden Persönlichkeiten" der größten Banken
in Deutſchland, beſonders der Darmstädter, Dresdner, Diskontogeſellſchaft
und Deutschen Bank.

Kommerzienrat Steinthal von der Deutſchen Bank, sechzehnfacher


Aufsichtsrat, vertritt ſeine Bank u. a. bei Mannesmann, Deutsch e
Petrol A.-G., Otavi Minen, Prager Eisen industrie - Geſ.,
Prag, Rutgerswerke, Treuhand A. - G. für Verkehrs- und Indu
striewerte, Berlin.

Bankdirektor Wassermann, ein Verwandter des Mediziners, zwölf


facher Aufsichtsrat, vertritt die Deutsche Bank u. a. in den Kaliwerken
Staßfurt, Niederlausißer Kohlenwerken, Barziner Pa
pierfabrik, Hirsch Kupfer, Stettiner Chamotte, Rhena
nia Kunheim.

166
Dr. Arthur Salomonsohn, leitender Geschäftsinhaber der Dis
kontogesellschaft, neununddreißigfacher Aufsichtsrat, repräſentiert
das Finanzkapital bei Gelsenkirchen, Erda Bergbau, Kaliwerke
Aschersleben und Salzdetfurth, Ludwig Loewe A.-G.,
Preußische Zentral - Boden - Kredit A.-G., Alkaliwerke
Westeregeln, A. E. G., Bochumer Verein für Bergbau,
Braunschweigisch - Hannoversche Hypothekenbank, Zel
luloidfabrik Eilenburg, Deutsche Lur, Schuckert & Co.,
Luchersche Brauerei in Nürnberg, Hapag, Köln - Rott
weil, Nordstern A.-G. Berlin, Alpine Montan, Stahl
werke Duisburg - Meiderich, Siemens & Halske, Stahl =
werke A.-G. Düſſeldorf und anderen.

Sein jüngerer Vetter Dr. Georg Solmſſen, neunundvierzigfacher


Aufsichtsrat, gleichfalls Direktor der Diskontoge, siht u. a. in den Berg
werksgesellschaften Trier in Hamm, Hermann in Bork und Hop
in Lindwedel, in der Braunkohleninduſtrie A. - G. Weinweiler, Deutsch e
Erdöl A.-G. Berlin, Aero Lloyd, Gebr. Stollwerk Köln, Klöck
nerwerke , Nosizer Braunkohle , Alkali Ronnenberg ,
Bergmann, Deutsche Luftschiffahrts A. - G. Friedrichshafen,
Deutsche Petrol , Felten und Guillaume , Kaliwerke
Aschersleben, Köln - Rottweil, Luftschiffbau Zeppelin Fried
richshafen, Orenstein & Koppel, Phönix, in verſchiedenen Boden
kreditbanken und in der Lufthansa.

Bankdirektor Henry Nathan, der ,,unbestritten geistige Mittelpunkt


der Dresdner Bank“, achtundvierzigfacher Aufsichtsrat, kontrolliert
unter vielen anderen die Mitropa, Königs- und Laurahütte,
Scheidemandel , siht in der A. E. G., in holländischen Banken,
Deutsch Erdöl, Jürgenwerke, Deutsch Petrol, Deutsch
Lur, Felten & Guillaume, Krupp, Gelsenkirchen, Mühl
heimer Bergwerksverein, Orenstein & Koppel, Phönix,
Preußische Zentral - Boden - Kreditbank, Stahlwerke
Duisburg - Meiderich , Rosizer Braunkohlen , Schan
tung, Stahlwerke A.-G. Düsseldorf.

167
Jacob Goldschmidt , der Leiter der Darmstädter Bank ,
etwa hundertfacher Aufsichtsrat, gehört zu den einflußreichſten und aus
schlaggebendsten Vertretern des Finanzkapitals, unter denen noch hervor
ragen die Arnholds, Dresden (vier Brüder mit zuſammen über achtzig
Aufsichtsratsposten), Beit v. Speyer (siebzehnfacher Aufsichtsrat),
Bleichröder (zwölffacher Aufsichtsrat), Deutsch (vierundzwanzig
facher Aufsichtsrat), Dreyfus, Frank (Direktor der Diskontoge, Ver
treter als siebenunddreißigfacher Aufsichtsrat in Zellstoff Waldhof,
Viktoría mühle, Humboldtmühle, Rheinische Elektrizi
täts A.-G., Deutsche Textilwerke Zittau, Jutespinne
reien Hamburg, Waldorf Astoria, Salomonmühle und
vielen anderen).

Louis Hagen - Levi iſt dreiundsechzigfacher Aufsichtsrat u. a. bei


Köln- Rottweil, von der Zypen Dürener Metallwerke,
Klöcknerwerke, A. E. G., Bamag, Bayerische Vereinsbank,
Aerolloyd, Dynamit Nobel, Eschweiler Bergw. - Verein,
Felten & Guillaume, Köln - Neuessen, Mitropa, Moto
renfabrik Deuh, Orenstein & Koppel, A.-G. für Braun
kohlen Köln , Rhein - Main - Donau , Stahlwerke Duis -
burg - Meiderich , Schaaffhausenscher Bankverein , Stahl =
werke Düsseldorf. Er ist verheiratet mit einer Tochter des Geheim
rats Hagen aus Köln (von dem er den Namen angenommen) iſt ſeit
Jahren Vorſizender der Kölner Handelskammer, Inhaber des päpstlichen
„ Großkomthur des Sylvesterordens “ und „ unentwegter Bekenner unbe
dingter Reichstreue“. Als während der Ruhrbeſehung eine Bewegung zur
Schaffung einer rheinischen Goldnotenbank unter franzöſiſch-belgiſchen Fit
tichen sich ,,erfreulich" entwickelte, führte Louis Levi die Sache hart an die
währungstechniſche Separation heran. Er ist ein „ guter Katholik“, der viel
für die Kirche, nicht für die jüdiſche nebenbei, getan hat.
Louis Levi gehörte immer zu den Diplomaten, die es verstehen, mit der
eigenen Person zurückzuhalten und jedem öffentlichen Auftreten auszu
weichen. Nur selten legte er die Rolle des stillen, lukrativ spekulierenden
Beobachters ab. Fast nie vergaloppierte er sich in seiner Tendenz oder tat
Äußerungen, die man nachher gern im Buſen ſtreng bewahren“ möchte.
Aber vor dem Kriege war er ein politiſcher Bekenner, will die Fama wiſſen,
,,überzeugter Monarchist“. Noch 1918 ſoll er jederzeit Zutritt zum großen

168
Hauptquartier gehabt haben und eine eigene Fernſprechverbindung mit
Spaa. Mit Anbruch der neuen Zeit wurde er für eine kleine Erkenntlichkeit
Spitzenkandidat der neuen Zentrumspartei in Köln, als treuer Sohn der
Kirche. Die Fama erzählte weiter, daß er in seinem „ Palais“ am Sachsen
ring in Köln eine eigene Hauskapelle halte ; aber nicht etwa eine Jazzband,
sondern eine Kapelle mit Altar, Kreuz, Weihrauch und Kerzen, in der ein
Hauskaplan ſtändig die Meſſe leſe ! Seine ehemaligen Paraventfeſte ſind
heute noch Stadtgespräch in gewiſſen Kölner Geſellſchaftskreiſen ! Das
waren noch Zeiten!

Direktor Jeidels von der Berliner Handelsgesellschaft


ist zweiundvierzigfacher Aufsichtsrat, u. a. bei Bamag, Capito Klein,
Bayerische Stickstoffwerke Berlin, Portland - Zement
Hamburg, Borna, Jasmahi, Königsberger Zellstoff,
Rhein- Main- Donau; Kahenellenbogen ist neunundvierzig
facher Aufsichtsrat ; Melchior, der Mitarbeiter Mar M. Warburgs,
achtundzwanzigfacher Aufsichtsrat ; einflußreich ist Mendelssohn mit
den sehr gewandten Leitern Rudolf Loeb und Dr. Friz Mann
heimer, der zur Inflationszeit, als die staatliche Deviſenzentrale aufge
hoben wurde und die Hochkunjunktur der privaten Deviſenarbitrage begann,
in Amsterdam eine Filiale für seine Firma errichtete, holländischer Staats
angehöriger wurde und sich zum „ genialſten Devisenhändler entwickelte,
den Deutschland damals besaß“. Er residiert heute an der Amsterdamer
Börse (die Amsterdamer Filiale soll über Herrn Barmat übrigens immer
sehr gute Auskunft gegeben haben) ; nicht zu vergessen die Bankiers Mos -
ler (neunundzwanzigfacher Aufsichtsrat) ; von Oppenheim (fünfund
fünfzigfacher Aufsichtsrat) ; Schiff Eugen und Martin ; Schl e =
singer, der bekannte Bankier von Schwabach in Fa. Bleichröder
(vierundvierzigfacher Aufsichtsrat) ; dann Direktor Sobernheim (drei
undsiebzigfacher Aufsichtsrat u. a. bei Aga, Bayer. Telephonfa
brik München, Held & Franke, Brockhues, Baroper Walz
werk, Sauerbrey, Hackethal Draht, Hirsch Kupfer, Kali
Aschersleben , Linke Hofmann Lauchhammer , Oberbe
darf, Riebeck Montan, Stock Motoren, Ufa) ; Wallach
(zweiundvierzigfacher Aufsichtsrat) ; M. * M. Warburg mit einund
dreißig Aufsichtsratsposten und mancher andere.

169
Ein außerordentlich bezeichnender Fall für das Eindringen des Finanz
Kapitals in die Industrie liefert das Beispiel des Edelstahltrusts . Die
Deutsche Edelstahlwerke A. - G., Siz Bochum, ging durch Ka
pitalserhöhung aus der im Oktober 1926 gegründeten Edelſtahlwerk-Stu
dien A.-G. hervor. Das Aktienkapital der Gesellschaft beträgt 30 Mill. Me.
Im Aufsichtsrat ſizen bedeutende und einflußreiche Männer beiſammen :
Dr. Frih Thyssen, Dr. Albert Voegler, Geheimrat Böker, Ge
heimrat Klöckner, Dr. Oskar Schlitter, Jakob Goldschmidt,
Dr. Salomonsohn, Dr. Sintenis, Henry Nathan, Dr. Fah
renhorst, Dr. Haslacher, Walter Borbet, Generaldirektor Dr.
Zapp, Direktor Borgers, Direktor Klingenberg, Dr. Richard
Bischof, Dr. H. J. Böker, Direktor Ernst Brüninghaus.
Die Repräsentanten des Finanzkapitals sind folgende : Schlitter Oskar
vertritt die ,,Deutsche Bank“, Goldschmidt Jakob vertritt die „ Darmstädter
Bank“. Salomonſohn Artur vertritt die „ Diskontogeſellſchaft“. Sintenis
Gustav vertritt die ,,Berliner Handelsgesellschaft“. Nathan Henry vertritt
die Dresdener Bank“. Damit sind sämtliche Berliner Großbanken im
Edelstahltrust vertreten.

In der Kaliindustrie ist es nicht viel anders. Die Kaliindustrie


A.-G. Kaſſel, welche im Jahre 1926 12 Prozent Dividende verteilte,
zeigte in ihrer Generalversammlung fortschreitende Konzentration und ſtar
kes Eindringen des Finanzkapitals auf. In den Aufsichtsrat wurden als
Vertreter der Banken gewählt : Morih Schulze Berlin, Oskar Schlit =
ter, Alfred v. Oppenheim Köln, Henry Nathan Berlin.

Nicht weniger charakteriſtiſch für den finanzkapitaliſtiſchen Entwicklungs


prozeß und ſein Einfluß auf die Volkswirtschaft überhaupt, die es heute
bitter spürt, daß die Nentabilität des Kapitals in der Wirtſchaft von den
Banktischen aus beurteilt wird, ist die Machtstellung einer Bankierfamilie,
der Arnholds. Der Seniorchef des Hauses ist vor kurzem gestorben.
Er galt als „ großer Sozialpolitiker, als Kunſtverſtändiger und ſportsbegei
sterter Mann“. Er vereinigte als Aufsichtsrat 25 Unternehmungen und Ge
ſellſchaften in seiner Hand, während die übrigen Familienangehörigen
zuſammen an 108 Geſellſchaften beteiligt sind ; Adolf Arnhold an 15, Hans
Arnhold an 33, Heinrich Arnhold an 36, Kurt Arnhold an 14 Unter
nehmungen. Eine große Finanzmacht konzentriert ſich ſo in den Händen dieſer

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Bankiersfamilie : 133 deutſche Gesellschaften, von vier Bankiers kontrolliert,
überwacht und im Gang der Entwicklung einbezogen in den Stromkreis des
internationalen Finanzkapitals, der auch durch diese Dresdner Bank pulſiert.
Die bekannten grünen Prospekte der Arnholds zur Information ihrer
Kunden sind berühmt ob ihrer offenherzigen Bekennersprache zum wirt
schaftspolitischen Internationalismus. Internationale Handelskammer, euro
päischer Zollverein, Abbau des wirtſchaftlichen Nationalismus, internationale
Wirtschaftskonferenz, internationales Aktienrecht, das ſind die Bestrebungen
und Forderungen, auf die Arnhold in ſeinen grünen Briefen immer wieder
hinweist, die er seinen Kunden mundgerecht zu machen sucht, deren Durch
führung er für notwendig hält, um den Sieg einer „ Weltmeinung, die auf
dem Weg über die Parlamente die Regierungen von dem Mittel des über
spannten wirtschaftlichen Nationalismus zur wirtſchaftlichen Vernunft und
Einsicht bringen ſoll“, unbedingt ſicherzustellen.
Das Bankhaus Arnhold war auch eines der ersten, das die internatio
nalen Aktienverlagerungen von Deutſchland nach Amerika zu Beginn des
Jahres 1926 einleiten half, das Hypotheken zuſammenholte, um sie an die
ſogenannten Investment - Trusts weiterzugeben. Deren Aufgabe
bestand bekanntlich darin, deutsche Papiere zu mobilisieren und Beſißtitel in
den Händen des Finanzkapitals zu vereinigen.
In der Öffentlichkeit machte dieſes jüdiſche Haus von ſich zuletzt anläß
lich der Affäre mit dem Kaiserhof reden. Das Finanzministerium und
das Reichsarbeitsministerium ist vor einiger Zeit mit dem Konsortium
Aschinger und den Gebr. Arnhold übereingekommen, das Hotel Kaiſer
hof zu kaufen, und zwar um die Kleinigkeit von acht Millionen Mark. In
zwischen wurde bekannt, daß der Kompler Ende 1924 von dem Wiener
Bankier Bronner für knapp zwei Millionen Mark verkauft wurde. Das
Bankhaus Arnhold beeilte sich im ersten Schrecken dazu festzustellen, daß
die von der Aschingergesellschaft übernommenen 60 Prozent des Aktienkapi
tals fünf Millionen Mark gekostet hätten. Inzwischen waren in der Preſſe
Angriffe auf den Finanzminister erfolgt, dem vorgehalten wurde, dem
Bankhaus Arnhold, mit dem er in Verbindung stehe, das schon bei der
sächsischen Dollaranleihe durch ihn 1½ Millionen verdient habe, Kenntnis
von den Plänen des Reiches inbezug auf den Kaiserhof gegeben zu haben.
Das Bankhaus hätte die Mehrheit der Aktien der Berliner Hotelgeſellſchaft
A.-G. erworben, obwohl allgemein bekannt war, daß es dieser nicht allzu
glänzend ginge. Die Aktien seien dann im Lauf von einigen Monaten auf
über 200 gestiegen. Das Rätsel hätte sich gelöst, als das Reich den Auftrag

171
gab, das Hotel „ Kaiſerhof“ anzukaufen. Der Miniſter hat, was ſeine Per
son betraf, energiſch protestiert und mit Strafverfolgung gedroht, vom
Bankhaus Arnhold hörte man in der ganzen Sache kein Tönchen mehr.
Doch das ist ein inzwiſchen längst beiseite gelegter Fall. Hier ziemt es
sich nur noch von Arnholds ,,Wohltaten für die bedrängte Menschheit“ zu
sprechen. Sein Intereſſe“ galt, wie gesagt, besonders auch der Kunst und
dem idealen Ziel der internationalen Völkerverständigung. Seine ,,Fürsorge“
galt den Angestellten, für die er einen Arnhold-Penſionsverein gründete.
Seine Liebe galt dem Sport, er stiftete ein herrliches Bad in Dresden. So
rundet sich das Bild dieses bedeutenden Finanzkünstlers ab, wie das vieler
seiner großen Raſſegenoſſen, die sich nicht nachsagen laſſen wollen, daß ſie
nur ―――― Finanziers sind!
Vor nicht langer Zeit hatte das Bankhaus noch eine scharfe Auseinan=
dersehung mit der A.-G. für Licht- und Kraftversorgung
in München. Es ſuchte ein Muſterbeiſpiel dafür aufzustellen, wie ſich
ein Bankinstitut seiner Kundschaft versichert. Durch einen kleinen Betrag
Vorzugsaktien sollen der Licht- und Kraftgesellschaft so die Hände gebunden
werden, daß sie nicht die geringste finanzielle Maßnahme ohne Gebr. Arn
hold hätte treffen können. Die Sache sollte wie folgt, vor sich gehen:
Die A.-G. ſei verpflichtet ihre Hauptbankverbindung dem Bankhauſe
Gebr. Arnhold zu übertragen, und ihm die Durchführung sämtlicher finan
zieller Transaktionen (Kapitalserhöhungen und -herabſeßungen, Ausgabe
von Anleihen, Kreditaufnahmen, Fuſionen uſw.) in erster Linie anzubieten
und, wenn ihr von dritter Bankſeite günstigere Angebote gemacht werden
als von Gebr. Arnhold, diesen das Recht einzuräumen, in die günstigeren
Angebote einzutreten.
Der Widerstand in der Generalversammlung war aber ſo ſtark, daß die
Arnholds ihre Pläne fürs erste nicht durchſeßen konnten.
Die Arnholds haben auch auf das Hotelgewerbe großen Einfluß. In
Berlin entſtand eine neue große Konzentration im Hotel- und Gastwirts
gewerbe, der größte Hoteltrust Europas, vielleicht der Welt. Die Aktien
majorität der Hotelbetriebsgeſellſchaft ist aus dem Beſiß der Gründerin,
der Firma Koppel & Cie., in den Beſiß eines Konſortiums unter Füh
rung das Bankhauſes Arnhold übergegangen. Das Bankhaus war bereits
maßgebend an der Berliner Hotelgesellschaft, zu der die Hotels
Baltic am Stettiner Bahnhof und Kaiserhof gehören, sowie der
Aschinger Aktiengesellschaft, der die Hotels Fürstenhof
und Palast hotel gehören, beteiligt.

172
Die Aschinger A.-G. hat in der lehten Zeit große eigene Fabrikbetriebe
geſchaffen, die sie mit den modernsten Einrichtungen versehen hat. Dieſe
Fabrikbetriebe ſind in der Lage, den gesamten Hotelbeſih mit Bäckereiware
zu versehen. Ebenso besitzt die Aschinger A.-G. eine eigene Schlächterei. Zu
dem neuen Hoteltrust gehören jeßt : Hotel Briſtol, Zentral-Hotel, Hotel
Bellevue, Palast-Hotel, Hotel „ Der Kaiserhof“, Hotel Baltic, Hotel Für
stenhof. Ferner umfaßt die Hotelgesellschaft außer ihren Hotels das Kaffee
Kanzler, das Grundstück Unter den Linden 2, Ecke Wilhelmstraße, das
Kaffee Baur, den Wintergarten und das Kaffee-Reſtaurant Heidelberger.
Die Hotelbetriebsgesellschaft besißt ein Kapital von etwa 15,5 Millionen
Mark und man schäßt den Beſiß der Firma Koppel auf etwa 60 bis 80
v. H. des Aktienkapitals. Bei dem erzielten, wahrscheinlich recht beträcht
lichen Agio kamen bei dieser Transaktion ganz gewaltige Summen in
Frage. Die Hotelbetriebs-A.- G. hat ſich immer sehr gut rentiert. Sie hat
enorme stille Reſerven in der Bilanz. Die frühere Oppoſition der Unzufrie
denen hat sich in Wohlgefallen aufgelöst, seit der neue Riesentruſt ganz der
wirksamen Kontrolle des Finanzkapitals unterſteht. Bankier Hirschfeld, der
Vermittler der Transaktion, konnte zufrieden ſein.

Unter den Maklergenies der Nachkriegszeit, die mit den sogenannten


ſoliden Bankiers älteren Schlages , selbst wenn sie beide Vertreter der gleichen
Raſſe waren, ernsthaft die Kräfte maßen, muß Hugo Herzfeld genannt
werden. Er hat das Zeitliche schon geſegnet, lebt aber sicher, ſo ſehr ihn die
Öffentlichkeit vergaß, recht lebhaft in der Erinnerung des erlauchten Kreiſes
um die Fürstenbergs noch fort. Der alte Fürstenberg, der ,,leßte reine
Bankier großen Formats“, der „ Inflationsgegner“, hat mit dem „ hoch
modernen Finanzier“ Hugo Herzfeld allerhand Erfahrungen machen müſſen.
Pinner sang diesem Moraliſten des Finanzkapitals ein begeistertes Loblied
zu ſeinem fünfundsiebzigsten Geburtstag. Von Fürstenberg raunt die Fama,
daß er Dividende als den Teil des Profits bezeichnet habe, der sich mit
dem besten Willen nicht mehr verstecken läßt"; sie legt ihm noch manch
anderes famose Bonmot in den Mund, rühmt ihm Schlagfertigkeit und
Mutterwiß nach. Aber er gehört zweifellos zu den Männern, welche die
Inflation von der taktischen Seite her, wie wenige, begriffen. Seine Finanz
diplomatie war nicht von heuer und zeigte sich bei der Liquidation des
Stinneskonzerns von der besten Seite. Pinner hat nicht viel Glück damit,
wenn er glauben machen will, daß Fürstenberg in den Zeiten der Geld

173
entwertung Ermüdungssymptome zeigte ! Er muß ja auch zugeben, daß die
Berliner Handelsgesellschaft in den Jahren nach der Inflation wieder stär
ker in den Vordergrund des Finanz- und Wirtſchaftslebens getreten ist,
nachdem es während der Inflationsjahre mit ihren ,,großspurigen aber inner
lich hohlen Getue und Gehabe manchmal den Anschein gehabt hatte, als ob
die Zeit über diesen Mann und ſeine Schöpfung etwas hinweggegangen“ ſei.
Carl Fürstenberg (ſo nimmt er ihn in Schuß) iſt in jenen Jahren, als die
großen aufgeblähten Transaktionen und Kombinationen, die Konzernbil
dungen und Sachwertzuſammenraffungen an der Tagesordnung waren,
von den damals modernen Größen nicht selten atteſtiert worden, daß er die
neue Zeit nicht verstehe und ihre Möglichkeiten nicht ausnüßen könne. „ Ein
paar Mal hatte er an der Börſe, ſo z. B. als er die Überfremdung des
Bochumer Vereins durch den hochmodernen Finanzier
Hugo Herzfeld nicht zu hindern wußte, Schlappen er
litten. Bei den großen aber im Grunde so fruchtlosen Konferenzen der
Bank- und Wirtschaftsſachverständigen, die von der Regierung zum Zwecke
der wirtschaftlichen Neuorganisation und zur Aufhaltung des Währungs
verfalls einberufen worden waren, gehörte er nicht zu denjenigen,
die sich mit ihrem Nate in den Vordergrund drängten
und die daher als die bevorzugten Ratgeber galten.
Fürstenberg hütete sich in jener Zeit, Ratschläge zu er
teilen , deren Nuhlosigkeit und Fragwürdigkeit sein
scharfer, vorwiegend kritisch gerichteter Geist erkannte.
Er wurde dadurch vor dem Schicksal bewahrt, falsche Ratschläge zu er
teilen. Seine Zurückhaltung und seine von ihm selbst manchmal zu scharf
betonte Müdigkeit der Inflationszeit rührten nicht so sehr daher,
daß er die Inflationswirtschaft nicht begriff, sondern
daß er sie nicht begreifen wollte. Tatsache ist jedenfalls, daß
ihn, den oft fälschlicherweise geistig Lotgesagten, seine erstaunliche körper
liche und geistige Zähigkeit befähigt haben, diese Zeit zu überdauern und in
die neue Zeit mit einer Intensität und Beweglichkeit einzutreten, die auch
seine Konkurrenten und Widersacher überrascht haben wird. Die Rück
führung der in den Besiß des Stinnes - Konzerns über
gegangenen starken Minderheit der Handelsanteile in
Hände, die dem Einflusse Fürstenbergs unterlagen, war
wieder ein Meisterstück seiner alten Finanzkunst, und
die Gesichtspunkte, die er bei der Goldumstellung der
Handelsanteile zur Anwendung brachte, erwiesen sich

174
als die richtigen und wirkten richtunggebend auch für
die anderen Banken.“
Zwischen den Zeilen ist hier zu lesen, daß er keineswegs die Zeichen der
Zeit verkannte, troßdem es den Anſchein hatte, als wäre er von Herzberg
geschlagen worden. Dieser Manager großzügiger Zwiſchengewinne gehörte
zur Gattung jener Finanziers, die, nicht allzu zart besaitet, den Krieg als
Profitkonjunktur auffaßten und den Existenzkampf eines Volkes ge
ſchäftsgewandt in Prozente umwandelten. Er hatte deutschen Kommuner
Auslandsgelder, kurzfristige Darlehen verschafft, wobei auch ansehnliche
Sümmchen an ihm hängen blieben. Eine Nummer an der Börse begann er
aber erst nach dem Umsturz zu werden, als es ihm, dem Spezialiſten
für Zwischenmanklereien, gelang, die Hand auf ein altes , großes Schwer
industriewerk im Westen zu legen. Der Fall Bochumer Verein ,
Mansfelder Berg bau, brachten seinem Namen ,,Klang und Gewicht“;
er mobiliſierte alten Familienbesih und führte ihn dem Konjunkturſpiel der
Börse zu. Dabei prallte er mit Fürstenberg zusammen, der zweifellos der
beſſere Taktiker war. Er hatte aber nicht den Ehrgeiz, produktiv im volks
wirtschaftlichen Sinne des Wortes zu arbeiten. Er blieb, was er war, der
„ geborene Aufkäufer, der Virtuoſe der Börſenarbitrage“, der heute vielleicht
auf dem tiefen Grunde der Deflationserſtarrung ruhen würde; aber ſein kurzes
Wirken war nicht viel weniger verhängnisvoll als die Zerſeßungsarbeit der
größeren Hochstapler seiner Raſſe. Er hat die Strategie der Überfremdung
im großen Stil vorgeführt und ſeinen Nachfolgern taktiſche Grundsähe der
Vertruſtungspraxis gelehrt. Daran wurde er reich, sehr reich.

Dieser kurze Überblick zeigt, daß wenige Vertreter des Finanzkapitals


durch ihre Aufsichtsratsmandate und Vorstandsposten fast die gesamte deutsche
Großinduſtrie kontrollieren, ein Kapital alſo, das mehr als den dreißig
fachen Wert des Eigenkapitals der Banken ausmacht. Daß der Schlüſſel zu
diesem Nätsel in dem herrschenden Kreditsystem zu suchen ist, daß Kredite
aus dem Ausland faſt nur mit dem Giro der Großbanken in Deutſchland
zu erhalten sind, ist bekannt genug. Das Finanzierungs- und Kreditgeſchäft
erlebt seit einigen Jahren eine Blüte wie nie zuvor, die Zunahme der Aktien
gesellschaften in Deutſchland erinnert an die Gründerzeit nach dem siebziger
Kriege. Ein ungeheures Gebiet weitverzweigter und veräſtelter Beziehungen
des Finanzkapitals, zum größten Teil gespeist von fremden Geldern, eröff
nete sich zu einer scheinbaren Wirtſchaftsblüte, die im Grunde künstlich

175
hervorgerufen ist, eine Art Treibhauskultur ! Potemkinſche Dörfer, die eine
prachtvolle Fassade zeigen ; hinter der aber die trostloſe Öde des inneren
Verfalls gähnt!
Die Gewinne des Finanzkapitals auf der Börse waren in dieſer Zeit beiſpiel
los. Allein für 1926 wurden ſie auf 12 Milliarden, kaum verſteuert, beziffert.
Die sprunghafte Hausse des Frühjahres 1927, zum größeren Teil mit
Auslandsgeld sowie kleinen und mittleren Kundengeldern gemacht, führte
über den ſchwarzen Freitag einen Teil dieſes Rekordſyſtems an den Rand
der Katastrophe. Wenn man ſich davon aber heilſame Nußanwendung für
die Volkswirtschaft versprechen wollte, war man arg im Irrtum.
Das Eigenkapital der berühmten" D-Banken ist groß. Es reicht aber
in seiner Bedeutung weit über den nominellen Wert desſelben hinaus, der ein
schließlich der Reserven auf etwa 600 Millionen angegeben werden könnte.
Auch die ihnen zur Verwaltung anvertrauten Gelder ihrer Kundſchaft recht
fertigen diese Macht noch lange nicht. Aber die Großbanken ſizen an den
Ventilen der wichtigsten deutschen Kreditquellen. Die deutsche“ Reichs
bank diskontiert nur Wechsel, die ihr von einer zugelassenen Bank zuge
leitet werden. Den Löwenanteil an diesem Wechselgeschäft haben ſelbſtver
ständlich die Großbanken zugewieſen erhalten. Während sich die Tagespolitik
um Barmat, Heilmann, Levi, Kutisker, Haas kahbalgte, erreichten die
Großbanken als lachende Dritte, daß die Vergebung der Poſt- und Staats
kredite über ihre Mühlen geleitet werden mußte. Endlich waren die für die
deutsche Wirtschaft erheblichen Kredite aus Amerika und England faſt nur
mit dem Giro deutscher Großbanken erhältlich. 2 bis 3 v. H. bringt die
Unterschrift unter diese dreifach gesicherten Schuldurkunden den vermitteln=
den Banken ein. Die jüdische Vetternſchaft in der Wall Street hat von den
Tagen der Dawesanleihe an kräftig geholfen, die Macht der „ deutſchen“
Großbanken zu stärken.
Über die Bankgeschäfte während der Inflation zu reden, würde hier siel
zu weit führen. Nach Stabiliſierung der Mark sahen sich die Banken ge
zwungen, ihr Geſchäft in verschiedener Hinsicht umzustellen. Zunächſt
erfolgte ein rücksichtsloser Abbau der Beamten und Angestellten. Kredit
geſchäft und Gründung von neuen Aktiengesellschaften war dann das
Hauptgeschäft der Banken und Bankiers. Auf diesem Gebiete wurde „ Er
staunliches" geleistet.
Das Kreditgeschäft führte dazu, daß verschiedene Banken sich eigene
Finanzierungsabteilungen geschaffen haben und Geldgeber im In- und
Ausland suchten.

176
Interessenten fanden sich troß der hohen Zinssäße immer, da viele noch
unbelastete Induſtrien Kredite aufnahmen, um den flauen Geschäftsgang zu
heben. Neue Maschinen mußten beſchafft werden, techniſche Umänderungen
wurden getroffen, neue Reklamemöglichkeiten geschaffen, um nicht imWett
bewerb mit anderen Firmen zurückzubleiben. Ähnlich ging es der Landwirt
schaft. Auch sie brauchte Maschinen und flüssiges Geld zur Beschaffung von
neuen Saat- und Düngemitteln. Kurz, das Finanzierungsgeſchäft erlebte
an der sogenannten „ Rationaliſierung“ eine Blüte, wie sie selten dageweſen
war.

Die bürgerliche, merkantiliſtiſche Wirtſchaftsordnung hat das mit dem


Ende der Inflation einsehende finanzpolitiſche Überfremdungsſyſtem kritiklos
und begierig aufgegriffen und steht heute vor einem Trümmerhaufen. Die
deutsche Auslandsverschuldung, von vielen dauernd mit Beifall begrüßt,
von wenigen nur als drohende Gefahr größten Ausmaßes erkannt,
zwang die offiziellen Stellen bald, Richtlinien über die fernere Aufnahme
von Auslandskrediten durch Länder, Gemeinden, und Gemeindeverbände
herauszugeben.
Kam diese bürokratische Maßnahme, die bewaffnet mit Paragraphen
und Aktenzeichen an einem volkswirtſchaftlichen Kataſtrophenzustand, der
seit Jahr und Tag besteht, hocherhobenen Hauptes vorbeiſtolziert, nicht
längst zu spät? Waren dieſe ganzen Richtlinien über Belaſtungsfäße, Bürg
schaften und Sicherheiten, Langfristigkeit, Rückzahlungsmodalitäten, Ver
wendungszwecke und so fort, nicht schon völlig überflüssig, wo in ganz
Deutschland Länder und Kommunen ihre Forsten und Wiesen, Bibliotheken
und Muſeen, rollendes Material und Immobilien mit ersten und
zweiten Hypotheken belastet haben, in einem Neß von kurz- und lang=
fristigen Auslandsanleihen hängen, die über Nacht zu Katastrophen von
ungeahntem Ausmaß führen können !
Heute wendet sich ein Mann wie Schacht, wenden sich die Regierungen
und Behörden gegen die kurzfristigen Auslandsgelder, ohne über die lang
fristigen auch nur ein Wort zu verlieren. Man sagt, dieſe ſeien weniger ge=
fährlich und überläßt getrost der nächsten und übernächsten Generation die
Sorge um Zins und Amortiſation. Mit der Sicherheit eines Naturgefeßes
versinkt so Deutschland langſam immer tiefer im Sumpf des ausländischen
Finanzkapitals ; es wird sich wohl später wie weiland Münchhausen am
eigenen Zopf wieder herausziehen ! Für den Augenblick, überlegen die
Herren, ist gesorgt, die kurzfristigen Anleihen müssen pfleglich behandelt

12 177
werden, später können unsere Nachfahren sehen, wie sie aus dem Sumpf
wieder herauskommen ! Und überhaupt, hätte man deutsche Kriegsanleihe
bei der Wall Street aufgelegt, wäre Amerika nie in den Weltkrieg mar
schiert! Was zu beweisen war!
Damit wären wir also bei der sehr naheliegenden Anſicht, daß es das
Beſte ſei, überall und soviel man kann, Schulden zu machen. Dieses Prin
zip hat Deutschland, hat das marriſtiſch-finanzkapitaliſtiſche Syſtem getreu
lich befolgt. Deutſchlands Auslandsverſchuldung iſt nicht nur abſolut, ſon
dern auch prozentual die höchſte unter allen Ländern. Sie soll zwar, wie
man offiziell glaubhaft machen will, über Erwarten niedrig sein, aber da
rüber gehen die Meinungen auseinander. Die kurzfristigen Kredite beliefen
sich Ende 1927 auf 3,6 Milliarden, die langfristigen auf 3,95 Milliarden,
zusammen also 7,55 Milliarden. Schacht schäßt 10 Milliarden. Herr Dawes
holt jährlich gleichfalls zweieinhalb Milliarden aus unserem Volke heraus,
der Jahreszins beträgt mindestens eine halbe Milliarde. Die Gesamtleistung
an Tributzahlungen, welche Deutſchland aufzubringen hat, belaufen sich im
Jahr somit auf rund 3½ bis 4 Milliarden und darüber.
Die Kernfrage lautet heute mit geradezu tragischer Eindringlichkeit,
ob und wie lange der Kapitalwert der belasteten Unternehmungen und
Betriebe neben den ungeheuren Dawestributen auch noch die steigenden
Schuldzinſen und Amortiſation wird tragen können. Und zweitens, ob der
durch jede neue Auslandsanleihe entstehende größere Umlauf der Zahlungs
mittel nicht inflationsähnliche Wirkungen ausüben, Teuerung, ſchwindende
Kaufkraft der Mark und schließlich eine Gefährdung der Währung selbst
bedeutet. Von der Beantwortung dieser Fragen hängt das Schicksal der
deutschen Volkswirtſchaft ab.

178
Dawesgewinuler.

Die Reparationstribute als ergiebige Quelle für Sach=


―――――
lieferungsgewinne - „Deutsche“ und „französisch e“
Kontrahenten der Goldschmidt, Levy, Wertheim - Der
-
Düsseldorfer Reparations skandal Herrn Falks
Rolle --- Der Graf und der Kommerzienrat - Riesen

gewinne auf Kosten der deutschen Steuerzahler

Man könnte angesichts der zu Beginn des Jahres 1928 entdeckten


ungeheuerlichen Vorgänge bei den Reparationslieferungen fragen, wie es
denn möglich ist, daß sogenannte Staatsverträge, über deren staatsrecht
liche Grundlage man allerdings verſchieden denken kann, zu privaten Schie
bereien größten Stils ausgenügt werden können. Die Antwort iſt nicht so
schwer, wie sie zu ſein ſcheint.
Neben dem offiziellen Apparat, der mit der Abwicklung der Repara
tionszahlungen beſchäftigt iſt, läuft ein inoffizieller, eine „ private“ Orga=
nisation, in der sich ein guter Teil des europäiſchen Hochſtaplertums zu
sammengefunden hat. Das ist eine unmittelbare Folge der sogenannten
Kommerzialisierung der Sachlieferung. Nicht der deutſche und der fran
zösische Staat sind die Vertragsparteien, ſondern Privatleute, Händler,
Importeure und Exporteure. Die Verträge derselben müſſen lediglich von
den Staaten anerkannt sein,,,homologiert“, wie der schöne Fachausdruck
heißt. Dann kann die Verrechnung auf Reparationskonto erfolgen. Daß
die Anerkennung seitens der staatlichen Stellen erfolgt, dafür müſſen die
Freunde und Verwandten dieser Herren in den maßgebenden Stellen des
Staatsapparates sorgen. Es handelt sich alſo um ein System, in dem der
berühmte Ausspruch Rathenaus,,,daß ein jeder jeden kennt", eine geradezu
klassische Verwirklichung erfährt. Das ist ein trübes Kapitel aus der Ge
schichte des sogenannten Reparationsſyſtems, welches aus dem ſo=

12* 179
genannten Kriegsschuldbekenntnis des deutschen Vol :
kes und seinen Steuergeldern zu guterlegt noch Mil
lionengewinne volksfremder Schieberdämone zu mün
zen weiß.

Der sogenannte Geschäftsgang der riesigen Schwindeleien bei den


Dawestributen ist sehr verwickelt. Man unterscheidet zweierlei Schiebungs
manipulationen, mit deren Profit die deutſchen“ und „ franzöſiſchen“
Dawesgewinnler kippe zu machen pflegen. Der „ deutſche“ Partner zahlt
seinem „ franzöſiſchen“ Partner seinen Teil des Reparationsbetrages in
bar zurück. Dann werden die Waren falsch bewertet, oft bis zum zehn
fachen des Betrages und die Frachtbriefe entsprechend ge, deutet“. Der
,,Franzose" bestellt z. B. beim ,,Deutschen" Waren im Wert von sagen wir
200 000 Mark, dieser liefert nach Übereinkunft die Waren in schlechter
Qualität, so daß ihr Wert nur 100 000 M. beträgt. Der von der franző
sischen Regierung gewährte Rabatt wird durch diese gefälschte Wertangabe
erhöht und der Gesamtgewinn geteilt. Außerdem kamen noch Bonds
manöver in unglaublichem Umfange vor. Die franzöſiſche Regierung
gibt diese Gutscheine aus, die beim Bezug von Sachlieferungen von ihr
zum Nennwert in Zahlung genommen werden. Zuſammen mit dem oben
erwähnten „ Vorgang" ergeben sich daraus troß eines Diskontabſchlages
ungeheuere Dawesgewinne.

Dieſe Manipulationen, welche sich auf längere Zeit hindurch erstreckten,


traten plößlich in ein sehr eigenartiges Licht durch das scharfe Zugreifen
einiger französischer Untersuchungsrichter. Dabei stellte sich heraus, daß die
Herren, welche sich auf diese Weise einige Nebenverdienſte zu verſchaffen
wußten, ſamt und ſonders sehr schöne Namen tragen. Sowohl in Paris,
als auch in einigen anderen Städten der Provinz fanden Hausſuchungen
statt, bei denen auch die Namen der geſchäftstüchtigen Herren, die aus
dem Dawespakt, also aus deutschen Steuergeldern Millionengewinne
,,herausgeholt" hatten, zutage traten. Die erstaunte Öffentlichkeit erfuhr, daß
es sich wieder einmal um Herrschaften handelte, die auf Namen wie Levi,
Goldschmidt, Wertheimer hörten und nach alter Tradition auf dem Weg
des Hintertürchens zu erreichen suchten, was über die sogenannten Re
parationen nicht zu erreichen war. Die Haussuchungen führten zur Be
ſchlagnahme einer größeren Anzahl Dokumente, die den glatten Beweis für

180
die erfolgten Manipulationen erbrachten. Es handelte ſich namentlich um zwei
in Paris „ etablierte“ Firmen, als die Hauptſchuldigen, die mit ſog. Geſell
schaftern und Geschäftsfreunden in Berlin, Straßburg und Baden-Baden
zuſammenarbeiteten. Bei den aufgedeckten Lieferungsbetrügereien drehte
es sich in der Hauptsache um Kohle, Zucker und Hopfen. Die Höhe der
Kontrakte, bei denen Unregelmäßigkeiten vorkamen, wurden auf 200 Mil
lionen Franken angegeben.
Pariſer Blätter nannten als Hauptbeteiligten an den Schwindeleien die
„Para - Import- und Exportgesellschaft", deren Mitdirektor
Louis Goldsmith in Berlin wohnhaft ſei, ſich aber viel in Paris auf
hielt. Er wurde einem hochnotpeinlichen Verhör unterzogen, bei dem nicht
gerade erbauliche Dinge zur Sprache kamen. Weitere Hausſuchungen sind
bei der Geſellſchaft „ Minerva“ erfolgt, die sich mit Kohlenlieferungen
befaßte, bei einer Gesellschaft „ Societe du Plan Dawes“, bei
deren Inhaber Gondberg und Levi auch in den Privatwohnungen
nachgeforscht wurde. Hier wurde soviel belastendes Material gefunden, daß
nur ein Teil ſofort beschlagnahmt werden konnte und der Reſt bis zur
weiteren Nachprüfung versiegelt wurde. Andere Nachforschungen wurden
bei einem Gesellschafter der Firma Gondberg und Levi namens Lucien
Levi in Meaux, sowie bei einem Großlieferanten für Vieh in Meaur
namens Dauphin. Auch der Bürgermeister der Gemeinde La Loupe ist in
die Angelegenheit verwickelt. Ferner wurden aus dem Elsaß und besonders
aus Straßburg Betrügereien bei Lieferung von etwa 400 000 Kilo Hopfen
gemeldet. Hierbei wurden genannt eine Firma Netter, Straßburg,
mit einem in Baden - Baden wohnenden Gesellschafter namens Wert
heim.
Diese Auswahl von wohlklingenden Namen zeigt, daß auch die Repa
rationslieferungen, welche sich auf dem Rücken des deutſchen Steuerzahlers
vollzichen, ein ergiebiges Gebiet für „ deutſche“ und „ franzöſiſche“ Dawes
gewinnler sind. Die Presse hat bei Bekanntwerden des Falles in allzu
voreiliger Weise" Kritik an diesen Vorkommnissen geübt. Die Namen der
Träger der Handlung waren nämlich in den ersten Tagen der Katastrophe
nicht bekannt geworden. Als dieselben jedoch in den französischen Blättern
genannt wurden, traten die Moſſes und Ullsteins rasch den Rückzug an.
Die Vossische Zeitung“ meldete schleunigst, daß die deutſche Regierung
nicht daran denke, den hohen Herren Dawesgewinnlern des auserwählten
Volkes den Prozeß zu machen. Das Vorgehen der französischen Behörden
ist nach dem ersten Anlauf gleichfalls stecken geblieben, ſo daß, wie schon

181
so oft, auch hier zu erwarten steht, daß auch dieſer Nieſenbetrug, der sich
auf Kosten des erfüllungsseligen deutschen Volkes vollzieht, im Sande
verläuft und das Verfahren völlig niedergeschlagen wird.

Vor kurzer Zeit spielte sich vor dem Landgericht in Düſſeldorf ein
Reparationsskandal ab, der mit den Leistungen“ der Levi, Goldschmidt
und Wertheimer in einem gewiſſen Zuſammenhang ſtand. Das Gericht war
mit der Entſcheidung über zwei Arreſte beſchäftigt, welche der Franzose
Graf d'Herbemont gegen den Rheinhandelskonzern A. - G.,
Düsseldorf, bzw. dessen Inhaber, den in Düsseldorf wohl bekannten
jüdischen Bankier Kommerzienrat Mar Falk in Höhe von zusammen
fünf Millionen Mark erwirkt hatte. Diese Summe stellte zudem nur eine
Vorauszahlung des Grafen auf Proviſionskonto dar, woraus auf den Um
fang des Gesamtgeschäftes einige beziehungsreiche Schlüſſe gezogen werden
können. Wochenlang bemühten ſich die Gerichte, Klarheit in diese verwickelte
Materie zu bringen, aber der „Mechanismus “ der Reparationslieferungen ist so
verwickelt, daß auch der Fachmann sich nur schwer hindurch zu finden vermag.
Der Graf d'Herbemont iſt ein einflußreicher Mann im Pariſer Finanz
miniſterium. Sein Gegenspieler, Kommerzienrat Falk, ist ein angeſehener
Bürger Düsselsdorfs, der seinen Titel noch 1918 von dem verfloſſenen
Fürstentum Lippe gekauft hat. Er ist nichtsdestotrok ein begeisterter An
hänger der Republik und, wie verschiedene Quellen eifrig berichteten, ein
„ ehrenhaftes und zahlendes Mitglied des Reichsbundes jüdiſcher Frontſol
daten“. Sein Kompagnon war der „ Viehhändler“ Wolff.
Dieser bekam eines Tages Kenntnis, daß die franzöſiſche Regierung
Schafe aus Deutſchland beziehen wolle, da in Marokko eine Schafpeſt
die dortigen Bestände stark gelichtet hatte. Wolffs „ Kommiſſionäre“
ſchafften in kurzer Zeit 60 000 Hammel zur Stelle. Da sich das Geschäft
gut anließ und „ ungeahnte Verdienstmöglichkeiten“ zu winken schienen,
gründeten Falk und Wolff zuſammen die Wolff G.m.b.H., welche
beim Rheinhandelskonzern Falks untergebracht wurde. In diesem Konzern
befand sich die obenerwähnte Minerva - Handels A.-G., eine aus
gesprochene Inflationsgründung, die als sogenannte Einkaufsgeſellſchaft
,,arbeitete“. Das ganze „ Monstrum“ von Konzern umfaßte nahezu ein
Dußend Gesellschaften und nahezu ein Dußend Angestellte, ſo daß man
(vergleiche ,,Amerima“) von einer „ verſtändnisvollen Übertragung“ des
Barmatsystems auf dieſe Gründung sprechen kann.

182
Während der Besaßungszeit unterhielt der ehrenhafte und zahlende"
Herr Falk einen intimen Verkehr mit dem französischen Kommandanten
Pilippi. Dieser hatte einen Dolmetscher namens Noblot, der Falks
Schwiegersohn wurde. Dessen Bruder stand in festen Beziehungen zum
Pariser Finanzministerium, das die Aufträge für die sogenannten Sach
lieferungen vergibt und entsprechende Vorſchüſſe zahlt. Graf d'Herbemont
war dort ausschlaggebende Persönlichkeit. Das System der Lieferungen,
welches wir oben kurz andeuteten, vollzieht sich finanztechniſch zum Teil ſo,
daß die franzöſiſche Reparationskaſſe jedem franzöſiſchen Bezieher deutſcher
Sachlieferungen umgehend den dritten Teil der vertraglich festgesezten
Summe als Vorschuß auszahlt und zwar in Form eines Sichtwechsels auf
die Reichsbank in Berlin. Von hier aus geht er an den deutſchen Lieferanten
und wird zu Laſten der deutschen Reparationsschuld, besser gesagt zu Laſten
des deutschen Steuerzahlers, eingelöst.
Auf Grund der „ Beziehungen“ erhielt „ Wolff-Falk“ von „ Noblot
d'Herbemont" Auftrag über 60 000 Hammel und 20 000 Tonnen Zucker.
Der Graf zahlte rund fünf Millionen Vorschüsse. Geliefert wurden nur
10 000 Hammel und 1172 Tonnen Zucker. Die Hammel sollten je 100
Pfund Lebendgewicht 69 Mark kosten. In Deutschland betrug der Ge
stehungspreis 30 Mark, stieg aber infolge der plöglichen großen Nachfrage
stark, so daß das Geschäft nicht mehr lohnte. Falk erbat und erhielt deshalb
in Paris eine Nachbewilligung von 100 Prozent also 138 Mark für die
weiteren Lieferungen ! Das ergab einen Vorschuß von 2,6 Millionen Mark.
Der Sichtwechsel ging von Paris nach Berlin, und weil für derartige Vor
schüsse eine Bankgarantie gestellt werden muß, von da an — die Minerva
Handels A.-G. ! Was sollte die Minerva lieber tun, als für ihren Konzern
dieſe Garantie übernehmen ? Zumal der Bruder des Schwiegerſohns, alſo
der Pariser Noblot allein ( !) zeichnungsberechtigter Geschäftsführer der
Minerva war. Der " Mechanismus “ funktionierte also geradezu glänzend.
Bald kam der zweite große Auftrag über 20 000 Tonnen Zucker. Man
lieferte zunächst nur 1172 Tonnen. Aber irgendwo in Frankreich hängte
,,irgendwer" auf den begleitenden Konoſſament eine 0 an die 1172 Tonnen.
Nachdem man den Vorschuß auf die zehnfache Menge erhalten hatte,
versuchte man schleunigst, die in einem französischen Hafen liegende Schiffs
ladung nach England zu verſchieben, noch ehe neugierige Blicke den Schiffs
bauch etwas näher unterſuchen konnten. Bei den obenerwähnten in Paris
entdeckten Reparationsschiebungen, in die die genannten ,,deutſchen“ Firmen
verwickelt waren, darunter die ,,Minerva“, kam die Sache heraus. Und da

183
der Rheinhandelskonzern die erwähnten 100 Prozent Aufschlag auch für
·
• die schon gelieferten 10 000 Hammel verlangte, wurde die Sache dem
Grafen zu „ unſicher “. Das um die Vorſchüſſe gebrachte franzöſiſche Finanz
ministerium verlangte ſein Geld zurück und der Graf erklärte ſeinerseits
den Rücktritt von den Verträgen. Das Geld war troh Bank- ( 1) Garantie
der Minerva A.-G. in dem „ Mechanismus “ verſchwunden ! Wolff iſt im
Herbst 1927 aus der ,,Wolff G.m.b.H.“ „ ausgetreten“. Falk ſchwörte
jeden Eid, daß er von den Fälschungen nichts wußte und Noblot, Paris,
verschwand. In seiner Not hat dann der Graf die beiden Arreste am Land
gerichte Düsseldorf erwirkt und sämtliche Bankguthaben beſchlagnahmen
laſſen. Mit der unschuldigsten Miene erklärte der Kommerzienrat, daß er
auch zu weiteren ( 1) Lieferungen bereit ſei, und verlangte Aufhebung der
Arreste !
Der Rechtsanwalt des Grafen d'Herbemont versuchte vor Gericht
Klarheit in diese verwickelten Zusammenhänge zu bringen. Als er bei einem
ausschlaggebenden Wendepunkt einſeßte rief Kommerzienrat Falk: „ Herr
"/
Rechtsanwalt, das verstehen Sie nicht, was Sie da ſagen, iſt Landesverrat.'
Mit diesem Begriff ſollte Herr Falk nicht allzu leicht umgehen. Es gibt
in der Düsseldorfer Gegend wohlunterrichtete Kreise, die der Überzeugung
ſind, daß Herr Falk wegen Machenschaften bezüglich der berüchtigten separa
tiſtiſchen Geldwährung (welche beſtimmte Kreiſe im Rheinlande als finanz
politische Grundlage einer rheiniſchen Republik geplant hatten) wegen Lan
desverrat nahe daran war, vor Gericht zu kommen. Herr Falk muß wohl
zu den Kreiſen um den Bankier Louis Hagen-Levi gehört haben, der in den
furchtbaren Zeiten der Rhein-Ruhr-Beseßung Morgenluft witterte und eine
finanzpolitische Separationsbewegung förderte. Herrn Falk wurde seine
Sympatic für diesen währungspolitiſchen Separatismus vom Gegenanwalt
in der öffentlichen Gerichtssitzung vorgehalten. Aber das ſpielt für einen
gewandten Geschäftspolitiker heute alles keine ausschlaggebende Rolle mehr.
Heute kann in Deutſchland moraliſch überhaupt niemand mehr erledigt
werden. Mag er auf dem Kerbholz was nur immer haben.

184
Register.

Abrams 74 Daimler-Benz 136


Aga 86,135 Darmstädter und Nationalbank 81 ff.
Aktienbeteiligung der Arbeiter 135 Deutsch, Felix 19, 90, 151
Aktiengesellschaft, Statistik der 164 f. Deutsche Allgemeine Zeitung 89
Akzeptbanken 11 Deutsche Bank 69, 74, 95
Alkoholkapital 27 Depositenbank, Wiener 118
Allgemeine Elektrizitäts-Geſellſchaft 150 f. Dernburg, Bernhard 82 f.
Alsberg 139 Detailgeschäft 145
Althoff 139 Deterding 21
Anleihesperre 177 Diamantenfelder, südwestafrikanische 82
Arnhold 98 Dreyfus 34, 38 f.
Arnhold Gebrüder 170 f.
Aschinger 171 Ebert 50
Auslandsverschuldung, die deutſche 177 Edelstahltrust 170
Austerlik 112 Effektengewinne der Großbanken 163
Automobilindustrie, deutsche 133 f., 136 Einheitspreisgeschäfte 143
Einheitspreissystem 140
Ballhausplaß, der 114 Eisenbahntrust, mitteleuropäischer 35 f.
Ballin 22 Eisen- und Metallverarbeitende Industrie,
Bamberger 13 mitteldeutsche 69
Banca Commerciale 122 Eldersch 112
Banque de Paris et des Pays-bas 21 Elektrowirtschaft, Vertruſtung der deutschen
Barmat, Gebrüder 49 ff., 52 ff. 36
Bauer, Gustav 47, 49, 50, 52 Elektrowirtschaft, Vertruſtung der 31 f.
Bayerischen Motorenwerke 116, 123 ff. Elsberg, Paul 163
Bazarsystem 140 Emden 139
Bearstedt 21 Epstein 99
Belgieranleihe 31 f. Escompte-Gesellschaft, niederösterreichiſche 36
Bodenkreditbanken, (deutſche) 61 f.
Bodenkreditbank Wiener 36 Fafnirwerke 133 f.
Börsengewinne 162 f., 176 Falk, Mar 182
Bondy 121 Famous Players 75 f., 77, 78
Bosel, Sigmund 110 ff. Federal Reserve Board 7 f., 12
Braunkohlenindustrie, mitteldeutſche 91 ff. Finaly 21
Braunkohlensyndikat 97 f. Finanzkapital 67, 86, 135, 147 f., 150,
Bronner 171 161 f., 166 ff., 170, 175
Brunner 101 f. Finanzkapital, Internationales 84 f.
Bubiag 93 First national Pictures 77
For 74
Caro, Nicodem 100 ff., 105 Friedlaender-Fould, Friß von 91 , 94 f.
Castiglioni, Camillo 116 ff. Fürstenberg 151 , 173 f.
Citroën 132 f.
Conizer 139 Galeries Lafayette 144
Cuno 23 Generalrat der Reichsbank 14 f.
General Motors 134 Laemmle 74, 77
Goldbestände 8f. Lange-Hegermann 51
Goldmann, Sachs & Co. 153 Lasker 13
Goltschmidt, Jacob 81 ff., 83 ff., 125, Lasky Jeffe 76
168 Lewinsohn, Artur 162
Gradnauer 49, 50 Loew, Marcus 73, 74, 78
Großbanken 163, 176 Loewenstein 30 ff., 37 ff.
Loucheur 36 ff.
Haas, Ludwig 156
Hagen-Levy Louis 74, 168 f. Mannesmann 26
Hammerbrotwerke 112 Mannheimer 15
Hanauer Lager 43 f. Markstüßungsaktion 23 f.
Hapag 87 Massenware 140
Harrimann 21 Mathis 134
Heilmann 49, 50, 52 Meininger Schuhaktien 61
Hellwig, Oberfinanzrat 53 Melchior 17f., 22
Herzfeld, Hugo 173 f. Mendelsohn 15
Himmelsbad, Gebrüder 156 Metro-Goldwyn 78
Hirsch 139 Michael, Jacob 58 ff., 62 f.
Höfle 47, 50 Minerva Handels A.-G. 181, 182
Hoffmann, Karl 20 Mologeleß 155
Hollywood 79 f. Mond, Alfred 100 ff.
Hugenberg 74 Monopolbewegung 164 f.
Hypothekenbanken, deutsche 60 Morgan 24
Hypothekenbanken, Gemeinschaftsgruppe
deutscher 136 Nachmann 151
Nathan, Henry 167
Industriekapital 86, 136 Neuhöfer, Siegfried 129 f.
Jandorf 139 Norddeutscher Lloyd 88
Jeidels 169 Notenbanken, Internationale 10 f.
Joffe, Adolf 155
Josle 139 Oberpollinger 139
Delpolitik 21 ff.
Kahn Dr. Otto 65 Oppenheim, von 169
Kahn, Otto Hermann 19, 21 , 25 Oppenheimer, Franz 96
Kahn-Konzern 135
Kaliindustrie 170 Parufamet 78
Karstadt 139 Petroleumgesellschaft, Deutsch-Amerikaniſche
Karstadt-Konzern_139 f. 22
Kartelle, Statistik der 165 f. Petschek, Brüder 91, 102
Kellerwaren 146 Petschel, Ignaz 99 ff., 105.
Kettenwarenhäuser 140 Petschek, Julius 97 ff.
Kleefeld, Dr. von 99 Petschel-Konzern 107
Kleefeld Samuel 99 Pinner, Felix 17, 81, 87
Knopf 139 Postsparkasse 111
Konzerne, Statiſtik der 165 f.
Kreditgeschäft 176 Ramschsystem 142
Kroneninflation 111, 112 Rathenau, Emil 150 f.
Krüger 49, 50 Rathenau, Walter 152
Krupp 89, 152 ff. Reichsbank, Deutsche 13 f.
Krupp-Anleihe 153 Reichspost, Daweſierung der 19, 27 f.
Kühn, Oberfinanzrat 53 Renault 133 f.
Kuhn, Loeb & Co. 20, 21 f., 88 Reparationslieferungen 179 ff.
Kuhnheim 98 Rhein-Stahlwerke 67
Kunstseide, Vertruftung der 33 f. Richter 49, 50
Kutister, Jwan 44 ff. Rombacher Hüttenwerke 158
Ruttner 55 Royal Dutch 21
Salomonsohn 167 Labakmonopol 27
Seligmann 22 Leagle 21
Siegerländer Walzwerkinduſtrie 68 Liek 139
Siemens & Halske 151 Ließ-Konzern 140
Sinalco 63 f. Ties, Leonhard 137
Sklarz, Brüder 127 f. Ufa 73
Sobernheim 74, 169 Ury 139
Schiff, Jacob 12, 21, 22
Solmssen 167 Vereinigte Stahlwerke A.-G. 159 ff.
Sozialdemokratie 51 Verschuldung Deutschlands 16
Spezial-Kaufhaus 144 Bertikalvertruftung 84
Schacht, Hjalmar 14 Vorwärts 28
Schiff, Eugen 169 Vorwärts, Sanierung des 89
Schneider-Creuzot 36 Warburg, Mar 10, 17
Schocken 139
Warburg, Paul 22
Staatsbank, Oldenburgische 49 Warenhausfilialen 140
Staatsbank, Preußische (Seehandlung)
42 f., 44 f., 53 Warenhausfinanzierung 139, 140, 144
Stabilisierung, belgische 30 Warenhausſyſtem 138
Wassermann 166
Stabilisierung, österreichische 113
Standard Dil 21 Wiener Großbanken 115
Wirth, Josef 155 f., 156
Stapelwaren 146 Weinmann 99
Steinthal 166 Wels 49, 50, 52
Steweag 120
Werthauer 45
Stinnes, Hugo 84 Wertheim 139
Stinnes, Edmund 135
Stinnes-Amerika-Anleihe 86 Wöllersdorf 126
Stinnes-Flotte 88 Wolff, Otto 66 ff., 71 f., 74
Wollheim, Cäsar 95
Stinnes-Konzern 84 f. Woolworth 140 f.
Strauß, Otmar 66 ff. 69 ff. Wronker 139
Stock-Motoren 135
Stresemann 27 Zinsdiktatur, der Banken 148 ff.
Stüßungskonsortium Goldschmidts 84 f. Zuckermonopol 27
GEE Budor 74, 75
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tarismus /Die Revolution Deutsch-Österreichs gegen die Habsburger /Der Ausbruch
des Weltkrieges / Die ersten Kämpfe / Propaganda / Die Revolution / Die Deutsche
Arbeiterpartei / Die Ursache des Zusammenbruchs / Raſſe.
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der ersten Zeit / Das Ringen mit der roten Front / Der Starke ist am mächtigsten
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reiches Tatsachenmaterial entgegen, aus dem die gesellschaftsfeindliche Einstellung
des Judentums in Deutschland hervorgeht. Der Verfasser würdigt vor allem
auch die Juden als Träger des Gaunertums in Deutſchland und als Väter der
heute noch geltenden Gaunersprache einer eingehenden Betrachtung und kommt
zu dem Schluſſe, daß allein schon aus kriminellen und ausgesprochen polizei
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Berkeley
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