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Entdeckungsreisen ins Leben danach: Wie wir uns das Jenseits vorstellen
Entdeckungsreisen ins Leben danach: Wie wir uns das Jenseits vorstellen
Entdeckungsreisen ins Leben danach: Wie wir uns das Jenseits vorstellen
Ebook234 pages2 hours

Entdeckungsreisen ins Leben danach: Wie wir uns das Jenseits vorstellen

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About this ebook

Ist mit dem Tod alles aus? Was kommt danach? Gibt es eine unsterbliche Seele? Ob gläubig oder zweifelnd, Christ, Buddhist oder Agnostiker: Diese letzten Fragen stellen wir uns alle.
In diesem Buch geht es allerdings nicht darum, dass uns ein fachkundiger Theologe Antworten gibt, sondern Menschen quer durch alle Religionen, Altersstufen und Berufe kommen selbst zu Wort. Was glauben die Menschen wirklich? Mehr als alle vorgefertigten Erklärungen regen diese authentischen Zeugnisse zum Nachdenken an - und zur eigenen, ganz persönlichen Antwort.
LanguageDeutsch
PublisherTopos
Release dateJul 1, 2015
ISBN9783836760096
Entdeckungsreisen ins Leben danach: Wie wir uns das Jenseits vorstellen

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    Entdeckungsreisen ins Leben danach - Topos

    kann.

    I. Nur dieses ist gewiss

    Über das Leben mit der Sterblichkeit und das Ertragen der Ungewissheit

    Und was mach ich, wenn ich lebe? Wenn ich lebe mit der Hoffnung, dass es danach weitergeht, dass noch etwas anderes kommt? Oder mit der Erwartung, dass nach meinem Tod alles vorbei ist, ein für alle Mal? Irgendwann stellt sich wohl jeder Mensch die Frage, warum er sich eigentlich anstrengt und plagt, wenn das Leben doch mit Sicherheit endet. Irgendwann fragen selbst gläubige Menschen nach dem Sinn eines Lebens, dessen einzige Gewissheit der Tod ist.

    Wie leben wir mit unserer Sterblichkeit? Die meiste Zeit machen wir uns darüber keine Gedanken. Wir stehen am Morgen auf, frühstücken, fahren zu Arbeit – alles ganz normal, Alltag eben oder Sonntag, Sorgen manchmal und manchmal Freude. So geht es fast allen Menschen, und so wird es immer weitergehen.

    Doch dann, von einem Augenblick auf den anderen, wird man aus der trügerischen Sicherheit herausgerissen. Es muss nicht gleich eine schwere Krankheit sein oder der Tod eines Menschen, den wir kennen. Kleinigkeiten reichen aus, ob es die ersten weißen Haare sind, ein grauer Herbsttag oder ein plötzliches Erschrecken ohne erkennbaren Grund. Und plötzlich weiß man und fühlt man: Irgendwann ist es vorbei. Meist gehen solche Gedanken schnell vorüber – bis zum nächsten Mal.

    Solange alles glatt läuft, richten wir uns in unserer Sterblichkeit ein. Was sollten wir auch sonst machen? Wir können nicht bei allem, was wir tun, den Tod vor Augen sehen. Ein gelungenes Leben aber schließt den Gedanken an das Ende mit ein. Der Tod macht das Leben ja nicht vergeblich, er verdirbt uns nicht einmal den Spaß daran. Das Bewusstsein, dass das Leben befristet ist, bewegt Menschen im besten Fall sogar dazu, genau hinzusehen, aufmerksam und behutsam zu sein und Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden.

    Wer schwer erkrankt und weiß, dass das Ende seines Lebens in absehbarer Zeit kommt, erlebt bestimmt voller Wehmut vieles zum letzten Mal. Zugleich aber kann er eine neue Qualität des Lebens entdecken und sich sogar noch einmal Ziele stecken. Vor allem aber nimmt er die Zeit und das eigene Tun, Begegnungen und Sinneseindrücke anders wahr: Es sind nun die Augenblicke, die kostbar werden. Auch mit dem Älterwerden wächst die Klarheit und mit ihr die Klugheit. Doch weder durch Krankheit noch durch Alter wird die Ungewissheit aufgehoben; die Stunde des Todes bleibt verborgen. Und damit müssen wir leben.

    „Today ist the first day of the rest of your life" – heute ist der erste Tag vom Rest deines Lebens, heißt es in einem Lied aus den 1960er-Jahren. Das gilt für alle Tage des Lebens. Nur für den einen nicht, der tatsächlich der letzte sein wird. Bis dahin aber sind alle Tage zu füllen, nicht unbedingt mit Bedeutendem – das wäre eine Überforderung –, aber mit allem, was zum Leben gehört, auch wenn es manchmal nichts weiter ist als aufstehen, frühstücken und zur Arbeit fahren. Wird das bewusst erlebt und immer wieder bejaht, dann macht nicht erst der Tod, wie es häufig heißt, das Leben wertvoll. Wert und Sinn erhält das Leben nicht durch seine Begrenztheit, sondern dadurch, dass es gelebt wird – so gut und so lange, wie es geht.

    Wir sind nur zu Gast auf dieser Welt

    Juli Zeh, Schriftstellerin, Juristin, Jahrgang 1974

    Wenn ich wüsste, dass ich in absehbarer Zeit sterbe, würde ich versuchen, noch einmal einen Roman zu schreiben. Wahrscheinlich würde er grauenvoll werden, weil ich wüsste, dass es der letzte ist, und ich deshalb versuchen würde, alles hineinzupacken, was die Literatur für mich bedeutet. Ansonsten würde ich mein Leben genauso weiterführen, wie es jetzt ist. Ich bemühe mich ohnehin, immer so zu leben, als müsste ich bald sterben – denn so ist es ja auch. Wir sind nur zu Gast auf der Welt und neigen trotzdem dazu, uns so zu verhalten, als hätten wir alle Zeit der Welt.

    Für mich gibt es kein Leben nach dem Tod, und an dieser Überzeugung wird keine Erfahrung irgendetwas ändern, glaube ich. Es ist für mich eine unverrückbare Tatsache, dass das Leben mit dem Tod endet. Der Mensch verschwindet im Moment seines Todes, es bleibt nichts übrig außer einem toten Körper. Mir fällt es schwer, auch nur zu begreifen, dass es Menschen gibt, die das anders sehen. Ich verdächtige Menschen, die an ein Jenseits glauben, schnell der emotionalen Schwäche. Dann denke ich: „Leute, lauft nicht davon, seht den Tatsachen lieber ins Gesicht. Es gibt nur ein Leben, und das sollten wir so gut wie möglich führen."

    Vermutlich folgen alle diese Einstellungen aus einem absoluten Atheismus. Ich glaube nicht an Gott oder andere höhere Wesen, nicht an Seelenwanderung oder überhaupt irgendeine metaphysische Idee, die das genuin Menschliche übersteigt. Wer so sehr im Diesseits verankert ist, muss ständig aufpassen, nicht zum Egozentriker zu werden. Er muss alle Kraft, alle Regeln, Überzeugungen, selbst die Moral aus sich selbst, seiner Biografie, seinen Erfahrungen und Wünschen schöpfen. Das finde ich anstrengend, aber es ist für mich der einzige Weg. Ich habe eine so starke Veranlagung zum Skeptizismus, dass ich unfähig bin, an irgendetwas Übernatürliches zu glauben.

    Der einzige Sinn, den das Leben haben kann, folgt aus der Tatsache, dass wir am Leben sind und aus rätselhaften Gründen auf keinen Fall sterben wollen. Genauso gut könnte ich sagen: Das Leben hat keinen Sinn. Ein Gefühl von Sinn kann nur in Momenten geboren werden, wenn es uns gelingt, intensiv am Leben und deshalb glücklich zu sein. Im Rest der Zeit empfinde ich es als mühsam, mich immer wieder zu motivieren und den Lebensmut nicht sinken zu lassen. Mindestens einmal am Tag muss ich mich streng ermahnen: Hör auf zu hadern, sei nicht wehleidig, freu dich, dass du da bist und dass es dir so verdammt gut geht, mach das Beste daraus, für dich und für andere.

    Meine Vorstellung von einem nicht vorhandenen Jenseits sorgt dafür, dass ich mich in jeder Sekunde meines Lebens der Gegenwart verantwortlich fühle. Es gibt kein Jüngstes Gericht, das mich irgendwann in der Zukunft einmal aburteilen wird. Das Jüngste Gericht ist eine Dauerinstanz, die mich ständig begleitet. Für Hölle oder Paradies sind die Menschen selbst zuständig, und zwar jetzt und hier.

    Bis jetzt ist es mir nicht gelungen, die Tatsache, dass vertraute Menschen gestorben sind, wirklich an mich heranzulassen. In meiner Vorstellung leben sie weiter. Jahrelang musste ich darauf achten, dass ich nicht versehentlich jemanden frage: „Wie geht es eigentlich XY? – obwohl XY schon lange tot war. Seitdem ich meinen sehr alten Hund durch seine letzte Lebensphase begleitet habe, setze ich mich intensiver mit dem Tod auseinander als je zuvor. Um diese Situation aushalten zu können, sage ich mir immer einen Satz vor: „In einer guten Familie muss jeder auch Platz zum Sterben haben. Auf diese Weise versuche ich, den Tod als eine gemeinsame Aufgabe zu betrachten, der alle Beteiligten etwas angeht. Es ist keine leichte Aufgabe. Man spürt, wie schwach man noch ist und wie viel man noch zu lernen hat.

    Vor allem finde ich es wichtig, Bescheidenheit zu lernen. Ich glaube, dass Bescheidenheit eine große Kraft ist, die einem hilft, schwierige Dinge zu ertragen, auch den Tod, soweit das überhaupt möglich ist. Die Bescheidenheit darf aber keine Attitüde sein, man muss sie verinnerlichen und ehrlich empfinden: Als Akzeptanz der eigenen Grenzen, der menschlichen Beschränktheit in jeder Hinsicht. Dahin ist es für mich noch ein weiter Weg.

    Mein toter Vater hat mich immer beschützt

    Rosann Phillips, Hebamme, Jahrgang 1982

    Glücklich zu sein und das an andere weiterzugeben – das ist die einzige Aufgabe, die wir auf der Welt haben. Deswegen bin ich Hebamme geworden. Das heißt: Eigentlich musste ich mit der Nase darauf gestoßen werden, dass das mein Beruf ist. Ich wusste nicht genau, was ich machen wollte, ich hatte Interesse an allem Möglichen und keine Ahnung, wie ich das unter einen Hut bringen sollte. Schließlich hat mir die Frau bei der Berufsberatung einen Ordner mit Berufsbildern mitgegeben und mir geraten, den in Ruhe anzusehen. Ich habe ihn erst einmal mit mir herumgetragen. Auf dem Weg zum Zahnarzt habe ich ihn schließlich aus der Tasche gezogen und aufgeschlagen – genau auf der Seite, auf der über Hebammen geschrieben wurde. Ich habe den Text durchgelesen und gedacht: Ja, das ist es.

    Seit ich in diesem Beruf arbeite, denke ich häufig darüber nach, was es eigentlich bedeutet, geboren zu werden. Wenn ich den Bauch einer Schwangeren abtaste, nehme ich jedes Mal Kontakt zum Kind auf. Es bewegt sich, es reagiert auf mich, es lebt ganz eindeutig. Geborenwerden ist etwas anderes als anfangen zu leben. Das findet viel früher statt. Die Geburt ist eher eine Prüfung. Oder eine schmerzhafte Krise für Frau und Kind, durch die beide gehen müssen. Wenn das Kind dann geboren ist, folgt die große Erleichterung. Für die Mutter, für das Kind und für die Hebamme.

    Denn es ist ja keineswegs sicher, dass immer alles gut ausgeht. Im Kreißsaal gibt es manchmal Situationen, in denen es richtig ernst wird. Ich habe auch schon einmal erlebt, dass eine Mutter bei der Geburt gestorben ist. Es war fürchterlich, als es dem Ehemann und den Verwandten gesagt worden ist. Für meinen beruflichen Weg ist es wichtig zu wissen, dass so etwas wirklich passieren kann. Das ist mir erst in diesem Moment richtig bewusst geworden. In einer dramatischen Situation reagiert man im Kreißsaal zunächst automatisch. Man macht alle notwendigen Handgriffe, holt Ärzte, bereitet Eingriffe vor, ist in Aktion. Das große Zittern kommt hinterher.

    Ganz erstaunlich finde ich, wie sensibel die Kinder vom ersten Augenblick an sind und wie intensiv sie reagieren. Ich erinnere mich an eine Frau, die nach der Geburt sehr stark geblutet hat. Das kann lebensgefährlich werden. Das Neugeborene hat zunächst geschrien, weil es Hunger hatte. Als diese Notsituation eintrat, wurde es ganz ruhig und hat keinen Laut mehr von sich gegeben. Erst als die Mutter wieder stabil war und bereit, etwas abzugeben, hat es sich wieder gemeldet.

    Eine ähnliche Beobachtung habe ich bei einer Zwillingsgeburt gemacht. Eins der Kinder war schon geboren, versorgt und eingepackt. Das zweite kam lange nicht, und im Kreißsaal breitete sich eine angespannte Stimmung aus. Der Kleine lag auf dem Wärmebettchen und hatte seine Augen weit aufgerissen. Man hat genau gemerkt, dem entgeht nichts. Er hat überhaupt nicht geschrien, er war nur ganz aufmerksam und hat den Eindruck erweckt, als würde er auf seinen Bruder warten.

    Wenn die Kinder geboren werden, kommt es mir manchmal so vor, als ob sie aufwachen. Allerdings reagieren sie völlig unterschiedlich. Manche sind schon hellwach, sobald nur ihr Kopf geboren ist. Andere sind noch ganz in sich gekehrt. Die brauchen auch erst einmal eine Weile, bis sie merken: Hoppla, etwas ist anders! Manchen Kindern gefällt es offensichtlich, auf der Welt zu sein. Die machen große Augen, gucken ihre Eltern an und sind ganz aufmerksam. Und manche sind fürchterlich beleidigt darüber, dass sie geboren sind. Die schreien nicht aus Angst. Die sind eher verstimmt.

    Wenn ich sehe, wie unterschiedlich sie sind und wie viel sie schon mitbringen, denke ich manchmal: Woher kommen die? Ich hatte als Kind immer die Vorstellung, dass ich einmal ein Kind bekomme und dass dieses Kind mein wiedergeborener Vater ist. Er ist gestorben, als ich erst zwei Monate alt war. Der Gedanke hat mich nie wirklich verlassen. Ich wünsche mir, dass es die Wiedergeburt gibt, und ich schließe es auch nicht aus. Die Betreuung der Kinder im Wochenbett bestärkt mich darin. Sie sind nicht nur völlig verschieden, wenn sie geboren werden. Sie sind auch nicht einfach klein und süß. Sie haben ausgeprägte Charakterzüge und reagieren sehr unterschiedlich auf mich. Und ich reagiere unterschiedlich auf sie, ich weiß gar nicht, woher das kommt. Es liegt jedenfalls nicht an ihrem Aussehen oder daran, dass das eine mehr schreit als das andere.

    Ob Wiedergeburt oder etwas anderes: Ich glaube daran, dass man nach dem Tod irgendwo weiter da ist als ein Ich, das man gewesen ist. Mit dieser Überzeugung bin ich aufgewachsen. Es war immer sonnenklar, dass es unseren Vater gibt und dass der auch auf uns schaut, dass er irgendwie erreichbar ist. Deshalb habe ich mich auch immer so gefühlt, als wäre ich beschützt und behütet. Auch meine Großeltern sind nicht weg. Irgendwo sind sie und sorgen dafür, dass alles gut läuft. Sie sind auch als Gesprächspartner für mich erreichbar, das spüre ich deutlich. Genauso wie ich fühle, dass Gott eine Energie ist, die für Gutes sorgt.

    Dass auf diese Weise für mich gesorgt wird, habe ich einmal als Kind erlebt. Damals habe ich noch in einem kleinen Dorf in Österreich gewohnt, es bestand nur aus ein paar Bauernhöfen ganz in der Nähe des Waldes. In diesem Wald gab es einen See, in dem wir oft gebadet haben. Eines Tages – ich war sechs oder sieben Jahre alt – war ich allein mit meiner Schwester dort. Sie ist zwar drei Jahre älter als ich, konnte aber, anders als ich, noch nicht schwimmen. Ich bin im Wasser herumgeschwommen, und sie wollte nur am Rand bleiben. Plötzlich habe ich gesehen, dass sie untergegangen war. Das Ufer war sehr steil, und sie hatte den Boden unter den Füßen verloren. Ich habe versucht, sie herauszuziehen, aber weil sie größer und schwerer war als ich, wäre ich beinahe mit ihr zusammen ertrunken. Ich erinnere mich noch daran, dass auf einmal eine fremde Frau da war, die uns herausgezogen und auf die Wiese gestellt hat. Dann ist sie gegangen, ohne etwas zu sagen. Ich habe auf der Wiese gestanden und mich nach ihr umgeschaut, aber sie war nicht mehr da, und auch später habe ich sie nicht mehr gesehen.

    Ein Teil meiner großen Familie lebt noch immer in Österreich. Ich habe fünf Geschwister, meine Mutter natürlich und dazu eine Menge Tanten und Onkel, Cousins und Cousinen

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