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Kulturgeschichte Rumäniens Seite 1 von 1

Kulturgeschichte Rumäniens Übersicht / Sumar

Der Staatsname Rumäniens belegt die Rumänische Identität


einstige Herrschaft Roms. Man versteht sich Identatea românilor
als Erbe Roms und betont die
Verschwisterung mit Frankreich und anderen Die Ethnogenese
romanischen Ländern Europas. Rumänien ist Etnogeneza
das einzige Land der neolateinischen Familie, Prähistorisches und
das demonstrativ den Namen Roms führt. Vorromanisches
Epoca preistorică şi preromanică
Istoria culturii române Die geto-dakische Kultur
Cultura geto-dacă
Numele statului român aminteşte de Die Romanität Rumäniens
stăpânirea Imperiului roman. Statul este văzut Romanitatea României
drept moştenitor al Romei şi accentuează
fraternitatea cu Franţa şi cu celelalte ţări Die freien Daker
romanice ale Europei. România este singura Dacii liberi
ţară a familiei neolatine, care păstrează în Dakoromanische Kulturkontinuität
mod demonstrativ numele Romei. Continuitatea culturii daco-romane
Rumänien und Byzanz
România şi Bizanţul
Rumänien im Mittelalter
România în Evul Mediu
Die Entwicklung zum Nationalstaat
Formarea statului naţional
Das rumänische Königreich
Regatul României
Der Niedergang des Königreichs
Căderea Regatului
Rumänische Volksrepublik
Republica Populară Romînă
Sozialistische Republik Rumänien
Republica Socialistă România
Die Ära Ceauşescu
Epoca lui Ceauşescu
Das heutige Rumänien
România de astăzi

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Rumänien - Rumänische Identität Seite 1 von 2

Die rumänische Identität

Der Staatsname Rumäniens belegt die Die christlich-abendländische Tradition


einstige Herrschaft Roms. Man versteht sich Rumäniens, war ganz anders geartet als die
als Erbe Roms und betont die westliche. Im ungarisch und deutsch
Verschwisterung mit Frankreich und anderen beeinflussten Siebenbürgen entstand ein
romanischen Ländern Europas. Rumänien ist Bollwerk abendländischen Christentums und
das einzige Land der neolateinischen Familie, seiner Reformatoren. In Moldau und Walachei
das demonstrativ den Namen Roms führt. wurde das Lateinische als Sprache von Kirche
Die rumänische Bezeichnung "România" verweist noch und Klerus ersetzt durch das
deutlicher als das deutsche «Rumänien» auf die römischen Altkirchenslawische, die Sprache der
Ahnen. Diesen Bezug will man nach außen kundtun: Als etwa
im Zuge der Orthographiereform der stalinistischen Slawenmissionare Kyrill und Method, und
Nachkriegszeit der Buchstabe â in România durch ein das festigte über den orthodoxen Glauben den
Romanische verschleierndes î ersetzt werden sollte, spielten Widerstandswillen der Rumänen in der
das Volk und seine Intellektuellen nicht mit. Sehr bald schrieb
sich der Staatsname wieder mit â, ganz in der römischen Auseinandersetzung mit der türkischen
Tradition. Bedrohung. Das osmanische Reich konnte im
Jahrhundertelang haben sich die Menschen, romanisierten Dakien keine Islamisierung
die sich in der Sprache Roms unterhalten durchsetzen.
haben, Romani genannt, ohne dass sie einen In ihrem Festhalten am Erbe Roms haben die
alle Sprecher vereinigenden Staat ihr eigen romanisierten Daker und ihre Nachfahren, die
nennen konnten. Man entwickelte ein sicheres sich weiterhin Romanen (Români) nannten,
Gespür, ob ein Wort romanischer oder einen wichtigen Charakterzug erworben: Sie
fremder Herkunft war. Das Bewusstsein der werden zu kulturellen Insulanern; zu
römischen Abstammung ist tief in der Inselbewohnern in den umgebenden fremden
Bevölkerung verwurzelt. Das Wissen, dass Völkern und Kulturen. Das rumänische Volk
man den italienischsprachigen Besucher versteht deshalb sein römisches Erbe nicht
Rumäniens bis zu einem gewissen Grad nur als etwas Lateinisches, sondern im
verstehen kann, vertieft im Zeitalter der wesentlichen als ein Anderssein. Die
Tourismus das Gefühl der Zugehökeit zum Romanen des Ostens unterschieden sich von
romanischen Kulturkreis. Das eigentliche den umliegenden Slawen, wenn sie auch mit
Romanitätsbewusstsein ist in der Geschichte ihnen die Religion teilten. Sie waren anders
zu suchen. Es geht zurück auf die Zeit, in der als die benachbarten Ungarn, auch wenn sie
Roms Garnisonen die dakischen Provinzen zum Teil unter der Stephanskrone leben
verlassen mussten. Rom blieb eine Attraktion mussten. Sie waren anders als die
für die romanisierten Daker. Man trieb weiter oströmischen Nachfolger des Imperiums, die
Handel mit den transdanubischen Siedlungen sich in Byzanz des Griechischen bedienten,
der Weltmacht. Die überregionale und anders als die außereuropäischen
Verkehrssprache für diesen Handel blieb die Eroberer von Istanbul. Dieses Anderssein
Sprache Roms, auch nachdem die Legionäre konnte nur durch eine in Jahrhunderten
Roms abgezogen waren. erworbene Technik der Assimilation ohne
Als die Wogen der Völkerwanderung über die Verlust der eigenen Identität gewahrt werden.
römischsprachig gewordenen Daker - Lieber ein lebender Hund als ein toter Löwe,
nunmehr Dakoromanen - schlugen und sie sagt ein altes rumänisches Sprichwort.
vom niedergehenden Rom geographisch So ist die rumänische Identität romanisch
getrennt wurden, war ihre überregional begründet, sie konnte sich jedoch nur durch
verständliche Sprache, das von ihnen listige Abgrenzung und durch vorsichtige,
gesprochene und veränderte Latein, das meist nur oberflächliche Anpassung über
einzige identifizierende Merkmal. Jahrhunderte hinweg bewahren. Auf der Basis
Im Westen Europas vergaß man die Hirten dieser Identität ist eine großartige und an
und Bauern der Karpaten und des Vielfältigkeit kaum zu überbietende Kultur
Donautieflandes, die sich Romani nannten. entstanden, die zwar romanische Wurzeln hat,
Noch war der musulmanische Glaubensfeind aber Einflüsse von Orient und Okzident
aus dem Westen des Abendlandes nicht aufweist.
vollends vertrieben, da bedrohten die ebenso
islamischen Osmanen den von Byzanz, Roms
Nachfolgekultur, geprägten Osten. Mit dem
byzantinischen Konstantinopel fiel die letzte
vorgeschobene Bastion des Christentums am
Rande Europas.
Das Ende der byzantinischen Herrschaft und
die Bedrohung durch das Osmanische Reich
führte zum allmählichen Erstarken des

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rumänischen Bewusstseins und letztlich auch


zur Wiederentdeckung ihrer romanischen
Identität. In den folgenden vier Jahrhunderten
musste das Rumänentum um seine Existenz
kämpfen. Die Wiederentdeckung der
romanischen Identität unterstützte diesen
Kampf.

Dakische Frauen auf der Trajanssäule

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Trajanssäule

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Die Ethnogenese

Die Ethnogenese des rumänischen Volkes Bis das rumänische Volk als historische
kann man vergleichen mit dem Wachstum Größe fassbar wird, vergehen noch einige
eines Menschen: In einer dakoromanischen Jahrhunderte prägender Ereignisse: Die
Ehe geboren, erlebt das rumänische Volk in Kindheit in der rumänischen Ethnogenese,
den Wirren der Völkerwanderung die zunächst vor allem die Kontakte mit den
zurückgezogene Kindheit eines Hirten- und umliegenden zugewanderten
Bauernvolks. Es berlebt durch Anpassung und slawischsprachigen Völkern. Die
wird mit einer orthodoxen Erziehung Nachkommen der romanisierten Daker haben
christlichen Idealen verpflichtet, die in einem keine gefährdeten Städte gegründet. Sie
ihm fremden Idiom vermittelt werden. So überlebten als Hirten und Bauern die
entsteht ein resistenter Jüngling, der sich erst Völkerstürme. So fiel es ihnen auch nicht
unter Fremdherrschaft, die er mit anderen schwer, fremde schriftsprachliche Traditionen
Völkern zusammen erdulden muss, auf seine zu tolerieren. Die altbulgarische Kultur, die
Herkunft besinnt und auflehnt: Er wird zum sich der Schriftsprache des
Rumänen. Altkirchenslawischen bediente, hatte über die
Es gilt heute als sicher, dass die ethnische christliche Missionierung den wohl
Vielfalt auf der Balkanhalbinsel in bedeutendsten Einfluss auf die Entwicklung
prähistorischen Zeiten nicht geringer war als der rumänischen Sprache und Kultur. Die
etwa heute. Die Balkanhalbinsel war ohne weitaus höchste Anzahl fremder
Zweifel schon in neolithischer Zeit besiedelt. Lehnelemente im Rumänischen stammt aus
Erst seit Beginn der Bronzezeit aber gilt eine dem Altkirchenslawischen, das Sprache von
indogermanische Besiedlung als Klerus und Ritus wurde und im Osten die
wahrscheinlich. Aus dieser Zeit stammen Rolle des westeuropäischen Kirchenlateins
unsere ersten historischen Erkenntnisse über einnahm. Doch ist die rumänische
die Vorfahren der heutigen Rumänen. Die Ethnogenese auch nicht ohne Byzanz und
Thraker, jenes von Herodot als «das größte seiner Bemühungen zu römischer Kontinuität
nach den Indern» bezeichnete Volk, waren in zu verstehen. Schließlich hat Ostrom nicht nur
viele Stämme zersplittert. Nach ihrem das Christentum des Ostens entscheidend
Siedlungsgebiet zwischen Schwarzem Meer, geprägt, es hat auch - nicht zuletzt den
Donau und Ägäis kommen sie als Verwandte rumänischen Fürstentümern - eine gesunde
der rumänischen Vorfahren in Frage. Das Portion diplomatischen Geschicks vermittelt,
Nachbarland Bulgarien hat seine historische die man bei der späteren Auseinandersetzung
Herkunft in jüngster Zeit vor allem auf die mit der Hohen Pforte in Istanbul ebenso
Thraker begründet. Für das rumänische benötigte wie bis in die jüngste Epoche
Siedlungsgebiet sind die den Thrakern rumänischer Geschichte hinein. Böse Zungen
verwandten Stämme der Daker (so nannten führten sogar die Vorliebe für Vetternwirtschaft
die Römer sie) und Geten (so genannt von und Personenkult während der Ceauşescu-
den Griechen) zuständig. Während Herodot Diktatur entschuldigend auf das Erbe
die rechtsdanubischen Geten ausdrücklich zu byzantinischen Hofetiketts zurück.
den Thrakern rechnet, ist das Siedlungsgebiet Mit der Ablösung der byzantinischen Wache
der Daker links der Donau vor allem in am Bosporus beginnt die Jugend des
Siebenbürgen und auch in der Walachei zu rumänischen Volkes. Es hatte durch die
suchen, also auf rumänischem Kernland. ungarische Landnahme bereits leidvolle
Nach diesem geographischen Detail zitiert Erfahrungen gesammelt und sein Territorium
man heute in Rumänien die Daker als die mit anderen teilen müssen. Doch auch diese
vorrömischen Ahnen des Volkes. Da sowohl Kontakte mit ungarischen und später
getische wie auch verwandte dakische deutschen Siedlern, die die Städtekulturen
Stämme Rumnien bewohnten, spricht man Siebenbürgens begründeten, sind Teil der
von den Geto-Dakern. Nach den Dakern rumänischen Ethnogenese. Vom
wurde im modernen rumänischen Rumänentum Siebenbürgens gehen
Nationalstaat alles mögliche benannt: Von der schließlich die entscheidenden Impulse aus,
berühmten von M. Kogălniceanu im vorigen die zu einem romanischen Selbstbewusstsein
Jahrhundert gegründeten Literaturzeitschrift und schließlich außerhalb Siebenbürgens zur
Dacia literară (literarisches Dakien) bis zu Konstituierung einer rumänischen Nation und
dem von Renault lizensierten und von einem Nationalstaat führen. Die rumänische
Ceauşescu propagierten rumänischen Ethnogenese ist somit die Summe aller
Automobil Dacia, findet man Kaffeehäuser, Erfahrungen, die die einstmals römisch
Boulevards, Zigaretten und Kinos als kolonisierten Geto-Daker und ihre
Namensträger. In dem Sieg der Römer über benachbarten Schicksalsgefährten bis ins 18.
die Daker unter Trajan sehen die Rumänen Jahrhundert machen mussten. Diese

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die Geburtsstunde ihrer geschichtlichen Erfahrungen sind ungleich vielschichtiger als


Zivilisation. die der anderen romanischen Völker. Vor
Auch diese Sicht ist nicht immer frei von allem hierin unterscheiden sich die Romanen
politischen Visionen oder Absichten: Wollte des Ostens von denen des Westens.
jemand durch Hervorhebung des römischen
Elements im Rumänischen allzu stark die
politisch zeitweilig nicht immer opportune
Wesensverwandtschaft zu den romanischen
Ländern im Westen dokumentieren, so konnte
man ihn leicht mit der Überbetonung des
autochthon geto-dakischen Elements wieder
zur Raison bringen. Waren es doch die
Römer, die es versucht haben, die
bodengebundene Bevölkerung der Daker zu
unterjochen! Und mussten sie nicht schließlich Trajanssäule: Römische Donaubrücke
abziehen? Unabhängig von politischen
Opportunitäten gilt die dakoromanische
Symbiose in der rumänischen Ethnogenese
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als Keimzelle des rumänischen Volkes.

Trajanssäule: Donauüberquerung

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Prähistorisches und
Vorromanisches

ber die Bevölkerungszusammensetzung im Seit dem 7. Jahrhundert v.Chr. sprechen wir


Neolithikum (5500-2500) kennen wir nur von den Geto-Dakern im Sinne der
Spekulatives. Es gibt aber auf rumänischem Interpretation der antiken Quellen, d.h. wir
Territorium eine ganze Reihe von Relikten bezeichnen die Bevölkerung an der gesamten
materieller Kulturzeugnisse, die etwas über unteren Donau im geographisch weitesten
die Bevölkerung der Zeit und ihren hohen Sinne als Geten (7.Jh.v.Chr. bis 1. Jh.v.Chr.)
Entwicklungsstand aussagen können. Am und die Bevölkerung Transsilvaniens, des
aufschlussreichsten sind hierbei die Kreischgebiets und des Banats als Daker (seit
Keramikfunde, von denen zwei besonders dem 2.Jh.v.Chr.).
interessante erwähnt seien:
Die wohl älteste neolithische Kultur ist die aus
Vorderasien stammende Criş-Starcevo Kultur,
die eine vor dem Brand mit braunen, weißen
oder schwarzen geometrischen Motiven
bemalte, auf rotem Grund hergestellte
Keramik kennt.
In der Mitte des vierten Jahrtausends tritt im
Südosten Siebenbürgens und im Südwesten
der Moldau die berühmte Cucuteni-Kultur auf,
die wohl die eindrucksvollsten Relikte des
europäischen Neolithikums geschaffen hat.
Die Keramik von Cucuteni ist abwechslungs-
und formenreich, von geometrischem Dekor,
wobei die Spirale in den verschiedensten
Varianten vorherrscht. Kennzeichnend ist die
Symmetrie der Motive und die Harmonie der
Farben Schwarz, Weiß und Rot. Spezialisten
wollen Ähnlichkeiten mit den Mustern der
heutigen rumänischen Folklore sehen.
Cucuteni gilt als die erste spezifisch
rumänische Kultur der uns unbekannten Keramik von Cucuteni
Autochthonen des Karpaten-Donauraums.
In den letzten zwanzig Jahren wurde für die
ackerbauende Bevölkerungen des
Neolithikums im nordthrakischen, also sprich zurück zur Textauswahl
rumänischen Raum, der Begriff «Vorthraker»
geprägt. Dies soll nicht unbedingt heißen,
dass es sich um Vorindoeuropäer handeln
muss. Die Bevölkerungen Rumäniens aus
dem dritten Jahrtausend und dem größten Teil
der ersten Hälfte des zweiten Jahrtausends,
bzw. aus der Bronzezeit werden in der
jüngsten Forschung unter dem Sammelbegriff
Urthraker zusammengefasst. Vom Ende der
Bronzezeit (14.Jh.v.Chr.) bis etwa zum
mittleren Hallstatt (13.Jh.v.Chr.) nennt man
die Bewohner des Donau-Karpatenraums
«Altgetodaker»

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Die geto-dakische Kultur

Die Wurzeln der geto-dakischen Kultur, der Dieses Reich der Dako-Geten, das zentral in
Kultur der Altgetodaker, liegen demnach etwa Argedava (entweder am Argeş-Fluss oder in
am Anfang des 2. Jahrtausends v. Chr., als Arcidava im Banat) verwaltet wurde, unterhielt
offensichtlich Ausläufer der indogermanischen nach der Auskunft Strabons ein Heer von
Wanderung die Karpaten erreichten. Aus 200.000 Bewaffneten und kontrollierte den
dieser Zeit besitzen wir nur archäologische gesamten Handel zwischen den benachbarten
Funde. nicht-römischen Vlkern. Die angeblich blonden
Die Daker wie die Geten haben wohl gegen Dako-Geten hatten eine hohe zivilisatorische
Ende der Hallsteinzeit (8.Jh.v.Chr. - Entwicklung durchlaufen. Sie widmeten sich
7.Jh.v.Chr. ) eine feste staatliche Ordnung hauptsächlich dem Ackerbau und der
gekannt, die nur auf Grund günstiger Viehzucht. Sie lebten in fast ausschließlich an
Vorbedingungen für den Tauschhandel mit Wasserläufen gelegenen Dörfern oder
den Nachbarn wachsen konnte. Drei Faktoren befestigten Städten; Ptolemaios, der
waren für eine solche Entwicklung gegeben: alexandrinische Geograph, zählt 40 davon.
eine Überschussproduktion von Sie züchteten Pferderassen, die im Altertum
Nahrungsmitteln, wie sie durch die fruchtbare hochgeschätzt waren, betrieben Bienenzucht
Schwarzerde garantiert wird, Bodenschätze und Fischfang, verstanden sich auf Salzabbau
und die damit verbundene Weiterentwicklung und Bergbau und kannten bereits das Erdöl.
der Eisenverarbeitung sowie günstige Sie bearbeiteten Kupfer und Eisen, prägten
Verkehrswege zu Lande und zu Wasser. zeitweilig sogar Münzen aus Gold und Silber
All das befähigte das Volk der Daker und nach griechischem und makedonischem
Geten zum ausgedehnten Handel mit den Vorbild. Etwa seit 80 v. Chr., nachdem
Nachbarzivilisationen: Dies waren im Osten Griechenland römisch geworden war, findet
die Skythen von der Nordküste des man bis zur Eroberung Dakiens durch Trajan
Schwarzen Meeres, die aus der iranischen fast ausschließlich römische Münzen, was
Hochebene stammten und als Erzfeinde des zeigt, dass der römischen militärischen
Perserreichs galten und die Griechen, die seit Eroberung bereits eine lange Periode der
dem 7. Jahrhundert v. Chr. Städte an der wirtschaftlichen Erschließung vorangegangen
Schwarzmeerküste gründeten. Tyras (Cetatea ist. Bis heute wurde aus dem Zeitraum von
Albă an der Dnjestermündung), Histria, Tomis 250 Jahren vor der römischen Eroberung -
(Constanţa) Kallatis (Mangalia) und neben zahlreichen Funden griechischer und
Dionysopolis (Balcik) gehören dazu. Im Süden makedonischer Münzen - 228 Münzschätze
war der Kernbereich der «eigentlichen» und 210 Einzelstücke römischer Münzen in
Thraker, das Gebiet, dem - infolge der Rumänien entdeckt.
späteren römischen Provinzialaufteilung - Die Daker, wie die Römer die geto-dakischen
schließlich der Name Thrakien geblieben ist. Stämme nannten, hatten eine aristokratische
Im Südwesten, dem späteren Bosnien, Gesellschaftsordnung, an deren Spitze ein
Dalmatien und Albanien waren die Adligenrat und ein Oberpriester den König
indogermanischen Illyrer ansässig, deren unterstützten. Unter der Sozialklasse der
Nachkommen heute noch in Albanien leben. Adligen (dakisch tarabostes), die die Römer
An ihrer adriatischen Küste befanden sich die nach ihrer Filzkappe pileati (gr. pilóforoi)
bedeutenden griechischen Emporien von nannten, lebte das ackerbauende und
Apollonia (Valona) und Dyrrachion (Durazzo), handeltreibende Volk, dessen Angehörige die
die seit der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. Römer später ob ihres langes Kopfhaares
mit den Dakern Handel trieben. Im Norden comati (gr. kometái) oder auch capillati
und Nordosten drangen gegen Ende des 1. (Langhaarige) nannten. Es gilt als sicher, dass
Jahrtausends v. Chr. die germanisch- man als Bedienstete des Adels und für den
keltischen Bastarnen und Stämme der Festungsbau Sklaven hielt. Die dakischen
Sarmaten, eines iranischen Nomadenvolks, Festungen waren zugleich Fluchtburgen für
insbesondere die Roxolanen ein. Im Westen die Bevölkerung der umliegenden Dörfer. Die
lebten die Kelten und seit dem 1. Jh. zwischen Festungen von Tilişca (Sibiu) und Piatra
Donau und Theiß auch der sarmatische Craivei (Alba Iulia) aber auch die zahlreichen
Stamm der Jazygen. Für die Entwicklung der Ruinen von dakischen Steinburgen im Gebiet
geto-dakischen Zivilisation waren seit dem 7. von Sarmizegethusa, der Hauptstadt des
Jahrhundert v. Chr. insbesondere die Dakerkönigs Decebal, sind augenfällige
Handelsbeziehungen mit den griechischen Beispiele für die hochentwickelte
Schwarzmeernachbarn von Bedeutung. Aber Verteidigungskunst der Daker. Doppelte
auch die griechischen Händler von der Gürtel von Abwehrkonstruktionen, Erdwälle
Adriaküste gewannen seit dem 3.Jahrhundert mit Palisaden und Gräben wie sie aus der
v.Chr. zunehmenden Einfluss. Die Griechen, Hallstatt-Zeit bekannt sind, umgaben sie. Das

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die ihre heimatliche Lebensweise in den Originelle in der geto-dakischen


neugegründeten Schwarzmeerstädten Festungsbaukunst war die Entwicklung der
einführten, kauften von den Geto-Dakern dakischen Mauer (murus dacicus oder opus
Weizen, Fische, Honig, Wachs, Pelze, Häute dacicum): Zwei parallele Steinmauern, die von
oder gar Sklaven und verkauften ihnen in die Steinblöcke eingelassenen Holzbalken
Erzeugnisse der feinen griechischen befestigt und zusammengehalten wurden.
Lebensart: Schmuck, feinste Keramik, Stoffe, Über den als Verteidigungsbastionen
Olivenöl und griechischen Wein. Mit dieser gedachten, das Gelände abschirmenden
Erfahrung versehen und zu Wohlstand dakischen Mauern lagen übereinander mit
gelangt, schlossen sich die geto-dakischen Bollwerken versehene Abwehrmauern aus
Fürstentümer seit dem 4. Jahrhundert v.Chr. gebrannten Ziegeln, Beobachtungsplattformen
zu Staatengebilden unter der Führung von und Verteidigungstürme, die vom hohen
Königen zusammen, ohne zunächst Niveau der Bautechnik zeigten. Hier wird
zentralistisch regiert zu sein. offenkundig, dass die Geto-Daker nicht nur
Im vierten Buch von Herodots keltische, sondern auch griechische und sogar
Geschichtswerk, das zu einem großen Teil die römische Bautechniken kennengelernt hatten.
Beschreibung Skythiens und die Expedition Im Kriegswesen waren sie nicht minder
des Darius gegen die Skythen (514 v. Chr.) gerüstet. Der gekrümmte Dolch (lat.sica), die
thematisiert, werden den Geten vier Kapitel krummen zweischneidigen Säbel (lat. falces)
gewidmet. Man erfährt von dem Sieg des aber auch lange, gerade Schwerter waren ihre
Darius über die Geten, «die sich unsterblich gefürchteten Waffen neben Lanzen und
wähnten», man liest, dass die Geten «die Speeren, Streitäxten, Streitkolben, Schleudern
tapfersten und gerechtesten unter den mit Steinen und Bleikugeln, deren
Thrakern» sind, und man erfährt allerlei über Verschiedenartigkeit gleichzeitig ihre
ihre Sitten und Gebräuche, ihren Glauben an ethnische Vielfalt widerspiegeln.
die Unsterblichkeit und ihren Gott Zamolxis. In Die Religion der Daker hat wegen ihres
der gesamten antiken Geschichtsschreibung Unsterblichkeitsglaubens Historiographen wie
ist dieser Bericht Herodots nicht nur die erste, Philosophen der Antike begeistert. Ihr oberster
sondern auch die reichhaltigste Quelle zu den Gott war Zalmoxis, vermutlich eine Erdgottheit
Geten. (bei anderen Stämmen Gebeleizis, vermutlich
In den zwei Jahrhunderten nach der ein Himmelsgott), Plato nennt ihn Gott-König.
persischen Invasion wurde die Entwicklung Sie haben ihn in luftigen, auf Bergspitzen
der getischen Gesellschaft von der Gründung gelegenen Kultzentren verehrt. Er war
des südthrakischen Reichs der Odrysen (unter Sinnbild des heiteren Himmels, der ihnen
Teres I) stark beeinflusst. Aus einer Quelle ewiges Leben verhieß. So wurde die
des Thukydides geht hervor, dass die Geten Kampfkraft der Daker durch die von der
von dem odrysischen König Sitalkes abhängig Verheißung des ewigen Lebens angespornte
waren und von ihm in den makedonischen Todesverachtung sprichwörtlich. Geto-
Feldzug gegen die Feinde Athens während dakische Truppen, von denen Herodot erzählt,
des Peloponesischen Kriegs mit einbezogen dass sie «die Tapfersten und Gerechtesten
wurden. der Thraker sind» kämpften als eigene
Nach neueren archäologischen Forschungen Abteilungen in den Heeren der Makedonier
hat der gesamte Raum der unteren Donau - und waren den Römern von daher bereits als
vom Vorland der Südkarpaten bis zum gefürchtete Gegner bekannt. Noch heute kann
nördlichen Zweig des Balkangebirges - einen man feststellen, dass Bestandteile des
einheitlich getischen Charakter. Die rumänischen Volksglaubens,
archäologische Dokumentation der Beschwörungsformeln und Elemente der
nordthrakischen Stämme besteht Volksheilkunde, Totenrituale, Volkstänze wie
überwiegend aus Einäscherungs- und die Hora bis weit in die dakische
Grabstättennekropolen und einer Keramik mit Vergangenheit zurückreichen.
sehr einheitlichen Formen. Das geto-dakische
Element war offensichtlich das prägende
dieses Siedlungsraums.
Die untere Donau floss also durch das
Getenland. Für die nächsten Nachbarn war es
stets verführerisch, ihre Grenze zur Donau hin
auszuweiten. Perser, Skythen und
Makedonen taten dies zuerst, die Römer
ahmten es nach - alle jedoch ohne
anhaltenden Erfolg.
Die getischen Vorfahren der Rumänen treten
in die schriftlich überlieferte Geschichte im
Jahre 335 v. Chr., als Alexander der Große
einen Straffeldzug gegen die Geten aus der
Donauebene unternahm, die Donau

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Rumänien - Rumänische Identität Seite 3 von 3

überquerte und die Armee der Geten ohne


Verluste vertrieb, um dann wieder
zurückzukehren. Ziel des Feldzugs von
Alexander war sicherlich die Liquidierung der
getischen Stämme und damit die
Konsolidierung der Donau-Grenze. Doch hier
bewahrheitete sich zum ersten Mal die
Kampftaktik des rumänischen Sprichworts
«Das Fliehen ist schändlich, aber gesund»:
das sonst als so tapfer beschriebene Geten-
Heer wich dem Kampf mit der Übermacht klug
aus, blieb so intakt und bedrohte dann unter
dem Dako-Getenkönig Dromichetes
Alexanders Nachfolger in Thrakien mehrfach
zwischen 300 und 292, um schließlich zu
siegen. Dromichetes nahm sogar den Sohn
des Lysimachos gefangen und konnte das
Prestige des dako-getischen Königreichs
erheblich steigern.
Nach Dromichetes wird Dakien von den
Kelten aus dem Westen heimgesucht. Doch
ähnlich wie bei früherem Vordringen der Zalmoxis
Skythen aus dem Osten wird das Problem der
fremden Okkupanten an den Grenzen - durch Nach dem heutigen Selbstverständnis
neutralisierende Assimilation - gelöst. Rumäniens bildet also das geto-dakische Volk
Die dako-getischen Könige des 3. und 2. die ethnische Grundlage der späteren
Jahrhunderts, Zalmodegikos, Rhemaxos und Rumänen. Es ist neben der römischen Kultur
Ruhobe, dehnten ihre Macht bis auf die eine der beiden Hauptvoraussetzungen für
griechischen Schwarzmeersiedlungen aus. das Entstehen eines Rumänentums.
Unter Burebista, der - wie eine Der Geto-dakische Staat der vorrömischen
zeitgenössische griechische Inschrift aus Zeit ist gekennzeichnet durch einen hohen
Dionysopolis (Balcik) bezeugt - «sich zum zivilisatorischen Stand, militärische Macht und
ersten und größten der Könige Thrakiens seine handelspolitische Rolle. Dieser neue
aufgeschwungen hatte und Herrscher aller Machtfaktor am Rande des Imperium
Gebiete diesseits und jenseits der Donau Romanum rief bald die Römer auf den Plan.
geworden war» entsteht so im 1. Jahrhundert Dem neuen Nachbarn ging es nach der
v.Chr. ein Reich, das von der Inbesitznahme Griechenlands auch um die
Schwarzmeerküste bis nach Böhmen reicht. Donaugrenze.

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Die Romanität Rumäniens

Was für Caesar die Sicherung der Nordgrenze Erst Trajan konnte triumphieren. Am 25. März
am Rhein darstellte, war für Augustus das 101 verließ er Rom in Richtung Moesien, wo
Erreichen und Sichern der Donaugrenze. er 14 für römische Legionen und zahlreiche
Nach der Unterwerfung Griechenlands Hilfstruppen, insgesamt ein Heer von 150.000
reichten die römischen Provinzialgrenzen auf Mann zusammengezogen hatte. Er läßt die
dem Balkan mit Macedonia und dem Donau mit einem Teil der Truppen über eine
tributären Thracia nur bis in den Bereich Pontonbrücke bei Lederata überschreiten, um
südlich der Donau. Doch Makedonien und über das Banat nach Siebenbürgen
Thrakien waren unsichere Regionen, ständig vorzustoßen, mit einem anderen Teil
von räuberischen Einfällen der nördlichen überschritt er bei Drubeta (Turnu Severin) den
Nachbarn heimgesucht. Dies sollte anders heiligen Fluss, um sich mit dem ersten
werden. Bereits nach der Niederwerfung Truppenteil bei Tibiscum zu vereinigen.
Griechenlands zeichnet sich ein Wechsel in Decebal konnte den Vormarsch nicht stoppen.
der Handelsausrichtung des Karpatenraums Die Römer eroberten Festung um Festung.
ab. Lange vor der eigentlichen militärischen Schließlich - verbündet mit roxolanischen und
Eroberung wurde der rmische Denar anderen Truppen - eröffnet Decebal in der
dominierendes Zahlungsmittel im dakischen Dobrudscha eine zweite Front, die Trajan von
Raum. Für den römischen Handel, der von der Eroberung des dakischen Kernlandes
Italien und den dalmatinischen Küstenstädten abhalten sollte. Trajan ist gezwungen,
ausging, war Dakien längst römisches Truppen an die moesische Front zu schicken,
Interessengebiet. Von seiner römischen wo er in der Entscheidungsschlacht von
Provinz Makedonien aus stößt der Proconsul Adamclisi (Frühjahr 102) siegt. Das
C. Scribonius Curio im Jahr 75 v.Chr. bei trajanische Monument von Adamclisi erinnert
einem Straffeldzug gegen die Daker in der an diese Schlacht. Als die trajanischen
Gegend des Banat zum ersten Mal zur Donau Truppen daraufhin im Sommer 102 ihre
vor, ohne sie jedoch zu überqueren. Caesar Offensive wieder aufnahmen und auf die
bereitete eine Strafexpedition gegen die Daker Hauptstadt Decebals vorrückten, war dieser
vor. Sein Tod kommt einer geplanten zu einem Friedensschluss unter erschwerten
militärischen Invasion im Donauraum zuvor. Bedingungen bereit. Decebal unterwirft sich
So war es Augustus überlassen, durch eine und liefert die Überläufer aus. Dakische
räumliche Neuordnung die Region zu Kriegsfestungen werden zerstört, eine
«befrieden¹. Am Ende der Herrschaft des römische Garnison bleibt zum Schutz im
Augustus gab es statt der Provinz Illyrien Lande stationiert, Straßen für einen späteren
sieben neue Provinzen: Raetia, Noricum, Vormarsch werden errichtet und der Vertrag
Illyria Inferior, Pannonia, Illyria Superior oder von 89 wird aufgehoben. Doch dieser Friede
Dalmatia und Moesia. Die vorgeschobenen ist nur ein Vorspiel der endgültigen
Militärposten von Pannonien, Illyria Inferior Vernichtung der dakischen Militärmacht. Im
und Moesien sollten von hier aus die Frühjahr 105 hat der von Trajan beauftragte
Donaugrenze allmählich kontrollieren. Dakien griechische Architekt Apollodor von Damaskus
war römischer Grenznachbar geworden und die Donaubrücke bei Drubeta fertiggestellt,
wurde bereits durch römische Decebal rüstet sich für eine neue
Wirtschaftsinteressen im Griff gehalten. Der Konfrontation.
Romanisierungsprozess beginnt also schon
vor der militäischen Eroberung unter Trajan.

Turnu Severin (Drubeta):


Rekonstruierte römische Brücke

Am 4. Juni 105 verläßt Trajan Rom,


überschreitet die Donau und rückt schnell auf
Decebals Karpatenfestung vor. Im Sommer
106 fällt Decebals Hauptstadt Sarmizegetusa.
Decebal, von der römischen Kavallerie
verfolgt, fürchtet die Gefangenschaft und

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Rumänien - Die Romanität Seite 2 von 3

stürzt sich in sein eigenes Schwert. Dakien


wird Provinz der Sieger. Die Kommentare des
Trajan, in Caesars Tradition abgefasst, sowie
die Getica des Kriton, seines Leibarztes sind
verloren gegangen. Lediglich aus der Historia
Romana des Dio Cassius haben sich einige
Zusammenfassungen in späten
byzantinischen Quellen des 12. Jahrhunderts
erhalten. So bleiben uns die bewegten Bilder
des trajanischen Monuments von Adamclisi
und die in Rom errichtete Trajanssäule, die
ungleich mehr berichten könnte, wären die
Kommentare des Trajan erhalten. Für die
Rumänen ist die Trajanssäule das wichtigste
Dokument ihrer Geburtsstunde. Im Bukarester
Museum für die Geschichte Rumäniens bringt
man täglich Schulklassen vor die dort
ausgestellte Kopie, um ihnen die Genese
ihres Volkes vor Augen zu führen. Der Begriff
der östlichen Latinität der Dakoromanen findet
in diesem Monument seinen Ausdruck.
Mit einer nie gekannten Gründlichkeit wird der
Decebal lange zuvor schon eingeleitete
Romanisierungsprozess nun von Trajan
Die Geschichte der Schwarzmeerregion läuft geplant. Trajan, der erste Römer aus der
hierzu parallel. Schon in dem ersten Krieg des Provinz auf dem Kaiserthron, versucht seine
noch republikanischen Roms gegen den neue Provinz möglichst schnell auf römischen
pontischen Herrscher Mithridates (89-85 v. Standard zu bringen. Er führt Umsiedlungen
Chr.) gerät die Schwarzmeerregion durch, gründet neue Städte, läßt Steinstraßen
zunehmend in den Einflussbereich Roms. Im anlegen, bringt lateinischsprachige Neusiedler
dritten Krieg Roms gegen Mithridates aus allen Teilen des Reiches nach Dakien. An
unterwerfen sich 79 v. Chr. die fünf zwei Stellen wird ein gewaltiger römischer
griechischen Städte der Dobrudschaküste für Limes errichtet. Bodenschätze werden
wenige Jahre der römischen Oberherrschaft, ausgebeutet, die römische Technologie hält
um sie bereits im Jahr 61 v. Chr. im Bündnis Einzug in dem dakischen Entwicklungsland,
mit getischen Stämmen wieder abzuschütteln. das durch den direkten Anschluss an das
Sechs Jahre später erobert der Dakerkönig Imperium einen ungeheuren wirtschaftlichen
Burebista die Griechenstädte und vereint sie Aufschwung nimmt. Die Romanisierung war
mit seinem Reich. Als 28 v. Chr. eine Invasion vollkommen: Sie hat alle Bereiche des
dakischer Stämme die südliche Donauregion materiellen, wirtschaftlichen, sozialen und
bedroht, schlägt sie der Prokonsul von geistigen Lebens erfasst. Nach 250 Jahren
Macedonia, M. Licinius Crassus, zurück und römischen Einflusses und weiteren 170
wird dabei von einem geto-dakischen Jahren direkter römischer Herrschaft wurde
Häuptling aus dem Südwesten der Dakien ein fester Träger römischer
Dobrudscha namens Roles unterstützt. Der Provinzkultur. Die so romanisierten Daker
Kollaborateur erhält den Titel socius et amicus wurden römischer als ihre makedonische oder
populi Romani (Bundesgenosse und Freund thrakische Umgebung. Nicht erst seit der
des Römischen Volkes). Er ist es, der die Spaltung des Reichs galt Makedonien als
Römer zu Hilfe ruft, als ihn 27 v. Chr. ein Trennungslinie zwischen Orient und Okzident,
Geto-Daker-Fürst aus der Mitteldobrudscha zwischen Byzanz und Rom. Das danubische
angreift. M. Licinius Crassus feiert in Rom Dakien aber wurde fortan von Handel und
seinen Triumph über die Thraker und Geten. Administration her auf Italien und die
So kommt allmählich im letzten Jahrzehnt der dalmatinische Küste ausgerichtet. Als
Herrschaft des Augustus (27 v. Chr. - 14 n. schließlich Aurelian die Truppen an die
Chr.) auch die Dobrudscha unter direkte Donaugrenze zurücknahm, war auf ehemals
militärische Kontrolle Roms. Zwar ist die dakischem Boden bereits eine Bevölkerung
Dobrudscha noch nominell abhängig von dem entstanden, die römisches Bürgerrecht besaß
römischen Tributarkönigreich Thracia, doch und sich mit Rom identifizierte: die
die Küstenstädte sind längst römische Alliierte dakoromanische Bevölkerung, die Vorfahren
und überwachter Grenzbezirk des römischen der Rumänen von heute.
Imperiums. Auf Befehl des Augustus wird der
römische Dichter Ovid nach Tomis
(Constanţa) in die Verbannung geschickt. zurück zur Textauswahl
Ovid lebte hier unter Geten und Griechen und
sprach wohl auch bald getisch und thrakisch.

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Im Jahre 15 wird die römische Provinz Moesia


gegründet. Erst 70 Jahre später, anläßlich
eines Besuchs des Kaisers Domitian an der
moesischen Front nach einer der zahlreichen
Dakerinvasionen, wird die Provinz Moesia in
ein Moesia Superior und Inferior teilt. In die
Grenzen der letzteren wird auch Scythia Minor
integriert. Die Römer stehen nun auch mit
ihren Provinzgrenzen unmittelbar am heiligen
Fluss der Daker.
Zur großen militärischen Auseinandersetzung
mit dem Dakerreich und zur Schaffung des
römischen Dakien kommt es erst unter Trajan.
Nach der Ermordung des Burebista fanden die
geto-dakischen Stämme zwar nicht mehr die
zentralisierte Einheit wie zuvor, fielen aber
kontinuierlich in die römischen Randprovinzen
ein. Mit dem Dakerkönig Decebal (87-106)
erreicht das Geto-Dakerreich seinen letzten
Höhepunkt. Nach einer römischen
Strafexpedition gegen die Daker im Jahre 87
stößt der Prätorianerpräfekt Cornelius Fuscus
soweit in das Herz des Dakerreichs vor, dass
der Dakerkönig Duras-Diurpaneus dem zuvor
gegen Domitian so erfolgreichen Feldherrn
Decebal den Thron überlassen muss. Decebal
besiegt die Römer in einem Hinterhalt, Fuscus
stirbt in der Schlacht. In einem zwei Jahre
später abgeschlossenen Kompromissfrieden
erklärt sich Decebal bereit, künftig römischer
Verbündeter zu sein. Der Preis für diese
Erklärung war hoch: Decebal erhielt jährliche
Zahlungen und technische Hilfe für sein
Stillhalten zugesagt und gab weder die
römischen Gefangenen noch die erbeuteten
Legionsinsignien zurück. So konnte Decebal
mit römischer Entwicklungshilfe seine
militärische Eigenständigkeit demonstrieren.
Diese Schmach Domitians wurde in Rom nie
verwunden.

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Die freien Daker

Die römische Provinz Dakien umfasste nur


einen Teil des dakischen Territoriums. Die
Römer besetzten Siebenbürgen und das
Banat, Oltenien und den westlichen Teil
Munteniens. Die Dobrudscha war bereits Teil
Moesiens und als solches römische Provinz.
Den freien Dakern, die außerhalb des römisch
besetzten Territoriums lebten, blieb die
Moldau, das mittlere und östliche Muntenien
sowie das Siedlungsgebiet der westlichen
Daker zwischen Donau und Theiß. Das
Donau-Theißgebiet, die Donaugrenzgebiete
der restlichen Walachei und die südliche
Moldau waren allerdings de facto römische
Protektorate geworden, in denen sich kein
lokaler Widerstand mehr regte. Die übrige
Moldau lebte fortan in einer gewissen
ökonomischen Abhängigkeit von der
römischen Provinz Dakien und war zudem
politisch von ihr kontrolliert. Auch ein
militärisches Eingreifen von den Kastellen
Dakiens aus war jederzeit möglich.
Die freien Daker wurden zunehmend
abhängig und bauten keine den früheren
dakischen Staatsstrukturen entsprechende Daker fliehen vor den Römern
Gemeinwesen mehr auf. Überhaupt scheint
man in den Adligen der vorrömischen Zeit die
Ursache für den Verlust der Souveränität zurück zur Textauswahl
gesehen zu haben. Im freien Dakien fanden
die Archäologen kaum Dörfer, die zu
Verteidigungszwecken errichtet waren. Es
scheint vielmehr egalitäre Dorfverbände ohne
politisch charismatische Führergestalten
gegeben zu haben. Man arrangierte sich mit
dem mächtigen römischen Nachbarn. Als
dann im dritten Jahrhundert die Grenzen zur
ehemaligen Provinz Dakien wieder
offenstanden, konnte der
Assimilationsprozess leicht fortgesetzt
werden. Aus der Zeit des freien Dakien
stammen die typisch lokalen Züge in der
Nordmoldau, wo die freien Daker schon früh
mit Sarmaten und Germanen
zusammengelebt haben. Man spricht hier von
der karpischen Kultur. Als Chilia-Kultur
bezeichnet man das südliche Pendant der
freien Daker in der Südmoldau und in der
nicht-römischen Walachei, wo man ebenfalls
mit den Sarmaten zusammenlebte und
intensiverem römischen Einfluss als im
Norden ausgesetzt war. Die Kultur der West-
Daker hat wohl am längsten (bis ins 4. Jh.)
überlebt.

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Rumänien - Rumänische Identität Seite 2 von 2

Daker

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Rumänien - Dakoromanische Kulturdentität Seite 1 von 2

Dakoromanische Kulturkontinuität

Der Abzug des römischen Heeres und der


zentralen Verwaltung ist nicht das Ende des
römischen Dakien. Man wird sich schwer tun,
historische Parallelen für einen vollständigen
Abzug einer Bevölkerung zu finden. In
jüngerer Zeit hat man eine ganze Reihe von
archäologischen Funden machen können, die
das Weiterbestehen der Romanität bezeugen.
Schließlich blieben die Römer in den
süddanubischen Regionen weiterhin präsent.
Die früher von einigen wenigen Wissenschaft-
lern angenommene Südwanderung der
romanischen Bevölkerung, der eine viel
spätere Wiedereinwanderung in den dann
bereits von anderen Völkern besiedelten
Norden gefolgt sein soll, gilt heute als
widerlegt. Zudem standen solche Theorien
meist in gefährlicher Nähe zu gewissen
ethnisch-politischen Konzepten. Die
dakoromanische Kultur nördlich der Donau hat
die römische Präsenz überlebt. Die Kontinuität
des rumänischen Volkes auf seinem heutigen
Territorium ist mittlerweile unbestritten. Doch Adamclisi - Sieg der Römer
für diese Kontinuität opferte man im Bereich
der materiellen Kultur. Gleichzeitig deuten sich Veränderungen in der
Bis ins vierte Jahrhundert gab es römisch- Sozialstruktur an. Die Ackerbau betreibenden
militärische Präsenz im südlichen Donauraum. slawischen Invasoren beanspruchen für sich
In den Jahren 367 - 369 gab es unter Kaiser die strategisch wie landwirtschaftlich am
Valens noch Strafexpeditionen gegen die besten nutzbaren Plätze. Dadurch wird die
nördlich der Donau eingedrungene Goten. Für rumänische Bevölkerung in ungünstigere
das oströmische Konstantinopel blieb der (meist höher gelegene) Regionen der
Donaulimes die bedeutendste Verteidigungs- Karpaten verdrängt. Mit dem sich
linie des Imperiums. Aus dem vierten abzeichnenden ökonomischen und
Jahrhundert ist überliefert, dass Wulfilas, der gesellschaftlichen Wandel in Dakien
Gotenapostel, in lateinischer Sprache für die schwindet allmählich die Beeinflussung durch
romanische Bevölkerung wie für die Goten Byzanz und es entstehen eigenständige
nördlich der Donau gepredigt hat. Das Landadel-strukturen. Die rumänische
Christentum hat von seiner Einführung als Bevölkerung, häufig in der Nähe der
Staatsreligion 325 bis ins 7. Jh. eine immerhin traditionellen Dörfer von den Slawen
noch 300 Jahre währende lateinische marginalisiert, wird zu einer Schicht
Tradition in den Donauländern. Erst unter dem abhängigger Bauern, die sich sehr bald an die
byzantinischen Herrscher Heraklios (610-641) Herrschaftsformen der slawischen Eroberer
ersetzt das Griechische das Lateinische als assimiliert und deren Führungsstellung
offizielle Staatssprache. Noch im sechsten akzeptiert. So entsteht in dieser Zeit
Jahrhundert korrespondiert der letzte Bischof offensichtlich die Grundlage für ein
von Tomis (Constanţa) in Latein mit rumänisches Feudalsystem, dessen
Konstantinopel und mit dem Papst in Rom. Kennzeichen slawischer Prägung sind. Mit
Wenn schließlich die Kontinuität des dieser Tendenz geht die Christianisierung des
Christentums nach der Eigengrüdung einer bulgarischen Reichs einher. Mit der
bulgarischen Kirche erst im 10. Jahrhundert in Ausdehnung des bulgarischen Reichs in die
der Kultsprache des Altkirchenslawischen transdanubischen Regionen dringt auch die in
weitergeführt wurde, mussten die Gläubigen in altkirchenslawischer Tradition vermittelte
der Zwischenzeit zwangsläufig an der Botschaft der orthodoxen Religion in
lateinischen Tradition festgehalten haben. Rumänien ein. Sie verbindet sich mit dem
In dieser Zwischenzeit haben die bereits vorhandenen Christentum zu einem
Dakoromanen des Karpatenraums nur durch Slawen wie Rumänen vereinenden Band.
entsprechende Veränderungen ihres Während südlich der Donau der
materiellen Kulturverhaltens überleben Slawisierungsprozess wegen des nur
können. Die Völker der Goten, Hunnen, geringen Romanisierungsgrades rasch
Gepiden und Awaren, die zwischen dem 4.

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Rumänien - Dakoromanische Kulturdentität Seite 2 von 2

und dem 6. Jh. über Dakien hinwegzogen, voranschreitet, treffen die Slawen nördlich der
haben wenig hinterlassen. Sie repräsentierten Donau auf eine verhältnismäßig homogene
eine kriegerische Minderheit, deren Herrschaft Gruppe ackerbauender und viehzüchtender
sich mit dem militärisch-politischen Anspruch dakoromanischer Provinzialbevölkerung, die
begnügte. Den Anspruch einer wirkungsvollen sich sehr schnell in die neue
Kolonisierung hatten sie nicht. Die Hunnen, Abhängigkeitsstruktur einfügt und ihrerseits
die bei ihrem Durchzug durch das die slawische Bevölkerung allmählich
Donaugebiet etwa 70 Städte zu beiden Seiten assimiliert. Diese nunmehr von einem starken
des Flusses brandschatzten, waren letztlich slawischen Landadel beherrschte rumänische
auf die Versorgungsgüter der autochthonen Landbevölkerung identifiziert sich sehr schnell
Bevölkerung angewiesen. Restbestände von mit ihrer neuen Lage. Als seit 896 die Ungarn
durch das Land gezogenen ins Land eindringen, schützt gleichzeitig die
Bevölkerungsteilen wurden allmählich Zugehörigkeit zum slawischen
assimiliert, ohne wesentliche sprachliche oder Herrschaftsbereich und zur orthodoxen
kulturelle Spuren zu hinterlassen. Unter dem Religion die rumänische Bevölkerung vor
Druck der Nomadenvölker sehen sich die einer erneuten Eingliederung in eine andere
Dakoromanen allmählich gezwungen, ihre Kultur. Die nun folgenden Kulturkontakte mit
alten Städte und Handelsorte zu verlassen Ungarn, Deutschen und Türken beeinflussten
und in den Karpaten ein Bauern- und zwar die nunmehr eigenständige rumänische
Hirtenleben zu führen. In den entlegenen Sprache und Kultur, sie konnten sie allerdings
Tälern und den Hochgebirgsweiden der nicht mehr umstürzen.
Karpaten hat sich dakoromanische Kultur und
Sprache erhalten. Hier, in der Ferne vom einst
mächtigen Rom, hat sich auch das
Rumänische als eigenständige romanische zurück zur Textauswahl
Sprache der Dakoromanen konstituiert. Bis ins
7. Jh. war das Lateinische auch für die
süddanubischen Regionen, auch wenn sie seit
395 zu Ostrom gehörten, Staatssprache und
überregionale Verkehrssprache.
Erst it den Slawenwanderungen, die in den
letzten Jahrzehnten des 6.Jh. in der
Nordmoldau beginnen, um im 9. Jh. in einem
bulgarischen Zarenreich zu enden, das sich in
der ersten Hälfte des 10. Jhs. auch auf einige
Regionen im Norden der Donau ausdehnt,
kommen fremde sesshafte Bauern in den
Lebensbereich der Dakoromanen. Der
sprachliche Konsolidierungsprozess des
Rumänischen ist jedoch zu diesem Zeitpunkt
schon so weit abgeschlossen, dass die
rumänische Sprache und Kultur lediglich
Bereicherungen, aber keine essentiellen
Veränderungen mehr erfahren. Diese
slawischen Entlehnungen, die im Vokabular
des Rumänischen in großer Fülle Eingang
gefunden haben, werden gleichzeitig zum
wichtigsten Charakteristikum des
Rumänischen überhaupt. Kein späteres
Ereignis, nicht einmal die fast vierhundert
Jahre lang währende Abhängigkeit von den
Türken, hat die rumänische Sprache und
Kultur so entscheidend beeinflusst, wie der
Kontakt mit den Slawen. Mit der Zuwanderung
der Slawen formt sich aus der romanischen
Provinzialbevölkerung Dakiens das
rumänische Volk, wird aus dem bereits
spezifisch «rumänische» Züge tragenden
gesprochenen Latein Dakiens eine
eigenständige romanische Sprache

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Rumänien und Byzanz

Durch die slawische Landnahme wurde das Hier an der Grenze zwischen der west- wie
romanisierte Dakien definitiv von den übrigen oströmischen Abendlandtradition und den
romanischen Ländern isoliert. Gleichzeitig heranflutenden Mongolentataren im
wurde auf lange Sicht die Ausrichtung auf Nordosten sowie den erstarkenden Türken vor
Byzanz zementiert, ohne die eine rumänische den Pforten der byzantinischen Kultur sind die
Kultur der Folgezeit nicht gesehen werden eigenständigsten und großartigsten
darf. Die aus den Dakern, römischen Siedlern Kulturleistungen Rumäniens entstanden, die
und Soldaten hervorgegangene romanische ohne Byzanz undenkbar wären: die
Provinzbevölkerung wird erst durch das moldauischen Klöster mit ihren
slawische Bevölkerungsferment zur eigentlich farbenprächtigen Bildgeschichten an den
rumänischen Bevölkerung. Fassaden. Gerade durch den ständigen Druck
Mit dem Eindringen der Slawen verliert der katholischer Propaganda aus dem
wirtschaftliche Einfluss Ostroms an jagellonischen Polen sah sich der
Bedeutung. Ein gewisser moldauische Fürst Alexandru cel Bun (140l-
Ruralisierungsprozess setzt ein und endet mit 1432) veranlasst, die administrative Struktur
der Verdrängung der autochthonen der byzantinischen Orthodoxie durch
Bevölkerung in ökonomisch unvorteilhafte zahlreiche Klostergründungen zu stärken. Wie
Gebirgs- und Hangzonen. Im Besitz der so häufig in der Geschichte Rumäniens führte
Slawen befanden sich die Talsohlen, die gerade der Druck durch die fremdbestimmte
Märkte, Brücken, Goldminen und Salinen. Die politische Konstellation zu genialen
Rumänen, von ihnen kann man mit Fug und Eigenschöpfungen. Die Option für die
Recht seit der slawischen Landnahme Verstärkung der byzantinischen Orthodoxie
sprechen, bleiben Untertan. Ihr nächster (ost) war ein Weg Unabhängigkeit zu
romanischer Bezugspunkt, Byzanz, verliert demonstrieren.
zwischen dem 7. und 10. Jahrhundert durch Die polnischen Kaufleute, die Mittel- und
die slawisch-bulgarische Staatsbildung südlich Nordeuropa mit orientalischen Waren
der Donau an Einfluss, doch die versorgten, die am Schwarzen Meer und über
Christianisierung des ersten bulgarischen Byzanz umgeschlagen wurden, kamen über
Reichs unter Khan Boris legte bald den die Täler des Sereth, Prut und Dnjester nach
Grundstein für ein allmähliches Rumänien. Die rumänische Moldau mit ihrer
Wiedererstehen des byzantinischen eigenständigen byzantinischen Kultur blühte
Einflusses auf den dakoromanischen Raum. ähnlich auf wie später, nach dem Fall
Zunächst bezog Zar Simeon (893-927) Teile Konstantinopels die im Kräftefeld des
davon in sein bulgarisches Reich ein, doch die katholischen Ungarn und der herannahenden
ungarische Einwanderung (896), die der türkischen Heere auf Eigenständigkeit
Petschenegen, Usen und Kumanen lockerten bedachte rumänische Walachei. Auch hier war
die direkte Abhängigkeit von einem schwächer es die über die Bulgaren vermittelte Kultur der
werdenden Bulgarenreich. So kann man byzantinischen Orthodoxie, die eine
beobachten, dass schon Anfang des 10. Abgrenzung gegenüber den katholischen
Jahrhunderts, noch vor dem Wiedererstarken Ungarn erlaubte, deren christliche
von Byzanz unter Basileios II, monetäre und Gemeinsamkeit aber gleichzeitig Attraktion
materielle Zeugnisse vom Handel zwischen genug für die westlichen Mächte darstellte, in
Byzanz und den Dakoromanen künden, der dem walachischen Fürstentum einen
auf einem Boden stattfand, den die Schüler kostenlosen Verteidigungswall gegen die
des Cyrill und Method, der beiden Türkenexpansion zu sehen. Das Transitland
«Slawenapostel», zuvor christlich in der zwischen Orient und Okzident, das
Tradition der byzantinischen Orthodoxie Fürstentum Walachei, findet in der
missioniert hatten. byzantinischen Orthodoxie eine wenn auch
Seit dem 10. Jahrhundert dominiert die über fiktive Unabhängigkeitsidentifikation, die für
das kyrillische Alphabet verbreitete das Entstehen rumänischer Eigenstaatlichkeit
altkirchenslawische Liturgiesprache und von höchster Bedeutung ist.
vermittelt die kulturellen Inhalte der So ist Byzanz für Rumänien der Rest einer
byzantinischen Orthodoxie. Die rumänischen Nabelschnur Roms, zugleich aber auch, lange
Kernlande Walachei, Moldau sowie nachdem es nicht mehr existierte, die Idee
Siebenbürgen und die Dobrogea unterliegen einer christlichen-weltlichen Autorität und
aber nicht einer einheitlichen Beeinflussung Tradition und damit eine ständig sprudelnde
durch die byzantinische Kultur. Da Rumänien Quelle der Identitätsfindung zwischen Orient
zwischen dem zweiten Reich der und Okzident.
byzantinisch-orthodoxen Bulgaren im Süden,
dem byzantinischen Restimperium, dem seit

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Rumänien - Rumänische Identität Seite 2 von 2

der Jahrtausendwende katholisch-christlichen


ungarischen Reich im Westen, und später den zurück zur Textauswahl
katholischen Polen im Norden keine politisch
einheitliche Staatenbildung erreichen konnten,
sondern den Einflüssen dieser Kräfte in
unterschiedlichem Maße und unter
verschiedenen Religionstraditionen
ausgesetzt war, kann man keine einheitlich
kulturelle Prägung durch Byzanz
voraussetzen. Diese war in den
verschiedenen rumänischen Gebieten
unterschiedlich stark präsent. Am wenigsten
manifestiert sie sich im ungarisch dominierten
Siebenbürgen, stärker in der Walachei und in
den Handelsstädten der Schwarzmeerküste.
Am stärksten, wenn auch am unabhängigsten,
zeigt sich byzantinische Tradition in der
zwischen ungarischer und polnischer Macht
lavierenden Moldau.

Byzanz

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Rumänien - Mittelalter Seite 1 von 3

Rumänien im Mittelalter Vlad Ţepeş, Fürst der Walachei (1456-1462)


Kulturkontinuität und historisches Vorbild für Bram Stokers
Dracula-Erfindung, bekannt als der
"Pfähler" (= Ţepeş), weil er seine Feinde zu
Das Trauma der rumänischen Geschichts- pfählen pflegte, setzt sich erfolgreich der
schreibung ist ein doppeltes: Zum einen gibt osmanischen Bedrohung entgegen und
es keine schriftlichen, in rumänischer Sprache bewahrt so den autonomen Status seines
verfassten Texte vor dem 16. Jahrhundert und Fürstentums. Er fällt schließlich einer Intrige
zum anderen gibt es das mit diesem Trauma zum Opfer und wird vom ungarischen König
verbundene Rechtfertigungssyndrom für die Matthias Corvinus gefangen. Sein Bruder
Kontinuität rumänischer Kultur auf Radu cel Frumos (Radu der Schöne) setzt
rumänischem Territorium. Nachbarvölker seine Autonomie-bestrebungen fort.
haben durch atemberaubende Theorien
versucht, den Rumänen diese Kontinuität
abzusprechen. Doch gerade diese Absichten
haben den Forschungseifer rumänischer
Wissenschaftler beflügelt, sodass die
Ergebnisse der Geschichtsforschung solche
Versuche schnell in ihre politischen
Schranken verwiesen haben. Ein
Rumänitätsbewusstsein hat es offensichtlich
schon im Mittelalter gegeben. Versuche, das
Land der Rumänen unter ein politisches Dach
zu bringen, sind schon im Mittelalter belegt.
Natürlich konnten sich die Rumänen nicht an
einer Großmacht orientieren, in deren
Schatten sie zur Einheit hätten finden können.
Vielmehr ging es in erster Linie um die Frage
des Überlebens. Kein anderes Territorium
Europas war während des gesamten
Mittelalters und sogar bis ins 18. Jahrhundert
so betroffen von Invasionen, Raubzügen und
Völkerwanderungen wie Rumänien.

Vlad Ţepeş genannt Dracula

In der Folge konzentrieren sich die


Bemühungen um die Verteidigung
rumänischen Bodens gegen die Türken auf
den Fürsten der Moldau, Ştefan cel Mare
(Stephan der Große, 1457-1504), den der
Papst nach der siegreichen Schlacht von
Văslui (1475) mit dem Beinamen "Athlet
Christi" bedacht hatte. Die Herrschaftszeit des
Ştefan cel Mare stellt die Blüte der
mittelalterlichen Kultur der Moldau dar: Er
macht die Moldau zum Radiationspunkt
rumänischer Kultur. Nach dem Fall
Konstantinopels wird die Moldau mit ihrem
spezifisch "moldauischen Stil" zum
Mircea cel Bătrân eigentlichen Träger nachbyzantinischer Kunst.
Ştefan cel Mare entwickelt den Handel
Nach den Wellen der Völkerwanderung des zwischen den Ostseehäfen und dem
ersten Jahrtausends wurde Rumänien Schwarzen Meer, zwischen Ungarn,
nacheinander von den Petschenegen, den Siebenbürgen, der Walachei und dem Orient.
Kumanen und schließlich 1241 von den Ein umfassendes Befestigungssystem sichert
Mongolen heimgesucht. Zahlreich waren die sein Reich: Suceava richtet sich gegen
Beutezüge der Goldenen Horde und bis ins polnische Bedrohungen aus dem Norden,
18. Jahrhundert der Krimtataren. Vom Westen Orhei, Soroca, Hotin, Cetatea Albă am
her brachten die ungarischen Invasoren Dnjester (heute in der moldauischen Republik

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Rumänien - Mittelalter Seite 2 von 3

Pannoniens das rumänische Territorium und der Ukraine) sollten tatarischen


allmählich unter ihre Herrschaft und der Übergriffen aus dem Osten trotzen, Chilia und
zunehmende Verfall des byzantinischen Crăciuna an der danubischen Südgrenze
Reichs, verhinderte eine übergreifende seines Reiches hielten dem türkischen
politische Organisation des Rumänentums. Machtanspruch stand und Cetatea Neamţului
Die Machtinteressen des osmanischen in den Karpaten sollte den westlichen
Reiches und die der westlichen Nachbarn Nachbarn Ungarn in seinen Grenzen halten.
förderten kaum die Eigenstaatlichkeit. In diesem Reich entwickelt sich neben dem
Erste Hinweise auf ápartielle rumänische Handel und der Wirtschaft auch die Kultur. Die
Eigenstaatlichkeit im Mittelalter stammen aus großartigen Klosterbauten von Voroneţ, Putna
verschiedenen Provinzen. Es handelt sich und Neamţ, mit ihrer für ein panrumänisches
hierbei meist um Wojewodschaften und Empfinden so ü beraus wichtigen kulturellen
Knessate, kleinere Fürstentümer und Ausstrahlung auf das ganze Land, entstehen
politische Einheiten unter der Führung eines in seiner Regierungszeit. In dem Kräftefeld
Wojewoden, Großbojaren oder Fürsten. zwischen Tataren, Polen, Ungarn und Türken
Aus der Dobrudscha ist ein Staatswesen unter kann das Fürstentum Moldau seine durch
der Führung eines Bojaren Dimitrie um 943 tributpflichtige Unterwerfung unter die Hohe
belegt. Ende des 9. Jahrhunderts stießen die Pforte erkaufte innere Autonomie auch unter
ungarischen Eroberer auf den Widerstand den Nachfolgern Stefans des Großen (Bogdan
dreier offensichtlich rumänischer Vodă II, Ştefan III, Petru Rareş, und Alexandru
Wojewodschaften, des Glad (Banat), des Lăpuşneanu) bewahren, wenn auch immer
Menumorut (Crişana) und des Gelu Românul wieder türkische Eroberungsversuche zu
(Siebenbürgen). Mittelalterliche, meist verzeichnen sind.
ungarische und byzantinische Quellen Ähnlich ergeht es den anderen rumänischen
berichten von rumänischen Wojewodschaften Ländern: Die tapfere Verteidigung
und Knessaten, die sich mit den umliegenden walachischen Territoriums unter Mircea cel
Völkern auseinandersetzen mussten. Bătrân, Vlad Ţepeş und Nachfolgern
Die rumänische Bevölkerung dieser ermöglichte es auch den Walachen,
politischen Einheiten setzte sich aus einem notgedrungen unter tributpflichtiger türkischer
Landadel (maiores terrae, nobiles), den freien Suzeränität, ihre innere Autonomie zu wahren.
Bauern (rustici) und den leibeigenen Bauern Auch Siebenbürgen konnte, nachdem das
(servi) zusammen, die sich nach eigenen ungarische Königreich nach der Schlacht von
rechtlichen Normen, dem ius valachicum Mohács (1526) den Türken tributpflichtig
richteten. Zwischen dem 10. und 13. wurde, seine Autonomie stabilisieren.
Jahrhundert gab es mehrfach militärische Verglichen mit den hohen Tributzahlungen der
áAuseinandersetzungen zwischen den anderen rumänischen Länder und den
Wojewoden Transsilvaniens und der ständigen Einmischungsversuchen der Hohen
ungarischen Krone, ohne dass Siebenbürgen Pforte in Moldau und Walachei behielt
seine Selbstständigkeit vollständig erreichen Siebenbürgen wohl die größte Unabhängigkeit
konnte. Die anderen großen Regionen und hatte am wenigsten unter türkischen
Rumäniens, Moldau und Walachei, erreichten Einmischungen zu leiden.
eine innere politische Struktur, die es den Das Verhalten der rumänischen Länder war
Wojewodschaften allmählich erlaubte, sich für die Hohe Pforte stets ein unkalkulierbarer
von der ungarischen Bevormundung zu lösen. Faktor, insbesondere, wenn türkische
Als historischer Gedenktag hierfür gilt in der Verpflichtungen nicht eingehalten wurden.
Walachei die Schlacht von Posada (9.-12. Häufig endeten militärische
November 1330), in der es dem walachischen Auseinandersetzungen mit einem
Wojewoden Basarab gelang, das ungarische rumänischen Sieg, so dass eine tributäre
Heer zu schlagen. Für die Moldau gilt als Unterwerfung den Türken stets angenehmer
Zeitpunkt der Lossagung von Ungarn die war als eine kostspielige und zweifelhafte
áWahl des rumänischen Wojewoden Bogdan militärische Okkupation: 1574 besiegt der
Voda von Maramureş, zum Oberhaupt der moldauische Fürst Ioan Vodă Viteazul (Fürst
moldauischen Rumänen á(1359). Etwa Ioan der Tapfere) die Türken bei Jiliştea, Fürst
gleichzeitig stärkte der rumänische Despot Mihai Viteazul schlägt die Türken mit seinem
Dobrotici (1348-1386) seine Herrschaft über moldauischen Heer an der Seite der Truppen
die Dobrogea. Transsilvaniens, Polens und des
Bereits hundert Jahre später ist die Walachei Habsburgerreichs bei Călugăreni (1595).
unter der Herrschaft des Mircea cel Bătrân So ist die mittelalterliche Geschichte
(1386-1418) ein Reich, zu dem kleine Teile Rumäniens ein Zeugnis des Ringens um die
Transilvaniens (Amlaş, und Făgăraş), der Eigenstaatlichkeit, die in verschiedenen
Süden der Moldau und die Dobrogea bis ans Feudalstrukturen, zeitweilig sogar
Schwarze Meer gehören. Man kann also die länderübergreifend kurzfristig erreicht wurde,
offizielle Eigenstaatlichkeit der rumänischen die jedoch am Kampf um das Überleben
Länder schon in die zweite Hälfte des 14. scheitern musste. In der türkischen
Jahrhunderts datieren, die de facto- Suzeränität, die alle rumänischen Staaten in

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Rumänien - Mittelalter Seite 3 von 3

Eigenstaatlichkeit kleinerer Einheiten ist bis mehr oder minder starker Form erlebten, lag
ins 9. Jahrhundert nachzuweisen. Ein aber auch die Chance zur Wahrung und
panrumänisches Staatengebilde , an dem zum Entwicklung der an die innere Autonomie
ersten Mal alle rumänischen Ländern gebundenen eigenen Kulturleistungen. So
partizipieren, gibt es, wenn auch, wegen der sind in den großen Klöstern der Moldau, der
folgenden Türkeneroberung, nur für kurze Walachei und den Wehrkirchen und Städten
Zeit, im Rahmen des walachischen Staats des Siebenbürgens die kulturellen Leistungen
Mircea cel Bătrân . Das 15. áJahrhundert entstanden, die eine autonome rumänische
hätte nach der allgemeinen Bevölkerung zur Verteidigung des christlichen
Entwicklungstendenz einen rumänischen Abendlandes befähigte.
Gesamtstaat hervorbringen können, wäre die
türkische Bedrohung und Okkupation nicht
gewesen. zurück zur Textauswahl
In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts
dringen die Türken zur Donau vor. Die
rumänischen Länder werden in der Folgezeit
zum Bollwerk Europas in der
Auseinandersetzung mit dem osmanischen
Reich. Mircea cel Bătrân verliert nach langen
Auseinandersetzungen und einigen
kurzlebigen militärischen Siegen schließlich
die Dobrogea und seine wichtigen Festungen
Giurgiu und Turnu an die Türken. Der Status
der rumänischen Fürstentümer konnte im
Laufe der Zeit nur durch eine tributpflichtige
Unterwerfung unter die osmanische
Herrschaft bei Wahrung einer gewissen
inneren Autonomie gerettet werden. Für die
Nachfolger Mirceas wurde der Kampf mit den
Türken alltägliche leidvolle Erfahrung.
1432 gelangten türkische Truppen bis nach
Transsilvanien. Iancu von Hunedoara,
Wojewod von Transsilvanien und ungarischer
Gouverneur, wurde durch seine siegreichen
Schlachten von Ialomitţa (1442) und Belgrad
(1456) gegen die Türken eine Persönlichkeit
der europäischen Geschichte.

zurück zur Textauswahl

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Rumänien - Die Entwicklung zum Nationalstaat Seite 1 von 5

Die Entwicklung zum Nationalstaat - Als die revolutionre Bewegung des Tudor
Überlebensstrategien Vladimirescu (1780-1821), eines Bauern und
Pandurenführers - Panduren waren
Hilfssoldaten, die aus Steuervorteilen
Die in ganz Europa bewunderten Siege des Wehrdienst in den türkisch-fanariotischen
walachischen Fürsten Mihai Viteazul in Gebieten leisteten - sich zu einer wahren
panrumänisch-habsburgisch-polnischer Volksbewegung entwickelte, stellte sich das
Allianz über die Türken (1596) ermöglichte zaristische Russland, nach dem Tode des
wieder ein panrumänisches Herrschaftsgebiet Anführers Tudor auf die Seite der
mit Eigenstaatlichkeit, diesmal größer als das rumänischen Revolutionäre. Tudor hatte in der
Herrschaftsgebiet des Mircea cel Bătrân. Proklamation von Padeş (1821) zum ersten
Unter Mihais Führung schließen sich Moldau, Mal die nationale Einheit der Rumänen
Walachei und auch Transsilvanien im Jahre apostrophiert und vor allem die Abschaffung
1600 zu einem ersten panrumänischen der türkischen Tribute sowie die
Staatswesen zusammen, das dem römischen Wiederherstellung rumänischer Herrschaft
Dakien territorial entspricht und in dieser Form über die Fürstentümer unter Ausschluss der
als Vorläufer des modernen Rumänien Fanarioten und Türken gefordert. Istanbul
bezeichnet werden kann. Mit Mihai Viteazul lenkt ein und läßt die Griechen aus allen
beginnt die Geschichte des modernen Ämtern beseitigen. Doch die letzte Etappe vor
Rumänien. dem Sieg über die türkische Herrschaft wird
Zwei wichtige Entwicklungen prägen die erst durch die Unterstützung Russlands
Ereignisse um die Entstehung dieses erreicht:
rumänischen Staats:
Das Erstarken des habsburgischen Imperiums
mit dem Resultat der allmählichen Vertreibung
der Türken aus Mitteleuropa bis zum Ende
des 17. Jahrhunderts sowie die deutliche
Schwäche und der sich allmählich
abzeichnende Niedergang des osmanischen
Reiches seit dem Ende des 16. Jahrhunderts.
Doch diese beiden Tendenzen bedeuten für
die alltägliche rumänische Realität erneute
Kämpfe um Selbständigkeit.

Tudor Vladimirescu

Der russische Sieg über die Türken und der


Vertrag von Adrianopel (1829) führt zu einer
fünfjährigen Okkupation der rumänischen
Länder durch das zaristische Russland. Die
beiden rumänischen Länder Moldau und
Walachei werden vorübergehend russisches
Protektorat. Gleichzeitig beginnt für Rumänien
eine neue Epoche. Beide Fürstentümer
erhielten nominell die Kontrolle über ihre
Institutionen. Durch die Berufung des im
Geiste der französischen Aufklärung
erzogenen russischen Generals Kisselef zum
Gouverneur fand Rumänien einen Reformator
seiner Institutionen und wohlwollenden
Mihail Viteazul Regenten. Die beiden rumänischen Länder
erhielten ihre erste moderne Verfassung, das
Règlement organique :
Die finanziellen Tribute, die von der Hohen Die Wahl der beiden Fürsten sollte durch eine
Pforte verlangt wurden, stiegen durch den Wählerversammlung (150 Personen)
wachsenden Geldbedarf des niedergehenden bestimmt werden, die sich in ihrer Mehrzahl
Istanbuls kräftig an. Die offiziellen Tribute aus Bojaren und einigen wenigen
waren jedoch nicht die einzigen Abgaben, die Angehörigen der Mittelschicht (27 Kaufleute)
zu entrichten waren: Geschenke und zusammensetzte. Bauern waren nicht unter
Bestechungsgelder an hohe Beamte und den Vertretern, aber sie hatten die gesamte
Sultane erreichten oftmals die Höhe der Steuerlast des Staates zu tragen, während die

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Rumänien - Die Entwicklung zum Nationalstaat Seite 2 von 5

offiziellen Tribute. Ein ausgeklügeltes Bojaren, die Kirche und die wohlhabenden
Ausbeutungssystem, das den Bauern die Klöster steuerfrei blieben. Sehr bald festigten
Hauptlast der Abgaben aufbürdete, schaffte die Bojaren gegen den Einfluss des
das Geld herbei, das die innere Autonomie russischen Gouverneurs ihre Position und
garantieren sollte. Aufstände und legten den Bauern immer mehr
Fluchtbewegungen unter der Bauernschaft Einschränkungen und Frondienste auf.
waren die Folge. Mihai Viteazul führte die Mit dem Réglement organique, das 1834 von
sogenannte Schollenpflicht ein und nahm der Hohen Pforte anerkannt wurde, hatte
damit den Leibeigenen und Freibauern, die Russland ein Mittel der Loslösung von
auf Bojarenanwesen wohnten, das türkischer Dominanz und eine ständige
Wegzugsrecht. Beeinflussungsmöglichkeit der rumänischen
Dem wachsenden Druck der Polen, Türken Politik gefunden. Trotz der Tatsache, dass
und des Kaisers Rudolf II, der Siebenbürgen aufgeklärte Geister wie Kisselef wirkten und
zu einer österreichischen Provinz machen die rumänischen Protektorate eine modernere
wollte, konnte er auf Dauer kaum etwas Verfassung erhielten als das autokratische
entgegenstellen. Er verfügte nicht über die Petersburg selbst es sich erlauben durfte,
nötigen finanziellen Mittel, um einer solchen konnte sich keine dauerhafte positive
Auseinandersetzung gewachsen zu sein. So politische Beziehung zwischen Russland und
war der erste panrumänische Staat nur von der rumänischen Bevölkerung entwickeln, war
kurzer Dauer. Fortan sah sich Rumänien auch es doch deutlich, zu welchem Preis
den Österreichern ausgeliefert, deren Petersburg die rumänischen Reformen
Expansionslust sich nicht auf Siebenbürgen einleitete: Bessarabien war russisch
beschränken sollte. geworden, das Schwarze Meer sollte zu
Die kurze Episode der Herrschaft des Mihai einem Mare clausum werden und die
Viteazul über Rumänien wurde bis zum 19. russische Vorherrschaft auf dem Balkan sollte
Jahrhundert zum Mythos und Leitmotiv aller gegenüber der Türkei vorangetrieben werden.
rumänischer Freiheitsbewegungen und Das zaristische Russland, unmittelbar nach
panrumänischer Zielsetzungen. Tudor Vladimirescus Erhebung als Befreier
Ende des 17. Jahrhunderts vertreibt gefeiert, verlor in der Zeit seines Protektorats
Österreich die Türken aus dem Donau- sehr bald wegen ständiger Übergriffe,
Karpatenbereich und besetzt Transsilvanien. Einmischungen und Ausbeutung seine
Die rumänischen Bauern schöpfen zunächst Chance, einen befreundeten Nachbarn zu
Hoffnung. Doch die österreichische Herrschaft gewinnen. Die im Innern der rumänischen
kollaboriert mit dem fremden Adel des Landes Länder wachsende Opposition rumänischer
und den privilegierten Minderheiten, um ihre Intellektueller bezog ihr Ideengut zunehmend
Herrschaft abzusichern. Den rumänischen aus dem Westen, vornehmlich aus Frankreich.
Bauern bringen die neuen Herren nur höhere Für die Revolutionäre von 1848 ist der Zar
Abgaben, sozialen Druck und Ausbeutung. Inbegriff von Reaktion und Unterdrückung, ist
Ein Teil des orthodoxen Klerus Siebenbürgens die russische Protektoratsmacht gleichwertig
versuchte auf Veranlassung der Wiener mit dem verhassten fanariotischen Vorgänger.
Jesuiten eine Verbesserung der Situation In der gescheiterten Revolution von 1848
durch die Anbindung der siebenbürgischen versuchten die Revolutionäre in ihren
orthodoxen Kirche an Rom zu erreichen: Die Forderungen westeuropäische Gegebenheiten
"unierte" Kirche Siebenbürgens, die bis zu den auf Rumänien zu übertragen. Sie propagierten
Tagen der Volksrepublik existierte, wurde die Abschaffung des russischen Protektorats,
1698 ins Leben gerufen. Über diese an Rom Vereinigung von Moldau und Walachei, sowie
orientierte Kirche kam nun erstmals wieder Vereinigung aller Rumänen unter Einschluss
lateinisches Denken in das byzantinisch- der österreichisch besetzten Gebiete
orthodox geprägte Land. Hier, in den Siebenbürgen, Bukowina, Banat und des
lateinischen Quellen, fanden die rumänisch russisch besetzten Bessarabien,
gesinnten Intellektuellen des Landes ihre Emanzipation der Bauern - was auch immer
besten Argumente für - im Westen lange das sein sollte - und allgemeines Wahlrecht.
vergessene - romanische Kontinuität und für Eine Landreform und Abschaffung der
den Besitzanspruch auf rumänischen Boden. Leibeigenschaft, die den Bauern eine Lösung
So förderten die österreichischen Aktivitäten ihrer Probleme gebracht hätte, war natürlich
indirekt den rumänischen Nationalismus. Sie nicht Gegenstand der nationalistisch-
sind, ohne es zu wollen, Geburtshelfer eines idealisierten Forderungen. Ohne den
panrumänischen Denkens, das in dem Wissen Bauernstand gab es aber keine tragfähige
um die Gemeinsamkeit der römischen Basis für die Revolutionäre. Die Revolution
Abstammung neue Nahrung findet. scheiterte, doch die Sehnsucht der Rumänen
Die wirtschaftlichen Bedingungen der nach einem eigenen unabhängigen Staat blieb
rumänischen Bauern Transsilvaniens bestehen.
verbesserten sich unter der Herrschaft Als die zaristischen Truppen im Krimkrieg
Österreichs nicht. Das 18. Jahrhundert ist 1853 den Pruth überschritten und der Zar trotz
geprägt von verzweifelten Aufständen Ultimatums der Westmächte und Entsendung

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Rumänien - Die Entwicklung zum Nationalstaat Seite 3 von 5

rumänischer Bauern, die von der eines französisch-englischen Geschwaders


Unerträglichkeit ihrer Situation getrieben, sich bis zur Dobrudscha marschierte, sah auch
gegen Fremdherrschaft und soziale Österreich seine Interessen gefährdet und
Mißstände auflehnen. Die berühmteste aller schickte sich an, aufgrund eines geheimen
Revolten ist der große Aufstand von 1784 Abkommens mit der Türkei die Moldau und
unter den drei rumänischen Bauernführern den größten Teil der Walachei zu okkupieren.
Horia, Cloşca und Crişan. Die Drohung Österreichs nötigte Russland
zum Rückzug. Rumänien erhielt dadurch
zwischen den beiden europäischen
"Supermächten" plötzlich eine auf lange Sicht
profitable Pufferrolle.
Die Konferenz von Paris 1856 brachte für die
rumänischen Fürstentümer das Ende des
russischen Protektorats und erstmals eine
gemeinsame Garantie der europäischen
Mächte für ihre Unabhängigkeit, allerdings
nominell weiter unter türkischer Suzeränität.
Bessarabien blieb bei Russland. Die
Organischen Reglements sollten von den
Rumänen in repräsentativen Versammlungen
revidierbar gemacht werden. Hierin lag die
Chance der rumänischen Länder. In den
Versammlungen zur Revision der
Organischen Reglements fanden sich die
revolutionären Führer von 1848 wieder. Diese
forderten einen neutralen Staat mit dem
Namen România. Dieser expansionistische
Name war für die Garantiemächte,
insbesondere für Österreich, nicht akzeptabel.
Erst in der neuen Konvention von Paris vom
19.8.1858 fand man auf Veranlassung von
Napoléon III eine Formel für die
verfassungsmäßige Entwicklung der
Fürstentümer. 1859 beschlossen die
Horia, Cloşca und Crişan - Denkmal in Alba verfassungsgebenden Versammlungen von
Iulia Moldau und Walachei eine nahezu identische
Verfassung. Unter Verletzung der Konvention
von Paris wählten dann die beiden
Die Wirtschaftskrise des osmanischen Reichs Parlamente, die Moldau am 17.1.1859, die
und die Verschlimmerung des Walachei am 5.3.1859, denselben Fürsten
Ausbeutungssystems in den anderen beiden zum obersten Repräsentanten. Damit war
noch unter türkischer Suzeränität befindlichen faktisch die Vereinigung gegen den Wunsch
rumänischen Territorien Moldau und Walachei der Garantiemächte herbeigeführt. Ihnen blieb
machten die Lebensbedingungen für die nichts anderes übrig, als das "fait accompli"
Bauern immer unerträglicher. Die letzten anzuerkennen.
beiden rumänisch gesinnten Herrscher der Unter der Führung des Fürsten Alexander
rumänischen Fürstentümer, Dimitrie Cantemir Cuza entstanden die "Vereinigten
(1673-1723), aufgeklärter Fürst der Moldau, Fürstentümer der Moldau und Walachei", die
und Constantin Brâncoveanu (1688 - 1714), sich zwei Jahre später, als Cuza Bukarest zur
Fürst der Walachei, haben die Vereinigung einzigen Hauptstadt deklariert hatte, am
und Loslösung vom osmanischen Reich nicht 11.11.1861 den Namen Rumänien gaben.
erreicht. Dimitrie Cantemir verbündete sich mit Mit Stolz weisen die Rumänen darauf hin,
Zar Peter dem Großen und hoffte gemeinsam dass ihre staatliche Vereinigung (1859) früher
mit ihm, das osmanische Joch abzuschütteln. realisiert wurde als die Italiens (1861) und des
Durch die Niederlage von Stănileşti verlor er Deutschen Reichs (1871).
seinen Thron und mußte den Rest seines
Lebens im russischen Exil verbringen. Der
proeuropäische Constantin Brâncoveanu ,
verantwortlich für die für Rumänien so zurück zur Textauswahl
unvergleichlich typischen Bauwerke der
Walachei, lavierte als aufgeklärter politischer
Beobachter Europas zwischen Österreich und
Russland, jederzeit bereit, das seinem Land
auferlegte türkische Joch mit Unterstützung
von Kaiser oder Zar abzuschütteln. Doch der
Zeitpunkt für diese politische Entscheidung

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Rumänien - Die Entwicklung zum Nationalstaat Seite 4 von 5

war für ihn nie gekommen.


Nach der Niederlage des Dimitrie Cantemir
folgte für die beiden rumänischen noch unter
türkischer Suzeränität stehenden
Fürstentümer eine Zeit neuen Leidens. Die
Hohe Pforte löste die Armeen beider Staaten
auf, verschärfte die wirtschaftlichen Kontrollen
und besetzte die wichtigsten
Vertrauensposten mit den sogenannten
Fanarioten, türkischen Kollaborateuren
griechischer Herkunft aus dem Fanar-Viertel
Istanbuls. Mit der Fanariotenzeit von 1715 bis
zur revolutionären Bewegung des Tudor
Vladmirescu 1821 endet die Demütigung der
rumänischen Länder durch den Oktroi fremder
Herrscher. Zugleich fördert aber auch der
Widerstand in dieser Zeit den Willen der
Rumänen zur politischen Selbstbestimmung.
Die Fanariotenzeit mit ihrer Kulminierung
ökonomischer Ausbeutung und
Fremdbestimmung hatte tiefgreifende
gesellschaftliche und ökonomische Folgen.
Allein die Tributzahlungen der Moldau
vervierfachten sich unter der Herrschaft der
Fanarioten. Die Bauern verharrten in ihrem
Elend, ohne die Aussicht auf eine
Verbesserung ihrer Situation unter dieser
Herrschaftsform. Die fremden Usurpatoren
sammelten immer mehr Reichtümer an. Aber
diese Epoche brachte der Bourgeoisie und
den Intellektuellen des Landes auch einen
wichtigen Vorteil: Im Tross der Fanarioten
kamen zahlreiche griechische Händler und
Unternehmer nach Rumänien, die
aufgeschlossen und weltoffen waren.
Ungehindert strömte so westliches, vor allem
französisches Geistesgut ins Land. Die
Philosophen der französischen Aufklärung
wurden gelesen, westliche
Bildungsinstitutionen fassten Fuß, bald wurde
Voltaire und Montesqieu im Originaltext
gelesen. Mit der französischen Sprache
verbreitete sich das Ideengut der
Französischen Revolution und in den
Kaffeehäusern Bukarests, den literarischen
Zirkeln, in den Kreisen der rumänischen
Intellektuellen wie auch im Volk breitete sich
immer mehr das Bewusstsein der nationalen
Gemeinsamkeit aller Rumänen aus. Das
Recht auf Selbstbestimmung und
Unabhängigkeit war in aller Munde.
Mit Österreich, das nach seinem Griff nach
Siebenbürgen 1716 den Banat und 1775 auch
noch die Bukowina annektiert hatte, waren die
nationalen Ziele der Rumänen kaum zu
realisieren. Der Expansionswille Russlands,
das sich seit Zar Peter dem Großen (1682-
1725) zum Beschützer der vom osmanischen
Joch unterdrückten Völker deklarierte, war für
Rumänien der einzig mögliche Weg, sich des
türkischen Jochs zu entledigen. Der Preis ist
ein Teil der rumänischen Moldau,
Bessarabien, das Russland 1812 besetzt.

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Rumänien - Die Entwicklung zum Nationalstaat Seite 5 von 5

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Rumänien - Das rumänische Königreich Seite 1 von 2

Das rumänische Königreich Der Dichter Liviu Rebreanu hat in seinem


Der Traum von territorialer Größe Roman Răscoala (Der Aufstand) diesem
schrecklichsten Ereignis der Geschichte des
jungen Königreichs und dem Heldenmut der
Die Reformpläne des Politikers Cuza hatten Bauern ein bleibendes Denkmal gesetzt.
die französische Ordnung zum Vorbild. Er Unter der Herrschaft Carols gab es - außer
erìreichte von den Garantiemächten eine der Schaffung einer ökonomischen
Bestätigung seiner neuen Verfassung, schuf Infrastruktur - keine für das Land relevante
eine neue innere Rechts- und Lösungen der sozialen Verelendung der
Verwaltungsordnung, säkularisierte die Güter Bauernschaft oder tiefgreifende Reformen.
der Klöster, führte sie in Staatseigentum über Städtebourgeoisie, Großgrundbesitz und
und initiierte eine Reihe liberaler Reformen. Handel profitierten von der liberalen
Ein Staatsstreich (1864) verschaffte ihm die Wirtschaftsführung. Ausländische
Mittel, eine Agrarreform einzuleiten. Er Investitionen flossen ins Land und machten es
scheiterte aber letztlich mit seinen Plänen zur abhängig von deutschen, englischen und
Landreform am Widerstand der Bojaren und französischen Kapitalgebern. Lediglich
der zunehmenden Opposition der außenpolitische Erfolge und Stärkung der
Konservativen und Radikalliberalen. Das Ende Souveränität prägten diese Zeit. Einen letzten
seines autoritären Regimes erzwangen seine territorialen Zugewinn errang Rumänien durch
Gegner mit einem Gegenputsch (1866), der sein Eingreifen in den zweiten Balkankrieg.
zum Ziel hatte, ihn durch einen fremden Von Bulgarien erzwang es im Frieden von
Fürsten, der international akzeptierter Bukarest (1913) die Abtretung der südlichen
Repräsentant des jungen Landes werden Dobrudscha.
sollte, zu ersetzen.
Im geheimen Einverständnis mit Napoleon III
und mit Unterstützung Bismarcks gegen den
Widerstand der übrigen Garantiemächte fiel
die Wahl nach einem Plebiszit und Beschluss
der Bukarester Konstituante vom 22.5.1866
auf den Prinzen Karl von Hohenzollern-
Sigmaringen. Maßgeblich für die Wahl eines
Herrschers "fremder Sprache, Konfession und
Ethnie" dürfte vor allem die Unterstützung
Napoleons und Bismarcks und die damit
verbundene internationale Garantie für eine
außenpolitische Sicherheit des jungen Landes
gewesen sein: Noch war Rumänien nicht frei
von der türkischen Suzeränität. Erst auf den
Druck Frankreichs hin akzeptierte die Hohe
Pforte Carol als erblichen rumänischen
Fürsten - unter Beibehaltung der üblichen
Tributzahlung an den Sultan. Erst der
russisch-türkische Krieg von 1877 bot dem
Hohenzollernprinzen die Möglichkeit, an der
Seite des russischen Heeres siegreich
einzugreifen, die Türken zu schlagen und Carol I - Karl von Hohenzollern
damit seine Unabhängigkeit zu erkämpfen. Im
Kongress von Berlin (1878) bekommt Der Nachfolger Carols wurde 1914 Ferdinand.
Rumänien die von den Türken befreite Er wahrte zunächst die Neutralität Rumäniens
Dobrudscha als Ersatz für das verlorene im I. Weltkrieg, um dann aber auf Seiten der
Bessarabien zugesprochen. Am 10. Mai 1881 Entente in den Krieg einzutreten.
proklamiert das nunmehr vollends souveräne Antiösterreichische Stimmungen, der Wunsch,
Rumänien Karl von Hohenzollern als Carol I Siebenbürgen und die österreichisch
zum König des Landes. besetzten rumänischen Territorien zu erhalten
Das junge Königreich orientiert sich an und Versprechungen der Entente waren wohl
Frankreich. Bukarest wurde zur imperialen die Beweggründe für den Kriegsbeitritt. Die
Stadt umgestaltet. Man modernisierte Mittelmächte besiegten und besetzten
Rumänien, Preußen wurde Ideen- und Rumänien rasch und nötigten das Land zum
Technikerlieferant. Das Land, das sich mit den Frieden von Bukarest vom 7.5.1918, der aber
Ausbeutungsstrukturen der Türkei abgefunden kurz darauf durch die Niederlage der
hatte, erhielt eine neue wirtschaftliche Mittelmächte hinfällig wurde. Noch vor den
Infrastruktur. Straßen, Brücken und Friedensverträgen von St.Germain
Eisenbahnen wurden gebaut, die Häfen

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Rumänien - Das rumänische Königreich Seite 2 von 2

modernisiert. Ein landesweites (10.9.1919) und Trianon (4.6.1920) erklärten


Kommunikationssystem, das vor allem die Rumänen in Siebenbürgen und in der
wirtschaftliche Ressourcen zugänglich Bukowina ihre Vereinigung mit dem
machen sollte, wurde geplant. Das mitten im Königreich. In den Friedensverträgen wurde
wirtschaftlichen Aufschwung befindliche dies anerkannt. Der Banat wurde ebenfalls
Deutsche Kaiserreich brachte Kapital, baute rumänisches Territorium und nach dem
eine Lebensmittelindustrie auf und verwertete Frieden von Neuilly (27.11.1919) bestätigt
die Rohstoffe des Landes. Seit 1890 gewann man Rumänien seinen Anspruch auf die
die Ölindustrie an Bedeutung, in die vor allem gesamte Dobrudscha. Nach dem
deutsches Kapital floß. Außer der Entwicklung Zusammenbruch des Zarenreichs hatte sich
einer ökonomischen Infrastruktur änderte sich bereits im Januar 1918 die moldauische
aber nichts. Die eigentlichen Probleme, die Volksvertretung für den Anschluss an das
der Bauern, blieben ungelöst. Der König Königreich Rumänien ausgesprochen. Gegen
eignete sich nicht zum Vorreiter sozialer den Widerstand der in den Kinderschuhen
Reformen. Innenpolitisch lösten sich die aus steckenden Sowjetunion vereinigte sich das
der Junimea-Bewegung entstandenen ehemalige Bessarabien mit dem Königreich
Jungkonservativen (P.Carp, T. Maiorescu) Rumänien, das danach den Namen România
und die jungliberale Partei (Brħtianu) in der Mare (Großrumänien) tragen sollte. Rumänien
Regierung einander ab. Es gelang ihnen nicht ging aus den Ereignissen des Ersten
die durch über vierhundert Jahre Erfahrung Weltkriegs als territorialer Gewinner hervor.
mit der türkischen Oberherrschaft tief
verwurzelte Korruption zu beseitigen. Die
Ausbeutung der Ressourcen des Landes lag zurück zur Textauswahl
in ausländischen Händen. Die Ausbeutung der
Bauern durch Bojarentum und
Großgrundbesitz wurde nicht beendet. 1907
brach der größte und zugleich dramatischste
Bauernaufstand des Landes aus. Seit den
Tagen Horias, Cloşcas und Crişans hat
Rumänien eine derartige Revolte nicht mehr
erlebt. Der Funke sprang von der Moldau über
auf das ganze Land. Mordende und
plündernde Bauern machten ihrer
Verzweiflung Luft. Die Koalitionsregierung aus
Liberalen und Konservativen verfügte eine
allgemeine Mobilmachung aus Angst,
Russland oder Österreich könnten
intervenieren. In einem schrecklichen Blutbad
wurde schließlich bei Craiova das Heer der
rund 10.000 Aufständischen niedergemetzelt
und ganze Dörfer dem Erdboden
gleichgemacht.

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Rumänien - Niedergang des Königreichs Seite 1 von 3

Der Niedergang des Königreichs An der Seite Hitlers führt Antonescu


Rumänien in den Krieg gegen die
Das Königreich Rumänien umfasste für die Sowjetunion, erobert Bessarabien und die
Zeit der zwanziger und dreißiger Jahre alle Bukowina zurück, läßt jenseits des Dnjester,
Gebiete, auf die es historisch Anspruch besessen vom großrumänischen Traum sogar
erheben konnte. Der Traum eines eine neue rumänische Provinz «Transnistrien»
Großrumänien, das größer als das römische gründen. Die Eiserne Garde hatte er zuvor im
Dakien und Moesien war, hatte sich erfüllt. Einvernehmen mit Hitler liquidiert. Für ihn und
Doch gleichzeitig wurde aus dem ehemals sein politisches Konzept eines unabhängigen
nahezu rein rumänischen Königreich ein nationalistischen Rumänien band dieser
Vielvölkerstaat. In den hinzugewonnenen paramilitärische Stoßtrupp das Land zu stark
Gebieten lebte seit Jahrhunderten die meist an den Nationalsozialismus. Hitler sah in der
bäuerliche rumänische Bevölkerung mit Rivalität der Eisernen Garde zur rumänischen
anderen Nationalitäten zusammen. Sie war Armee die stabilen Verhältnisse bedroht, die
durch ihre leidvolle Geschichte an er für den Aufmarsch gegen die Sowjetunion
Fremdherrschaft gewöhnt und übte sich in brauchte, und begnügte sich mit Antonescus
Toleranz. Nun war es erstmals an den Person als Garant seines Einflusses sowie der
Rumänen, über das Schicksal der Entsendung von "Lehrtruppen". Der Führer
Minderheiten auf ihrem Territorium zu (conducător) Antonescu hatte eine
bestimmen. Mit zentralistischer Lenkung - die Militärdiktatur im Königreich errichtet, von der
hinzugewonnenen Gebiete waren auf andere er sich eine Lösung der schwierigen Situation
Zentren ausgerichtet - und einer straffen Rumäniens versprach.
Assimìlierungspolitik, insbesondere Die Liquidation der Eisernen Garde, die
gegenüber der ungarischen Minderheit, schuf Rückeroberung ehemals rumänischer
sich das mittlerweile doppelt so große Gebiete, seine patriotisch motivierten
Rumänien empfindliche Spannungsherde. Versuche, Rumänien im übermächtigen Sog
Konnte das alte Regat aus Moldau, Walachei Hitlerdeutschlands durch geschicktes
und Norddobrudscha in Frieden mit seinen Taktieren überleben zu lassen und die
misstrauischen Nachbarn leben, so wird das erfolglosen Versuche, das Land durch einen
neue Groß-Rumänien neidvoll, misstrauisch Separatfrieden mit den Westmächten wieder
und voller Rachegedanken von seinen aus dem Krieg herauszuführen, lassen die
Nachbarn betrachtet. Das innenpolitisch nicht Person des Marschall Antonescu heute in
stabilisierte Agrarland ist in der Folge mit einem anderen Licht erscheinen als
vielfältigen Problemen konfrontiert: mit einem unmittelbar nach dem Krieg. Auch für die
komplizierten Minderheitenproblem, der kommunistische Partei galt Antonescu später
Weltwirtschaftskrise, dem Gebietsanspruch als ein in tragischem Irrtum befindlicher
seiner Nachbarn Ungarn, Bulgarien und Patriot, der ein Opfer des Kräftespiels wurde,
Russland, die danach trachten, die Versailler in dem Rumänien gefangen war.
Verträge zu revidieren und dem Stalingrad wurde auch für die rumänischen
aufkommenden Faschismus. Dazu kommt die Truppen zur Wende des Krieges. Noch bevor
latente Angst der Regierenden vor einer die Sowjetunion in der Sommeroffensive 1944
neuen Bauernrevolte, die den Funken der Bessarabien besetzte, war der Ausgang der
bolschewistischen Revolution ins Land tragen Krieges schon offenkundig. Die Rettung vor
könnte. der totalen Katastrophe kam schließlich vom
Die bereits 1917 beschlossene und von König. Im Einvernehmen mit den Führern
General Alexandru Averescu als einer Vierparteienkoalition von Liberalen,
Ministerpräsident mit seiner Volkspartei 1921 Nationaltzaranisten, Sozialisten und
durchgesetzte Agrarreform konnte die Not der Kommunisten stürzte er am 23. August 1944
Bauern kaum lindern. Zwar wurden 66 % der Antonescu genau zu dem Zeitpunkt, als die
großen Domänen, insgesamt 6 Millionen ha sowjetische Großoffensive von Iaşi und
Agrarland neu aufgeteilt, doch das legale Tiraspol aus die deutsch-rumänische Front
Prinzip des Rückkaufs des Landes nahm der durchbrach. Die rumänische Kapitulation traf
Reform die Wirkung. Die Bauern blieben die so die deutsche Heeresgruppe in völliger
Ärmsten des Landes, während die Auflösung. Ein von Hitler für den 24. August
Großgrundbesitzer sich der neuen Lage angeordnetes Bombardement Bukarests
anpassten und große Profite machten. legitimierte auch vor der Bevölkerung die
Ab 1922 bildeten liberale Regierungen die einen Tag später erfolgende Kriegserklärung
Macht, nachdem die Jungkonservative Partei an das Deutsche Reich. Am 28. August 1944
den Ersten Weltkrieg nicht überlebt hatte. Seit befand sich das Land fest in der Hand der
1928 war mit der aus zwei Gruppen, der neuen Regierung. Die rumänische
Siebenbürger Nationalpartei und der Bevölkerung reagierte auf die Proklamation
Bauernpartei des alten Königreichs gebildeten ihres Königs mit Jubel, da sie glaubte, durch

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Rumänien - Niedergang des Königreichs Seite 2 von 3

Nationaltzaranistische Partei (rum. ţăran = baldiges Eingreifen der Anglo-Amerikaner sei


Bauer, also Nationale Bauernpartei) des J. ein rascher Friede erreichbar. Sie ahnte nicht,
Maniu erstmals eine Vertretung ländlicher dass bereits im Mai 1944 Rumänien zu
Gruppen an der Regierung. sowjetischem Interessengebiet erklärt worden
Als König Ferdinand 1927 starb, setzte man war. Am 12.9.44 kam es zum
für seinen noch unmündigen Enkel Mihail Waffenstillstandsvertrag mit der Sowjetunion.
einen Regentschaftsrat ein. Doch der 1926 zu Mehr als eine halbe Million rumänischer
Thronverzicht und zu Emigration gezwungene Soldaten mussten in der Folgezeit an der
Thronfolger Carol kehrte auf Veranlassung der Seite der Roten Armee bis zur endgültigen
Nationaltzaranisten 1930 wieder zurück und Kapitulation des Deutschen Reichs kämpfen,
bestieg als Carol II den Thron. Der parteilose während gleichzeitig die rumänischen
Außenminister N. Titulescu sicherte zunächst Kriegsgefangenen weiter in sowjetischen
bei rasch wechselnden Ministerpräsidenten Lagern blieben.
die Anlehnung an Frankreich. Die Der König beauftragte den General C.
ökonomischen und innenpolitischen Sănătescu mit einer Regierungsbildung im
Schwierigkeiten führten den König in einen Rahmen der Vierparteienkoalition, welche die
zunehmend autoritären Kurs. Begünstigt Ereignisse des 23. August, der im
durch die Mißstände im Lande, die kommunistischen Rumänien als «Tag der
Spannungen mit den Bauern und den Befreiung vom faschistischen Joch» gefeiert
Minderheiten sowie dem wachsenden wurde, herbeigeführt hatte. Sănătescu konnte
europäischen Faschismus entwickelte sich die sich unter dem sowjetischen Druck
totalitäre Eiserne Garde, die bald ein ebensowenig halten wie der schließlich vom
bedeutendes Anhängerpotential besaß. Eine König mit der Regierungsbildung beauftragte
Verfassungsreform vom Februar 1938 antikommunistische Generalstabschef N.
ermöglichte eine "königliche" Diktatur. Nach Rădescu.
einer blutigen Verfolgung der Eisernen Garde, Auf Druck der Sowjetunion, insbesondere auf
die den Bestand des Staates bedrohte, und Grund der Drohung des sowjetischen
dem zunehmenden Einfluss des Deutschen Hochkommissars Wischinsky, Rumänien die
Reiches auf die rumänische Politik zerfiel erst im letzten Jahrhundert erkämpfte
jedoch die starke Rolle des Königs allmählich: Eigenstaatlichkeit wieder zu nehmen, wird
Das traditionell nach Frankreich orientierte Rădescu am 6.3.45 abgesetzt und der den
Rumänien konnte sich im europäischen Kommunisten nahestehende Führer der
Kräftespiel nur noch an der Stärke des Landarbeiter- und Kleinbauernfront (Frontul
faschistischen Deutschland orientieren. Plugărilor) Dr. Petru Groza vom König als
Wirtschaftlich war es längst vom Deutschen Ministerpräsident akzeptiert. Die
Reich abhängig. Die Komplizität Hitlers mit Nationaltzaranistische Partei unter I. Maniu
Stalin und die Niederlage Frankreichs lieferte und die Nationalliberalen unter C.Brătianu
Rumänien dem faschistischen Deutschland verließen die Regierungskoalition. Die in Eile
vollends aus. Der kurze Traum eines nach der Kapitulation gebildete
Großrumänien ging zu Ende. Ein von Hitler Nationaldemokratische Front, ein
geduldetes Ultimatum der Sowjetunion kommunistisches Volksfrontbündnis
erzwang am 26.6. 1940 die Abtretung übernahm die Macht unter sowjetischer
Bessarabiens und der Nordbukowina. Die Kontrolle. Die Tage des Königreichs
deutschsprachige Bevölkerung der beiden Rumänien waren gezählt. Der König zieht sich
Regionen wurde ins Reichsgebiet und zum nach einem vergeblichen Versuch, Groza
Teil auf besetztes polnisches Territorium unter unter Berufung auf die Potsdamer Konferenz
Aufsicht deutscher Funktion umgesiedelt. Am und seine Nicht-Anerkennung durch die West-
30.8.1940 musste Rumänien aufgrund des Alliierten zum Rücktritt zu zwingen nach
sogenannten Wiener Schiedsspruchs, den Sinaia zurück und verweigert die weitere
man wohl eher als Diktat empfand, einen Zusammenarbeit mit dem Regime. Unter
großen Teil Siebenbürgens an Ungarn Petru Groza konnte die Sowjetunion mit Hilfe
abtreten. Im Vertrag von Craiova (7.9.1940) weniger einheimischer - auf Grund der
hatte Rumänien an die mit den niedrigen Industrialisierung gab es nur ein
Achsenmächten verbündeten Bulgaren die geringes Potential für die RKP - und einiger
Süddobrudscha abzugeben. aus dem sowjetischen Exil herbeigeholter
Am gleichen Tag erzwang der neue mächtige Kommunisten die schrittweise Umwandlung
Mann des Landes, General Antonescu, die Rumäniens in eine Volksdemokratie
Abdankung König Carols II und ließ dessen vorbereiten. Besonders durch zwei Ereignisse
Sohn Michael zum König ausrufen. Mit gewinnt die Regierung Groza an Popularität:
Vertretern der Eisernen Garde bildete Die am 22.3.1945 verkündete Agrarreform
Antonescu eine Regierung, um zur Rettung enteignet die Güter der deutschsprachigen
der restlichen rumänischen Interessen am Minderheit und den Großgrundbesitz von über
23.11.1940 das geschrumpfte Restrumänien 50 ha. Dies brachte ihr Anhänger unter der
dem Dreimä chtepakt zu assoziieren. Landbevölkerung. Die eigentliche
Der rumänische Faschismus unterscheidet Kollektivierung erfolgte in einer späteren

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sich vom deutschen. Er ähnelt dem Phase und wurde erst 1962 abgeschlossen.
italienischen. Als "Legion des Erzengels Die Sowjetunion gab unmittelbar nach dem
Michael" ist der Vorläufer der Eisernen Garde Regierungsantritt Grozas Nordsiebenbürgen
ein Kind der Weltwirtschaftskrise. Die 1930 an Rumänien zurück. Hierdurch gewann die
daraus entwickelte Eiserne Garde unter der Regierung Groza Prestige in der gesamten
Führung ihres "Capitanul" Codreanu kopierte rumänischen Bevölkerung. Im Friedensvertrag
mit Führerkult und paramilitärischen vom 10.2.1947 wurden die Grenzen mit der
Organisationsformen italienische Faschisten Sowjetunion vom Januar 1941, also nach der
und deutsche Nationalsozialisten. Bei Abtretung der Bukowina und Bessarabien
verwandter Ideologie wird der auch hier wiederhergestellt. Transsilvanien verblieb in
vorhandene Antisemitismus anders begründet den Grenzen vom Januar 1938, wie man es
als bei den Nationalsozialisten. Die christlich- der Regierung Groza versprochen hatte, bei
orthodoxe Tradition der Anhänger der Rumänien.
Eisernen Garde ließ sie ihren Antisemitismus Schauprozesse im Gebäude der heutigen
vor allem mystisch-religiös begründen. juristischen Fakultät der Universität Bukarest
Spezifisch rumänischen Inhalts ist ihr Kampf rechneten mit den politischen und
gegen die Korruption, gegen die Ausbeutung militärischen Führern der Kriegszeit ab. Die
der Bauern durch die Institutionen des neuen politischen Parteien der Vorkriegszeit wurden
Staats und durch die aufkommende nacheinander diskreditiert und aufgelöst.
Industrialisierung. Eine Verklärung des Träger des politischen Willens wurde die aus
"Reinen und Unverdorbenen" bäuerlicher zwangsvereinigten Sozialdemokraten und
Volkskultur war die "Blut-und-Boden"-Parallele Kommunisten gebildete Rumänische
zum Nationalsozialismus. Politisch nahe dem Arbeiterpartei (PMR = Partidul Muncitoresc
Populismus anzusiedeln, führte die Eiserne Român), die sich zwei Jahrzehnte später PCR
Garde im selbstgegebenen Auftrag der (Partidul Comunist Român) nannte.
bäuerlichen Volkskultur einen religiös Petru Groza und der Generalsekretär der
verbrämten Kreuzzug gegen den rumänischen KP, Gheorghiu-Dej, bewirkten
andersdenkenden bürgerlichen Staat, seine am 30.12.1947 die Abdankung König
Fehler und Korruption, gegen die Mißstände Michaels, der daraufhin das Land verließ.
auf dem Lande und machte dafür neben dem Die Rumänische Volksrepublik, deren
Staat und seinen Führern parallel zum Verfassung am 13.4.1948 angenommen wird,
Nationalsozialismus mit viel Pathos und Pomp wird ausgerufen. Mit dem rumänischen
Kommunismus und Judentum verantwortlich. Königtum geht eine Epoche zu Ende. Es war
Der Pseudomoralismus und das soziale die Blütezeit der Bourgeoisie und des
Sendungsbewusstsein waren Attraktion für die Großgrundbesitzes, zugleich aber auch eine
vom bürgerlichen Staat enttäuschte Jugend Zeit größten Elends und ohne Hoffnung für die
und einen großen Teil der Intellektuellen. Die Mehrzahl der Landbevölkerung. Das Königtum
rumänische Variante des europäischen repräsentiert in Rumänien eine Zeit der
Faschismus ist somit zwar Resultat der nationalen Selbstfindung, des Erringens
Weltwirtschaftskrise und der entstehenden nationaler Souveränität und der territorialen
faschistischen Ideologien, es ist aber Absicherung des Landes. In diesem Zeitalter
gleichzeitig eine Reaktion auf die politische hat Rumänien sein Territorium schrittweise
Entwicklung des rumänischen Bürgertums im vergrößern können, sogar soweit, dass der
Königreich und die Vernachlässigung des Staat selber von einem Nationalstaat zu
Bauerntums. Im Anti-Kommunismus, der zu einem Nationalitätenstaat wurde. Aus den
seinem größten Teil Russophobie aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs konnte das
Zeiten der russischen Protektoratsmacht ist, Königtum mehr als nur den Kern des
dokumentiert sich die begründete Angst vor rumänischen Territoriums retten. Es war vor
dem direkten Nachbarn und den mit ihm bis allem in seiner Endphase Garant für
1940 nicht gelösten Problemen um den Besitz rumänische Eigenstaatlichkeit, die danach
des rumänischsprachigen Bessarabien. Nach nicht mehr zur Disposition stand. Scheitern
der zwangsweisen Rückgabe Bessarabiens musste das Königtum letztlich nicht nur an
verbinden sich mit dem Anti-Kommunismus dem realpolitischen Ergebnis des Zweiten
revanchistische Gefühle. Weltkriegs, sondern auch an seinem
politischen Unvermögen, die sozialen
Probleme des Landes rechtzeitig und effizient
zu lösen. Diese Aufgabe musste zentrales
zurück zur Textauswahl Anliegen des Nachfolgestaats werden.

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Rumänien - Volksrepublik Seite 1 von 2

Die Rumänische Volksrepublik In der Rumänischen Arbeiterpartei (PMR)


(1947-1965) konnte sich Gheorghe Gheorghiu-Dej, seit
1945 Generalsekretär der KP, und an der
Regierung Groza nach seiner Rückkehr aus
Nach der Gründung der Republica Populară Moskau beteiligt, als Führer der
Română, der Rumänischen Volksrepublik, nationalkommunistischen («rumänischen»)
stand Rumänien vor vielfältigen Problemen. gegenüber der «Moskauer Gruppe» allmählich
Durch die Präsenz der sowjetischen Truppen durchsetzen.
war die Souveränität der neuen
kommunistischen Regierung stark Aus der Spaltung der Sozialdemokraten, in deren Reihen
eingeschränkt. Die Stationierungskosten für sich nach der Dritten Kommunistischen Internationalen
(4.3.1919) eine sogenannte «maximalistische» Fraktion
die Rote Armee mussten ebenso getragen entwickelt hatte, die eine Diktatur des Proletariats forderte,
werden wie Kriegsreparationen von 300 ergab sich im Mai 1921 die Gründung der rumänischen KP.
Millionen Dollar. Dazu kamen die hohen Anhänger fanden sich fast ausschliesslich unter den
Transportarbeitern, den Minoritäten und den jüdischen
volkswirtschaftlichen Kosten «gemeinsamer» Intellektuellen. Nach Verfolgung und offiziellem Verbot der
rumänisch-sowjetischer Unternehmen Partei (1924) konnte die KPR nur aus der Illegalität und dem
(Sovrom), die bis 1956 existierten, um Exil heraus arbeiten. Der gescheiterte
Eisenbahnerstreik von Griviţa von 1933 ist einer der
ausschliesslich sowjetischen Interessen zu wichtigen Ereignisse der Parteigeschichte, sollte er doch
dienen. Eine zweijährige Trockenperiode von nach Plänen der KP zu einem Volksfrontbündnis in
1947-48 hatten die durch die Rumänien führen. Der Antikommunismus in der
faschistischen Zeit, das Hitler-Stalin Abkommen, das
Kriegseinwirkungen ohnehin stark Verhältnis Rumäniens zur Sowjetunion waren kaum in der
geschädigte Landwirtschaft zusätzlich in Lage, der illegalen rumänischen KP Anhänger zu schaffen.
Mitleidenschaft gezogen. Der Abzug So kehrten denn mit der Ankunft der Roten Armee die
Exilanten der KP aus Moskau zurück, nachdem kurz zuvor
westlichen Kapitals und der Zusammenbruch die Illegalen aus den rumänischen Gefängnissen befreit
der in den letzten Kriegsjahren ganz auf worden waren.
Hitlerdeutschland ausgerichteten rumänischen
Volkswirtschaft waren dem wirtschaftlichen
Desaster vorausgegangen.

Gheorghe Gheorghiu-Dej
Stemma der Volksrepublik
Sehr bald liess Gheorghiu-Dej, der den
Namen des politischen Zuchthauses Dej als
In dieser Stunde Null begann die junge Untergrundnamen angenommen hatte, seine
Volksdemokratie nach sowjetischem Vorbild Konkurrenten in der Partei beseitigen. Der
den Neuaufbau der Volkswirtschaft. Im Juni Untergrund-KP-Chef Stephan Foris war schon
1948, zwei Monate nach Verkündigung der nach dem Einmarsch der Sowjettruppen
Verfassung, verstaatlichte die Regierung 90 % wegen «Feigheit» erschossen worden. Sein
der Industrie- Bergwerks- und Nachfolger Lucreţiu Pătrăşcanu, Mann der
Transportunternehmen einschliesslich des ersten Stunde und als KP-Chef Mitglied der
Banken- und Versicherungswesens. Die ersten noch vom König eingesetzten
bereits 1945 verkündete Landreform wurde Regierung, wurde 1948 verhaftet und starb
weiter vorangetrieben. Der Großgrundbesitz 1954 als angeblicher «amerikanischer Spion»
von über 50 ha fiel der Enteignung anheim. Ab am Galgen. 1952 verlor schließlich die
1949 wurde eine gezielte Kollektivierung gefürchtete Ana Pauker, die langjährige
anvisiert. Außenministerin und als Favoritin Stalins
Die Güter und Häuser von Faschisten, Regimegegnern und Anführerin der «Moskauer Fraktion», alle
Angehörigen der deutschen Minderheit, denen Kollaboration Ämter. Ihr wurde Rechtsabweichlertum
mit den Nationalsozialisten vorgeworfen wurde, sowie Güter
von Bürgern, die ins Ausland geflüchtet waren, hatte man
vorgeworfen, ihrer Gruppe gab man die
unmittelbar nach dem Krieg beschlagnahmt. Da durch das Schuld für die seit Kriegsende ständig
Volksgruppen-Dekret der rumänischen Regierung vom 20. anwachsende Zahl von kollaborationswilligen
11. 1940 faktisch alle rumänischen Bürger deutscher nichtproletarischen Parteimitgliedern, die in
Abstammung zu Mitgliedern der damals bereits
nationalsozialistisch beherrschten «Deutschen Volksgruppe» übereilter Rekrutierung die Mitgliederbasis
erklärt worden waren, bedeutete dies für alle das Makel der stärken sollte. Von 1945 war die Partei von

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Rumänien - Volksrepublik Seite 2 von 2

Kollaboration und damit die entschädigungslose Enteignung. 1000 Mitgliedern auf 800.000 angestiegen.
Bis 1947 wurden von 143219 Landbesitzern insgesamt
1.443.911 ha Boden enteignet. Davon wurden angeblich Zuvor war zum Höhepunkt des Konflikts
114.000 ha aus der Enteignung des Großgrundbesitzes zwischen «Moskauer» und «rumänischer»
gewonnen und 536.000 ha aus dem Besitz deutscher Klein- Fraktion eine Parteisäuberungsaktion
und Mittelbauern. Seit 1946 wurden Staatsgüter eingerichtet,
auf denen viele Enteignete wieder Arbeit fanden. durchgeführt worden, die 192.000
«ausbeuterische und feindliche Elemente,
Die neue Verfassung der Volksrepublik Karrieristen und Opportunisten» aus der
übernahm das Nationalitätenstatut von 1945 Partei ausgeschlossen hatte. Schließlich
nachdem alle Bürger der rumänischen wurde auch das Scheitern des
Volksrepublik «ohne Unterschied des Industrialisierungsprogramms der Moskauer
Geschlechts, der Nationalität, der Rasse, der Gruppe zur Last gelegt, die nun mit ihrer
Religion oder des Bildungsstandes vor dem Gallionsfigur Ana Pauker aus allen Ämtern
Gesetz gleich» sind. Durch einen Erlass vom entfernt wurde. Gheorghiu-Dejs Führungsrolle
Dezember 1948 wurden die Bestimmungen war nun unumstritten. Am 2.6.52 vereinigte er
des Nationalitätenerlasses ausdrücklich auch die Ämter des Präsidenten des Ministerrats
auf die Deutschen in Rumänien ausgedehnt, und des Generalsekretärs der PMR in seiner
die bis dahin faktisch rechtlos waren. Mit der Person.
Gleichstellung erhielten sie auch das Allmählich ging Gheorghiu-Dej auf vorsichtige
Wahlrecht und wurden ein Jahr später Distanz zu Moskau, vereitelte die Drohung
wehrpflichtig. Mit dem Neubeginn der Stalins, Rumänien als Sowjetrepublik
Volksrepublik konnte bald in den (wiedervereinigt mit der Moldauischen
Minderheitenregionen wieder deutsch Sowjetrepublik) der Sowjetunion
gesprochen werden. In die nach sowjetischem einzugliedern, setzte nach dem Tode Stalins
Vorbild geschaffenen Volksräte der Regionen schrittweise bis 1956 die Liquidation der
und Rayons wurden bereits 1950 über 1000 ausbeuterischen Sovrom-Unternehmen durch
deutschstämmige Deputierte gewählt, die vom und erreichte schließlich 1958 den Abzug der
«Deutschen Antifaschistischen Komitee» für sowjetischen Besatzungstruppen.
gut befunden und vorgeschlagen wurden. Für Gheorghe Gheorghiu-Dej stellte, nachdem er
die Deutschen in Rumänien begann sich das verhindert hatte, dass seinem Land die Rolle
Leben unter veränderten ökonomischen eines Rohstofflieferanten und Agrarlandes im
Bedingungen allmählich wieder zu östlichen Wirtschaftssystem zudiktiert wurde,
normalisieren. zum Ende seiner Regierungszeit die Weichen
Mit den Verstaatlichungs- und in Richtung auf eine Öffnung zum Westen. Mit
Kollektivierungsmaßnahmen waren die dem Sechsjahresplan von 1960 liess er eine
Grundlagen für eine staatliche Planwirtschaft eigene Schwerindustrie aufbauen und gewann
gegeben. Die erste Währungsreform vom deutsche Firmen für den Aufbau rumänischer
15.8.1947 reichte nicht aus, die Aushöhlung Chemie- und Hüttenkombinate. Er liess
der rumänischen Währung zu stoppen. So Massentourismus an der Schwarzmeerküste
musste die Volksrepublik, nachdem die planen und zog damit im Laufe der Zeit
Nahrungsmittelpreise sich verdreifacht hatten Millionen von fremden Besuchern ins Land. Er
und ein starker Inflationsdruck vorhanden war, besuchte Eisenhower in den USA und sandte
eine neue Whrungsreform am 28.1.52 den hochangesehenen elsaßsmmigen
durchführen, die den Leu in das Ministerpräsidenten Maurer zu de Gaulle nach
rubelkonvertible System des RGW, des Rats Paris. Als Gheorghiu-Dej im Alter von 63
für gegenseitige Wirtschaftshilfe (im Westen Jahren an einer Lungenentzündung starb, war
COMECON, in Rumänien CAER genannt) Rumänien reif für eine eigenständige
einband. Unter der Leitung von Gheorghe Außenpolitik und voller Hoffnungen auf fällige
Gheorghiu-Dej sollte ein Generalplan für die Wirtschaftsreformen.
nationale Wirtschaft aufgestellt werden, der
mit dem RGW abzustimmen war. Die beiden
Einjahrespläne von 1949 und 1950 gaben der
Entwicklung der Schwerindustrie und dem zurück zur Textauswahl
Donau-Schwarzmeer-Kanal Vorrang und
bewilligten kaum Investitionen für die
Landwirtschaft, deren Integration in die neue
sozialistische Wirtschaft sich am
problematischsten gestalten sollte.

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Rumänien - Sozialistische Republik Seite 1 von 2

Die Sozialistische Republik Die Bevölkerung, die bei einem solchen Maß
(1965-1989) an Kritik gegenüber der Sowjetunion eine
sowjetische Intervention befürchtete, stand
einmütig hinter «ihrem» Präsidenten.
Nach dem Tode Gheorghiu-Dejs (1965) wird Ceauşescu gelang es, dem über Jahrhunderte
Nicolae Ceauşescu, mit 48 Jahren jüngster durch Fremdherrschaft und Unterdrückung
Parteichef Osteuropas, sein Nachfolger. geformten rumänischen Volk eine neue Rolle
Der ehemalige Schusterlehrling aus im Kräftespiel Europas zu geben. Er selbst
Scorniceşti hatte den 17 Jahre älteren sah sich als großen Vermittler, als
Mitgefangenen Gheorghiu-Dej im politischen Staatsmann, der auf diplomatischem Parkett
Zuchthaus Dej kennengelernt. Bald wurde er Konflikte zu lösen in der Lage war.
durch Botengänge und Arbeiten in der Maßgeblich beteiligt war er als Vermittler der
Illegalität zum wichtigsten Vertrauten Dejs, der Verhandlungen, die zum israelisch-
ihm nach dem Krieg als erste größere ägyptischen Frieden führten. Bald war er auf
politische Aufgabe den Vollzug der internationaler Ebene dafür geschätzt. Dem
Zwangskollektivierung der Bauern rumänischen Volk wollte er das Gefühl geben,
anvertraute. Nach Tätigkeiten im das beste europäische Beispiel für ein Volk zu
kommunistischen Jugendverband wurde er sein, dass stets um seine Unabhängigkeit
Vize-Minister der Streitkräfte und Leiter der kämpfen musste. Daher sollte das rumänische
Obersten Politischen Direktion der Armee und Volk international stets Vorkämpfer für
konnte so die Parteilinie in den Streitkräften Unabhängigkeit und Gerechtigkeit sein. Aus
durchsetzen und die Kader straffer den Rumänen wurden in Ceauşescus
organisieren. Sein ausgeprägtes Geschichtsauffassung Dakersprösslinge, die
Organisationstalent brachten ihm 1955 das sich im Kampf gegen die römischen Invasoren
wichtigste Amt im Politbüro ein, die Leitung ihre Unabhängigkeit sichern wollten. Burebista
von Organisation und Kadern, das und Decebal wurden ebenso wie
Machtzentrum der obersten Personalpolitik. mittelalterliche Fürsten wie Mircea cel Bătrân,
Mit dem Wissen um die geheimen Ştefan cel Mare und Mihail Viteazul zu Ahnen
Personalakten der obersten Kader fiel ihm der rumänischen KP reinterpretiert, weil sie
eine Schlüsselposition zu, die seinen Aufstieg versucht hatten, Rumänien vor Fremdem wie
in die Spitze der Parteihierarchie etwa dem dekadenten Einfluss Roms oder der
beschleunigte. Nach dem Tode Dejs wurde er osmanischen Dominanz zu schützen.
zum Ersten Sekretär der Partei gewählt.
Er verfolgt zunächst den Kurs seines
Amtsvorgängers. Im August 1965 setzt er mit
einer neuen Verfassung und der
Umbenennung des Staats in Sozialistische
Republik Rumänien (Republica Socialistă
România, abgekürzt RSR) ein vorsichtiges
Zeichen zur Loslösung von der sowjetischen
Tutelenschaft. Gleichzeitig wurde die PMR
(Rumänische Arbeiterpartei) in PCR [KPR]
umbenannt. Nicolae Ceauşescu

Innenpolitisch führte er einen harten Kurs, gab


jedoch am Anfang seiner Regierungszeit der
Bevölkerung viel Anlass zu Hoffnungen auf
neue Freiheiten. Zum Höhepunkt seiner
Popularität (1968) rehabilitierte er posthum die
Opfer der KP-Führung der fünfziger Jahre und
liess auch den Intellektuellen des Landes
mehr Spielraum. Nach dem Einmarsch in Prag
Stemma der Sozialistischen Republik entstand unter der Fiktion einer
Rumänien bevorstehenden sowjetischen Intervention in
Rumänien ein neuer, zunächst antirussisch
Um keinen Interventionsanspruch von Seiten ausgerichteter Nationalismus, der sich jedoch
der Sowjetunion aufkommen zu lassen, bald gegen die mitwohnenden Nationalitäten
achtete er stets auf ein korrektes Einhalten des Landes richtete.
aller Abkommen und übertrug dieses korrekte Für die Minderheiten Rumäniens begann eine
Verhalten auf die Beziehungen zu allen harte Zeit. Zu keiner anderen historischen
Staaten. Zunächst erlaubte er sich Periode wurde der Rumänisierungsanspruch
freundschaftliche Beziehungen zu dem so intensiv geltend gemacht wie unter
Ceauşescu. In Siebenbürgen und im Banat

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Rumänien - Sozialistische Republik Seite 2 von 2

damals sowjetfeindlichen China, um mit der wurden die seit Jahrhunderten garantierten
chinesischen Karte ein Mehr an Minderheitsrechte für Ungarn und Deutsche
außenpolitischer Selbständigkeit zu erreichen. aufgehoben. Ungarische und deutsche
1966 empfing er Tito und Zhou En-Lai. Dorfnamen wurde rumänisiert und zahlreiche
Gleichzeitig knüpfte er Beziehungen zum deutsche und ungarische Schulen mussten
kapitalistischen Westen an, um auf lange schliessen oder wurden allmählich
Sicht ein ehrgeiziges rumänisiert. Die Zahl der deutschsprachigen
Industrialisierungsprogramm zu realisieren. Bürger des Landes sank dramatisch auf unter
Das Schlagwort von den sprichwörtlich guten 200.000.
Beziehungen der Rumänen zu allen Völkern 1967 übernahm Ceauşescu auch das Amt des
ungeachtet ihrer Gesellschaftsordnungen Staatsratsvorsitzenden und liess sich 1974
wurde politisches Handlungsaxiom den neuen Titel «Präsident der Sozialistischen
Ceauşescus, dem die Sowjetunion kaum Republik Rumänien» verleihen. Seit Ende der
widersprechen konnte. Siebziger Jahre wurde die Sozialistische
So nahm Rumänien als erstes Land des Republik Rumänien immer stärker zu einem
Ostblocks 1967 diplomatische Beziehungen ausschließlich von Ceauşescu geprägten
zur B.R.Deutschland auf und entsprach nicht Staat.
dem damaligen Wunsch der Sowjetunion,
seine diplomatischen Beziehungen zu Israel
abzubrechen. Der Einmarsch der Warschauer zurück zur Textauswahl
Pakt Staaten in die CSSR fand ohne
Rumänien statt. Ceauşescu liess die
Nationalversammlung einberufen und erklärte
vor der Öffentlichkeit, dass der Warschauer
Pakt ausschliesslich «ein Instrument zur
Verteidigung der sozialistischen Länder gegen
eine Aggression von außen» sei. In der Folge
der Prager Ereignisse liess er 1968 sogar
patriotische Garden, eine Art bewaffneter
Volksmiliz, gründen «zur Verteidigung unseres
stolzen Vaterlandes gegen jeden fremden
Eindringling».
zurück zur Textauswahl

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Rumänien - Ära Ceausescu Seite 1 von 3

Die Ära Ceauşescu Die wirtschaftlichen Mißstände eskalierten


dramatisch. In der Endphase der
Der «erste Arbeiter des Landes», wie sich Regierungszeit Ceauşescus, in der
Ceauşescu in der «Ära Ceauşescu» Parteisprache als «Epoca de aur», als
apostrophieren lässt, regierte seit Mitte der «Goldenes Zeitalter» bezeichnet, entwickelte
70er Jahre immer unumschränkter. In seiner sich Rumänien zum ärmsten und unter-
Manie, alles selbst entscheiden zu wollen, drücktesten Land Europas.
regierte er mit einer Flut von Dekreten und
Massenkampagnen «sein» immer mehr zum
Konsumverzicht angehaltenes Volk. Ein
Personenkult ungeahnten Ausmaßes
entwickelte sich um den neuen Führer, den
Conducător des Landes.

Im Ausland gehätschelt: Ceauşescu

Die Versorgungskrise wurde seit 1984 durch


eine sich jährlich steigernde Energiekrise
"König Ceauşescu mit Szepter" verschärft. Der rumänischen Bevölkerung
wurde eine Beheizung ihrer Wohnräume nur
noch bis maximal 12 Grad erlaubt, was nicht
Auf Bildern war er mit Seidenschärpe mit den einmal erreicht werden konnte, denn Strom-
rumänischen National-farben und sogar mit und Gassperren waren an der Tagesordnung.
selbstentworfenem Szepter zu sehen - wie ein Die Städte des Landes boten an
gekröntes Haupt. Mitte der 70er Jahre Winterabenden ein Bild der lichtlosen
entwickelte sich mit dem politischen Aufstieg Ausgestorbenheit.
seiner Frau Elena ein im Ausland oft Die Verdoppelung der Geburtenrate sollte
angeprangerter Nepotismus. Elena nach der Meinung des Präsidenten das Volk
Ceauşescu, wurde - wie er selbst unter Dej - ökonomisch stärken. So wurden seit 1986
im ZK zuständig für Organisation und Kader obligatorisch monatliche gynäkologische
und mit der Kenntnis der Kaderakten Untersuchungen von Frauen im gebärfähigen
avancierte sie zur wichtigsten und Alter durchgeführt, um nicht genehmigte
mächtigsten grauen Eminenz. Gleichzeitig Abtreibungen zu verhindern. Die
wurde sie Vizepremier und vertrat damit ihren Geburtenkontrolle wurde untersagt.
Mann. Sohn Nicu Ceauşescu war zeitweise
Minister für Jugendfragen. Die Ein spontaner Streik der Bergleute im Schiltal wurde 1984
Jugendorganisation der KP, die Jungen durch Massenverhaftungen beendet. Im Jahre 1985 gab es
Hinweise auf einen Hungeraufstand im Banat, bei dem
Pioniere, wurde von Schwiegertochter Poiana Bauern die staatlichen Getreidedepots gestürmt haben
geführt. Ceauşescus Schwager Gheorghe sollen. 1986 führten die verzweifelten
Petrescu traf alle Entscheidungen im Bereich Einsparungsmaßnahmen sogar zu einer Kürzung des Etats
des Militärs. Freilich holte sich Ceauşescu hierzu über eine
der Elektronik und des Maschinenbaus. Volksabstimmung Rückendeckung: 99,9 % der
Polizei und Geheimdienst wurden von Bruder Wahlberechtigten sprachen sich für die Kürzung aus. Bis
Nicolae Andruţa kontrolliert. Bruder Ilie 1987 sollen drei Versuche des Offizierskorps, den
Präsidenten auszuschalten, fehlgeschlagen sein: Bruder Ilie
kontrollierte als Vizeverteidigungsminister das und Bruder Nicolae Andruţa waren wachsam. Im November
Militär, das Ceauşescu die Kürzung des 1987 gab es anlässlich einer Hungerrevolte in Braşov gegen
Budgets seit Ende der 70er Jahre und den Lohnkürzungen in der Braşover Traktorenfabrik eine
Demonstration mit Plünderung eines örtlichen Parteibüros
unmilitärischen Einsatz der Armee als und Toten auf Seiten der Staatsmacht. Im ganzen Land
Arbeitsbataillon in der Landwirtschaft und im schwelte Kritik an dem autokratischen Führungsstil des
Bauwesen übel nahm. Zum Staats- und Parteichefs. Stimmen in In- und Ausland
forderten seine Ablösung.
Vizelandwirtschaftsminister hatte der
«bäuerlichste aller Bauern» - so eine
Der sowjetische Glasnost- und
Parteihymne über den Conducħtor - Bruder
Perestroikakurs war im Rumänien des
Ion auserkoren. Damit dieser nicht allein
Personenkults nicht willkommen. Der
bestimmte, wurde auch noch Schwager
sowjetische Generalsekretär Gorbatschow
Vasilie Barbulecu mit wichtigen Ämtern im
sagte einer Gruppe auftragsgemäß jubelnder
Agrarsektor betraut. Bergbauminister wurde

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Rumänien - Ära Ceausescu Seite 2 von 3

Schwager Ilie Verdeţ und sein Bruder Florea Rumänen anlässlich seines
kontrollierte das Zentralorgan der KPR, die Rumänienbesuchs am 9.6.87: "Selbst wenn
Parteizeitung Scînteia. Die Verwandten der Sie mir erzählen würden, dass in Ihrem Land
Dynastie Ceauşescu wurden geschickt in alles in Ordnung ist, ich würde es nicht
Stellvertreterposten untergebracht, so dass glauben" Von Gorbatschow gingen starke
sie zwar Kontrolle aus übten, gleichzeitig aber sowjetische Pressionen gegen den
die Verantwortung für etwaige Fehler auf die Personenkult und die Versuche, per
auswechselbaren ersten Repräsentanten Nepotismus die dynastische Nachfolge zu
abwälzen konnten, ohne dass das Bild des sichern, aus. Die sowjetophile Fraktion im ZK
Oberhaupts der Dynastie Schaden erlitt: eine erhielt allmählich Rückendeckung.
wahrhaft byzantinische Tradition!
Zur Nachfolge des in der zweiten Hälfte der
achtziger Jahre von Krankheit geprägten
Nicolae Ceauşescu steht neben seinem durch
Skandale diskreditierten Sohn Nicu vor allem
Frau Elena zur Disposition. Ohne
entsprechende Mehrheiten im ZK zu finden,
wollte Ceauşescu Frau Elena bereits 1979
und 1984 zur Stellvertretenden
Parteivorsitzenden küren lassen, um sie für
die Nachfolge aufzubauen. Die rumänische
Presse bejubelt täglich neben dem
Präsidenten die «Genossin Akademiemitglied
Doktor Ingenieur Elena Ceauşescu».
In der Endphase der Ära Ceauşescu nahmen Der Palast der Goldenen Epoche
die Probleme des Landes zu. Der
Schuldenberg, der durch die rasche Wegen der dramatisch sich entwickelnden
Industrialisierung aufgetürmt wurde und die innenpolitischen Unterdrückung suspendierte
nationale Misswirtschaft, verlangte von der im Juni 1987 der US-Kongress die
rumänischen Bevölkerung einen für Meistbegünstigungsklausel im Handel mit
europäische Verhältnisse einmaligen Rumänien. Zum Abschluss der «Goldenen
Konsumverzicht. Es gelang Ceauşescu Epoche» wollte Ceauşescu sich und der
immerhin, den Schuldenberg von über 20 neuen Sozialistischen Republik ein Denkmal
Milliarden Dollar 1987 auf 6 Milliarden zu setzen. Zu diesem Zweck wurden zahlreiche
verringern. Zwei Jahre danach sollte historisch wertvolle Stadtviertel in Bukarests
angeblich die gesamte Auslandsschuld getilgt Süden seit Mitte der achtziger Jahre dem
sein. Doch der Preis für diesen Zwang, den er Erdboden gleichgemacht, um im Werte von
dem Volk auferlegte, war der Verlust vieler 1,2 Milliarden Dollar ein neues Verwaltungs-
demokratischer Freiheiten. Nur mit Hilfe und Aufmarschzentrum des modernen
starrer Autorität und eines perfekt sozialistischen Rumänien zu schaffen. Für das
organisierten Staatssicherheitsdienstes wurde neue Regierungsviertel mit seinen
in den 80er Jahren das Land regiert. Ein neoklassizistischen Repräsentationsbauten,
Drittel der Bevölkerung arbeitete bereits direkt das zum 70. Geburtstag des «Großen
oder indirekt für den Staatssicherheitsdienst, Gründers», am 26.1.1988 eingeweiht wurde,
die securitate. Das nicht publizierte Dekret Nr. liess er etwa ein Fünftel der Stadt abreissen
408 verpflichtete jeden Bürger, innerhalb von und 40.000 Bukarester Bürger
24 Stunden einen Kontakt mit Ausländern der zwangsevakuieren. Zu beiden Seiten des 120
Miliz zu melden. Die Versammlungsfreiheit m breiten Boulevards des sozialistischen
wurde abgeschafft. Stimmen der Opposition Sieges mussten den Prunkbauten der
konnten sich nicht einmal mehr im Untergrund Parteielite die letzten Spuren eines
artikulieren, seitdem die Benutzung von bürgerlichen Bukarests weichen: Die Altstadt
Fotokopierapparaten kontrolliert und die fiel dem Beton der «Goldenen Epoche» zum
Bürger verpflichtet wurden, jährlich ihre Opfer.
Schreibmaschine per Schreibprobe bei der Die Rumänen verdanken ihrem Präsidenten
Miliz registrieren zu lassen. unbestritten ihr hohes internationales
Ansehen, den Wandel vom rückständigen
zurück zur Textauswahl Agrar- zum modernen Industriestaat und eine
Zunahme an Souveränität. Dafür besaß er bis
Mitte der siebziger Jahre ein Höchstmaß an
Popularität in der Bevölkerung. Für viele
Kenner der Situation ist deshalb der
Widerspruch zwischen der außenpolitischen in
aller Welt geschätzten Rolle Ceauşescus und
der innenpolitischen Entwicklung seit der Mitte
der siebziger Jahre hin zu Personenkult,
Nepotismus und Polizeistaat unerklärlich. Die

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Rumänien - Ära Ceausescu Seite 3 von 3

rumänische Bevölkerung, erduldete in


bewundernswertem Arrangement diese
schlimme Phase ihrer jüngsten Geschichte.
«Maisbrei explodiert nicht» sagt ein
rumänisches Sprichwort.

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Rumänien - heute Seite 1 von 2

Das heutige Rumänien Wirtschaftlich sind allerdings durch die sehr


schleppende Privatisierung im Unternehmens-
Nach einer Demonstration der deutschen und bereich und durch das Nebeneinander von
ungarischen Minderheit und rumänischer Neugründungen und korrumpierten
Regimegegner in Timişoara am 16.12.89 Staatsbetrieben und Verwaltungsinstitutionen,
gegen die Zwangsdeportation des die vor allen zur Sicherung der Privilegien der
reformierten Pfarrers László Tökés erfasste alten Nomenklatura beibehalten wurden, noch
die Protestwelle rasch die gesamte zu wenig Erfolge zu buchen. Die
Bevölkerung Rumäniens und gipfelt in einem Versorgungskrise wurde in 90er Jahren sehr
Volksaufstand. Am 22.12.89 flieht das schnell abgebaut, allerdings mit dem Preis
Diktatorenpaar aus der Hauptstadt. Die Armee einer hohen Inflation. Im Mai 1994 stabilisiert
stellt sich auf die Seite des Volkes und wendet sich die rumänische Währung durch Freigabe
sich gegen die vom Diktator mobilisierten des Wechselkurses. Die Verbraucherpreise
Sicherheitkräfte. liegen jedoch weit über dem Niveau des
Im Einvernehmen mit der noch Mindesteinkommens.
kommunistischen Nomenklatura übermimmt Bei den Präsidentschaftswahlen vom 27.9.93
die Front zur Nationalen Rettung die Macht. siegt Iliescu im zweiten Wahlgang mit 60 %
Einen Tag nachdem der auf der Flucht der abgegebenen Stimmen. Aus der
verhaftete Diktator und seine Frau Elena von Sammlungsbewegung der FNR ging die
einem Militärgericht zum Tode verurteilt und Demokratische Front der Nationalen Rettung
erschossen wurde, übernimmt am 26.12.89 (FDSN) hervor, ein Sammelbecken für alte
der 1971 unter Ceauşescu als ZK-Sekretär und gewendete Kommunisten, und links-
abgesetzte Ion Iliescu, ein ehemaliger konservative Kräfte. Ab Juni 1993 nennt sie
Studienkollege Gorbatschows, im Auftrag der sich Sozialdemokratische Partei Rumäniens.
Front der Nationalen Rettung die Im Februar 1993 unterzeichnet die neue
Präsidentschaft. Der Interimspräsident wird Führung Rumäniens in Brüssel ein
nach heftigen anti-kommunistischen Protesten Abkommen über die Assoziierung Rumäniens
im April 1990 schließlich am 20.5.1990 in den an die EG, das vorsieht, innerhalb von 10
ersten freien Wahlen des Landes (die von Jahren eine Freihandelszone zu errichten.
Beobachtern nicht immer als fair betrachtet Prüfstein für den Eintritt nach Europa ist vor
wurden) mit 85,07% als FNR-Kandidat zum allem die Minderheitenpolitik Rumäniens.
Staatspräsidenten gewählt. Die zersplitterte 1996 gewinnt der bürgerliche Kandidat Emil
Opposition, die in dem im schweizer Exil Constantinescu (Bürgerunion) die
lebenden rumänischen König keine einigende Präsidentschaftswahlen. Der ins Stocken
Symbolfigur fand, konnte den Machtanspruch geratene Reformprozess konnte durch ihn
der FNR demokratisch nicht brechen. Auch im allerdings nicht beendet werden.
Senat, der zweiten Kammer des Landes, Kaufkraftverluste von 22,4 % (1997)
verfügt die FNR nach der ersten freien Wahl verschärfen die politischen Konfilikte, der Weg
über 92 der 119 Sitze. nach Europa - einmal eingeschlagen - erweist
sich als äußerst schwierig. Der Druck der
fortschreitenden wirtschaftllichen Krise treibt
Rumänien an den Rand der
Zahlungsunfähigkeit. Die dringend
notwendigen wirtschaftlichen Reformen
verzögern sich weiter. Während die
Inflationsrate 1998 leicht auf 40,6 % absinkt
(1997 noch 152 %), steigt die Arbeitslosigkeit
auf 10,3 %.
In der Präsidentschaftszeit Constantinescus
zeichnet sich (während des Kosovo-Konflikts)
eine Annäherung an die NATO ab, die bei
seinem Nachfolger, Ion Iliescu (am
28.12.2000 wieder gewählt) zum Beitritt des
Landes zur NATO (mit Wirkung vom 1.5.2004)
führte. Im Irakkrieg bekannte sich Rumänien
von Beginn an eindeutig zur Position der USA
und stellte den USA seine Luftwaffenbasen
und den Schwarzmeerhafen Constanţa zur
Verfügung.
Ion Iliescu

Oppositionelle Proteste wie die

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Rumänien - heute Seite 2 von 2

Studentenbewegung des Universitätsplatzes


wurden durch die Schlagstöcke der von Iliescu
herbeigerufenen Bergarbeiter am 14.6.90
niedergeknüppelt. Im Westen des Landes
(Timişoara, Oradea) demonstrieren im Juli
und August 1990 Zehntausende gegen Iliescu
und die noch immer bestehenden
Machtstrukturen des Kommunismus. Iliescu
vertritt einen anderen Reformkurs als die
übrigen Länder Osteuropas. Er stützt sich auf
einen starken Staatsapparat und auf die
gewendete Nomenklatura der ehemaligen KP.
Er hält sich dabei an formal-demokratische
Prinzipien und versucht mit einer allmählichen
Demokratisierung und langsamen Traian Băsescu
Wirtschaftsreformen das Land aus dem
Trauma der Diktatur zu führen. Die politische Nach der Nichtberücksichtigung Rumäniens
Entwicklung seiner ersten Amtszeit geht und Bulgariens bei der ersten Runde der
deutlich in Richtung auf eine Osterweiterung der EU stellte der Europäische
Demokratisierung der wichtigsten Institutionen Rat Rumänien eine Vollmitgliedschaft für 2007
des Landes und der Durchsetzung in Aussicht, wenn die Beitrittsverhandlungen
elementarer Prinzipien eines Rechtsstaats. bis Ende 2004 erfolgreich verlaufen. In den
Wahlen vom 20.12.2004 wird der Präsident
des Partidul Democrat, der ehemalige
zurück zur Textauswahl Bürgermeister von Bukarest, Traian Băsescu
zum Staatspräsidenten gewählt und setzt sich
vor allem für den Erfolg der
Beitrittsverhandlungen zur EU ein. In diesem
Zusammenhang ist auch die Währungsreform
vom Sommer 2005 zu sehen, die einen
konvertiblen von inflationären Nullen befreiten
Leu (RON) schafft.

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