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MASTER NEGATIVE

NO. 93-81294-
MICROFILMED 1993

COLUMBIA UNIVERSITY LIBRARIES/NEW YORK

aspartofthe . „ • .»
Project
"Foundations of Western Civilization Preservation

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NATIONAL ENDOWMENT FOR THE HUMANITIES

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A UTHOR:
BARTH, PAUL

TITLE:

DIE STOA
PLACE:

STUTTGART
DA TE:
1903
Master Negative #

COLUMBIA UNIVERSITY LIBRARIES


PRESERVATION DEPARTMENT

MICRQFOR M TARGFT

Original Material as Filmed - Existing Bibliographie Record


wp«T ^»I!Tfrl^~TBff^^^~»"lHI»"W l#l«.4 II l.l li.iMi., >A
182
" ' . '. V
Barth, Paul, 185&- 1922.
Die
1903.
stoa. Von Paul Barth. Stuttgart, F. FrommaniL
^^ ^

191 p. 2U"". (Half'HtU: Frommanns klassiker der Philosophie


*^ ... i

xvi)

1. Stoics.

Library of Congress
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3-15824

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15 mm
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MFINUFnCTURED TO FIIIM STfiNDARDS


BY fiPPLIED IMfiGE, INC.
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time a fine of five cents a day will be incurred.
[E2 E282 before tliat

OTciUttitbiit Uttixtcx-öit« M
of llcut \}ovh
itt tltc (Dltu
SEP 2 5 m
K

©it»cti itucmutut>"ölu :v
Frommanns Klassiker der Philosophie
herausgegeben

von

Richard Falckenberg
Dr. u. 0. Professor der Fhilosophie an der Universität Erlangen.

^^s^

XVI.

DIE STOA
VON

PAUL BARTH.
DIE STOA
Von

PAUL BARTH.
. *

Eil I

STUTTGART
FR. FROMMANNS VERLAG (E. HAUFF)
1903.
DIE STOA
Von

PAUL BARTH.
» . *

STUTTGART
FR. FROMMANNS VERLAG (E. HAUFF)
1903.
•*>

Herrn

Geheimrat Professor Dr. Max Heinze


„Ich suche die Wahrheit, von der noch
niemand je geschädigt wurde." seinem verehrten Lehrer
Marc Aurel.

dankbar gewidmet

vom Verfasser.

I t

Alle Rechte vorbehalten.

^1

Loui8 Bosheuyers Buch.lruckerei (W. Drücic) (Jaunstatt.

Ti

IN
;

352689
Vorwort.

Eine Darstellung der Stoa ist keine ganz einfache


Aufgabe. Denn erstens haben wir von der alten und
von der mittleren Stoa keine Schriften, sondern sind
aul Fragmente und auf Berichte angewiesen, welche
letzteren dazu nicht immer mit einander übereinstimmen,
teils wegen des Schwankens der stoischen Terminologie,
teils wegen der Ungenauigkeit der Berichterstatter.
Zweitens handelt es sich hier um ein halbes Jahrtausend
geistiger Entwicklung, während dessen nicht alles gleich
geblieben ist. es im Stoicismus fest-
Dennoch giebt
stehende Züge genug, mich bemüht habe, zu
die ich
einem richtigen Bilde zu sammeln. Die wichtigeren
neuen Forschungen über die Stoa glaube ich nach Gre-
bühr berücksichtigt zu haben. Doch beruht meine Dar-
stellung auf den Quellen, also den Schriften, den Frag-
menten und den Berichten. Ich meinte sie überall
anführen zu müssen, da so sehr vieles streitig ist, also
der Begründung bedarf.
Trotzdem, hoffe ich, ist das Buch lesbar geblieben.
Die griechischen Kunstausdrücke habe ich nach Mög-
lichkeit beschränkt und überall übersetzt, damit sie für
den des Griechischen unkundigen Leser nicht störend
werden.
Den letzten Abschnitt, „Die Nachwirkung der Stoa
im Christentum und der neueren Philosophie" hätte
|in

ich gern ausführlicher gestaltet, aber dann den mir


8 Vorwort*

gegebenen Raum weit überschreiten müssen. Schliess-


lich bedarf dies eines besonderen Buches. Für die Be-
ziehungen der Stoa zum Christentum möchte ich den
Belehrung suchenden Leser hinweisen auf F. Ch. Baur,
Zur Geschichte der alten Philosophie und ihres Verhält-
nisses zum Christentum, Leipzig 1876 und auf E. Hatoh.
Griechentum und Christentum, zwölf Hibbertvorlesnniren
über den Eintluss griechischer Ideen und Gebräuche Inhalt.
auf die christliche Kirche, deutsch von E. Preuschen,
Freiburi? i. B. 1S92.
I. Teil. Der geschichtliche Hintergrund der Stoa . 11—21
Le 1 p z ig. im Xoveml)er 19( )2. Die Geschlechtergesellschaft bei den Hellenen. Die ständische
Gesellschaft. Bei den Hellenen kein Priesterstand, sondern
ein Philosophenstand. Verfall der ständischen Gesellschaft.
Paul Barth. Zuflucht zur Philosophie.

II. Teil. Die äussere Geschichte der Stoa . . . , 22—29


Zeno , Kleanthes, Chrysipp , Panaetius und Posidonius.
Seneca, Epiktet, Marc Aurel.

III. Teil. Die Lehre 30—171


1. Abschnitt. Aufgabe und Einteüung der Philosophie 30-32
Einteilung in Physik, Logik, Ethik. Bevorzugung der Ethik.

IL Abschnitt. Die stoische Physik und Theologie . 33—58


1. Kapitel. Die Elemente und ihre Umwandlung 33—41
Die vier Elemente. Das schöpferische Feuer. Die Feuer-
werdung. Ueberwindung des Materialismus.

2. Kapitel. Die Theologie und die Teleologie . . 41-58


Das schöpferische Feuer = der obersten Gottheit ^^ Zeus
--- der „samenartigen Vernunft". Stellung der Stoa zum
Volksglauben. Ihre Teleologie. Die Mantik.

IIL Abschnitt. Die Logik 59—83


\. Kapitel. Die formale Logik 59—64
Partitio und Divisio. Der hypothetische und der disjunktive
Schluss. Umkehrbarkeit hypothetischer Urteile. Verdienste
um die Terminologie.

2. Kapitel. Die Erkenntnistheorie 65—76


Die greifbare Vorstellung. Andres Kriterium in der mittleren
Stoa. Die Zustimmung. Die notiones communes.

3. Kapitel. Die Sprachwissenschaft der Stoa . . 76—83


Das Wort als Nachahmung des Dinges. Anomalie und
Analogie. Fortschritte in der Casuslehre, über Genus,
Zeiten, Modi des Verbums, über Satzverbindung.
10 Inhalt.

IV. Abschnitt. Die Ethik der Stoa 84—171


1. Kapitel 84-102
A. Die Erscheinungen des Seelenlebens . . . 84^ — 98
Dreiteilung Der Affekt. Gefühls-, iVorstellungs-,
der Seele.
Willensseite des Affekts. Der „frische" Wahn". Die edlen
Affekte,
'•ß. Die Unsterblichkeit der Seele 98—102
Die alte Stoa darüber. Panaetius Leugner der Unsterblichkeit.
Bei Epiktet und Marc Aurel keine individuelle Unsterblichkeit.
Bei Seneca sehr ausgemalt. I. Teil.
2. Kapitel. Das ethische Ziel 102—116
Die Konsequenz. Verwerfung der Reue. Die Freiheit. Das
naturgemässe Leben. „Lust" und „Freude". Die Glückseligkeit.
Der geschichtliche Hintergrund der Stoa.

3. Kapitel. Die PHicht und die Pflichten . . . 116—132


Die zweite Pflicht-
Mehr nocli als bei den späteren Denkern ist bei
Das Gebührende und „die rechte That".
formel. Ehe und Arbeit. Das Wohlthun. Die Milde. den Philosophen der Hellenen die Weltanschauung ab-
4. Kapitel. Die Tugend und die Tugenden . . . 132—147 hängig von der Lebensanschauung. Wie das Herdfeuer
Intellektuelle Grundlage der Tugend. Die Willensmomente nur den Mittelpunkt des Hauses, die Flamme im Prytaneion
teilweise berücksichtigt. Die vier Kardinaltugenden, die ab-
geleiteten Tugenden. Bei Epiktet zwei Tugenden: Zuverlässig-
den der Stadt bildete, so gab es nach der Vorstellung
keit und Sittsamkeit. Schönheit der Tugend. der Pythagoreer im Centrum des Weltalls ein Herd-
5. Kapitel. Das Gut, die Güter und die Werte . 147—158 feuer, von dem alles Licht und alle Wärme ausging.^)
Die Tugend und, was zu ihr gehört, allein ein Gut. Das
Sie waren in dieser Methode typisch für alle Folgezeit,
Laster allein ein Übel. Milderung der strengen Scheidung. Die
Werte und Misswerte. mit Ausnahme etwa Demokrits und der Demokriteer.
6. Kapitel. Das Ideal des Weisen 158—163 Sonst folgt jeder hellenische Philosoph der unüberwind-
Der Weise. Die Fortschreitenden. Erfolg der stoischen Moral. lichen Neigung, seine ausdem Leben erwachsenen ästhe-
7. Kapitel. Die Staats- und Rechtslehre der Stoa tischen und ethischen Forderungen auf die Welt zu
und ihre praktischen Folgen 163 — 171 projizieren und sie nicht bloss nach den Begriffen des
Das Naturrecht. Seine Wirkung im Erbrechte. Recht der
Verstandes, sondern auch nach den Bedürfnissen des
Frauen und der Sklaven.
Gemüts zu gestalten. So hilft das Leben den Weltbe-
IV. Teil. Das Verhältnis der Stoa zu anderen Schulen 172—175
Zu den Peripatetikern, den Akademikern, den Epikureern. griff bilden. Das Leben aber ist nicht unabhängi"- von

V. Teil. Das Verhältnis der Stoa zur positiven


dem sozialen Organismus, in den der Denker durch das
Wissenschaft 176—180 Schicksal gestellt ist. Auf diesen Organismus, seine
Wissenschaftliche Arbeit der stoischen Philosophen. Hinneigung
Gliederung und seine Schicksale müssen wir daher zu-
der Forscher zur Stoa.
nächst einen Blick werfen.
VI. Teil. Die Nachwirkung der Stoa im Christentum
Die Gesellschaft der Hellenen ist zuerst, wie die
und in der neueren Philosophie .... 181—187
Bei Paulus. Bei den Kirchenvätern. Bei Herbert von Cher- aller geschichtlichen Völker, zusammengesetzt aus Ge-
bury. Bei Descartes. Bei Spinoza. Bei Leibniz. Bei Kant.
schlechtern (rsvr]) d. h. aus Gruppen von Menschen, die
Bei Fichte.
blutsverwandt sind oder zu sein glauben, deren mehrere
Namenverzeichnis 188^191
*) Vergl. T h. Go m p e rz , Griechische Denker, I, Leipzig 189G, S. 95.
12 Geschichtlicher Hintert^rund. Stände bei den Hellenen. 13

einen Stamm Mehrere Stämme bilden die höchste


bilden.
deutet) von dem Gemeinbesitz des Geschlechts getrennt
wirkliche Einheit, Ein Völkerbund, wie in
das Volk.
8 istund in der Familie des Königs bleibt.^) So hört der
der homerischen Zeit der der Achäer später der .

Zusammenhalt des Geschlechts allmählich auf, das bis-


Hellenen, war nur ein vorübergehendes oder ideales
her der feste Baustein der Gesellschaft gewesen war.
Gebilde. In der Geschlechterzeit ist die Weltanschau-
Wie überall in der Geschichte, so tritt nun hier die
uno: die reli^xiöse und zwar der bei allen Völkern ihr
Gesetzgebung ein, sie setzt an Stelle der naturwüchsigen
gleichzeitige naturalistische Polytheismus, die Personi-
Gliederung eine künstliche, sie löst die Stämme und
tikation der Mächte und der Erscheinungen der Natur,
Geschlechter auf^) und ordnet die Volksgenossen in
die, in das Gewand menschlicher Handlungen und
neue Abteilungen, die Stände, denen sie je nach der
Schicksale gekleidet, die der home-
bunte Mythologie
Höhe ihres Vermögens abgestufte staatliche Pflichten
rischen Gedichte ergeben. UndWeltanschauung,
diese
und ßechte verleiht.^) Gleichzeitig vollzieht sich all-
wie auch die dem naiven, ungebrochenen Willen ent- mählich ein Wandel der Weltanschauung. Mit der Auf-
sprungene Lebensansicht ist herrschend, d. h. allgemein,
lösung des Geschlechts verfällt der Kult des Ahnherrn
X e?! giebt davon keine individuelle Abweichung. Eine des Geschlechts, der für die Bewahrung der Sitte wich-
Gestalt wie die Antigone des Sophokles, die, ohne Ver-
tiger war Verehrung der Götter. An seine
als die
brecherin zu sein, der überlieferten Sitte sich wider-
Stelle treten nun diese, dem ganzen Volke gemeinsam,
setzt und dadurch in einen tödlichen Gegensatz zu ihrer
darum ein neues Bindemittel für die Volksgenossen. Das
Umgebung gerät, wäre in der homerischen Welt un- Vorbild der Alten, dem in der Geschlechterepoche jeder
möglich.^)
folgte, genügt nun dem stärker, bewusster gewordenen
Aber das Kleid der Geschlechterverfassung wird
zu eng für den bewusster, mächtiger werdenden Willen. ^) Vergl. L a c o ni b e , Fhistoire comme science, Paris, 189i,
Im Schutze des Geschlechtes, das wohl aus der Gruppen- S. 384.

familie, der Verbindung mehrerer Männer mit mehreren ^) Von Attika wird dies besonders genau berichtet. Die alten
ionischen Phylen wurden von Kleisthenes aufgehoben und durch 10
Frauen, entstanden war. hatte sich immer mehr die
neue, künstliche, ersetzt, deren Mitglieder aus drei verschiedenen, von
Einzelfamilie eines Mannes mit einer Frau heraus- einander entfernt liegenden Bezirken stammten, also keineswegs alle
gebildet und befestigt, die nun ihr eigenes Leben zu blutsverwandt sein konnten. Vgl. E. Meyer, Geschichte des Alter-
führen, insbesondere ihren Grundbesitz dem Zurück- tums, II, Stuttgart 1893, § 493.

fallen an das Geschlecht zu entziehen und auf die Kinder ^) Diese Stände werden bei den Hellenen und Römern Klassen
genannt, sie sind aber ihrer nach gleich sowohl
sozialen Funktion
zu vererben strebt. Wahrscheinlich reizt dazu noch
den orientalischen Kasten, bei denen nur die Scheidung durch Starr-
besonders das Vorbild des Königs, dessen Krongut heit und Vererbung viel schroffer erscheint, als auch den mittelalter-
(rsßsvos, was ein „abgeschnittenes" Stück Land be- lichen Ständen, die, gleich den Kasten, nicht auf Abstufung 3es
Vermögens, sondern auf sozialer Arbeitsteilung beruhen. Das Ein-
*) Vergl. meine .Philosophie der Geschichte als Sociologie" I, teilungsprinzip mag verschieden sein, das Wesentliche ist, dass Kaste,
Leipzig, 1897, S. 379 ff. und meine Ahhandlung: ^Die Frage des Klasse (im Sinne der Griechen und der Römer), Stand, an
alle drei
sittlichen Fortschritts der Vierteljahrs-
Menschheit" in der Stelle des Geschlechts treten, um den Einzelnen zu binden und zu
schrift für Wissens chaftlichePhilosop hie, 23. Jahrg. stützen, wie es das Geschlecht that, und darum die gleiche soziale
(1899) S. 87. Funktion ausüben.
Philosophenstantl 15
14 Geschichtlicher Hintergrund.

konnte mit einem Worte die Wissenschaft ent-


Einzel willen gegenüber nicht mehr. Dafür herrschen
stehen, die, soweit sie nicht unmittelbar praktischen
nun abstrakte, allgemeine Gebote: du sollst nicht stehlen,
Zwecken dient, seit Pythagoras Philosophie genannt
du sollst nicht falsch schwören, und ähnliche, die, weil
wird. Sie umfasst sowohl die Weltanschauung im
für alle geltend, in den Schutz der über alle mächtigen
weitesten Sinne, so dass alle auf die objektive Welt
Naturgötter gestellt werden, so dass diese aus Natur-
gerichteten Einzelwissenschaften zu ihr gerechnet wer-
göttern zu sittlichen werden. Jahwe, der Grott des G-e-
den, auch die Lebensanschauung, die Lösung der
als
witters*), wird zum Urheber und Hüter des Deutero-
praktischen Probleme der Menschheit. So grosse Auf-
nomiums, später der gesamten Thora, Apollo, bei Homer
gaben verlangen den ganzen Mann und beschäftigen
ein Wahrsager und Bogenschütze, wird zum delphischen
das ganze Leben, so dass die Philosophie zu einem Be-
Apollo, dem obersten Ratgeber in allen Fragen sittlicher
rufe wird. Es giebt darum bei den Hellenen keinen
Eeinheit.-^)
Priesterstand, wohl aber einen Philosophenstand, der
Erst in dieser Epoche, in der ständischen Gesell-
sich je länger je mehr durch Lebensführung, genossen-
schaft giebt es eine Arbeitsteilung. Sie zeigt sich sehr
schaftlichen Zusammenschluss sogar durch besondere
,

deutlich in der Erziehung, in der Wehrpflicht, zum Teile


Tracht von den andern Ständen abgrenzt. Das Denken
auch, im germanischen Mittelalter, in der Trennung des
und Forschen, und zwar das freie Denken und For-
Handwerks vom Ackerbau. Sie führt im Orient zur
Aussonderung eines besonderen Standes für Verrichtung
schen, war in Hellas —
das ist nicht hoch genug an-

der Handlungen, die das Gemeinwesen dem Dienste


zuschlagen —
der Lebensberuf eines besonderen Kreises
des Volkes geworden.
seiner Götter oder seines Gottes schuldet, des Priester-
Soweit nun dieser Kreis die Erforschung der ob-
tums. Im Occident aber werden diese Handlungen nicht
jektiven Welt ptiegte, war er nicht abhängig von seiner
das Vorrecht eines besonderen Standes, sondern eine den
sozialen Umgebung. Denn die Sterne gehen ihre Bahn,
wechselnden staatlichen Beamten, wie andere, obliegende
gleichviel was ein Volk thut oder leidet, und die Astro-
Pflicht, deren Erfüllung fast immer niedriger bewertet
nomie baut fort auf den sicheren Erkenntnissen der
wird als die Erledigung weltlicher Aufgaben.
Vorgänger. Sobald es jedoch über die Thatsachen
Diese Abweichung von der sozialen Arbeitsteilung
H hinaus zum Systeme ging, so offenbarte sich der oben
des Orients ist für das hellenische Leben von höchster
erwähnte hellenische Drang das Innere in die Aussen-
Bedeutung. Es fehlte die alles überragende Autorität
welt zu projizieren. Was vollends die Lebensanschauung
des Priesterstandes, die auf dem Geistesleben des Orients
betriift, so kann sie gar nicht unabhängig sein von denen,
lastet. Nur so konnte hier das Denken sich von der
die den Denker umgeben, von dem Zusammenhange mit
Religion frei machen, sich auf sich selbst stellen, es
ihnen, in dem sein eigenes Leben teilweise seine Be-
dingungen und seine Schranken findet, und von der
^) Vergl. Stade, Geschichte des Volkes Israel, I, Berlin, 1887, daraus folgenden Gestaltung seines Schicksals.
S. 438. Über seinen zuerst nicht rein sittlichen Charakter ebenda Um also die philosophische Schule, die hier dar-
S. 424 ff.
gestelltund gewürdigt werden soll, die Stoa, ganz zu
') Vergl. Ghantepie de la Saussaye, Lehrbuch der verstehen, müssen wir auf die Gliederung und die
Religionsgeschichte, U\ Freiburg i. B. 1897, S. 305 f.
Verfall der hellen. Staaten. 17
16 Geschichtlicher Hintergrund.

der gewirkt hat, Organismus wohl bewusst. Und, wenn einem ihrer
Thätigkeit der Gesellschaft, in sie
Stände Gefahr droht, so setzt sie die Kraft des Staates,
unser Augenmerk richten.
ihrer austiihrenden Gewalt, ein, um sie abzuwenden.
Als Zeno auf Cypern um das Jahr
aus Citium
der Stoa Poikile in Athen, in einem
Die antike Gesellschaft in ihrer Blütezeit Hess es nie ^
300^) V. Chr. in
zur Verarmung von Massen von Bürgern kommen, son-
den Gemälden Pol^^gnots gewidmeten Museum, das die
dern wirkte ihr durch eine planmässige Kolonisation
Form einer Säulenhalle hatte, seine philosophische
entgegen, die nicht bloss Privatsache der ausziehenden
Schule eröffnete, da war die Blüte Attikas, wie der
Kolonisten, sondern insofern Staatssache war, als der
übrigen hellenischen Staaten längst dahin. Kraftvoll
Staat alleKosten ihrer Ansiedlung trug, wofür er
waren sie gewesen, so lange die ständische Verfassung
billigerweise eine ewige Bundesgenossenschaft von ihrer
in aller Streno;e bestand. Die Reichen hatten Vorrechte,
Seite forderte, so dass die xlussendung einer Kolonie
sie allein waren wählbar zu den h()heren Amtern. sie
niemals als Schwächung, sondern als Erweiterung und
hielten, auch bei äusserlich demokratischen Formen, die
Stärkung der Mutterstadt gemeint war.
Zügel in der Hand, zumal sie allein Zeit hatten, den
widmen und der vornehme Desgleichen dienten Beschränkungen des Eigen-
Staatsgeschäften sich zu ^)

Beschäftigung ausser Krieg und tumsrechts, wie das Verbot, den Grundbesitz der Familie
Hellene jede andre
zu verkaufen ^) und Eingriife in die Vermögens Verteilung,
Staatsdienst für seiner unwürdig erachtete. Aber der
viel häufiger als in der Neuzeit, die „Lastenabschütte-
Ausübung der Vorrechte entsprach die der Vor-
lungen" und „ Schuldverminderungen " {x^bcd-
{asLaayrd^siai)
\ pflichten, so dass der soziale Organismus gesund
xoniai), deren Begriife und Namen in den modernen
büeb. Da jede Gesellschaft in ihrer Fortpflanzung, der
Sprachen überhaupt fehlen, der Verhütung allzugrosser
Erziehung, ihre wesentlichen Ziele oifenbart. so zeugt
Klüfte und Abgründe im Vermögensstande der Bürger,
die lange und strenge, bis zum 18. oder 20. Lebensjahre
der Gesunderhaltung des sozialen Organismus.
fortgeführte gymnastische Erziehung von dem tiefen
Ernste, dem die Vornehmen das Staatsleben auf-
mit
Und das ganze Denken und Dichten der Bürger
fassten. Und wir wissen ja, wie sie thatsächlich ,.Gut war auf das Gemeinwesen gerichtet. Selbst in ihren
und Blut"^ ihrem Staate zum Opfer brachten. ^) Auch Mussestunden wollten sie davon hören. Die alte attische
ist die ständische Gesellschaft sich ihrer selbst als eines
Komödie wählt immer nur politische Stoffe. Ein solches
Gemeinwesen muss äusserlich und innerlich gesunde,
*) In die diesem Jahre zunächst voraufgehenden legt die Gründ- nach allen Seiten ihrer Fähigkeiten ausgebildete Men-
ung E. Zeller, die Philosophie der Griechen, lll, l\ Leipzig 1880, schen erzeugen. Sokrates und Plato, beide starke Per-
S. 29. A. C. P e a rs o n hingegen (the Fragments of Zeno and
sönlichkeiten und doch auf das Ethische und Soziale
Kleanthes, London, 1891, p. 4) setzt sie unter das Jahr 300 herab.
gerichtet, keine Asketen und doch unbeschränkte Herren
2) H. S. Maine, Über volkstümliche Regierung, deutsche Aus-

gabe, Berlin, 1887, S. 27: ,Die kurze athenische Demokratie, unter


ihrer Triebe, voll lebendiger Anschauung und zugleich
deren Schutze Kunst, Wissenschaft und Philosophie so wunderbar fähig des abstrakten Denkens, beide Künstler, aber
emporschössen, war nur eine Aristokratie, die sich auf den Trüm- nicht dem Ehrgeiz und dem Erfolge des Tages dienend,
mern einer viel engeren erhob."
') Vgl. J. Burekhardt, Griechische Kulturgeschichte I, Berlin
») Vergl. Aristoteles, Politica, VI. K. 2.
und Stuttgart, 1898, S. 80.
Barth, Die Stoa.

/
:

Individualismus. 19
Geschichtlicher Hintergrund.
18

im Denken Krieg und den Gottesdienst, beides staatliche Funktionen,


der eine im Leben und Sterben, der andere
solche Gestalten von wunderbarer vorbereitete, diente die aufkommende neue Erziehung
eine schaffende Macht,
in der der encyklopädischen Bildung, dem geistigen
Grösse und ausgeglichener Harmonie waren nur
d. h.

Atmosphäre der Blütezeit des hellenischen Lebensgenüsse, und nur, was zu ihr gehörte, wurde
gesunden
Jugend staatlich organisiert, von den Lehrern, die der Staat
Staates möglich, der auch Plato noch in seiner
angehört hat.
besoldete, gelehrt. An Stelle des Turnlehrers und Ge-
Wille eine sangmeisters tritt der Grammatiker (Philolog) und der
Aber es scheint, als ob der menschliche
Blüte nötig Rhetor. ^) Die neuere attische Komödie stellt nicht
solche Anspannung, wie sie eben zu jener
könnte. Denn mehr das Staatsleben dar, das den meisten nicht mehr
war, auf längere Dauer nicht ertragen
von den Athenern wenigstens, nicht bloss so wie früher am Herzen liegt, sondern entweder die
es wurden ja,
Thaten, son- Litteratur mit ihren Fehden, oder die alltäglichen häus-
die höchsten politischen und kriegerischen
auch die höchsten geistigen Leistungen lichen Scenen, besonders Liebeshändel und Dienerstreiche.
dern gleichzeitig
vollbracht. Derselbe Sophokles, der die athenische Was in früheren Zeiten für schimpflich galt, das
Antigone reine Privatleben, das wird jetzt normal. Das ganze ^)
Flotte siegreich geführt hatte, errang mit der
Streben des Bürgers erschöpft sich in der Vermehrung
und vielen anderen Tragödien den Sieg über mehrere
seines Vermögens. Der Grundbesitz häuft sich in immer
andre gleichstrebende, nicht allzusehr ihm nachstehende
weniger Händen an, die Zahl der Sklaven wächst, ab-
Dichter. Es war nicht die Nachwirkung des unglück-
solut und relativ, da die freie besitzlos gewordene
lichen peloponnesischen Krieges, was mit dem
Beginne ,

Niedergang herbei- Bevölkerung nicht mehr in Kolonien versorgt, nicht


des 4. Jahrhunderts v. Chr. Athens
führte. Denn wir finden denselben Niedergang auch bei mehr durch ökonomische Gesetze vor dem Untergange
bewahrt wird und darum ausstirbt.
dem siegreichen Sparta. Es war vielmehr eine Erschlaffung
Denn wer im Altertum besitzlos wird, zieht seine
des Willens, die zu Grunde liegt, zum Teil wohl
eine

Folge jenes Krieges, zum grösseren Teile aber das Er- Kinder nicht auf, sondern setzt sie aus. Wohl erkennen
gebnis gewisser psychophysischer Prozesse, durch die
einige tiefblickende Staatsmänner den gefährlichen Weg,
jeder herrschende Stand gefährdet scheint, die hier zu
analysieren zu weit führen würde. Die Vorrechte ^) Unter ^encyklopädischer Bildung* versteht man vor allem
Grammatik, d. h. Kenntnis der Sprache und der Litteratur und
werden zwar noch festgehalten, die Vor pflichten aber
Rhetorik, d. h. Fähigkeit der kunstgerechten Rede, erst in dritter
nicht mehr erfüllt. Vor allem hört die wichtigste Reihe Philosophie. Bei den Römern umfasst diese Bildung die so-
Pflicht, der Kriegsdienst, auf erzwungen zu werden; genannten sieben freien Wissenschaften: Grammatik, Dialektik,
an die Stelle des Bürgers tritt der Söldner. Damit Rhetorik, Geometrie, Arithmetik, Musik, Astronomie.

ändert sich auch die Erziehung. Während die alte 2) Vergl. J. Burckhardt, a. a. 0., I, S. 273. Und zwar schon der
Jüngling lebt nicht mehr dem Staate, sondern seinen Privatneigungen.
Erziehung, Gymnastik und Musik ^) pflegend, für den
Bezeichnend ist, was in der im Athen der letzten Hälfte des 4. Jahr-

') , bedeutet in der Blütezeit der hellenischen Staaten


Musik" hunderts spielenden Andria des Terenz (V. 56 f.) als Regel von den
nicht bloss Musik in unserem Sinne, sondern auch Dichtkunst, Ge- Jünglingen ausgesagt wird
sang und Tanz. Alle diese Fächer werden in Piatos Republik unter ut animum ad aliquod Studium adjungant aut equos

dem Titel Musik behandelt. alere aut canes ad venandum aut ad philosophos»
Ersatz für den Staat. 21
OQ Geschichtlicher Hintergrund.

in der Blütezeit ihrer Republiken mehr gepflegt als


den Gemeinwesen geht. Besonders Demosthene«
das die Religion ihrer war erloschen. Die
Mythologie,
reden, um seine Mitbürger
wollte Schwerter und Blitze Götter dieser Mythologie waren immer nur Lehensträger
Sinne verstandenen Staats-
zur Erfüllung der im alten des Staates gewesen mit ihm sank ihre Macht bei den
anzutreiben. Es war umsonst. Das
Feuer der ;

pflichten unteren Volksschichten. Bei den geistig führenden


politischen Energie war erloschen.
„„
/
Jahre
.
^ ^ i, Klassen der Hellenen waren sie schon lange durch die
Demosthenes Schicksal wiederholt sich 200 philosophische Aufklärung zu Begriffen ausgehöhlt
der Römer an den Gracchen.
später in der Geschichte worden.
den der Indi-
Auch sie wollten den Sturz des Staates, Aber der Mensch bedarf eines Ideals. Für den
aufhalten, durch Schaffung neuer
viduaUsmus drohte, grob Sinnlichen wie für den Denkenden ist das unmittel-
Gefüges wiederherstellen.
Bür-'er die alte Festigkeit des bar gegebene Dasein zu kurz, zu nichtig, um ihm zu ge-
Verhängnis schritt über ihre Leichen hinweg.
\ber das nügen. Der eine möchte seine G-enüsse über die Zeit
immer mehr
Das Individuum richtete sich auch hier seines irdischen Lebens verlängern, der andere eine
Hess allmählich, statt
auf sein eigenes Interesse und geistigere, edlere, reinere Existenz erlangen, als die des
aufzugehen dasselbe in
wie ehedem im Gemeinwesen
,

die sich
grossen Haufens ist. Die ersteren nahmen ihre Zuflucht
Sechs Senatoren,
seiner Habgier verschwinden. zu allerlei orientalischen Kulten, die dem Sinnengenusse
wurden entdeckt, hingerichtet
..egen Nero verschworen, neben allerlei Büssungen Raum gaben die anderen
sie zu-
,

und ihre Güter konfisziert. Es zeigte sich, dass


Afrika besassen.'j
fanden ihren Trost in der Philosophie. Und diese
sammen die Hälfte der Provinz
Philosophie war für einen kleinen Teil die des Epikur,
Ganzer Städte im antiken Sinne ganzer Staaten
. also
für den weitaus grösseren die Stoa.
einzigen Mannes'). Die
Fluren wurden Eigentum eines
Entvölkerung das
Kehrseite war wie in Hellas die , ,

in Italien, dann
Aussterben der freien Bürger zunächst
der Provinzen und in
auch in den römischen Kolonien
Provinzen selbst. Der Staat ist nicht mehr lebendig
den
Glieder. Aus dem
durch lebendige Hingebung seiner
toter Mechanismus, von aussen
Organismus wird ein
Willen des Despoten und die be-
bewegt durch den
zahlten Dienste seiner Beamten.
antiken Welt, der
So war der eigentliche Gott der
politische Religion, von den Alten
Staat, gestorben,') die
y
Demetrius, der Pompejaner
TTpTui u s , Histor. natur. XVIII, § 35.
Heer Soldaten zählt. Vgl.
so viele Sklaven als ein ganzes
hatte
Seneca, de tranquillitate animi K. 8, 6.

In Italien z. B. Collaüa,
«)
Anlemnae. Fidenae, Labicum. Vgl.

Strabo V, K. 3,2. , . ^ „ . .

Eshateinen tiefenSinn, wenn


HegeUPhänomenologie des Geistes
')

da* am Ende der alten Welt „Gott gestorben .st.


S. 564) sagt ,
Von Zeno bis Posidonius. 23

aus Assos in Troas, Leiter der Schule, ein ursprüng-


licher, tüchtiger Geist ^), der, obgleich der Tradition
nach kein guter Lehrer ^3 ihren Einfluss und Ruhm
,

nicht bloss erhieltsondern erhöhte. Der Ausstreuer


,

der Lehre wurde sein Nachfolger Chrysippos aus


Er hat mehr
Soli in Cilicien, ein eifriger Vielschreiber.
als705 Bücher abgefasst^), darunter allein 311 logische,
II. Teü. deren Titel Diogenes anführt. Natürlich konnten nicht
alle durchdacht, geschweige denn gefeilt sein, so dass

Die äussere Geschichte der Stoa. es Plutarch*) sehr leicht wird, ihm die schreiendsten
Widersprüche nachzuweisen. Auf ihn folgten einige
Schule
Wie schon erwähnt, wurde die stoische weniger bedeutende Schulhäupter. Neues Leben er-
einer
durch Z e n aus der cyprischen Stadt Citium . wacht in der sogenannten mittleren Stoa, zum Teil in-
halb phönicischen Kolonie um 300 folge einer Abweichung von der bisherigen Dogmatik
halb hellenischen , ,

V. Chr. gegründet. Gleich den schon bestehenden Philo- der Schule einer Annäherung an den Piatonismus.
,

in Athen. Panaetius aus Rhodus der Freund des jüngeren


sophenschulen nahm die neue ihren Sitz ,

schöpferischer Geist. Wie Scipio und des Laelius, Posidonius aus Apamea in
Zeno war kein eigentlich
entlehnte er die Ele- Syrien, beide fruchtbare Schriftsteller, geben den, aller-
wir im einzelnen sehen werden,
den schon vorhandenen Schulen, dings gemilderten Hauptgedanken der Schule weite
mente seines Systems
so dass der Akademiker Polemon
ihm vorwarf, er stehle Verbreitung. Panaetius war der ursprünglichere Geist,
ein phönicisches Gewand.M Posidonius in den philosophischen Lehren wesentlich
die Lehren und gebe ihnen
Sein Stil war nicht rein griechisch-).
Er war aber sein Nachfolger, aber in den Einzelwissenschaften ausser-
vorbildlicher Charakter so ordentlich fruchtbar^). Panaetius lebte mehrere Jahre
ein guter I^ehrer und ein ,

gewann. Als er
dass" er bald bedeutenden Anhang *) die wir von ihm haben, enthalten manches
Die Fragmente,
264 V. Chr. gestorben war, wurde Kleanthes und treffende Bild. So Fragm. 44 (Pearson, p. 269): „Die
i. J. originale
Sehweine haben die Seele anstatt des Salzes, damit ihr Fleisch nicht
M Diogenes Laertius VII, 1,25.
...,, faule." Treffend und bündig ist auch Fragm. 99 (Pearson S. 319).
=
Ver"! Pearson, p. 34.
Überhaupt hört ja seit Anstote es
Anm. 1. „Sehr verschieden sind Wohlthat und Geschäft." Auch ist er der
Aristoteles
reine attische Sprachgefühl auf. Schon ij&iwe, das Verfasser des später zu erwähnenden Hymnus auf Zeus.
das
gebildet. Denn die Adjectiva auf -ixog -) Pearson a. a. 0. S 36.
prägt, ist nicht attisch
zweiten Deklmat.on. U.e
kommen im Attischen nur von Substantiven der trog.
3) Vergl. Diogenes Laert. Vif, 7, 180.

der dritten auf -of bilden


anders, z. B. yivos: J-v-^ffioe, "*) In der Schrift : De Stoicorum repugnantiis, die sich fast aus-

Barbarisch sind auch des Aristoteles ä^i^fiol elSr,Tiy.o,. schliesslich mit Ghrysipp beschäftigt. So weist Plutarch (a. a. 0.
erraiOQ
Barbarismus emyswmia, wie die K. 16) ihm nach, er finde es in einer Schrift gegen Plato ungereimt,
Bei den Stoikern ist z. B. ein
Lust genannt wird, offenbar mit Anlehnung an Aristoteles, der sie dass der Böse sich selbst schädige, behaupte dies aber selbst sehr
£lI^)'£vvacr^a^, das entschieden in anderen Schriften.
imyiyvdtnvov TtKoi nennt, also mit Übergang zu
unterscheiden. Darum entschuldigt
Zeno *) Vergl. über beide A. Schm ekel , die Philosophie der mittleren
sie von yiyniivsa&ai nicht
Solöcismen. Stoa, Berlin, 1892.
(Frg. 30, Pearson p. 81) auch die
Seneca. 25
Äussere Geschichte
24

lehrte in Rhodus, wo viele Römer sagt ist, gilt ihm stumpf und matt. ^) Was sich dagegen
in Rom, Posidonius
beigetragen, die antithetisch behandeln lässt, darin schwelgt er, auch
ihn hörten. Beide also haben viel
wenn es sachlich unerheblich ist. So schreibt er fünf
stoische Rom heimisch zu machen. Der erste
Lehre in
Tode da Kapitel über die Frage, ob man sich selbst Wohlthaten
wirkte in dieser Hinsicht noch nach seinem ,

insbesondere in der Schrift erweisen könne. ^) So breit er oft im Ganzen ist, so


Cicero in mehreren Schriften,
Gedanken kurz strebt er den einzelnen Satz zu machen. ^)
„über die Pflichten" aufs engste sich seinen
Darstellungs- Sein Leben entsprach nicht ganz den stoischen (xrund-
anschloss und ihre Verbreitung durch seine
sätzen. Er schmeichelte, wie wir noch sehen werden,
gabe unterstützte. 1) Mehr auf die Anwendung
der stoi-
der S e x - in seinen Schriften dem jeweilig regierenden Kaiser,
sehen Grundsätze gerichtet war die Schule
tadelte und verhöhnte nur die verstorbenen. ^ Er blieb
tier, unter Augustus in Rom weit verbreitet. 2)
)

Wichtiger noch für seine Mitwelt sowohl wie für ^) Sehr charakteristisch ist in dieser Hinsicht der Schluss des
die Nachwelt ist L. Annaeus Seneca.
In den ersten
8. Briefes , wo Seneca Alienum
einen Vers des Publilius erwähnt. :

Jahren unsrer Zeitrechnung in Corduba in Spanien ge- est omne, quidquid optando evenit und seinen Freund Lucilius dafür
Seneca, ge-
boren, als Sohn des Rhetors M. Annaeus lobt, dass er ihm eine bessere Form gegeben habe: Non est tuum,

langte er durch seinen Reichtum und seine Geschick- fortuna quod fecit tuum. Die Antithese tuum non tuum ist es —
eben, die den Vorzug ausmacht Als allerbeste Form schlägt Seneca
lichkeit als Sachwalter in Rom zu grossem Einfluss,
schliesslich vor: dari bonum quod potuit, auferri potest, eine
im Jahre 41 n. Chr. von Claudius nach Korsika
bis er Steigerung der Antithese, indem die den Gegensatz bildenden Worte
verbannt wurde. Im Jahre 50 n. Chr. zurückberufen, dari — auferri, dadurch, dass sie an den Anfang ihres Satzgliedes
Minister zu
stieg er unter Neros Regierung als dessen treten, auch äusserlich hervorgehoben werden. Demgemäss schwelgt
grosser Macht empor, fiel jedoch nach einigen
Jahren Seneca auch in seinen Tragödien in Antithesen. Z. B. der einfache
verurteilt stoische Lehrsatz: „der Tod steht uns immer frei" wird öfter anti-
in Ungnade, wurde im Jahre 65 zum
Tode
thetisch ausgedrückt. So Oedipi Fragm. (in der neuesten Ausgabe,
und starb, indem er sich die Adern öifnete. 3)
von Richter, Lipsiae 1902 Phoenissae A. V. 152). Eripere nemo
einer der geistreichsten Stilisten
der vitam non homini potest, at nemo mortem. Ähnlich Phaedra V. 885
Seneca ist
Besonders eines der „Lichter" u. 886 (bei Richter V. 877 u. 878). Bezeichnend ist auch, wie im
Römer und aller Zeiten.
erstaunlicher Oedipus, V. 970 ff. (bei Richter 949 ff.) die BHndheit in Antithesen
der Darstellung, die Antithese hat er mit
beschrieben wird: quaeratur via, qua nee sepultis mixtus et vivis
Gewandtheit anzuwenden gelernt. Es ist, als ob er tamen exemptus erret. Die Octavia, die ja zweifellos nicht von
überall Heraklits Geiste den ewigen Kampf und
in Seneca herrührt, eben dadurch, dass sie gar keine Antithese
zeigt
Gegensatz der Dinge, der das Leben erzeugt und
erhält,
hat, ihre Unechtheit. Der zweite Teil des Hercules Oetaeus ist eben-
Was nicht antithetisch ge- falls viel ärmer an Antithesen, als der erste und darum möchte ich,
veranschaulichen wollte.
trotz den beachtenswerten Gegengründen G. Richters (S. 319 seiner
Ausgabe) die Ansicht festhalten, dass jener zweite Teil unecht oder
») Vergl Sehmekel, a. a. 0. S. 18 ff.

Dass die Sammlung, die wenigstens, dass er unvollendet ist.


2) Vergl. Zeller III, 1,^ S. 675 ff.

mit dem Stoiker 2) De beneficiis V, 7-11.


wir unter dem Namen Sexti senlentiae besitzen,
^) So sagt er Ep. 114, 13: multi ex alieno saeculo petuntverba:
Sextius, dem Stifter dieser Schule einem
etwas älteren Zeitgenossen
,

von einem Christen des duodecim tabulas loquuntur, also duodecim tabulas statt sermone
des Augustus, nichts zu thun hat, sondern
0. S. 677, Anm. 5.
duodecim tabularum.
3. Jahrhunderts herrührt, beweist
Zeller a. a.

Anm. 5.
*) Vergl. Zeller III, 1,* S. 718, Anm. 2.
3) Vergl. Zeller, UI, 1,' S. 693,
-

Äussere Geschichte.
Epiktet und Marc Aurel. 27
26

fern; doch hielt ihn vielleicht weise mögen folgende Zeilen^) aus einer Unterredung
dem Hofe Neros nicht
schlechten Zeit Neros zwischen einem römischen Statthalter und dem Philo-
die Hoffnung zurück, auch in der
Böses verhindern zu sophen eine Probe geben: Statthalter: Ich kann, wen
noch Gutes wirken oder wenigstens
Leben durch eine würdige ich will, ins Gefängnis werfen. — Ep. : Wie einen Stein.
können. Und er schloss sein
beherrschte — St.: Aber kann auch prügeln lassen, wen ich
ich
Haltung bei seinem Tode. Durch seinen Stil
er die ganze folgende Generation
und flösste ihr so die ^ill. — Ep. Wie einen Esel. Das ist keine Herrschaft
:

über Menschen. Regiere uns als vernünftige Wesen,


stoischen Gedanken ein.
wird Seneca lebendiger als jeder andre, indem du uns das Nützliche zeigst, und wir werden
Uns selbst
weil wir von folgen. Zeige uns das Unnütze, und wir werden uns
selbst die bedeutendsten seiner Vorgänger,
Schriften haben. So auch ein zweiter davon abwenden. Mache uns zu deinen Nacheiferern, wie
ihm vollständige
Epik t et. Zu Sokrates seine Anhänger. Jener war es, der Menschen
Vertreter der römischen Stoa, der Sklave
geboren, schwächlichen Körpers regierte, der sich Menschen erwarb, die ihm ihr Be-
Hierapolis in Phrygien
seinem Herrn, dem Freigelassenen Epa- gehren und ihr Meiden, ihren Trieb und ihren Abscheu
und lahm, von
untergeordnet hatten. ^Thu dieses, thu jenes nicht; sonst
phroditus, einem Günstling Neros, durch einen Dritten
des Stoi- werde ich dich ins Gefängnis werfen." Das ist nicht
losgekauft oder freiwillig entlassen, Schüler
ging er, Philosophen
da Domitian alle mehr die Regierung über vernünftige Wesen. Sondern
kers Musonius,
Epirus, wo er noch vielmehr: „Wie Zeus verordnete, so handle. Sonst wirst
aus Rom vertrieb, nach Nikopolis in
zu haben scheint. ^) du Strafe und Schaden erleiden." Welchen Schaden?
bis zur Regierung Hadrians gelebt
ihn der Geschichtsschreiber Arrian, der
aus Keinen andern, als dass du eben das Notwendige nicht
Dort hörte
Begeisterung für seinen Lehrer unter dem Titel
JiaroiM thust. Du wirst die Zuverlässigkeit, die Ehrfurcht vor
Büchern auf- (Tott und Menschen, die Sittlichkeit einbüssen. Suche
(dissertationes), dessen Vorträge in 8
davon sind uns erhalten, desgleichen doch keinen grösseren Schaden, als diesen. —
zeichnete. Vier
das Arrian im Epiktets, des Sklaven, Verehrer ist Marc Aurel.
das Handbüchlein {eyxB^Qldiov) der Moral,
zusammen- der Kaiser, der letzte der Stoiker, von denen wir
Geiste seines Lehrers in sehr populärer Weise
Epiktet ist ein einfacher, klarer, auf die Schriften haben. Seine Selbstgespräche zeigen ihn Epiktet
gestellt hat.
und darum energievoller sehr ähnlich, als ernsten, reinen Charakter, erfüllt von
sittlichen Ideen konzentrierter
den sittlichen Idealen des Stoizismus. Keiner der antiken
Geist. Er verschmäht jeden Prunk. Der Kraft der
Vor- Philosophen hat wärmer als er die Menschenliebe ge-
Überzeugung entspricht die gedrungene Kürze des
Sein Griechisch ist nicht sehr rein, sondern
— predigt; dass er Kaiser ist, scheint ihn beinahe zu be-
trags.
nach seinem langen Aufenthalte in Rom
stark latini- — drücken 2). Zugleich, bei aller Festigkeit, ist er müde
Gesinnung und seiner Darstellungs- wie die ganze damalige Welt. Sein Stil ist gedrängt,
2) Von seiner
sierend.
abgehackt, dem notizenhaften Charakter der Selbst-
M Vergl. Zeller, III, 1, ' S. 738, Anm. 3.
durchaus ungriechisch vole- = gespräche angemessen. Folgende Zeilen mögen als Probe
-')Sol, 21,2: TJ^gXov, Iva . . . ,

12 und
bam ut. Dieselbe Construction nach andern Verben 11, 6,
Ebenso lateinisch ist der blosse Konjunktiv, nach
Be-
IV 13 19 IH, 93, 2—36.
wie II, 19,34; 1,9,15; II, 18,24; 111,12,15. Echt
griffen'des'wollens ^) Selbstgespräche VIII, 9.
auch das Iva des Ausrufs, z. B. I, 29, 16.
lateinisch ist

^t:
Erlöschen der Stoa. 29
Äussere Geschichte.
28
ein Augen- fanden und darum dem Neuplatonismus und dem Christen-
dienen*): „Des menschlichen Daseins Zeit ist
Die Empfindung ist tum zufielen, welches letzte ausser Wunderglauben und
blick, sein Wesen vergänglich.
Mystik auch noch manches andre brachte. Einzelne
des ganzen Körpers Gefüge zum Verwesen
ge-
dunkel,
Kreisel, das Schicksal schwer zu stoisch denkende Männer finden wir immer noch, so den
neigt, die Seele ein
ernsten Dichter und gründlichen Hasser des Orients,
ahnen, der Menschen Nachrede verworren; was zum
Körper gehört, ein Strom, was zur Seele gehört,
Traum Ru tili US Namatianus. Und dem Namen nach be-
Kampf und eine Reise im stand die stoische Schule neben der akademischen, der
und Rauch, das Leben ein
peripatetischen und der epikureischen noch bis zum
fremden Lande, der Nachruf Vergessenheit. Was giebt
Jahre 529, in welchem sie samt den übrigen drei vom
das uns geleiten kann? Einzig und allein
die
es nun,
man den Gott Kaiser Justinian verboten wurde. In demselben Jahre,
Philosophie. Diese besteht darin, dass
über- in dem in Italien auf dem Monte Cassino das erste
im Inneren vor übermütiger Schädigung bewahrt,
zwecklos Kloster der Benediktiner gegründet wurde, flohen die
legen der Lust und dem Schmerze, nichts
unabhängig vom Thun letzten Philosophen zu den Persern, freilich ohne dort
thuend, ohne Lüge und Heuchelei,
zufrieden hinnehmend, was ge- die gehoifte Denkfreiheit zu finden. Die Geschichte
und Lassen der andern,
zugeteilt wird, weil es daher kommt, begann ein neues Buch. ^)
schieht und uns
woher wir selbst kommen, bei allem den Tod mit ge-
denn die
neigter Gesinnung erwartend, als nichts andres
Trennung der Elemente, aus denen jedes lebende Wesen
zusammengesetzt ist."* —
Auch nach Marc Aurel bestand die Stoa fort und
philosophische
zählte so viele Anhänger, wie keine andre
Schule. -) Erst im dritten Jahrhundert wird die schrift-

stellerische Thätigkeit der Schule dürftig und erlischt

ganz in den folgenden Jahrhunderten, während die

wenigstens noch in den


Schule Piatos und Aristoteles'
Erläuterern der Werke der Meister fortlebt und
der

allerdings nur zum Teil philosophische Neuplatonismus


einen neuen Aufschwung nimmt. Die Ursache dieses

Erlöschens lag wohl darin, dass die Kreise, in denen


der
bisher die Stoa Lebensführerin gewesen war, infolge
wachsenden Kreuzung mit Orientalen ihren Hang zum
*) Von den Schriften der Stoiker citiere ich die Seneca's nach
Wunder und zur Mystik in ihr nicht mehr befriedigt
der Ausgabe von Haase, Leipzig 1887 u. 1892, die Epiktets nach
Epikteti Dissertationes (die auch das Enchiridion enthalten) ed.
H. Schenkl, Lipsiae 1894, die Marc Aureis nach Marci Antonini Gom-
*) n, 17.
A.W in ekler, Ein Beitrag zur Geschichte des Stoi- mentariorum, quos sibi ipsi scripsit, libri XII, reo. Joh. Stich, Lip-
*) Vergl. H.
cismus. Diss. Leipzig, 1878, S. 11, Anm. 44 u. S. 20, Anm. 74. siae 1882.
Vorwiegen der Ethik. 31

ischon derAusdruck „Übung" (do-zryo-te) weist auf Leben,


Bethätigung hin. Kleanthes hat sicher dem Handeln
den Vorrang gegeben, da er als Grund des Ruhmes der
grossen alten Philosophen angab: „Damals wurde das
Handeln geübt, jetzt das Eeden">) Seneca sagt sehr
bestimmt: „Die Philosophie ist das Streben nach Tugend,
III Teil aber durch die Tugend selbst". 2) Ariston aus Chios,
der allerdings erst aus der kynischen Schule zu Zeno
Die Lehre. kam 5), erklärt sogar die Ethik für den Inbegriff der
ganzen Philosophie, da die Physik über unsere Kräfte
gehe, die Logik uns nichts angehe ^). Und die Weisheit,
L Abschnitt.
die doch das Ergebnis der Philosophie ist, besteht
Aufgabe und Einteilung der Philosophie. für Seneca darin: „Im Wollen und Nichtwollen sich
stets gleich zu bleiben"^). Dasselbe sagen die über die
Von Xe nokrat es war die Einteilung der Philo-
drei Teile Zeno oder ein
aufgestellten Gleichnisse.
sophie in 3 Teile, Physik, Logik und Ethik in der
Zeno schloss anderer der ersten Ganze der
Stoiker verglich das
Platonischen Schule eingeführt worden.^)
wichtigste Philosophie einem Obstgarten, in dem die Logik der
3 Teile aber der
sich ihr an: welcher der
Aufgabe der Mauer, die Physik den Bäumen, die Ethik den Früchten
sollte, hing von der Bestimmung der
sein
die entspreche, und einem Eie, dessen Schale die Logik,
Philosophie ab. Bei Plato und Aristoteles
war dies
Gluck- dessen Weisses die Physik, dessen Dotter die Ethik
Eudämonie, d. h. die ungetrübte, dauernde
bilde.^) Posidonius verglich die Physik dem Fleische,
seligkeit, von der Lust ii^dovr]) die
sehr verschieden
die Logik den Knochen und Sehnen,'^) die Ethik der
ausgesetzt ist.
der Trübung und dem Aufhören so sehr Seele eines lebenden Wesens. Seneca schweift in seinen
Plato fand die Glückseligkeit vor allem
im Erkennen,
im Handeln. Die
Aristoteles im Erkennen sowohl als
bevorzugt zu ») Pearson, p. 328.
Stoiker scheinen insgesamt das Handeln
') Ep. 89, 8. 3) Diog. L. VII, 2, 162. *) Diog. VII, 2, 160.
„Übung der
haben. Sie definierten die Philosophie als *) Ep. 20, 5.
„Förderlich aber sei allein und
förderlichen Kunst". «) So bei Sextus Empiricus, Adv. Mathem. VII, 17-19. Bei
Tüchtigkeit der allgememsten Diog. L. VII, wechseln Ethik und Physik ihre Plätze, was
in höchstem Grade die ; 1, 40,
ethische, begreiflich da in der Physik die Theologie, der Schlussstein des
Tüchtigkeiten nun seien drei, die physische, die
ist,

Tüchtig- Systems, inbegriffen war.


die logische ".2) Hier wird zwar die praktische
aber Schmekel übersetzt vsvQa mit „Nerven". Ich glaube, man
genannt,
keit, die ethische erst an zweiter Stelle muss dieSehnen darunter verstehen, die man noch nach Aristoteles
den allein damit meinte. Zwar entdeckten bald nach Aristoteles Hero-
*) Diogenes Laertius (VII, 1, 39) hält irrtümlich Zeno für
philus und Erasistratus die Nerven und benannten sie vsv^a (vergl.
Dreiteilung. Vergl. Pearson a. a. 0. S. 55 und
Urheber dieser H. Sie heck, Geschichte d. Psychologie I, ± Gotha 1884, S. 190.
R. Heinze, Xenokrates, Leipzig 1892, S. 1.

zugeschriebenen aber in den allgemeinen Sprachgebrauch ging dieser Sinn der i'. noch
So der Verfasser der falschlich dem Plutarch
')
lange nicht über. Ausserdem weist bei Posidonius die Verbindung
Placita philosophorum I, prooem. 2.

-i//j

-^
32 Aufgabe und Einteilung.

naturwissenschaftlichen Schriften öfter zur Ethik


ab.^)

ethischen Schriften nie zur Natur-


während er in seinen
schon hervor-
wissenschaft überspringt, woraus allein IL Abschnitt.
Ethik den festen Pol seines Denkens
geht, dass die
Epiktet weiss nicht genug zu spotten über die- Die stoische Physik und Theologie,
bildete.
jenigen, die das Philosophie in der Prüfung
Wesen der
und Auflösung trügerischer Schlüsse erblicken.
richtiger 1. Kapitel.
Die Ethik war ihm Anfang und Ende der Philosophie.-)
nur aufs Studium, nicht auf das Handeln sich
legt, Die Elemente und Ihre Umwandlung.
Wer
Philosoph.^) Die Fragen
ist ihm bloss Philologe, nicht l

sind ihm, was vielen „Ab Jove principium" gilt ancli für die stoische
der formalen Logik, die er aufzählt,
also der Ethik.*) Schule. Bei jeder anderen wäre es angemessener mit
verborgen sei, Fragen der Pflicht,

So ist die stoische Philosophie im wesentlichen ihren Lehren von den formalen Elementen der Er-
konnte der oben gekennzeichneten sozialen kenntnis, also mit ihrer Logik und Erkenntnistheorie,
Ethik, und es
Umwelt wegen nicht anders sein. Wer sich der Philo- zu beginnen um in das System einzudringen. Die Stoiker

sophie zuwandte, suchte vor allem


einen neuen Lebens- hingegen haben selbst das Ausgehen von ihrem obersten
inhalt, den ihm der Staat nicht mehr wie bisher gab. Gott als die beste Methode bezeichnet,^) und dieser Gott
den zwar Sokrates noch, aber schon Plato nicht mehr ist ihnen zugleich die schöpferische Kraft der Natur.
neue Schule, Alles, was da ist, muss wirken oder leiden, nur
im Staate gefunden hatte. Auch die andre
die fast gleichzeitig mit der Stoa
entstand, die des darin hat es seine Existenz. Diesen Satz übernahm

Epikur, hatte ihr Schwergewicht in der Ethik. E pikur Zeno von Plato, 2) machte aber einen Zusatz, der eine
verachtete die gelehrte Bildung und alle
wissenschaft- Vereinfachung bedeutet, wie ein solches Streben nach
liche Untersuchung, sobald sie nicht ganz unmittelbar Vereinfachung überhaupt charakteristisch für die Stoa
dem menschlichen Glücke dient.^) Dühring«) hat ist. Während Plato körperliche und unkörperliche
Stoiker, wie die Epikureer im Wesenheiten (die Ideen) unterschied, lehrte Zeno, dass
Recht, wenn er die
und hat mit manchen seiner Nach-
-^

zu ihren Vorgängern , Charakterphilosophen alles körperlich sei,^)


Gegensatze
folger diese These so weit getrieben, dass sie absurd
nennt.
wurde, und in der mittleren und späteren Stoa
eine

Reaktion dagegen eintreten musste. Dasselbe Streben


mit den Knochen auf die Sehnen hin. Vergl.
auch Whewell, Ge-
Wissenschaften, deutsch von Littrovv,lII, nach Einfachheit und robuster Anschaulichkeit scheint
schichte der induktiven
Stuttgart, 1841, S. 439, S 444. Ausserdem Zeller, II, 2 ^ S. 515. Zeno aber nicht bloss in der Behandlung, sondern auch
*) Nat. Quaest. I, 17; II, 59; III praef. III, 17 f; IV, 13; V, in der Auswahl der Lehren geleitet zu haben. Darum
15 u. 18; VI, 1; VI, 23. nahm er die sinnfälligste, populärste Theorie von den
2) m, 2. •) II, 4; HI, 2, 13; III, 10, 10; auch IV, 4, 1. *) I, 7, 1.

Vergl. d. Kap. über die formale Logik. ») Vergl. Plutarch, de Stoic. repugn. IX, Bf. Gomm. Not. 31.
Kritische Geschichte der Vergl. Pearson p. 85. Pearson 0.
Vergl. Zeller, III. 1 ^ S. 381. ') M. Aurel ^} a. a.
'^)
->) III, 13.

Leipzig 1878. S. 145. Barth, Die Stoa. ^


Philosophie. 3. Aufl.

^.
u Physik und Theologie. Feuerwerdung. 35

Elementen an. die vier Elemente


desEmpedokles, kurz, jeder und jedes, wie es schon war. Er sowie
Frage nach dem
Erde. Wasser. Luft, Feuer.i) Die Kleanthes lehrte also eine ewige Wiederkehr der Dinge.^)
der berühmten quinta essentia, dem Er erneuerte damit, was den Weltprozess betrifft, die
fünften Elemente,
Pythagoreern über- Lehre Heraklits, dass die Welt im ewigen Wechsel
Äther den Plato im Alter von den
über dem Monde einen Weg aufwärts und einen Weg abwärts mache,
nahm, Aristoteles als die ganze Welt
zu hoch, insofern
bildend dachte, diese Frage war Zeno indem die Rückkehr zum reinen ewigen Feuer der
der Äther doch nicht sinnlich
wahrnehmbar war. Er edlere, aufwärts gerichtete, die Entwicklung der Dinge

half sich, indem er den Äther mit dem Feuer für aus ihm der unedlere, abwärts gehende Weg war.
an Feinheit verschieden erklärte.^) Von der näheren Ausführung des Werdens der
wesentlich gleich, nur
Stoffe sind freilich nicht Elemente im Sinne Dinge wissen wir nichts: nur das ist berichtet, dass
Diese vier
noch im Sinne der modernen Chemie, da Zeno aus dem Feuer die Luft, aus dieser das Wasser,
der Atomistik
sie nicht absolut beharrend,
irreduzierbar sondern ,
m aus diesem die Erde hervorgehen liess- Den empirischen ).

einander umwandelbar sind. Die


Atome Demokrits wie Thatsachen nachzugehen, ans denen er wirklich oder
diejenigen, die von der modernen,
wenn auch nicht mehr möglicherweise diese Verwandlungen folgerte, würde zu
werden, bleiben
von der modernsten Chemie angenommen weit führen. Nur das sei erwähnt, dass er aus gewissen
unwandelbar, wechseln nur bei den Alten
ihre Anzeichen eine Entstehung der Erde aus dem Meere
starr
bei den Modernen bloss „Das Meer hat sich schon verkleinert. Zeugen
La-e'und ihre Gruppierung, schloss.

ihre Gruppierung, da ihre Lage wegen der Kugelgestalt, dafür sind die berühmtesten der Inseln. Rhodos und

die sie alle haben sollen, gleichgültig ist. Delos. Denn ehemals waren sie unsichtbar, unter das
als leidend
Drei von den vier Urstoffen nahm Zeno Meer getaucht, später, als es kleiner wurde, erhobeu
das Feuer, als thätig. Freilich sie sich allmählich, wie die Aufzeichnungen über sie an-
an. nur den vierten,
nur seinen feineren .... Ausserdem aber sind grosse und tiefe
auch nicht das ganze Feuer, sondern geben
er den Äther identifi-
Teil, eben denjenigen, mit dem Zungen grosser Meere durch Eintrocknung zu Festland
zierte. Dieses nannte er das
sc höpf er i sehe Feuer geworden und bilden jetzt einen nicht unbeträchtlichen
das ursprünglichste Element, aus dem
die Teil des angrenzenden Landes, der besät und bepflanzt
(nvo TBjCvrAov),
gröbere Feuer, also in-
anderen drei Elemente und das wird. Als Zeichen ihrer alten Meeresnatur sind ihnen
überhaupt, entstanden seien, in das noch Kieselsteine und Muscheln übrig geblieben und
direkt alle Dinge
sich auch die ganze Schöpfung zurückverwandele. Perio- ähnliches, was an den Meeresstrand ausgeworfen zu
(fxni^^r.cjte)^) der ganzen werden pflegt .... Wenn aber das Meer kleiner wird,
disch trete eine „Feuerwerdung"
nach ihr eine Wiederholung alles Dagewesenen so wird auch die Erde kleiner werden, in den langen
Welt,
werde Sokrates wiederkehren, ebenso Plato, Zeiträumen wird überhaupt jedes Element verzehrt
ein. Dann
aber auch Anytos und Meletos, um
Sokrates anzuklagen, werden, auch die gesamte Luft wird sich verbrauchen,
allmählich sich vermindernd, und alles wird in den einen

^') Pearson S. 90 u. 91.


») Pearson, S. 86.
^) Da voa Asclie keine Rede ist, kaan man nicht „Verbrennung ») Vergl. Pearson S. 104 ff., auch S. 252 ff.

iibersetzen. 2) Vergl. Pearson S. 100.


Die Elemente. Die spätere Stoa darüber. 37
36
(untergetaucht) wer- Elemente qualitätslos und bloss
Stoff tlen des Feuers abgeschieden Prinzip ist, die übrigen
Materialismus war es nimmt aber mit ihm die periodische Feuer-
den"') Bei seinem prinzipiellen leidend sind.^)
die Seele für materiell, für werdung Nur gegen den extremen, schliesslich ganz
folgerichtig, dass Zeno auch an.
aus den feuchten
einra warmen Haucht)
oder einen gedankenlosen Materialismus, wie ihn Chrysipp vertreten
heissen Dampt Tugenden
Bestandteilen des Körpers aufsteigenden, hatte, wandte er sich. Dieser hatte und
ihm Heraklit vorausgegangen Laster, Affekte, überhaupt alle seelischen Prozesse und
hielt ») zumal auch hierin

war.' Mit den Begriffen


.Hauch" und .Dampf wollte sogar Begriffe wie die Künste, für Körper erklärt.^)
Feuer-
er wohl nur Feinheit jenes die Seele bildenden
die Dem stellte Posidonius entgegen, dass es mindestens
her-
stoffes bezeichnen, wie schon Heraklit jene Feinheit viererlei Unkörperliches gebe, den sprachlichen Aus-
vorgehoben hatte. druck, das Leere, den Ort. Es wurde dies die Zeit.^)
Dogmatik Hcraklits
Die mittlere Stoa war von der wohl auch allgemein angenommen.^) da ja diese vier
Bewunderer Piatos,
weni-er abhängig. Panaetius war
ein Begriffe keine eigentliche Eigenschaft eines Körpers be-
Philosophen nannte.^) Zwar
den er den Homer unter den zeichnen. Weniger Beifall fand leider der allgemeine
stoischen Materialismus, son-
an dem Satz, mit dem er gegen Chrysipp Bestimmungen an
rüttelte er nicht
des .,bildenden Feuers"^ den alten Körpern von den Körpern selbst unterschied, wenigstens
dern führte nur statt
dem er ebenfalls verschiedene t^rade soweit diese Bestimmungen Wirkungen anderer Körper
Namen Äther- ein,
fand aber keinen Grund,
der Dichtigkeit zuschrieb. Er sind. Chrysipp sagt: „Ursache ist, weswegen etwas ist.
drei andern überwiegende Und Ursache ist ein Seiendes und ein Körper."
einem Element eine über die die
er keine periodische
Energie zuzuweisen: darum nahm - Posidonius dagegen: „Ursache von etwas ist das. wes-
wie Aristoteles und wegen es besteht oder das was seine Schöpfung bewirkt
Feuerwerdung an, sondern hielt,
lotrisch wenigstens, wenngleich
nicht mythisch auch - hat. Und die Ursache ist ein Seiendes und ein Körper.
Nur Erdrevolutionen. Pest Was aber von ihr verursacht wird, ist weder ein
Pllto,*) die Welt für ewig.
nach ihm die zeitweilige Er- Seiendes noch ein Körper, sondern eine Bestimmung und
und Hungersnot führten
neuerung der Frde herbei.") ein Prädikat".^)
sich keine l)estimmte
Auch bei Posidonius zeigt Zwar ist auch Posidonius' (xedanke nur eine Halb-
eines unkörperlichen Prinzips.
Er weicht über- Denn was er von der Wirkung sagt, musste er
Annahme heit.
der Schule ab. Er
haupt in nichts Wesentlichem von auch an der Ursache erkennen. Aber, wäre man ihm
es schon gethan hatte,
betont wohl noch mehr als Zeno nachgegangen, so hätte es solche Behauptungen wie die,
dass der feurige Hauch, das
Urpneuma. das bildende dass die Weisheit ein Körper sei ^) in der Stoa nicht ,

mehr gegeben.
Zeller hat erwiesen, das^ Jiese
«) Pearson S. 106
Vergl. ff.

Vergl. Pearson p. HO f ') Vergl. Schmekel, S. 239 ff. -) Vergl. Plutarch, de commu-
Ausführun/von Zeno stammt.
') Pearson S. 135. auch Marc Aurel nibus notitiis, Kap. 45.
') Vergl. Pearson S. 137.
^) Vergl. Schmekel S. 240. *) Vergl. G. Prantl, Geschichte
V, 33 und VI, 15. ,
„ ,..
3-2. Vergl. Fowler, Panaetu et, der Logik im Abendlande 1, Leipzig, 1S55, S. 436. ») Vergl. Zeller III,
*, Nach Cicero, Tusc. Disp. I,

Bonn 1885 S. 43. ') Vergl. l^ S. 117, Anm 3.


HecaloDis librorum fragmenta, Diss.
Schmekel, 188 f. «) Vergl. Seneca, Ep. 117, 2.
Zeller, 11, 1*, S. 792 f.
:>.
«J
Die Elemente. Wanken des Materialismus. 39
38

Die römische Stoa zeigte sich wissenschaftlich ge- "Wasser Luft, aus Luft Wasser, aus Luft Feuer, aiis
nug, zu dem exklusiven Materialismus der Alten nicht Feuer Luft warum sollte nicht aus Erde Wasser
,

zurückzukehren. Seneca giebt zunächst allgemein die werden?"^)


Möglichkeit einer „unkörperlichen Vernunft'' zu ^). Auch Wie nun bei dieser allgemeinen Verwandlungsfähig-
wird überall die Seele dem Körper so sehr entgegen- keit ein Übergewicht des Feuers entstehen kann, so

gesetzt, dass man zwar nicht die Notwendigkeit


doch dass es schliesslich allein vorhanden ist, hat Seneca

die Wahrscheinlichkeit ihrer unkörperlichen Natur


an- nicht erklärt doch muss er dieses Übergewicht an-
,

nehmen muss -). Dann behauptet er geradezu, dass ein nehmen, da er fest an die Feuerwerdung der Welt glaubt.
Teil des Seienden körperlich, der andere unkörperlich
3) Das Feuer ergreift die Welt und verwandelt alles in
Was allerdings unkörperlich sei . wird bei Seneca sich. Hercules, der, müde von seinen Arbeiten, sich selbst
sei.

nicht ganz klar. Nach der einen Äusserung'*) scheint verbrennt, ist der Welt Vorbild 2). Wenn das Feuer

er einen Teil der objektiven Welt, eben die Weltver- erloschen ist wird Feuchtigkeit daraus die Hoffnung
, ,

bewegende Ursache", von der er aus-


„alles auf eine neue Welt^). Freilich hat er diesen Glauben
nuiift, als
drücklich sagt, dass sie die Materie bildet 0), nach
der modifiziert. £r ist bei ihm nicht mehr ein rein physi-
Beweise'S also kalischer, sondern ein teleologischer oder ethischer. Die
anderen 6) nur „die Wahrheit und ihre
die logischen Gebilde des ßewusstseins, für
unkörperlich Feuerwerdung tritt ein, ,,wenn Gott beschlossen hat,
dass die Zeit unkörper- eine bessere Welt zu beginnen, die alte zu beenden.*)''
zu halten, womit übereinstimmt,
lich genannt wird."') Zunächst vielleicht wird die Gottheit dasselbe erreichen
Da Seneca indessen kein bildendes von dem gewöhn- durch allgemeine Überschwemmung, durch die sie die
lichen Feuer unterscheidet, so ist es logisch
notwendig, Menschen richtet, nach deren Ablauf ,,die ganze leben-
das bildende Prinzip ausserhalb der Elemente, dige Welt von neuem erzeugt und der Mensch der Erde
dass er
also in einer unkörperlichen Vernunft, gesucht
hat. übergeben werden wird, unkundig der Verbrechen und
In der allgemeinen Elementenlehre hielt Seneca unter besseren Vorzeichen geboren*'^).
die Schule, er nimmt unvergängliche Urstoffe Epiktet beschäftigt sich wenig mit der Physik und
sich an
Arten des übernimmt von der Schule nur die Elemente und den
an«) und zwar, wie eben bemerkt, ohne zwei
wird aus allem, aus
Feuers zu unterscheiden. „Alles
*) Nat. Qnaest. III, 10. Insbesondere die letztgenannte Ver-
wandlung bemüht er sich zu beweisen, da er sie zu seiner Theorie
>) Ad Helviam, K. 8. ^) Z. B. Ep. 65, 16. der Quellen nötig hat, gesammeltem Regenwasser,
die er nicht aus

') Ep. 58, 11 und Ep. 89, 16. Auch in letzterer Stelle werden sondern teils durch Verdichtung aus dem von der Erde aufsteigen-
ausdrücklich unkörperliche Elemente der Natur festgestellt,
da .die den Hauche, teils unmittelbar aus der Erde selbst entstanden und
Naturphilosophie in 2 Teile, das Körperliche und das
Unkörperliche entstehend glaubt. Nat. Quaest. III, cap. 7, cap. 9, cap. 10, cap. 26,
beweist,
geschieden wird*. Wie aber schon dieser eben citierte Satz cap. 29.
unexakt und vielleicht lückenhaft. Denn, De benef. IV, 8.
ist die ganze Stelle recht 2)

wird, fehlt die Spezifi- Nat. Quaest. Auch Ad Marciam, cap. 26. Epigr.
während das Körperliche näher spezifiziert ^) III, cap. 13.

kation des Unkörperlichen. super exiliq VII, 5 fif. und De benef. VI, 22.

*) Ep. 89, 16. ^) Ep. 65, 2 u. 12. «) Ep. 90, 29. ') De brev. *) Nat. Quaest. III, cap. 28.
5) Nat. Quaest. III, cap. 30.
vitae 8. ») De benef. V, cap. 8.
T^

Marc Aurel nicht Materialist. 41


Die Elemente.
40
Einheit Die ewige Wiederkehr insbesondere dient ihm zum Tröste
Olauben an die strenge Gresetzmässigkeit und
gegen einen trüben Gredanken, der sich zu seiner Zeit
alles Geschehens ^) auch die periodische Feuerwerdung
,

aller Greister bemächtigt hatte. Für Anaxagoras, für


der Welt -). Wie er über Stofflichkeit und
Unstoiflich-
Marc Aurel hin- Plato und Aristoteles war der Kosmos nie alternd,
keit denkt; lässt sich nicht erweisen.
als Seneca immaterielle Seneca hingegen glaubte, zu seiner Zeit sei die Welt
gegen unterscheidet deutlicher
Er bezeichnet ausdrücklich erschöpft und alt^), wie Lukrez^) die Erde seiner
und materielle Prinzipien.
Zeit alternd gefunden hatte. Auch Marc Aurel glaubte,
als „Methode der Erforschung der Wahrheit'-: die
die Welt altere, werde aber durch die Verbrennung
Trennung (der Welt) in das Stoffliche und das Ursäch-
Substanz des Alls verjüngt. Denn so muss man es wohl verstehen, wenn
liche 3). "^.Wie jedes Stoffliche in der
er sagt 3): „Alles, was du siehst, wird bald die das All
verschwindet, so jedes Ursächliche in der Vernunft des
durchwaltende schöpferische Macht verwandeln und
Alls *)•'. Und dem „Mischmasch'' und den Atomen wird
die
aus der der anderes aus seiner Substanz schaffen, und wiederum
eine „vernünftige Quelle'- entgegengestellt,
seiner Vernunft, alles anderes aus der Substanz des Neuen, damit die Welt
Welt, „wie einem Körper von
immer jung sei '^

zufliesst" ^).

Prinzipien nimmt er nun ohne So wird der starre Materialismus, mit dem die Stoa
Die materiellen
auch das wie es scheint, beginnt, im Laufe der Entwicklung überwunden. Die
weiteres von der Schule auf,
desgleichen die periodische Ver- Differenzierung des Stofflichen und des Unstofflichen ist
schöpferische Feuer«),
Wiedergeburt aller Dinge ein Sieg der Wissenschaft über die Naivetät.
brennung und die periodische
[Tieoi' dinrj TiaXiyyevsaia tcdv öXcjv)'^).

Aber noch deutlicher als beiSeneca hat sich die bloss


2 Kapitel.
mechanische Wiederkehr aller Dinge ihm in eine teleo-
Sein allgemeines teleologisches Die Theologie und die Teleologie.
logische verwandelt.
Prinzip werden wir im nächsten Kapitel kennen
lernen.
Es scheint einem Modernen paradox, die Theologie
Schenkl, pag. 408). Auch l, U, l und unter die Physik zu rechnen.
1) Vergl. Fragm. 8 (ed In der That aber sind
III, 13. 15. ') III, 13, 4. in der Stoa beide identisch oder höchstens nur ver-
3) IV. 21. Auch V, 13; VII, 29; VIII. 11; XIL 10
*) VII, 10. Besonders diese Stelle, wo der Substanz (oi;(Tta),
schiedene Betrachtungsweisen desselben Objektes. Denn
mir beweisend. Denn im die Gottheit wird von dem Gründer der Schule identi-
die Vernunft entgegengesetzt wird, scheint
vernünf-
Sinne der Stoiker wäre doch das feinste Feuer, selbst
als
») Ep. 90, 44.
tiges Prinzip,immer noch Substanz, könnte ihr nicht entgegengesetzt
*) De rerum natura, II, V. 1150 ff. Es war dies vielleicht nur
zählt M. A. IV, 4 alle Elemente ausdrucklich
als
werden. Auch
eine falsche Projektion des Gefühls des sozialen Niederganges auf
entgegensetzt. Die 5
stofThche auf, denen er dann das Vernünftige
die unbelebte Welt; aber doch klaren und scharfen
selbst einem
Namen Elemente, die er daselbst nennt, scheinen alle ür-
stofflicher
Geiste wie Lukrez wurde daraus eine Zwangsvorstellung.
stoffe der Stoa zu bezeichnen: Das Erdige, das
Feuchte, das Hauch-

das Warme, das Feurige. Das letzte ist das Urfeuer.


Das ') VII, 25. An sich könnte man hier an den blossen Wechsel
artige,
seltneren Sprachgebrauche die Luft sein. der Generationen denken, aber die Erinnerung an die oben angeführte
, Hauchartige* muss nach dem
eben besprochene Stelle IV, 4. Stelle Senecas (Nat. Quaest. III, 28; macht die Deutung auf die Feuer-
'")
IX, 59. ^) Vergl. IV. 46 und die
werdung wahrscheinlicher.
') XI, 1.
Theologie und Teleologie. Die samenartige Vernunft. 43
42
dieses aber ist feurigen Hauches als dem schöpferischen Vorgange
fiziertmit dem schöpferischen Prinzip,
Feuer, als em Teil der sprechen. Ein Gleichnis Zenos dagegen ist es, dass „die
ein Element, das schöpferische
Gottheit materiell wird. Grottheit die Welt durchdringt, wie
der Honig die
Natur, so dass auch die
Gottheit, wenn sie nicht die Waben", was Durchdringung sondern nur
freilich keine
Natürlich wäre sie keine
Menschen, die Vernunft, im höch- gleichmässige Verteilung bedeuten würde. ^) Ein anderes
höchste Fähigkeit des
verträte. Somit ist auch die
Vernunft selbst Bild ergiebt sich durch den Ursprung der Welt aus
sten Masse
materiell ; das, Materie gedacht wird ist
wovon die dem schöpferischen Feuer. Dieses ist dann gewisser-
identisch mit dem Objekt, massen der Same, aus dem alle Dinge hervorgehen. Es
selbst Materie, das Subjekt
als Ergebnis wird zur „samenartigen Vernunft" (XoyoQ (TneQfia-
was ja auch in der neuesten Philosophie
aber freilich darum Ttxog). -) „Und wie gewisse verhältnismässige Teil-
langer Untersuchungen erscheint^)
jedoch ein Ausiluss seiner chen der Griieder zum Samen sich vereinigend sich
nicht haltbarer wird, bei Zeno
mischen und, wenn die Griieder wachsen, wieder trennen,
allgemeinen philosophischen Naivetät
ist.

(=Gottheit=Vernuntt) so entsteht alles aus Einem und wiederum durch Ver-


Dieses schöpferische Feuer
sowohl in der belebten einigung aus allem Eines."
herrscht über alles, was geschieht, ^j

wie in der unbelebten Welt, es ist also auch identisch Die Aufeinanderfolge: Körper Sameneuer — —
Volksglaube Schicksal nennt, jener Same ist vorbildlich für die Folge:
Samenartige Ver-
mit dem, was der
gewaltigen Macht, der nach Homer
auch die Gotter nunft, —
Welt —
Samenartige Vernunft, die nach der
unterworfen sind. „Jener Gründer und
Lenker des Welt- Verbrennung im schöpferischen Feuer übrig bleibt. Da
aber befolgt sie am Anfang wie am Ende der Welt wirkt, so ist sie
allshat den Schicksalsspruch geschrieben,
ihn auch. Immer gehorcht er
einmal nur hat er be- .
das Beharrende, aus dem die Vernunft des einzelnen
Wesens, des Menschen, hervorgegangen ist, in das diese
fohlen^^)
Wie sich diese materielle Vernunft zur Welt
ver- wieder zurückkehrt. .,Du wirst verschwinden in dem.
naive Anschauung be- was dich erzeugt hat. Vielmehr, du wirst nach dem
hält, wird gleichfalls nur durch
Ohne Gleichnis als sachliche Bezeichnung
ist allgemeinen Stoifwechsel zurückgenommen werden in
stimmt. ,

es gedacht, wenn Kleanthes und


Seneca von einer stärke- seine samenartige Vernunft."^)

ren oder schwächeren Spannung 3) des schöpferischen, Wie die menschliche Vernunft aber abgesehen —
von der Fähigkeit die höchsten Prinzipien zu denken —
Relimke, Schubert-
Bei den immanenten Philosoplien (Schuppe,
») zugleich die durch das Denken gewonnenen, allgemein-
was die eine Seite
Soldern) verschwindet das Objekt im
Subjekt,
Subjektivität dei« Empfindung
des Denken., das Bewusstsein von der
des Widerstandes der Objekte darstellt. Im Empiriokriticismus aber *) Pearson, pag. 88.

(Avenarius und seine Anhänger) verschwindet das


Subjekt im Objekte, 2) Vergl. dasselbe Bild in Goethes Faust:
Bestimmungen durch das Objekt zu erhalten. Dass ich erkenne, was die Welt
um schliesslich seine
alle

2) Seneca, de Providentia, K. 5. Vergl 0. Heine, Stoicorum de Jm Innersten zusammenhält.

fato doctrina, Numburgi 1859, S. 27. Schau' alle Wirkenskraft und Samen
3) Vergl. Kleanthes fragm. 24 (Pearson, p. 252) und Seneca, Und thu' nicht mehr in Worten kramen.
Nat. Quaest. II, 8, wo die Spannung, intentio als specifische Eigen-
,
^) So Kleanthes bei Pearson, pag. 25:2.

(= nvsvfia) zugeschrieben wird. ^) M. Aurel, IV, 14.


schaft, dem Spiritus
Einheit Gottes nicht gelehrt. 45
Theologie und Teleologie.
44
und Gesetze enthalt, so nur die Hälfte der Erkenntnis erreicht ist, die andere
sten und speziellsten BegriÜe
sind solclie auch in der Weltvernunft enthalten. Die Hälfte darin besteht, aus der Einheit die Vielheit als
sondern logisch notwendig abzuleiten.
Welt ist ja nach stoischer Ansicht nicht einfach,
kein Ding giebt, Es giebt nur eine Vernunft, eine Wahrheit, eine
von höchster Mannigfaltigkeit, so dass es
jedes Weizenkorn z. B. Logik. Darum kann es nur eine Welt und, was dasselbe
das einem andern völlig gliche,
Es giebt also un- ist, nur eine Grottheit geben. Dieser Beweis wird nicht
von jedem andern verschieden ist^).
Formen, die entstehen, wachsen und geführt, er liegt aber wohl unausgesprochen zu (Trimde.
zählige bestimmte
sind die samenartigen Vernunftinhalte wenn in der Stoa die Einheit der Welt betont wird.
verdrehen. Sie
Stoa abwechselnd Zeno lehrt sie ausdrücklich^).
aoyoL ansouany^ol). von denen in der
Weltvernunft die Rede ist. So heisst Minder klar wird die Einheit (rottes festgehalten.
mit der einen
„es methodisch Zeno sowohl als Kleanthes lehrt, dass es Götter, nicht
es von dem schöpferischen Feuer
dass .

nachdem es alle bloss, dass es einen Gott gebe ^).


zu Schöpfungen der Welt schreitet,
Die Erklärung des anscheinenden Widerspruches
samenartigen Vernunftinhalte (X(5youe(TTr£(>iuanxoi)e),

Notwendigkeit liegt darin, dass beide die Götter des Volksglaubens


nach denen jegliches in gesetzmässiger
hat" Diese Mehrzahl wird insgesamt allegorisch deuteten Zeno verstand die Hera
wird, in sich aufgenommen ').

dass Marc Aurel. von als Luft, den Zeus (des Volksglaubens, nicht der Schule)
der Einzahl so sehr gleichgesetzt,

dem wir oben sahen, dass er die einzelne Seele m die als den Himmel, den Poseidon als das Meer, den He-

zurückgehen lässt an einer phästos als das Feuer und überhaupt alle vom Volke
eine samenartige Vernunft .

samenartigen verehrten Gottheiten als Naturmächte. ^)


anderen Stelle sie nach dem Tode in d e i

eingehen lässt».)
Xuyot'g) Die Methode allegorischer Deutung ist später weiter
Vernunftinhalte (onsQ^aTixovQ
einzige grosse Kraft, ausgeführt und zur Zeit Senecas von Cornutus und
Es ist also diese Weltvernunft eine
unendlich viele schon vorher von Herakleitos in ein System <]:ebracht
und doch, ohne ein Chaos zu werden, in

sich darin die erkenntnis- worden.


Einzelkräfte geteilt. Es spiegelt
Einheitstreben der Ver- Die mittlere und die neuere Stoa haben wohl einen
theoretische Thatsache. dass das
Mannigfaltigkeit auf einige wenige, andern GottesbegriiF als die alte. Panaetius hat sicher-
nunft uns treibt die
zurückzuführen, damit aber lich die Materialität des höchsten Gottes aufgegeben:
zuletzt nur auf ein Prinzip
dies folgt notwendig aus seiner Hinneigung zu Plato
») Plutaich, de communibus notitiis, K. 36. und aus seinen sonstigen Anschauungen. Aber wir haben
pro Ghristianis ed. Schwartz, Leipzig
«) Athenagoras, Libellus kein ausdrückliches Zeugnis dafür, ebensowenig für die
1891, Kap. 6 .
u- u höchst wahrscheinliche Abweichung von den Alten bei
») Ver^l M Heinze, Die Lehre vom Logos in der griechischen
Posidonius und seinen Nachfolgern. Von der römischen
Philosophie? Oldenburg, 1872, S. 113, dem ich auch in der allgemei-
und der Xoyoi (jnsQfia' Stoa hingegen lässt sich das beweisen, bei Seneca findet
nen Auffassung des loyog (TTieo/ianxoe
Prinzi-
nxot als materieller, aber der organischen Materie analoger
(Geschichte der Logosidee in der griechi- *) Pearson S. 117. Auch Cornutus, coinpendium theologiae
pien beistimme. A. Aall,
überzeugen graecae K« 27, citiert bei Aall, u. a. 0. S. 12*\ und Plutaich de
1896, S. 110) hat mich nicht
,

schen Philosophie, I. Leipzig


immateriell ge- Stoic. repugn. K. 9.
können, dass schon die alte Stoa jene Prinzipien
*) Vergl. Pearson S. 153 u. S. 273. ') Vergl. Pearson S. 155.
dacht habe.
Theologie und Teleologie. Stellung zum Volksglauben. 47
46

Äusserung für die Materialität Jupiter, einen des Volksglaubens, der auf dem Kapitol
sich keine unzweideutige
Gottes 1), mehrere aber dagegen. Über Epiktet lässt
verehrt wird, den andren, der mit der Weltvernunft
sich nichts entscheiden-). Marc Aurel aber identifiziert
identisch ist ^.) Die Grazien der Grriechen sind ihm wie
Grott sicher mit dem oben (S. 40) erwähnten „ver- Chrysipp die Gröttinnen des Dankes und der Wohlthat ^).
nünftigen Urquell", dessen UnstofFlichkeit oben nachge- Aber ausser dem höchsten Gotte sind ihm noch alle be-
wiesen wurde. Denn er nennt Grott auch „den Ver- weglichen Gestirne Götter ^.) Epiktet und Marc Aurel
stand des Alls" 3). hingegen vereinigen den volkstümlichen und den philo-
aber die Einzigkeit Gottes betrifft, so herrscht
Was sophischen Glauben. Epiktet glaubt an Zeus, als den

auch hier nicht allgemeine prinzipielle Klarheit. allmächtigen, weisen Schöpfer und E-egierer der Welt *),

Panaetius' System hat infolge seiner starken plato- ausserdem aber an alle guten Götter des Volksglaubens,
nischen Ader nur einen einzigen, ewigen, allmächtigen an Demeter^), an Apollo*'), die Moiren (I, 12), auch an
Gott, neben ihm nur die Gestirne *), die gewordenen
Pluton den er zu den guten zu rechnen scheint ^),
.

Götter des Platonischen Timaeus. alle anderen Götter während ihm Hades Acheron Kokytos und Pyri-
, ,

sind ihm nur .Gebilde fabelnder Dichter oder berech- phlegethon Fabelwesen sind ^). „Alles ist voll von

nender Staatsmänner" ^) Posidonius folgt seinem Meister, Göttern und Dämonen^)." Aber auch von den Dämonen
glaubt aber noch an die den Luftraum erfüllenden hält er nur die guten für wirklich existierend
jedoch keine Götter, sondern nur die Seelen
Geister^'), die
die bösen nicht ^'^). Marc Aurel spricht von Asklepios
der Verstorbenen sind. Seneca steht wohl auf demselben und Demeter ^^), von „Helios mit den übrigen Göttern" ^^)
I
Standpunkte wie Panaetius. Die Götter des Volks- als von wirklichen Wesen. Dagegen glaubt er nicht an
glaubens nimmt er allegorisch. Er unterscheidet zwei die bösen Geister, die von den Wunderthätern ausge-
itl

trieben werden ^^ Alle drei aber, Seneca, Epiktet und


).

Es wird zwar (De brevilate vitae, K. 19) unter den mög-


^) Marc Aurel, haben den volkstümlichen Geisterglauben
lichenProblemen der Philosophie genannt: quae materia sit dis, sinnvoll im Geiste ihrer Philosophie umgewandelt. Die
quae voluptas, quae forma, aber man braucht dies nicht notwendig
guten Geister leben bei ihnen nicht ausserhalb, sondern
von dem höchsten Gotte zu verstehen, man kann an die Sterne, die
innerhalb der Menschen. Die Vernunft des Menschen,
gewordenen Götter, denken. Auch richtet Seneca (Indus de morte
Olaudii, K den materiell, menschenähnlich gedachten Gott
8) gegen
ein Teil und Fragment der göttlichen Vernunft ^^), wird
der Stoiker seinen Spott. Nat. Quaest. I, prol. heisst es von Gott-, mit dem guten Dämon identifiziert, der nach dem grie-
totus est ratio, die Vernunft aber erhält, wie oben schon bemerkt, chischen Volksglauben jeden Menschen als Hüter und
in der Cons. ad Helviam das Beiwort incorporalis.

Zwar heisst es bei Epiktet (III, 13, 7): ,Zeus ist bei sich
2)

selbst und ruht auf sich und betrachtet seine Verwaltung der Welt, 1) Nat. Quaest. II, 45. «) De benef. I, 3. ^) De benef. IV, 23.
wie sie ist, und hat dabei ihm geziemende Absichten% aber daraus ') III, 13, 4—7. 5) II, 20, 32. «) III, 1, 18. ') II, 20, 32,
folgt nur, dass er nicht der Welt immanent, sondern
transcendent
«) IIJ, 13, 15. Vergl. Seneca Ep. 24, 18. ») III, 13, 15. "j 1, 22, 16.
ist; keineswegs lässt sich sicher schliessen, dass er immateriell sei.
»0 VI, 43.
3) IX, 28. *) wie Schmekel, S. 190 mit Recht vermutet.
^^) VIII, 19. Dagegen scheint mir Klotho (IV, 34) bloss sym-
^) Schmekel a. a. 0.
bolisch gemeint. *^) I, 6.
«) Schmekel, p. 243 und R. Heinze, Xenokrates, Leipzig
ii\
*) Epiktet I, 14, 6; auch II, 8, 11.
1892, S. 98.
jg Theologie und Teleologie. Die Vorsehung. 49
ii

an begleitete'). Seneca sagt: ihre Bestimmungen noch nicht erschöpft. Es fehlt noch
Schützer von Geburt
* unverletzlicher Geist in uns, der Be- eine sehr wichtige Die Gottheit oder das Urfeuer, oder
Es sitzt ein :

Übeltuns, unser Hüte.r. die Natur oder die keimfähige Vernunft oder das
obachter unseres Gut- und
behandelt er
Wie er von uns behandelt worden ist, so Schicksalist zugleich eine zielbewusste Vorsehung
\).
gewissermassen das bessere, Es wird dadurch ihre Theologie zur Teleologie.
uns wieder" »). Er ist also
Kantischen Ausdrucke „der Kleanthes' realistischer Sinn widersprach zwar der
das ideale Ich, mit einem
des Menschen. Dasselbe finden Allmacht der Vorsehung -), er meinte, nach dem Fatum
intelli^'ible Charakter"
Aurel. Epiktet sagt:
wir bei Epiktet und bei Marc
geschehe alles, nur ein Teil der Ereignisse aber nach
jedem seinen Dämon als Vormund an die der Vorsehung, aber Chrysipp kehrte, wenn auch, in-
(Zeus) stellte
Seite und übergab ihn
diesem zur Bewachung, einem dem er auf die „Hindernisse und Hemmnisse" der Welt-
zu betrügenden Hüter"'). regierung hinwies, nicht ohne anthropomorphe Inkonse-
nie schlafenden und nie
wiederholen, dass
Und Marc Aurel wird nicht müde zu quenz »), zur Meinung Zenos zurück.
gegeben hat *). der Die mittlere Stoa war viel zu platonisch, um der
Zeu-* jedem einen Dämon
als Leiter
den es gilt von wirren Vor- leidenden Materie, der Bedingung alles
gleich der Vernunft ist 5), Unvollkomme-
Leidenschaft Unzufriedenheit mit ,
dem nen, grosse Macht beizulegen, fest an der sie hielt darum
stellungen ,

dass Gott und der Allmacht der gütigen Vorsehung, an der höchsten Voll-
Schicksal rein zu verwahren«),
Mächte sind '), dass sein kommenheit der geschaffenen, bestehenden Welt.^)
Dämon die beiden sittlichen
Walten die Glückseligkeit bedeutet «). Für die römische Stoa wird dieses Walten einer
(Gottheit odei-
Wenn nun Zeno und die alte Stoa die gütigen Vorsehung ein Lieblingsdogma. Seneca meint,
Zeus, mit der Weltvernunft dass die Welt zufällig sei, ist ein arger Irrtum^).
das schöpferische Feuer mit
der Natur (cfva^sy mit Der Mechanismus der Natur dient nicht unmittelbar
mit der Seele der Welt, mit
identifizieren'"): so sind damit
^u^taofiiv.i) dem Menschen. Regengüsse, Stürme, Erdbeben geschehen
dem Schicksal
in der griechischen
'y^l M. Heinze, Der Eudämonismus tive Gesetzmässigkeit der Welt zu bezeichaen, aber nie wird die
Leipzig, 1883, 3. 15. '-) Ep. 41 2. dvdyxT] personifiziert. Aus gulein Grunde. Denn seit Plato ist sie
Philosophie," 1.

12. *) V, 27. ») in, :1; Hl, 6; 111, 7. gleich der blinden, ziellosen Notwendigkeit, fast dem Zufalle, tv^t}^
ä) I 14,

«) 11, 13; III, 12; m, 16; Vlü, 45. gleichbedeutend, jedenfalls das Gegenteü der Vorsehung. (Vergl.
Vü, 17. R. Heinze, Xenokrates S. 19, Anm. 1). Und auch von Marc Aurel (Xlf,
7) V 10 ')
schaffend, ge-
sondern immer aU lebendig, 14) wird sie der Vorsehung direkt entgegengesetzt, indem er sagt: I
t

») die nie als tot,


(VII, 75) sagt: .Die Natur
des Ganzen .Entweder ist das Schicksal eine Notwendigkeit und unubertretbare
dachtwird, so dass Marc Aurel
Ordnung, oder eine gnädige Vorsehung, oder ein Mischmasch un-
"ins an die Weltschöpfung.'
" gleichgesetzt in einem von Lactanz gelenkter Vergeblichkeit.« Nach stoischer Lehre ist aber der zweite
•«) .\lle diese Begriffe sind
Zenos bei Pearson S. 92 f. Als sie- Fall die Wahrheit, das Schicksal ist eine gnädige Vorsehung.
zweimal überlieferten Fragmente Die
necessitas rerum. Lactanz memt dam.t d.e
Gleichsetzung der Notwendigkeit mit dem Schicksal und ihre dadurch
blnUr ist hinzugefügt:
die S.oikermaavay^^^^
lorchemd gesetzmässige Notwendigkeit, die vollzogene Personifikation hat also Lactanz und ebenso TertuUian

Dieser Terminus wird in den ^1^-"«^-;- (Pearson S. 93) auf eigene Faust unternommen.
u^^d ücWen.
immer nur in Schlüssen gebraucht, um
^'^^.^'^«"'X
die log.sche
Zeno bei Pearson,
*) p. 93 und öfter. Pearson 248
in den Fragmenten
-) p. f.

«vergl. M. Heinze, d,e ^ehre vom Vergl. Pearson S. 249.


Gesetzmäsikeit des Schlusses ^) *) Schmekel, S. 187, S. 244.
davon n.cht geschiedene objek
Ii9) oder die in der Stoa Nat. Quaest.
^) I, prol.
Lo^os S.
Barth, Die Stoa. 4
KQ Theologie und Teleologie. Entwicklung.
51
in
nacli Naturgesetzen'),
die der höchste <4ott einst unserer Seele, und es sei der Vorteil des Übels, dass
Menschen schad ich
die Welt gelegt hat. Da sie den, es diese in uns wecke, wie die Ungeheuer, die Herakles
sind, so sollte nicht für Schickung der Gotter
man sie bekämpfte, den Vorteil hatten, seine Tapferkeit sichtbar
Dennoch, auch durch sie werden göttliche Ab- zu machen und zu üben i). Und ferner: „Er (Zeus)
halten
exercentur ^-), die «"^ unserer
sichten ausgeführt (divina ordnete Sommer und Winter, Fruchtbarkeit und Un-
Jipiktets
beschränkten Erkenntnis verborgen sind. fruchtbarkeit. Tugend und Laster und alle solche Gegen-
die Senecas, die Lenker
aötter sind nicht minder als sätze zur Harmonie dos Ganzen 2).« Marc Aurel aber
Schicksale und zwar scheint es, dass
clor menschlichen schneidet jede gegen die Welt gerichtete Kritik des
die Götter beachteten nicht
er wie Sokrates annahm, Menschen mit den W^ orten ab: „Nicht darf der Teil mit
die Bewegungen der Himmelskörper, nicht bloss die dem. was des Ganzen wegen geschieht, unzufrieden
bloss
Schicksale der Gemein-
Vorgän-e auf der Erde, und die sein 3)." Diese Gedanken haben seitdem immer zum
wesen "sondern auch
, jede Bewegung des f">'-fne'i» .

Rüstzeuge jeder Theodicee gehört.


den grossen Staat, das Weltall,
Der höchste Gott ordnet Mit der Teleologie ist eine gewisse Entwicklung
sein Haus, wie ein Künstler seine
wie ein Hausherr gegeben, jedenfalls die Bewegung zu einem gewissen
jedem Tiere,
Werke ^)- er bestimmt jedem Weltkörper. Ziele, dem letzten Zwecke.
„Das Schlechtere besteht
Er sendet auch den
iedem Menschen seinen Beruft. des Besseren wegen, das Bessere eines um des anderen
hinter der Epiktet
Philosophen der kynischen Schule, willen. Besser als die leblosen sind die belebten Wesen,
lasst,
in feiner Bescheidenheit seine eigne zurücktreten besser aber als diese die vernünftigen Wiesen", heisst
den Menschen als seinen
Boten (.als Seelsorger" würden es bei Marc Aurel ^). So ist schliesslich der Mensch
das (4ute und Üble aufzu-
wir sagen), um sie „über das letzte Ziel der Schöpfung und zwar der vernünftige
Irre gehen und anderswo dessen
klären, dass sie in der Mensch, dessen Lebenszweck „in Betrachtung (der
wo es nicht ist. wo es aber ist. nicht
Wesen suchen, Schöpfimg) und Folgerung daraus und in einer mit der
Marc Aurel könnte in einer götterlosen
erwä-^en" «). Natur übereinstimmenden Lebensführung" besteht 0).
nicht leben 'j. Er
Welt' die der Vorsehung entbehrte, „Gott führte ihn als Zuschauer seiner und seiner Werke
obgleich sie,
ist dass die Götter existieren,
überzeugt, ein. und nicht bloss als Zuschauer, sondern auch
als Er-
») und um die Dmge der
wie die Seele, unsichtbar sind klärer" ,
sagt Epiktet«), Und Seneca erklärt: Die
nach Würdig-
sich kümmern und zwar
gerecht,
Menschen Natur würde den Geuuss ihrer selbst verlieren, wenn
sowohl Epiktet als
keit,ihnen alles zuteilen »1. Beide, sie keinen Beobachter ihrer Schönheit hätte ^).
noch eifriger als Seneca die
Marc ^Lurel, betreiben Während aber die alte Stoa die Zweckmässigkeit
Rechtfertigung Gottes wegen des Übels.
Theodicee, die der Welt so verstand, dass alles unmittelbar dem
das Übel hätten wir die Starke
Epiktet sagt, gegen Menschen dienen sollte, dass z. B. auch die Wanzen zu
dem Zwecke erschaffen seien, den Menschen nicht zu
und 28. Kat. Quaesl. VI, 3.
>) De ira II, 27
') De ira a. a. 0. . „ „ „.
12,1-3, *, 111,22,4. I, 6, 7 ö. 23-36.
')I, 1,6-11; 1, 'j I, 6, 2) I, 12, 16. ^) IX, 39.
«1 III, 22, 5. *) V, 16, noch deutlicher VII, 55 und XI, 10.
ej III, -.2, 23. 11. '; XII, 28. ") IV. 10.
') II, ') Epikt. l, 6, 21. «) I, 6 19. ") De otio, Kap. 5.

/
Erklärung aus Teleologie. 53
Theologie und Teleologie.
52
hat sich die römische Stoa
liegt. 8o hat der Mensch den Kopf oben und den Hals
lan-e schlafen zu lassen »),
des Blicks frei ge- drehbar, damit er die Gestirne betrachten und überallhin
Beschränktheit
von" dieser Enge and
Sie betrachtet zunächst jedes Wesen als Zweck seinen Blick richten könne ^ Dass die Maulwürfe, die
).

halten
gut, was die schat- unterirdischen Mäuse und die in unterirdischen Teichen
Jedem Teile der Natur ist
an sich lebenden Tiere blind sind, dafür wird auch keine Ur-
Ganzen hervorbringt, und jener zur
fende Natur des
sache angegeben, sondern nur der Zweck, dass sie eben
Erhaltung dient« ^). So sind auch die Tiere zunächst
Teile des Ganzen sind sie im Dunkeln ihr Leben führen und darum keinen ihnen
für sich geschaffen, erst als
den Menschen. Die überflüssigen Sinn haben sollen 2). An diesem Beispiel
Vorstufen und darum Mittel für
weitsichtige Teleologie wie zeigt sich zugleich
der volle Gegensatz der stoischen
römische Stoa hat dieselbe
erklärt'): „Keine Substanz Teleologie der modernen Theorie der Entwicklung
zu
Leibniz, der ausdrttcklich
hervorgeht auch kein durch Anpassung, wie sie Darwin und seine Nachfolger
(und wie aus dem Zusammenhange
vor Gott unbedingt verächt- ausgebildet haben. Denn nach Darwin^) haben die
Tier und kein Mensch) ist
Diese Ansicht (die gegen- Maulwürfe ursprünglich ebenso gute Augen wie die an-
lich oder schätzenswert
Überbleibsel des alten, Übel be- dern Nager, nur dass sie eben verkümmert sind. „Dieser
teilige) wäre noch ein
alles für den Menschen Zustand der Augen rührt wahrscheinlich von fort-
rüchtigten Grundsatzes, wonach
Die alte Stoa hingegen hatte die
währendem Nichtgebrauche her, dessen Wirkung aber
allein "gemacht ist."
in der Einzelausführung
vielleicht durch natürliche Zuchtwahl unterstützt wird".
engherzig anthropozentrische,
die Chr. Wolff später aus der
Er meint, die Maulwürfe, deren Augen nicht vom Felle
oft kindische Teleologie,
überwachsen und so geschützt würden, seien durch
Leibniz'schen sich zurecht machte.
Zweckmässigkeit der Welt häufige Entzündungen der Augen zu Grunde gegangen.
Für Seneca wird die
Erklärung, das er überall da, Aus dem Vorsehungsglauben entsteht aber nicht
ferner ein Hilfsmittel der
bekannten Ursachen einer Erscheinung dazu bloss eine stets bereite Fertigkeit das scheinbar Zu-
wo ihm die
fällige zu erklären,
Dass die Spiegelung nur sondern auch die Gemütsstimmung,
nicht ausreichen, anwendet.
sei, damit wir die
Sonne schauen dieman Frömmigkeit nennt. Alles ist gut, das Übel
deshalb in der Welt
Sehen blenden würde"), das ist dem Guten dienstbar oder ohnmächtig, darum keine der
die "ns bei direktem
Teleologie, da neben dem Gottheit ebenbürtige Macht. Epiktet findet es lächer-
nur ein Beispiel immanenter
angegeben werden^ lich, dass in Eom ein Altar des Fiebers ist, dieses also
Zwecke auch Ursachen der Spiegelung wie eine Gottheit verehrt wird*). Gott hegt väterliche
als der einzige Grund
Aber daneben wird oft der Zweck Gesinnung gegen uns oder wenigstens gegen die Guten ^).
Ursache fehlt, der Zweck
angegeben, die voraufgehende
an die Ursache der Die Götter wollen weder noch können sie schaden^).
wird also nicht mehr als
Wirkung
die Teleologie wird trans-
Erfahrungswelt angekettet, De
Ursache jenseits der Erfahrung *) otio 5.
cendent, da die wirkende -) Nat. Quaest. III, 16.
^j Die Entstehung der Arten, 5. Kap., S. 160 der Übersetzung
von J. V. Carus, 7. Aufl. Stuttgart, 1884.
») Plutarch, De Stoic. lepugn. K. 21.
Theodicee § 118. *) Epiktet I, 19,6. ») Seneca de prov. 2.
II, 3. ')
^) Marc Aurel,
*) Seneca, de ira,UI, 27.
*) Nai. Quaest. I, 17.

4
Theologie und Teleologie. Glaube an die Vorzeichen. 55
54
sind Es gilt nur die besonderen (xesetze dieses Zu-
Die unsittlichen Fabeln der Dichter über Jupiter sehen.
i).
Die (lötter haben bei der sammenhanges durch Beobachtung zu finden wie die
albern und schändlich ,

Weltschöpfung eines jeden Lebenszeit und Schicksal zu Astrologen gethan haben und noch thun. Die Sterne
seinem Besten bestimmt 2). Die erste Stufe der Frömmig« nun sind grosse Weltkörper, oder sie wandeln wenigstens
ihre
keit ist an die Götter zu glauben, die zweite ihnen in grossen Bahnen, ihre Herrschaft über die Erde und
Majestät und Güte wiederzugeben ^ ). alles irdische Leben lässt sich nach einfacher Mechanik
Mit der stoischen Frömmigkeit hängt aufs engste begreifen. Dass aber kleine Ereignisse, wie Vogelflug,
zusammen ein Glaube, der sonst den Philosophen fremd Richtung des Blitzes, Lage der Eingeweide des getöteten
war, der Glaube an Vorzeichen, die die Götter Opfertieres, kurz alle die Erscheinungen, aus denen der

den Menschen über die ihnen bevorstehende


Zukunft Priester wahrsagte, wirklich bedeutungsvolle seien, das

senden. Weder Plato noch Aristoteles, noch andre, die konnte man nur aus der besonderen Vorsehung der
für die Stoiker führend waren, hatten das System
der Götter ableiten die gewissen äusseren
, scheinbar zu- ,

Zeichen zu deuten, ernst ge- fälligen Begebenheiten gewisse Erlebnisse des Menschen
Mantik, der Kunst solche
nommen. Sokrates hatte es als einen äusseren religiösen zugeordnet haben.
Gebrauch wie andre befolgt, mehr aus politischer Rück- So hatte Chrysipp den stoischen Glauben an die
sicht als aus Überzeugung. Zeno d-agegen hat ein be- Mantik zu begründen gesucht^). Panaetius aber ver-
sonderes Buch darüber geschrieben^). Er bewies seinen warf ihn ganz und gar 2). Der, wie schon oben bemerkt,
Glauben wohl nur durch das bei vielen Prophezeiungen weniger selbständige Posidonius kehrte zur Lehre Chry-
beobachtete Eintreffen, später suchte man ihn auch durch sipps zurück, er fügte sogar noch eine neue Art der
die Voraussetzungen des Systems zu rechtfertigen. Mantik hinzu, die sogenannte „natürliche" , die keines
Wenn die sichtbare Welt gewissermassen der Körper vermittelnden Zeichens bedarf, die unmittelbar, ohne
Köi-per
Gottes, die unsichtbare seine Seele, die den die Sinne die Zukunft voraussieht, freilich nur in sre-

dnrchdringt, die Welt mithin ein belebtes Wesen ist, wissen ausserordentlichen Zuständen, in manchen Träumen
muss in ihr wie in jedem Organismus eine Verein- und in der sogenannten Ekstase, dem Zustande des
so ,

heitlichung oder besser ausgedrückt, eine Tendenz zur Hellsehens, in dem der Geist vom Körper getrennt, die
Einheit herrschen. Wie in jedem Lebewesen das Leiden Schranken der Sinne überschreitet und die Zukunft
eines den andern in Mitleidenschaft zieht, so
Teiles schaut'^). Diese durchaus orientalische Methode der
müssen die Vorgänge an dem einen änssersten Ende der Erkenntnis, die Ekstase, hat Posidonius zuerst in die
Welt doch mit denen, die am andren änssersten Ende Philosophie eingeführt, ein gefährliches Element, von
geschehen, im Zusammenhange stehen. Also wirken
die dem später alles gesunde Denken überwuchert wurde.
Bewegungen der Sterne auch auf die Ereignisse auf der" Doch vermochte er in der mittleren Stoa nicht durch-
Erde und mittelbar auf das Leiden und Thun der Men- zudringen. Es blieb in ihr die gegen die Mantik ge-
richtete Anschauung, wenn nicht herrschend, doch stark

De brev. vitae, c. 16.


*) Seneca, De vita beala, c. 26,
De prov. 5, ') Seneca, Ep. 95, 50. >) Vergl. Schmekel, S. 191 -) Schraekel a. a. 0.
'') Seneca, de benef. Vf, 23. fif.

3) Vergl. Schmekel, p. 246 ff.


*) Pearson, p. 29.
:

Kleanthes' Hymnus. 57
Theologie und Teleologie.
56
Wichtigste, das Wesen des Guten und des Bösen, kann
verbreitet. Der Stoiker Blossius aus Cumae der ,

Gracchus, nur „der Wahrsager in unserem Inneren" uns belehren i).


Lehrer und Freund des Tiberius Sempronius
Tages der für Gracchus so Marc Aurel ist überzeugt von der Hilfe, die die Götter
erklärte am Morgen des ,

nach andern ungünsti- den Menschen durch Träume und Orakel gewähren 2)
verhängnisvoll werden sollte, als
hinabgestossener teilt aber nicht den Volksglauben an Wunderthaten und
gen Vorzeichen ein von einem Raben
Gaukler').
Dachziegel Tiberius vor die Füsse gefallen war und
hatte, So finden wir im Gottesbegriffe der Stoiker sehr
selbst die mutigsten seiner Freunde erschreckt
wenn Tiberius, verschiedenartige Elemente vermischt Materialismus
^es sei eine Schande und eine Feigheit,
:

Afrikanus, und Immaterialismus, Vielheit und Einheit, Pantheismus,


der Sohn des Gracchus, der Enkel des Scipio
Volkes aus Furcht vor einem der immer wieder betont wird, und dennoch zugleich
der Tribun des römischen
Bürger nicht hören wollte i)." bei manchen einen damit unvereinbaren Dualismus, Spiri-
Haben auf die ihn rufenden
tualismus und Anthropomorphismus. Eine Bestimmung
Die römische Stoa kehrte zunächst nicht zu dieser
Seneca jedoch steht ohne Schwanken für alle Anhänger der
hellenischen Auffassung der Dinge zurück.
er-
Stoa fest, nämlich, dass die Welt vom höchsten Gotte
wähnt sogar von seinem Lehrer Attalus 2), dass er sich
selbst ist zu erschaffen,ewig von seiner Hand gelenkt werde. Diese
eigens der Mantik gewidmet habe. Seneca
Vorzeichen Anschauung spricht sich aus in dem von Stobaeus auf-
sehr Römer, um sich von dem Glauben an
nach ihm durch bewahrten Hymnus des Kleanthes auf den höchsten
frei zu machen. Die Götter verkünden
ein oder das Gott *)
die Blitze die Zukunft, „und nicht bloss
lange Reihe der be-
andre Ereignis, sondern sogar die Der Unsterblichen Höchster, vielnamiger, ewig allmächtiger
,Die Bedeutungen des Zeus, Urheber der Schöpfung, das All dem Gesetze nach lenkend,
vorstehenden Schicksale"'^).
hat die Beobachtung der Chaldäer Sei mir gegrusst! Denn es soll dich ein jeder der Sterblichen grussen.
Ganges der 5 Planeten
andren Sind wir doch deines Geschlechts, durch Vernunft und Sprache dir
aufg'enommen. Aber die vielen Tausende der
Jedes ähnlich,
Sterne, glaubst du, dass sie müssig leuchten?"^) Wir allein so , auch Lebendiges wandelt auf Erden.
viel
Tier verkündet uns etwas durch die Art seiner Be- Darum rühme ich dich, dein Walten besinge ich ewig.

wegung und durch seine Begegnung mit uns^). Aber Dir nur gehorchet das Weltall, das um die Erde sich drehet,
gefügt haben, sind Wie du es fuhrst, und lässt sich von dir nur willig beherrschen.
diese Zusammenhänge, die die Götter
Dir nur dienet, gehalten in nimmer bezwinglichen Händen,
noch nicht alle erforscht. Niemals ermattender Kraft, zweischneidig und feurig der Blitzstrahl.
Epiktet nimmt alle Arten der Wahrsagung ernst, Seinen gewaltigen Schlägen ist alle Natur unterworfen.
Orakel«), Eingeweideschau, Deutung des Vogelfluges ^) Durch ihn bringst du zur Macht die Vernunft, die, allen gemeinsam,
und der Traumgesichte »). Aber er misst ihnen keinen Allwärts schreitet, die grossen und kleinen Gestirne durchdringend.

wesentlichen Wert bei. Sie können nur über das, was Nichts auf Erden geschieht, o Gott, ohn' deine Bewiirgung,
Noch im feur'gen Gewölbe des Himmels, noch in der Meerflut.
I

uns von aussen treffen wird, Auskunft geben, über das


Es sei denn, was die Bösen im Unverstände begehen.

Nat. Quaest. II, 48. ') n, 7, 1-3.


1) Plutarch, Tib. Gracchus, K. 17. ')

*) a. a. 0. ^) a. a. 0. ') IX, 27; auch I, 17. «) I, 6.


») Nat. Quaest. II, 32.
17, 18 «) II, 16, 17. *) Pearson p. 274 f.
«) III, 1, 16. ') I, f.
:

Theologie und Teleologie.


58
zu richten, das Wn-re
Da verstehst Ungrades und Grades
entwirren und auch das Feindliche freundlich zu machen
Zu
zur Einheit zusammengewoben,
So hast du Schlechtes mit Gutem IIL Abschnitt.
Gesetz das AU durch waltet
Dass ein vernünftiges, ew'ges
sind, fliehend nicht achten, Die Logik.
Das die Menschen, so weit sie böse
beständig verlangend,
Die Unseligen, die, nach dem
Guten
erkennen.
Gottes gemeinsame Ordnung nicht sehend noch hörend
Statt, ihr gehorsam, ein edles, besonnenes Leben zu fuhren. 1. Kapitel.
ohne Besinnung erjagen sie Übel auf Übel
Selbstisch, Die formale Logik.
Teils für des
der Eifersucht sich ergebend,
Ruhmes Glanz
Teils auf schnöden Gewinn
masslos und ziellos gerichtet.
des Körpers erschlaffende Lüste,
Die Dialektik, wie Xenokrates sagte, die bei den
Andre, entbehrend der Kraft, auf
des Strebens verfehlend. Stoikern in Logik umgenannt wird, umfasst bei ihnen
Und trotz allem Bemuh'n das Ziel
schwarzwolkiger Schleudrer des wie bei den Alten überhaupt, sowohl das, was wir for-
Doch du, allspendender Zeus,
Blitzstrahls,
male Logik, wie das, was wir Erkenntnistheorie nennen.
Irrwahn,
Rette das Menschengeschlecht von seinem verderblichen In der Ordnung des Lehrganges, wenn auch nicht
aus von den Seelen und gieb, dass sie finden die Ordnung,
Treibe ihn in der Wichtigkeit für das System stellte Chrysipp die
Gerechtigkeit jegliches lenkend,
Der du selber gehorchst, mit
wieder vergeltend dich ehren. Lo^ik den andern zwei Teilen der Philosophie voran/)
Dass wie die Menschen du ehrst, wir
dein Thun, so wie es den Sterblichen zukommt. so dass sie der grundlegende Teil wurde. Dies war
Rühmend beständig
Denn Menschen und Götter kein höheres Vorrecht
es -iebt für die wohl die Ursache, warum Chrysipp, dem es am meisten
zu preisen.
Als das Gesetz, das beiden gemeinsam, gebührend um die schulmässige Ausbildung der Lehre zu thun war.
Gebet,
Und das gleichfalls von Kleanthes stammende ihr eine sehr ausgedehnte schriftstellerische Thätigkeit
ergiebt, lautet ')
Er schrieb 311 Bücher logischen Inhaltes,-)
(las sich aus der stoischen Theologie widmete.
führet mich dahin. deren Ergebnis freilich der Grösse seiner Mühe keines-
Ihr beide, Zeus und Schicksal,
euch
Wohin ihr mich bestimmt habt; folgen will ich wegs entspricht.
Ohn' jedes Zaudern. Sollt' ich ungehorsam
sein,
Weges geh'n.
WasChrysipp —
denn er kommt fast allein in
So müsst' ich, bösen Sinns, doch gleichen Betracht —
über die Urteile gelehrt hat, gehört in die
Sprachwissenschaft und wird unter diesem Kapitel zu
behandeln sein. Was die ganze Stoa vom Begriffe lehrt,
fällt unter die bald darzustellende Erkenntnistheorie.
Hier, für die formale Logik, wäre nur zu bemerken, dass
sie zuerst die wichtige Unterscheidung der Teilung eines
konkreten Granzen in seine Teile und einer Gattung in
ihre Arten, der partitio und der divisio betont hat.')

*) Plutarch: de Stoic. repugn. Gap. 9 A u. E.


*) Vergi. G. Prantl, Geschichte der Logik im Abendlande. I,

Leipzig 1856, S. 404.

Seneca, Ep. 107, 10 ff. ») Prantl, a. a. 0., S. 422.


») Epiktet, Ench. Schluss.
Frage der Umkehrung hypothet. Schlüsse. Bl
i». Formale Logik.
j

wird. Wenn man diesen Schluss in die deduktiv syllo-


formalen Logik ist die
Das Wesentlichste aber ihrer gistische Form bringt, lautet er : Ein Weib, das geboren
logischen Begnften,
Lehre vom Schlüsse und denjenigen hat, hat Milch. — Diese hat Milch. — Also hat diese ge-
die damit notwendig
zusammenhängen.
boren. Es ist also ein Schluss nach der zweiten Figur,
Aristoteles den Syllogismus, d. h. den
hatte
in der das gemeinsame Prädikat der Prämissen der
deduktiven Schluss erforscht und seine Gesetze darge-
MittelbegriiF Da aber aus bejahenden Urteilen
ist.^)
stellt. Die Induktion
hingegen, den Weg vom Einzelnen
in der zweiten Figur kein zwingender Schluss möglich
hatte er vfeniger beleuchtet. Hier
zum Allgemeinen, ist, so rechnet Aristoteles den Schluss aus dem Zeichen
sich Verdienste er-
hätte die nachfolgende Wissenschaft nur zum Wahrscheinlichen, nicht zum Wahren.
in der formalen
werben können. Die Stoa aber scheint Die Stoiker machen nun aus dem Zeichen den
sondern, indem
Logik nicht nach strenger Wissenschaft, Vordersatz eines hypothetischen Urteils und nennen es
sie dieselbe alsUnterabteilung ihrer „Logik«, Dialektik
enthüllend (exxaXvjinxov), insofern als es den Bestand
nicht in Piatos son-
nannte, wirklich nach Dialektik, des Nachsatzes aus sich heraus enthüllt: Wenn diese
also nach der Lehre vom
dern in Aristoteles' Sinne, Milch hat, hat In diesem Beispiele
sie geboren.^)
nach blosser Überredungskunst
bloss Wahrscheinlichen, bezeichnet der Vordersatz den Erkenntnisgrund, der
.restrebt zu haben.») Die Stoiker haben darum den
Nachsatz die Folge. Und die Stoiker erkannten iTun
Aristoteles sich be-
kategorischen Schluss. auf den die sehr wichtigen Sätze, die später folgendermassen
aber zwei
schränkte, nicht weiter entwickelt,-') dafür ausgedrückt wurden: Mit dem Grunde ist die Folge
neue Arten, den hypothetischen und den disjunk- gegeben. Ist der Grund aufgehoben, so ist die Folge
tiven Schluss eingeführt. aufgehoben. Aber: mit der Folge ist nicht der Grund
für das hypo-
Eine merkwürdige Vorliebe zeigen sie gegeben. Dagegen: Mit der Aufhebung der Folge ist
aus ihrem grammatischen
thetische Urteil, die von Prantl der Grund aufgehoben.'^) Dies wurde in anderen Bei-
Tmd rethorischen. nicht eigentlich logischen Ausgangs-
spielen, in denen der Vordersatz den E^ealgrund enthält,
das disjunktive
punkte erklärt wird') und schliesslich auf den die Stoa freilich nicht vom Erkenntnisgrunde schied,
weU dieses sehr leicht zum hypo-
Urteü sich überträgt ,
noch wichtiger z. B. in dem Schulbeispiele der Stoa:
thetischen umgebildet werden kann. Z. B. A ist entweder
Tag
^Wenn es ist, ist es helh" Obgleich auch dieses
B oder C, heisst in hypothetischer Form Wenn A
nicht :

Beispiel nicht sehr geeignet ist, erkennt man doch daran,


B ist, ist es C : oder : Wenn A nicht C ist, ist es B.
Wie sie alles in hypothetische Form brachten und *) Diese Reduktion auf den Syllogismus fuhrt Aristoteles nicht
verfahren, zeigt aus, aber sie liegt doch stillschweigend zu Grunde.
dabei nicht mit Aristoteles' Behutsamkeit
vom äusseren Prantl, a. a. 0. S. 458.
ihre Behandlung der Aristotelischen
Lehre
^) Dies ist nicht mit denselben Worten, wohl aber dem Sinne
Aristoteles' Beispiel ist:
Zeichen, Symptome (cnixelov). nach in folgenden Sätzen enthalten : „Wenn der Vordersatz angenom-
hat sie geboren." Der erste Satz angenommen, und mit Aufhebung
,Sie hat Milch, also men wird, wird auch der Nachsatz
aus dem der zweite geschlossen des Nachsatzes wird auch der Vordersatz aufgehoben. Denn, wäre
enthält das Zeichen,
der Vordersatz, so wäre auch der Nachsatz. Mit Annahme des Nach-
satzes aber wird durchaus nicht der Vordersatz gesetzt." Vergl. Prantl
*) Vergl. Pranll, a. a. 0. S. 469. a. a. 0. S. 486, Anm. 204.
«) Pranll, a. a. 0. S. 468. ') Ebenda S. 469.
Logische Spielereien. 63
Formale Logik.
f>2
Disjunktion, das doch nur die Erfahrung feststellt, zu
dass zwar eine Ursache eine
bestimmte Wirkung, eine
den falschen Schlussweisen rechnete,^) dass die ganze
kann, die
Wirkung aber verschiedene Ursachen haben Logik der alten Stoa nicht sehr scharfsinnig ist, sei
ohne weiteres umge-
hvpothelische Schlnssfolge nicht Prantl zugegeben. Dass sie völlig gedankenlos sei, wie
obigen Falle, aus der
kehrt werden darf, wie z. B. im er meint, kann ich ihm mit Rücksicht auf das oben
durch Kerzenlicht bewirkt sein kann,
Hellicrkeit, da sie
Ausgeführte nicht zugeben.
weiteres folgt, dass es Tag ist, dass die
nicht'' ohne Die mittlere Stoa hat der logischen Theorie der
das Kausalitäts-
Somie scheint.^ Diese Wahrheit, dass Schule nichts zugefügt.^)
Schliessen nicht ohne weiteres umge-
verhältnis beim Die römische Stoa schätzt den Syllogismus, besonders
scheint von den Stoikern zuerst
kehrt werden kann,
die Auflösung der Fangschlüsse, in der alten Stoa ein
der Wissen-
gesehen worden zu sein. Auf vielen Gebieten wichtiges Thema,^) viel geringer. Seneca hält sie für
oft genug
schaft, besondersin der Geschichte kommt sie
überflüssig,*) da die Sophismen dem Unwissenden nichts
zur Anwendung. So, weim man sich bewusst wird, dass
schaden, dem Wissenden nichts helfen.
es für That nicht nur einen, sondern sehr ver-
eine E piktet achtet überhaupt die ganze theoretische
schiedene Beweggründe geben kann. Philosophie geringer, als die praktische. Das erste, was
über
Ein weiteres nicht unfruchtbares Nachdenken man zn erlernen hat. ist nach ihm die Beherrschung
Unterscheidung
das Kausalverhältnis zeigt sich in der der Leidenschaften, das zweite, die Erfüllung der mannig-
Ursache ((Ti^vexrixor ainov), Mit-
der erschöpfenden fachen Pflichten, die aus den natürlichen und aus den
und beihelfenden Ursache (aüvgoyov),^)
ursache {avvalTwv) durch die Gesellschaft hinzugefügten Beziehungen dem
indem er die erste als
die Seneca angenommen hat,
Menschen als Sohn, Bruder, Vater, Bürger u. s. w., er-
praecedens, die
causa efficiens. die zweite als causa wachsen. Erst der dritte, am wenigsten wichtige Teil
nicht ganz in dem-
dritte als causa superveniens, wenn ist die Erwerbung der intellektuellen Sicherheit und
selben, doch in sehr ähnlichem Sinne,
wie Chrysipp be-
Unbetrügbarkeit. Dazu erst gehört die Beschäftigung
stimmt hat.') mit der formalen Logik, mit den umschlagenden Ur-
Wenn man mannigfach in der neuen
bedenkt, wie
teilen (fisTaniiiTovTeQ), die durch die Zeit aus wahren zu
„Bedingung",
Logik die Definitionen von ^Ursache", falschen werden, (z. B. wenn Dion lebt, wird er leben) ^)
:

verwandten Begriffen sind, so wird


„Veranlassung" und mit den schlüssigen Syllogismen, mit den hypothetischen
nicht für so
man diese ersten Distinktionen der Stoiker Schlüssen, mit den Fangschlüssen.^) Dass er aber wieder-
halten, wie Prantl thut.*) Dass oft kindische
wertlos
und Fragen von Chrysipp behandelt wurden,
spitzfindige
') Prantl I, S. 487.
ist sicher.Dass oft in sehr grober Weise das logisch 2) Schmekel weiss weder von Panaetius (S. 208 ff.) noch von
verwechselt
Formale, und das empirisch Thatsächliche Posidonius (S. 269) in dieser Hinsicht etwas zu berichten.
Gliedes der
wurden, indem man z. B. das Fehlen eines 3) Prantl I, 487 f.

*) Ep. 45, 5 und 8; Ep. 48, 6.

») Dieses Beispiel wird bei Prantl a. a. 0. angegeben. ^) Vergl Prantl I, 466. Auch Epiktet, Diss. I, 7, 13 fif.

») Vergl. Prantl I, S. 462. «) Dies alles ist am bündigsten entwickelt III, 2, fast gleich auch
») Ep. 87, 30 und 31. Ep. 65, 14. III, 12; TOVQ ipsvdofiBVOVQmnss man wohl auffassen als gleichbedeu-

*) S. 462. Er nennt sie geradezu ^läppisch*.


Formale Logik.
64

holti) gleich Seneca gegen die


Überschätzung der logi-
einen hohen Grad
schen Spielereien eifert, das beweist
derselben in der stoischen
des Beharrungsvermögens
Schule. 2. Kapit el.
Epiktet mcht.
Die wirkliche, ernste Logik verachtete
Mittel der Unterscheidung, Forschung und Die ErkenntDistheorie.
Sie ist ein
des richtigen
Wägung.2) Sie ist eine Vorbedingung
Unrichtig zu Wichtiger als die formale Logik
Handelns, besonders der Konsequenz ^). Erkenntnis-
ist die
So hält theorie der Stoiker, sowohl für ihr System, als auch
schliessen ist daher eine Pflichtwidrigkeit
^).

Hochschätzung Chrysipps frei für Weiterentwicklung des Erkenntnisproblemes.


die
sich Epiktet trotz seiner
Spitzfindigkeit. Denselben Wie in der Metaphysik der naive Materialismus, so ist
von dessen Lust an eitler
der Schule auch hier das Naivste, der Sensualismus ihre Grundan-
Standpunkt den dialektischen Neigungen
Aurel .schauung, von der aus sie sich allerdings zur Aner-
gegenüber nimmt Marc ein ^).

die stoische kennung, bisweilen sogar zur bewussten Unterscheidung


Eine besondere Nachwirkung hatte
neuer Ter- <>iner nicht sinnlichen, sondern die Ergebnisse der Sinne
Logik dadurch, dass die Schule eine Reihe
wurden. Ins- bearbeitenden Fähigkeit erhoben.
mini prägte, die allgemein angenommen
übersetzt wur- Das Element aller Erkenntnis ist die Empfindung
besondere diejenigen, die ins Lateinische
Mittelalter bis zur Gegen- (aiad-T]aig). Sie ist aber selbst noch keine Erkenntnis,
den, blieben durch das ganze
ÖLalgsaLQ und weil sie, an sich, unmittelbar einheitlich. Subjekt und
wart in Geltung. Z. B. wie die Stoiker
Römer seit Cicero divisio Objekt noch nicht unterscheidet. Wahrscheinlich des-
as^^ofxoQ unterschieden, so die
ward „notio.^) halb nennt Zeno sie immmer wahr,^) sie kann nicht
und partitio,6) die stoische evvota- Begriff
disjunctio.«) Insbesondere irren, weil sie kein Objekt hat.^) Anders verhält es sich
J,s:;BvrfjLBvov, Gliederung, wird

aber ist es die oben dargestellte Lehre von Grund und mit der Vorstellung (cpavTaoia), die bei Aristoteles wesent-

Folge, die auch in der formalen Logik die Arbeit der lich das Erinnerungsbild, bei den Stoikern aber sowohl
lässt. dieses als auch die Empfindung nach ihrer Spaltung
Schule nicht ganz vergeblich erscheinen
in
die subjektive und die objektive Seite, also die sinnliche
Yorstellung bedeutet.^) Sie ist nach Zeno ein Abdruck

») Vergl. Frg. 8. Pearson S. 61.

tend mit ipevdelg. Prantl I, S. 487. - Vielleicht sagt Epiktet das -) Freilich auch wieder von einer Empfindung (aicf&rjffiQ)
ist

weüer an den historisch gewordenen .Lügner nach der Prüfung und Zustimmung, von der weiter unten zu spre-
erste statt des letzten,
folgende Form bringt: .Wenn chen sein wird, die Rede. Vergl. A. Bon hoff er, Epiktet und die
der Megariker denkt, den Cicero auf
wahr lugst du dann oder sagst du Stoa, Stuttgart, 1890, S. 124. (Dieses Buch von Bonhöffer wird im
du sagst, und
ich lüge dies ist,

51. folgenden immer mit I, sein zweites, die Ethik des Stoikers Epiktet,
die Wahrheit?"* VergU Prantl, I, S. ^ ,, «
44; lü, 12, 14 fif. Stuttgart, 1894, mit II bezeichnet werden). Die Terminologie der
M Ausser III, 2 auch I, 29, 55 f; II, 23,

28. *) I, 7, 21 u. 33. ») Vergl. I, 17. Stoiker ist eben nicht immer scharf und reinlich.
'^) I, 17, 10. ') 1, 7,
Prantl ebenda. *j Prantl S. 521 3) Vergl. Diog. L. VII, 1, 51.
•) Prantl I, S. 517. ^)
Barth, Die Stoa. 5
Erkenatnistheoiie. Später ein andres Kriterium.
66 67

bv Ob von Personen irren könne. Dadurch fühlte Panaetius


des Gegenstandes in der Seele
{tviiojok; il^vxfi)^).

in^'die Seele geprägte Bild dem Objekt entspricht, sichbewogen die Brauchbarkeit des stoischen Kriteriums
das
Objekt existiert, dafür zu prüfen und zu lehren, dass nicht die Sinne,
ob überhaupt ein entsprechendes sondern
sehr naives Kriterium, näm- der Verstand entscheide, „ob und welches
erlebt er wiederum nur ein der wahr-
fich die Greifbarkeit, die
Vorstellung muss eine greif- genommenen Merkmale das Wesen der Sache ausdrückt
bare (xaraXryTirtx^) sein, was natürlich nur den Smn und daher einen richtigen Schluss gestattet.''
Das
dass nicht sie, sondern ihr Objekt greifbar sei.-) Gleich e war Posidonius' Lehre,^ ) der dem prüfenden Ver-
hat
und appelliert
Es ist dies zwar ein dürftiges Kriterium der Stoiker, Leipzig 1886, S. 24 und 28 ff.), der schliesslich meint
von den Sinnen im allgemeinen an
einen Sinn, an den (a. a. 0, S. '^9), dass die Stoiker mit dem Adjektiv x. vielleicht eine
Tastsinn, es gilt nur für die Existenz oder Nicht- Zweideutigkeit beabsichtigt haben, indem sie es teils aktiv als „ergrei-
es ist, streng gefasst, nicht
zu fend", teils passiv als „ergreifbar" verstanden wissen wollten.
existenz von Objekten, möchte noch weiter gehen und wie oben bei Ghrysipp
Ich

.rebrauchen, wo es sich um Wahrheit oder Unwahrheit Frage nachgewiesen wurde, ein Schwanken
in einer andern

oder um die Gesetze dieses Schulhauptes oder


der Beziehungen zwischen Objekten auch der ganzen alten Stoa zwischen beiden Bedeutungen
annehmen.
Indessen, dieses naive Kri- Der endgiltige Sinn aber, glaube ich, war ein passiver
der Erscheinungen handelt. : das greifbare
und gar aus dem naiven Geiste der Objekt der Vorstellung. Dass qpavraaicc nichtbloss die Vorstel-
terium ist ganz
lung, sondern auch ihr Objekt bedeutet, beweist
Metaphysik geboren, es ist echt materialistisch, Bonhöffer I, S. 231; auch
stoischen übersetzt es ja Cicero, (Acad. I, 40) mit visum
da ja Materie nicht anders, denn als das Greifbare. drücklich (Acad. I, 41, Pearson,
und bezeugt aus-
p 71): ,Was vom Sinne ergriffen
Tastbare definiert werden kann. ist, das nannte er (Zeno)
selbst Sinn.- Also das Subjektive wurde
mit diesem
Des Panaetius feiner Geist konnte sich zur Bezeichnung des Objektiven gebraucht. Was aber das Ad-
Prüfsteine der Wahrheit nicht begnügen.
Karneades jektiv betrifift, so sind freilich, wie Bonhöffer (I, S. 161) bemerkt,
absoluten Wahrheit die Adjektive auf -txot; immer aktiven
hatte gegen die stoische Lehre der
Sinnes; aber mit xaraXr^nTtxoQ
gleichbedeutend steht das zweifellos passive xaTaXTjUTOQ
den Einwand erhoben, dass Epiktet IV,
der greifbaren Vorstellung 4, 13 (wo Schenkl ohne Grund die Überlieferung ändert)!
glaubhafte entgegen- Und
sich jeder Vorstellung eine gleich diese oder die andere Form übersetzt Cicero (Acad. I, 41) mit com-
man besonders über die Identität Wenn die Stoiker auch das erste passivisch anwandten,
stellen Hesse, dass prebensibile.
so .hätte dies bei der gewaltthätigen Art,
mit welcher sie die grie-
die Erläuterung, chische Sprache behandelten, nichts Befremdendes"
') Zeno Fragm. 7 (Pearson S. 61) und
Vergl. (Bonhöffer I,
durch die Herleitung dieser Bezeichnung der 5. 163). Auch UQoaL^STiyiOQ wird in passivem Sinne gebraucht.
die Dia'' L VII, 1, 45
Siegelringes im Wachse giebt, Vergl. Epiktet
VorstelhiDg vom Abdrucke {tvhoq) des 14 und 15;
I, 4, 1; II, 13, 10; III, 3, IJI, 7, 5 und
(Pearson S. 237). Ferner spricht von den Stellen, die Heinze anfuhrt, eine für
übereinstimmend mit Kleanthes Fragm. 3 ,
öfter.
ganz
in der Stoa einen anderen Sinn als bei
Aristoteles, meine Auffassung, nämlich die, wo Sextus Empiricus sagt, die
Tvno,; hat also 9. x.
dem es ursprünglich das Modell des Bildhauers, dann im über- der Stoiker erfasse die Objekte (Heinze S. 27), keine aber
kategorisch
bei
Trendelenburg, Ele- dagegen. Zudem würde die Auffassung, dass wir von den Objekten,
tragenen Sinne die ^Skizze- bedeutet. Vergl.
49 sq. nicht die Objekte von uns ergriffen werden,
menta logices Aristoteleae, 9. ed. BeroHni, 1892, p. sehr schlecht stimmen
mögliche Erklärung der cpavraaia zu dem
Sinne der xardXTjipLQ^ die immer als Thun, nie als Leiden
«) Es giebt noch eine andere
einer Vorstellung, die gemeint ist, und zu der grossen auf seiner i^elbstthätigkeit beruhenden
xaraXTjTiTtxr;, nämlich im aktiven Sinne, als
So Zeller 111, l^ Souveränität des führenden Seelenteils, von der unten noch weiter
uns ergreift und unsere Zustimmung erzwingt.
.begrifflicher Vorstellung" eine ganz und gar die Bede sein wird.
83, der übrigens mit
und M. Hein ze (zur Erkenntnislehre ') Vergl. Schmekel, S. 355 f.
unbrauchbare Übersetzung giebt,
Erkenntnistheorie. Die Zustimmung. 69
68

stände den Namen aufrechte Vernunft (koyog, oQd-ög) gab.M stimmen nicht Sache des immer passiven Sinnesein-
Leider sind wir über ihre Neuerung nicht genauer unter- druckes sein kann, sondern ein höheres Seelenvermö^en.
richtet.
die Vernunft, schon zur Gewinnung der ersten Elemente

In der römischen Stoa treten die erkenntnistheo- der Erkenntnis unentbehrlich ist. Und auch Epiktet und

retischen Fragen vor den praktischen sehr zurück, da- Marc Aurel waren sich sehr wohl der denkenden Thätig-
rum finden wir in ihr keine Weiterführung der Frage keit bewusst, die der Vorstellung den Charakter „wahr"
des Kriteriums. Seneca scheint die „greifbaren Vorstel-
oder „unwahr" aufdrückt. Epiktet verlangt „eine unge-

lungen" aufgegeben zu haben, denn er hat sie nicht über- prüfte Vorstellung nicht anzunehmen" so wie Sokrates

setzt und erwähnt sie nie ausdrücklich. Dagegen ver- verlangt hatte, nicht ein ungeprüftes Leben zu führen.^)

langt er vom menschlichen Geiste : „er solle, den Sinnen Und Marc Aurel empfiehlt „an der Vorstellung kunst-
durch sie sich auf die Aussenwelt erstrecken, voll zu arbeiten, damit nicht unbeachtet etwas Ungreif-
folgend,
dennoch aber der Sinne und seiner mächtig bleiben". 2) bares einlliesse".^)

Und nur angedeutet wird die „greifbare Vorstellung", Mit dieser Einführung der Zustimmung ist der Weg
wenn er von der Vernunft erwartet, „dass sie in Mei- des Sensualismus verlassen. Wie sehr auch die Stoiker
nungen, Ergreifungen (comprehensionibus) und Über- nach konsequenter Durchführung desselben strebten, die
redungen nicht hängen bleibe.^)" Wahrheit ist mächtiger als das theoretische Prinzip.
Epiktet und Marc Aurel haben die greifl)are Vor- Es ist eben unmöglich die Thatsache zu verkennen, dass
stellung ausdrücklich wieder aufgenommen.^) das eigentlich menschliche Denken im Gregensatze zum
Freilich — und das ist ein sehr bedeutungsvolles tierischen, die Empfindungen als Material benützt aber
Moment — die greifbare Vorstellung wirkt nicht so, nicht in den Empfindungen aufgeht. Auch keiner der
dass wir dabei rein passiv bleiben. Sie löst gewisser- späteren Sensualisten hat dies vermocht. Selbst Con-
massen nur unsere Thätigkeit aus, nämlich die Zu- dillac, der am konsequentesten sich bemüht hat, jede
stimmung (ö-uyxara^fö-te), kraft deren wir ihr Wirk- Aktivität seiner
beseelten Statue zu leugnen, muss
lichkeit oder Unwirklichkeit zusprechen.^) Es wird so- schliesslichdoch die Eeflexion, d. h. die Analyse und
mit die Anerkennung der Wahrheit ein Akt des Willens. Synthese als Thätigkeiten der Seele zugeben 3).
Zeno, Kleanthes und Chrysipp haben kaum je das Be-
denken gefühlt, dass der Wille doch nicht über Wahr-
*) III, 12, 15. Im Sinne der Alten freilich klingt es wieder,
wenn es in demselben Kapitel heisst: jede wahre Vorstellung habe
heit und Unwahrheit entscheiden könne. Posidonius und von Natur ein Kennzeichen. -) VII, 54.
Panaetius hingegen haben wohl gerade aus der Thätig- ^) Aufmerksamkeit, Vergleichen, Urteilen, auch Abstrahieren
keit, die im Zustimmen liegt, geschlossen, dass dies Zu- soweit es infolge der mehreren
Zuständen gemeinsamen Lust und
Unlust geschieht, alles dies sind nach Gondillac (Abhandlung über
M. Heinze Lehre Yom Logos die Empfindungen, deutsch von E. Johnson, Berlin 1870,
*) Vergl. Schmekel S. 268. (die 1. Teil,

mit dem allgemeinen, die 4. Kap S. 45) passive Vorgänge in der Seele, jedenfalls nur
S. 150) bringt die , aufrechte Vernunft" ,
von
der grösseren oder geringeren Intensität der Vorstellung, nicht von
Welt beherrschenden Logos in Zusammenhang.
2) De vita beata, Gap. 8. ^) Ebenda, irgend einer Kraft abhängig.
Der Tastsinn aber giebt ihr den ße-
*) Epiktet, III. 8, Marc Aurel, VII, 54. IX, 6. IV, 22. griff des äusseren Körpers, dem sie verschiedene Empfindungen
in

5) Zeno fr. 19 (Pearson S. 70), fr. 33. (S. 85).


vereinigt denkt. „Diese Aufmerksamkeit nun, welche die Empfin-
Erkenntnistheorie. Die schematische Vorstellung. 71
70

Indem nun die Stoa die stete Prüfung des sinnliclien Und in der neueren Philosophie, seitdem in der Renais-

Eindruckes an die Schwelle des Erkennens stellt, hat sance gerade durch das Wiedererwachen des Stoicismus
sie in den älteren Vertretern unbewusst, in den späteren das Problem von neuem gestellt war, hat die Frage
bewusst, —
Kantisch ausgedrückt, — dem grossen Gegen- nach dem Verhältnis des aktiven und des passiven Teiles
satze der Rezeptivität der Sinnlichkeit und der Spon- des Erkenntnisvermögens nie aufgehört, sondern im
taneität des Verstandes Ausdruck gegeben. Allerdings Mittelpunkte der ganzen Erkenntnistheorie gestanden.
stellt ja schon Plato überall der Empfindung das Denken, Ohne die Zustimmung, die gewissermassen den ersten
der wechselnden Mannigfaltigkeit der sinnlichen Objekte Akt geistiger Mündigkeit bedeutet, oder wenn diese bloss
die Einheit und die Unveränderlichkeit des wahrhaft schwach oder irreführend ist, giebt es keine für das
Seienden gegenüber. Aber er bezeichnet nicht so deut- Wissen brauchbare Vorstellung, sondern bloss eine
lich, wie den Punkt des Eingreifens der
die Stoa. Meinung (86^a) ^), womit man seit den Eleaten das un-
Thätigkeit, da die Sinne bei ihm für die wahre Er- wissenschaftliche Vorstellen bezeichnete.
kenntnis überhaupt nicht in Betracht kommen. Und Aber mit der Anerkennung der greifbaren Vor-
Aristoteles unterschied ja den leidenden und den thätigen stellung beginnt erst deren teils unwillkürliche, teils

Geist, aber hatte nicht den Einzelakt des Erkennens willkürliche weitere Verarbeitung im Seelenleben. Sie
im Bezug auf Aktivität oder Passivität einer Analyse kann zunächst in der Seele beharren, wird dann eine
unterzogen. Dagegen spricht Epiktet von „der Ein- ivvoLa oder ein svvorjua, d. h. ein Gedanke, der im Gegen-
richtung unseres Verstandes, kraft deren wir, nicht ,satz zur sinnlichen Vorstellung auch Vorstellung der
einfach den wahrgenommenen Objekten unterliegend, Seele Da diese Gedanken als einer-
genannt wird. -).

durch sie Bilder empfangen, sondern auch etwas heraus- seits und eigenschaftslos, andererseits
unindividuell
nehmen, abziehen und zusetzen, sodass wir durch jene wieder als bestimmt und mit bestimmten Eigenschaften
Bilder dies bestimmte Einzelne zusammensetzen und. ausgestattet bezeichnet, da ferner von Zeno und seinen
beim Zeus, von dem einen zum andern, das uns nicht Nachfolgern ausdrücklich die Ideen Piatos, natürlich
unmittelbar gegeben ist, übergehen". ^) Er ist sich also nur nach ihrer subjektiven Seite zu ihnen gerechnet
sehr bewusst der Analyse und der Synthese, die der werden, so ist es offenbar, dass mit den stoischen „Ge-
Verstand an den Objekten der Wahrnehmung vornimmt. danken" die allgemeinen, schematischen Vorstel-
lungen, die, wie Herb art^) sagt: „schwebenden Gesamt-
düngen zusammenfügt, daraus äussere Ganze herstellt und sie, in-
vorstellungen" gemeint sind, die nicht einem einzelnen
dem sie sozu sagen bald auf dieses, bald auf jenes ihr Licht fallen
Objekte, sondern einem Begriffe entsprechen sollen *).
lässt, unter verschiedenen Gesichtspunkten mit einander vergleicht:
Diese ewoiau im Sinne der allgemeinen, schematischen
sie ist das, was ich Reflexion nenne* (U, 8, U). Gondillac unter-
scheidet also 2 Arten der Aufmerksamkeir., eine, die von den übrigen
der Tastsinn erweckt. Die *) Zeno frg. 15. (Pearson S. 68).
Sinnen gegeben wird, die andere, die
letzte nennt er Reflexion und beschreibt sie, wie die zitierten Worte Mitdo^a synonym ist ot/ycrtg, frg. 16 (S. 68). Auch Epiktet
11, 17, 1: „Was ist die erste That des Philosophierenden? Die Mei-
beweisen, durchaus als Thätigkeit. Wie schöpferisch die Reflexion
aus kleinen Räumen nung aufzugeben." ^) Zeno frg. 21 (S. 71); auch frg. 23.
bei ihm ist, geht auch daraus hervor, dass sie
') Lehrbuch zur Psychologie § 182.
den Raum und aus kleinen Zeiten die Zeit zusammenfugt»
*) Zeno frg. 23 (Pearson p. 72 f.), Kleanthes frg. 6.
») L 6, 10.
72 Erkenntnistheore. Angeborne Begriffe? 73

Vorstellungen sind ein Gemeingut der stoischen Schule sindi), so heissen sie Vorwegnahmen, Annahmen, ttoo-
o-eblieben^) und von der neueren Philosophie, von den h]il}eLQ, bei Seneca praesumtiones -).

Empirikern nicht minder als von den Rationalisten an- Der wesentliche Inhalt, der diesen „Annahmen"
iTenoihmen worden. Erst Berkeley machte einen Ein- zugeschrieben wird, ist vor allem eine gewisse instink-
wand gegen ihre psychologische Wirklichkeit mit der tive Erkenntnis des sittlich Guten im allgemeinen,
bekannten Bemerkung, dass, wenn es solche (abstrakte auch der einzelnen Tugenden und der Existenz Got-
Vorstellungen) giebt, sie auf die Gelehrten beschränkt tes, sogar seiner Ewigkeit und Güte 3). Bei Seneca
sind-). Unter diesen sind die xotyal tvvoiai^ von Cicero
mit notiones communes übersetzt^), besonders wichtig. *) Zeller III, P, 75 meint, dass auch die „gemeinsamen Be-

Chrysipp ^) und Posidonius ^) haben wohl am eingehend- griffe •* nur aus der Erfahrung abgeleitet werden, wie andere Be-
griffe. Dies scheint mir angesichts der Quellen unhaltbar. Anderer-
sten von ihnen gehandelt und ihre Lehre darüber zum
seitsgeht Bonhöffer wohl wieder zu weit, wenn er (I, S. 191) glaubt,
Gemeinbesitz der Schule gemacht. Sie heissen „gemein- dass sie „von allen gleichmässig an jede Erfahrung herangebracht
same Begriife^, weil sie allen Menschen gemeinsam nerden." Die Auffassung Bonhöffers würde sie in eine Linie mit den
sind *'
), sie heissen ferner eingepflanzte [eacpvroi^ insitae) ideae innatae von Descartes und Leibniz, den notiones com-
munes Spinozas,. sogar mit den apriorischen Begriffen Kants stel-
oder natürliche (^udixat), im Gegensatze zu den nur durch
len; darum geht sie über den Horizont der Stoa hinaus. Es scheint
kunstmässiges Denken aus der Erfahrung erworbenen
mir, dass die Stoiker die gemeinsamen Begriffe nach Analogie des
Erkenntnissen ^) und in dem Sinne, dass nicht sie selbst
tierischen Instinktes gedacht haben; Die Biene hat eine der Anlage
ihrem Inhalte, wohl aber die Anlage zu ihrer not- nach angeborene Kenntnis der zu bauenden Zellen, die aktuell wird,
wendigen Entstehung angeboren sei ^). Denn nach all- sobald sie, zur Arbeit herangewachsen, anfängt, Wachs zu sammeln.
Sie lernt aber die Zelle durch die Übung noch genauer kennen. So
gemein stoischer Auffassung ist die Seele bei der Geburt
sind die x. £., die semina scientiae, wie sie Seneca (ep. 120,
leer, ein leeres, zur Aufnahme der Schrift wohl ge-
4)
nennt, nicht die scientia selbst.
eignetes Papierblatt ^).
2) Ep. 117, 6. Der Terminus nQüXr]il)LQ scheint im Laufe der
Da die gemeinsamen Begriife, wenn auch nicht voll- Zeit in der Stoa seine Bedeutung geändert zu haben. In der von
kommen klar und deutlich, vor aller Erfahrung in uns M. Heinze (zur Erkenntnislehre der Stoiker, S. 32, Anm. 3) aus
Pseudo-Plutarch, Plac. phil. IV, 11, 3 citierten Stelle ist ewoia
das allgemeine Wort für „Begriffe"; diejenigen, die auf „natürlichem
•) Vergl. Epiktet II, 12,6. Wege* und ohne künstliche Bemühung in uns kommen, heissen
-') Principles of human knowledge, Inlroduction, X. n^oAijipEL^. Bei Epiktet hingegen scheinen mit diesem letzten Aus-
3) Disput. Tusc. IV, § 53. Vergl. Bonhöffer I, 209 ff. drucke gerade diejenigen bezeichnet, die durch die Vernunft schon
*) Vergl. Bonhöffer I, S. 219 u. 222. ^) Schmekel S. 266 ff. „artikuliert*, d. h. in ihren Merkmalen differenziert und ausgearbeitet
®)So ist das y.oLvai hier zu verstehen. Bei Aristoteles ist das worden sind (I, 17, L Vergl. II, 17, 13 u. II, 11, 18.) I, 25, 6
xüivov , von Begriffen gesagt, etwas anderes. Es kennzeichnet die- werden die UQo'k. mit den Beweisen als gleichwertig genannt und
jenigen, die nicht aus nur einem Sinnesgebiet stammen, sondern aus HI, 22, 1 nennt er so den Lehrbegriff der kynischen Schule, die er
mehreren, und darum im empfindenden Centrum also im Herzen , doch sehr ernst nimmt.
entstehen, besonders die Begriffe: Bewegung, Ruhe, Zahl, Gestalt, ^) So bei Ghiysipp. Vergl. Piutarch Stoic. repugn. K. 17. Auch
Grösse. Vergl. Zeller, II, 2\ S. 543. Plutarch, Not. comm. K. 32, wo unmittelbar vorher Chrysipp und
•) Bonhöffer S. 199. ^) Bonhöffer, S. 191. Kleanthes, unmittelbar nachher wieder Chrysipp genannt wird, be-
zieht sich sicher auf Chrysipp. Ferner Cicero Tusc. IV, § 53.
*) Vergl. Kleanthes frg. 4.
74 Erkenntnistheorie. Sensualismus und Rationalismus.
ro

kommt noch das Wissen der Unsterblichkeit der Seele halten gerechnet i),
so dass von Aristoteles' Zehnheit
hinzu ^ ).
nur vier Kategorien übrig blieben Substanz,
Qualität, :

Wahrscheinlich schon in der alten Stoa^). weniger Verhalten und Relation. Doch sind diese vier
Kate-
bei Posidonius 3), sicherlich aber bei Cicero*), der sich gorien nicht nebengeordnet, sondern das
Vorangehende
hierin an stoische Quellen zu halten scheint, und bei bleibt im Folgenden, es tritt nur eine neue
Bestimmung
Seneca wird aus der Übereinstimmung aller Menschen, hinzu 2). So wären z. B. nach stoischer Auffassung
die inBezug auf den Inhalt der notiones communes zehn ähnliche weisse Pferde unterzuordnen unter
die
herrscht, auf dessen Wahrheit geschlossen. „Wir pflegen erste Gattung, als materielle Substanzen,
unter die
viel zu ireben auf die Annahme aller Menschen, und es zweite als lebendig und Pferdegestalt habend 3).
unter
ist bei uns ein Wahrheitsbeweis, dass etwas aller Mei- die dritte als weisse ^) und 10 an der Zahl, unter die
nunir ist.~sas-t Seneca^). Dieser Beweis ex consensu vierte als ähnlich.
«»entium ist im 16. und 17. Jahrhundert, nach dem Dies war seit Chrysipp die stoische Gemeinlehre.
Wiederaufleben der Stoa. besonders für den Begriff der Nur Seneca hat eine gewisse Modifikation angestrebt er ;

natürlichen Religion sehr beliebt geworden. lässt die vier Kategorien versucht nur nach bestehen,
Die „gemeinsamen Begriffe", die in gewisser Piatos Prinzipien eine Sechsteilung der ersten, die
wir
Weise angeboren sind, sind nicht zu verwechseln mit nicht weiter verfolgen wollen ^j.
den „allgemeinsten Begriffen" ^'), den seit Aristoteles Unsere Skizze der Erkenntnistheorie der Stoiker
so o-enannten K
a t e frorien die durch wissenschaftliches
. möge der trotz seiner Bildlichkeit treffende Satz be-
Denken gewonnen werden. Sie vertreten die allgemein- von Seneca^) stammt: „Wir müssen den
schliessen, der
sten Bestimmungen, denen jede Erscheinung je nach Bienen nachahmen, die umherfliegen und an den zur
ihrer Art unterzuordnen Aristoteles hatte zehn
ist. Honigbereitung geeigneten Blumen saugen, dann alles
Kategorien angenommen, die aber sehr der Verminderung Mitgebrachte ordnen und in die Waben verteilen.-'
fähig waren. Liegen, Leiden und Thun konnten unter Bacon hat diesen Satz adoptiert und in angemessener
.sich verhalten" subsumiert werden. Damit waren drei Weise ergänzt^): „Die, welche die Wissenschaften be-
Katefrorien beseiti":t. Ferner Hessen sich Orts- und arbeiteten, waren entweder Empiriker oder Dogmatiker.
Zeitbestimmung als Beziehung auffassen, da sie ja immer Jene sammeln nur wie die Ameisen; letztere aber, welche
relativ sind, von einem gegebenen Punkte ausgehen. mit der Vernunft beginnen, ziehen, wie die Spinnen das
Die Quantität wurde etwas gewaltsam unter das Ver-
') Vergl. Trendelenburg. a. a. 0. S. 228. Prantl, Geschichte
der Logik I, S. 435.
') Ep. 117, 6.

'') Plutarch, Not. comm. K. 31. ^) Vergl. Schmekel S. 266.


') Trendelenburg, S. 230. ^) Was bei Aristoteles Qualität, ist
in der Stoa meist nicht Qualität, sondern Verhalten. Die Qualität
*) Vergl. Zeller lU, 1', S. 658 ff., der aber Giceros Selbstän-
bildet in der Stoa die Arten, die herrschende Qualität heist ggtg.
digkeit sehr überschätzt. '') Ep. 117,6.
Vergl. Trendelenburg, S. 222 u. 225. Prantl S. 434. *) Das Verhal-
^) reveyicjTaTa, das Allgemeinste. Dies ist der stoische Name,
ten begründet die (TX^ffiq, (Trendelenburg S. 229). 5) Ep. 58, 7 ff.
Vergl. Trendelenburg, Geschichte der Kategorienlehre (histo-
«) Ep. 84, Neues Organen, deutsch
3. 7) v. J. H. v. Kirchmann.
rische Beiträge zur Philosophie, I), Berlin 1^46 S. 219.
Berlin 1870, Buch I, Art. 95.
7f) Sprachwissenschaft.
Sprache und Sache. 77

Netz, aus sich selbst heraus. Das Verfahren der


Bienen
sprochenem Wort ist seit Aristoteles in der antiken
steht zwischen beiden. Diese ziehen den Salt aus den
Philosophie eine herrschende Annahme und „die Quelle
Blumen in Gärten und Feldern, aber behandeln und ver-
unsäglicher Irrtümer."^) Wegen dieser Gleichheit er-
dauen ihn durch eigene Kraft. Ahnlich ist das (re- klärt selbst ein sonst in unserem Sinne nominalistischer
schäft der Philosophie. Es stützt sich nicht ausschliess-
Denker wie Antisthenes und nach ihm Epiktet:
lich auf die Kräfte der Seele und es nimmt den
von
,.Der Anfang der Bildung ist die Prüfung der Namen"-).
der Naturkunde und den mechanischen Versuchen ge- Wir werden uns darüber aber nicht wundern, wenn wir
botenen Stoff nicht unverändert in das Gedächtnis auf, bedenken, dass noch im 18. und 19. Jahrhundert ein
sondern verändert und verarbeitet ihn im Geiste." vielseitig und tief denkender Mann wie Pestalozzi
Trotz scheinbarem einseitigem Sensualismus ist die die Sprache für die „Rückgabe aller Eindrücke, die die
stoische Erkenntnistheorie doch von denen des Altertums Natur in ihrem ganzen Umfange auf unser Geschlecht
den Forderungen Bacons am nächsten kommt.
diejenige, die gemacht hat, "3) halten konnte, und von der Einprägung
Sie ist wohl auch mit die Ursache, dass, wie wir sehen der Worte eine Anschauung der Dinge erwartete.
werden, keine der griechischen Philosophenschulen mehr
Die menschliche Sprache unterscheidet sich nach
für die Wissenschaft gethan hat, als die Stoa.
der Stoa sehr von der tierischen. Der tierische
Laut ist einförmig und erfolgt auf blossen Trieb. Die
3. Kapitel. menschliche Sprache ist artikuliert und wird von
Gedanken ausgesendet. ^) In dem grossen Streite ob .

Die Sprachwissenschaft der Stoa.


die Sprache von Natur oder durch willkürliche Satz-
Sehr nahe verwandt der Erkenntnistheorie der Stoa ung entstanden ist, entschieden sich die Stoiker für
ist ihre Sprachphilosophie, durch die sie Aufschluss auch die Natur, während die Grammatiker von Alexandria
über das Wesen der Dinge zu gewinnen suchte die in .
die Annahme einer willkürlichen Satzung aufrecht er-

dieser Hinsicht und für die Geschichte der Terminologie hielten. Aber sie fassten diesen „natürlichen" Ursprung
viel Nachwirkung gehabt hat. der Sprache doch nicht in demselben Sinne, wie die
Die alte Stoa lehrte in ihrem beschränkten Materia- Epikureer, die gar kein bewusstes Denken dabei vor-
lismus, die Worte seien körperlich. Sie wirkten doch aussetzten^),wenn sie auch von Konvention und sogar
auf die Seele, und alles, was wirke, sei körperlich. Die vom Namengeber sprachen. Die Stoiker lehrten viel-
Aussage (ksy.Tüv) aber war ihr unkörperlich sie ,
mehr eine gleich bei seinem Ursprünge sehr enge Ver-
stand zwischen dem körperlichen Dinge, von dem etwas bindung des menschlichen Lautes mit dem Gedanken, so
ausgesagt wurde, und dem ebenfalls unkörperlichen Ge- dass Zeno^) meint, wenn das Denken im Gehirn sässe.
danken. Die Aussage unterscheidet sich vom Gedanken
nur durch die Existenzweise, nicht durch den Inhalt \), ') Vergl. Steinthal I, S. 235. -) I, 17, 12.
Die inhaltliche Gleicheit von Sache, Begriff und ge- 3) Wie Gertrud ihre Kinder lehrt, ed. Reclam, S. HO.
*) Steinthal I, 291. Vergl. ausserdem Diog. L. VII 1, 63 ff.

*) Steinthal, Geschichte der Sprachwissenschaft


Vergl. H. bei Sj^Steinthal I, S. 325 f.

den Grie chen und Römern, I BerUn 1890, S. 296.


-', «) Frg. 100.
78 Sprachwissenschaft. Etymologie, Anomalie.
79

so müsste auch die Stimme aus dem Gehirn kommen. Diese Ansicht vom Ursprünge der Wörter führte
Da aber nicht daher komme, so sei das Gehirn auch
sie zu der hohen Wertschätzung, deren die Etymologie
nicht der Sitz des Denkens. sich bei den Stoikern erfreute. Sie war .,eine Entfaltung
Wegen des grossen Anteils des Denkens an der der Worte, durch die die Wahrheit deutlich gemacht
Sprachbildung ist der Laut eine b e w u s s t e Nach- wird."i) Die Proben ihrer etymologischen Thätigkeit
ahmung der Eigenschaften der Dinge. Der Gefühls- sind ebenso kindlich wie die des ganzen Altertumes,
ton, modern gesprochen, war es, der das Band zwischen z. B. wenn q)covjj (Stimme) ihnen gleich (fäg vov (Licht
den Eindrücken der Dinge (und darum nach der stoischen des Geistes) ist. -) Aber wie in diesem Falle, so glaubten
Auifassung den Dingen selbst) und den Worten herstellte. sie auch sonst die Elemente nicht bloss des Wortes,
Wenn der stoische Autor der Schrift de principiis dia- sondern auch des damit l)ezeichneten Objektes entdeckt
lecticae (Pseudo- Augustinus) sagt Res ipsae aificiunt, ut
; zu haben. Wie Aristoteles, wenn er i]d-Ly.6s (sittlich)
verba sentiunturM, so ist darin, wenn auch sehr unklar, von e^oQ (Gewohnheit) ableitet, nicht zwei Worte, sondern
geahnt, was W. Wundt-') die Analogie des Gefühles zwei Dinge in Verbindung gebracht zu haben meinte ^i.
genannt und als wesentliches Bindeglied zwischen I^aut so auch bei der Etymologie die Stoa.
und Vorstellung zu erweisen mit Erfolg versucht hat. Man sollte nun glauben, in dem grossen Streite über
Es ist so z. B. bei der Onomatopöie, die die Stoiker Analogie und Anomalie, der die Blütezeit der griechi-
als Beispiel der Nachahmung sehr verwerten, weniger schen Sprachwissenschaft bezeichnet'*), hätte die Stoa
eine direkte Nachbildung des objektiven Schalles vor- auf die Seite der Analogie treten müssen. Die Ana-
handen, als vielmehr eine Bildung eines neuen Schalles, logie bedeutet, dass den Gedanken die Worte genau
der jedoch dasselbe Gefühlselement wie der ursprüngliche entsprechen, dem einfachen Gedanken ein einfaches Wort,
Naturschall enthält. ^^Aly^e ßlog^ es schwirrte der Bogen;" dem zusammengesetzten ein zusammengesetztes, also ein
sind beide keine phonographische Reproduktion des strenger Parallelismus zwischen Gedanken und Worten
Schalles der gelösten Bogensehne, sie geben aber beide herrscht.^) Der berühmte Aristarch von Alexandria
einen Laut mit dem gleichen erregenden Gefühlstone, war ihr Vorkämpfer. ") Die Anomalie hingegen, —
wie die wirklich gehörte, den Pfeil abschnellende Sehne. ein Terminus, der in der Stoa entstand — besagte, dass
Es ist darum keine Gleichheit, sondern eine Metapher das Wort nach seinem Inhalte und seinen Beziehungen
und zwar eine „Lautmetapher", wie Wundt im Gegen- dem Begriffe und seinen Beziehungen nicht entspreche.
satze zur Satzmetapher sagt, die hier in der Onomato- Zunächst ist es überraschend, dass die Stoiker trotz
pöie und bei vielen ähnlichen Prozessen als der Konsti- dem oben gekennzeichneten Bemühen, den Klang des
tution und der Abwandlung der Worte zu Grunde liegend Wortes aus dem Objekte herzuleiten, doch eine Ungleich-
gedacht werden muss, allerdings eine Nachahmung, wie heit des Inhalts des Begriffes oder Objektes und des
die Stoiker meinten, aber eine sehr verwickelte, in-
') Steinthal, I, S. 331, Anm. 2.
direkte. =') Steinthal, 1, S. 285.
3) Steinthal, I, S. 340.

') Vergl. Sleinthal. 1, S. 333.


*) Steinthal, 1, S. 357. '-)
Steinthal, I, S. 360.

-) Völkerpsychologie 1, die Sprache, 1, Leipzig 1900. V. 326 ß. «) Steinthal, J, S. 358.


80 Sprachwissenschaft. Redeteile. 81

Wortes annahmen. Dies erklärt sich aber aus ihrer Sprachmaterial ohne weitergehende Absichten zu ordnen
Ansicht, dass die Trworte allerdings den Dingen ver- suchte. Aristoteles hatte drei Redeteile unterschieden:
wandt gewesen sind, aber im Laufe der Zeit ihre Form Nomina, Zeitwörter, Bindewörter, unter welche letzte
oder ihre Bedeutung sehr verändert haben. M Klasse er alles rechnete, was nicht zum Subjekte oder

Was aber die Beziehungen der Begriffe zu dem das Objekt einschliessenden Prädikate gehörte.^)

kam Chrysipp zu dem Ergebnis, dass Laut- Die Stoa fügte als vierten hinzu den Artikel (ä^d^Qov),
betrifft, so
sich nicht decken.-) worunter sie die Pronomina und den heutigen Artikel
form und begriffliches Verhältnis
verstand, so dass die „Bindewörter" auf Konjunktionen
So muss man nach Chrysipp beim Adjektiv dreierlei
Privation, Mangel einer Eigenschaft, und Präpositionen eingeschränkt wurden. Chrysipp unter-
unterscheiden : d. h.
schied beim Nomen noch nomen proprium und nomen
Negation, d. i. was wir kontradiktorisches Gegenteil
,

appellativum. -) Antipater von Tarsus fügte als sechsten


nennen, und Gegensatz, d. h. das konträre Gegenteil.
Redeteil noch das Adverbium hinzu. 3)
Die Sprache hingegen mache nicht dieselben Unterschiede,
sie drücke eine Privation positiv aus, ohne die eigent- In der weiteren Analyse des Satzes bereicherten
liche Bezeichnung derselben: (a- oder av- = dem die Stoiker auch die K
a s u s 1 e h r e. Der Nominativ
deutschen un-). z. B. rvcpkog blind, andererseits wieder
,
hiess bei Aristoteles Nomen (övoiiia), Kasus (nrcoascQ) nannte
ein ])ositives Verhältnis wie unsterblich (di^dvaToc;) durch er alle Ableitungen eines Wurzelwortes *). Dieser letzte
das Zeichen der Privation. Gerecht und ungerecht sei Terminus wird nun in der Stoa auf die Beugungsformen
sprachlich ein kontradiktorischer, sachlich aber ein des Nomens eingeschränkt, mit Ausnahme des Vokativs,
konträrer Gegensatz, der eigentlich, wie tapfer und feig, den die Stoiker für einen Satz hielten. Der Nominativ
zwei positive Bezeichnungen verlange.^) Die Geschlechts- heisst uTcjaLQ ö^O-tj oder BvdsXa, casus rectus, die folgen-
bezeichnung entspreche nicht dem Sachverhalte, es werde den drei nraaeic; nKayiai, casus obliqui^). Ihre einzelnen
oft Weibliches mit männlicher Endung bezeichnet Filius Namen sind: jBviiAr] (genetivus)*^), doriyn] (dativus), airia-

und filia, sagte die römische Stoa, entsprechen der Ana-


logie, aber mater und soror hätten eine männliche En- ') Vergl. Steinthal, I, S. 263, S. 297. Das 20. Kapitel der Poetik
dung. Die Adjektiva dreier Endungen seien begrifflich des Aristoteles giebt als vierten Redeteil den Artikel an. Diese Stelle
ist aber eine Interpolation.
ungeschlechtlich, in der Sprache aber mit drei ver- Vergl. Steinthal I, S. 263.

schiedenen Endungen ausgestattet. Ein der Form nach -) Steinthal, I, 297. ^) Steinthal, I, 298 auch II, 212 f.

Steinthal, 302.
plurales Wort wie nuptiae bezeichne doch eine einzige *) I,

Vorstellung. So bemühten sich Chrysipp und spätere


'")
Das Büd ist, wie das entsprechende beim Zeitwort, herge-
nommen von dem aufrecht stehenden oder schon nach der Seite
Stoiker die Anomalie zu erweisen.
wankenden Ringkämpfer. Vergl. Steinthal, I, S. 299.
Fruchtbarer, als diese Übungen des Scharfsinnes, ®) D. h. der Kasus, der die Gattung bezeichnet.
Die Gattung
waren die Bemühungen der Stoa, wo sie das vorhandene wird ja in Regel im Genetiv zu der Art hinzugefügt. Z. B.
der
Stellarum aliae fixae, aliae vagantes sunt. Genetivus ist also eine
1) Vergl. Steinthal, I, S. 344. Auch G. Wachsmuth, de falsche Übersetzung, die richtige wäre generalis, wenn auch nicht

Gratete Maliota, Lipsiae, 1860, p. 13 ff. in dem Sinne, wie Priscian diesen Ausdruck versteht. Vergl. Stein-
-) Vergl. Steinthal, I, S. 367 u. 368. ») Vergl. Steinthal, I, S.361f. thal, I, 302.
Barth, Die Stoa. 6
82 Sprachwissenschaft. Casus, Tempora, Modi, Satzverbindung.
83

ri-x^^) (accusativus). Man sieht, wie viel davon noch dass er sich der ganzen Bedeutung seiner Entdeckung
in unserer heutigen Terminologie lebt! bewusst war. ^
Am Verbum haben die Stoiker zuerst da.s sogenannte Die erste Beleuchtung der Modi des Verbums,
Genus desselben benannt. Die Verba sind ihnen reeta^), die ebenfalls von den Stoikern ausgeht, steckt in ihrer

supina. neutra. reciproca. Die erste Klasse uinfasst die Klassifikation der Sätze nach ihrem Inhalte. Sie unter-
Verba aktiver, die zweite die passiver Bedeutung, die schieden als Satzarten: Behauptung oder Satz schlecht-
dritte die intransitiven, die vierte die bloss reflexiven hin. Frage. Erkundigung, Befehl, Schwur, Gebet, Voraus-
oder zugleich reflexiven und kausativen Verba z. B. ,
setzung. Erklärung. Anrede -') und was einer Behauptung
xBi^ofiiaL. ich schere mich oder lasse mich scheren. Es gleichkommt ^^). Von bleibenderer Wirkung als diese
kommt bei dieser Einteilung, wie die antike Sprach- Lehre von der Modalität der Sätze war ihre Untersuchung
philosophie überhaupt mehr auf die Sache, als auf das über einfache und zusammengesetzte Urteile^). Das zu-
Wort auf die Form, als auf die Bedeu-
sieht, w^eniger sammengesetzte Urteil ist entweder hypothetisch, z. B.:
tung an, so dass z. B. övaXeyof^iai, ich unterhalte mich, zur wenn es Tag ist. Oder kausal, z. B. ^ieweil
ist es hell.

ersten Klasse gerechnet wird^). Diese Einteilung hat es Tag ist. ist es Oder kopulativ: Es ist Tag und
hell.

lange nachgewirkt doch ist sie wie der


. . lieutige Ge- es ist hell. Oder disjunktiv Entweder ist es Tag oder
:

brauch erweist, nicht durchgedrungen. es ist Nacht. Oder consecutiv: ^) Da es Tag ist, ist es
Was die Zeiten
Verbums betriflt so haben
des .
hell. Oder vergleichend Mehr (weniger) Tag als Nacht
:

auch ihr die Stoikei- die erste Aufmerksamkeit zuge- ist es. Wie ein Blick auf diese Terminologie der Satz-

wendet. Doch ist ihre Anschauung noch eine sehr un- verbindungsn lehrt, ist auch sie in lateinischer Über-
vollkommene, da sie Zeit und Handlung durchaus nicht setzung zum Teil bis heute geltend geblieben. So hat
die Stoa überall teils grammatische Fragen beantwortet,
unterscheiden. Sie kennen nur eine einzige Zeitlinie,
nach der sie gegenwärtiges Sein", „vergangenes Sein", teils der
eigentlichen grammatischen Wissenschaft der
.,

„gegenwärtige Vollendung" und „vergangene Vollendung" alexandrinischen und der römischen Zeit die weiteren

anordnen. Aorist und Futurum sind ihnen unbestimmte Wege der Forschung gewiesen.

Zeiten, das Futurum exactum kennen sie gar nicht '^). ') Steinthal, 1, S. :309. '')
Womit wohl der Vokativ geraeint
Die drei Zeitstiifen. die wir unterscheiden, und inner- ist, der in der Stoa als Satz gilt. Vergl. oben S. 81.

halb ihrer je zwei Zustände der Handlung. also im — ^) Diese letzte Klasse, die ein bloss äusserliches
Kennzeichen hat,

ganzen sechs Zeitformen diese sind erst von dem— nämlich eine die Behauptung irgendwie qualifizierende Partikel, um-
fasst den Verwunderungssatz, den beschreibenden, den
tadelnden, den
römischen Grammatiker Varro entdeckt worden, ohne zweifelnden Satz. Vergl. Steinthal, I, S. 318.
*) Vergl Steinthal, I, S. 319 und Diog. L. VII, 1, 71 f.

Name ^) Prantl, Gesch. der Logik, I, S. 447. Was Prantl mit ,kau-
*) Auch der vierte Kasus ist falsch übersetzt worden. Sein
sal* übersetzt {atTLwdsc;),glaube ich besser mit ^consecutiv" wieder-
kommt nicht von ahiäod'av^ anklagen, sondern von aiTta, Ursache,
her. da die Handlung des Verbums eine Änderung des Objekts ver-
zugeben, zum
Unterschiede von der zweiten Art, deren Namen Prantl
gar nicht übersetzt, die aber dem Beispiele nach eine kausale
ursacht. Ver-
bindung ist. Vielleicht liegt hier die erste Spur einer Unterscheidung
-) Hier liegt dasselbe Bild zu Grunde, wie oben beim casus rectus.
von realer Ursache und logischem Grunde vor, die es in der
») Steinthal, I, S. 299. -•) Steinthal, I, S. 310 flf.
antiken Philosophie giebt.
Dreiteilung der Seele. 85

Menschen aus Fleisch (ado^) und Seele i^v'/i]) bestehen


lässt^). Indem er aber den denkenden Teil der Seele dem
blossen mit Trieben verbundenen Vorstellen immer scharf
gegenüberstellt-), gilt auch bei ihm die Dreiheit Körper,
IV. Abschnitt. :

Triebseele, denkende Seele (^Vernunft). Da die Einheit


Die Ethik der Stoa. der Seele, des den Körper belebenden Prinzips, aufrecht
erhalten wird, so ist es falsch, von einem besonderen
Orte derselben zu sprechen, und ganz folgerichtig, dass
1. Kapitel. sie den ganzen Körper durchdringt, wie Chrysipp lehrte,^)

Es ist eine, gleichviel auf welchem Wege entstandene


A. Die Erscheinungen des Seelenlebens.
Inkonsequenz, wenn Zeno"*) sie. wie Aristoteles, im Herzen
lokalisierte. Weniger unvereinbar mit der Grundan-
Die Psychologie der Stoiker ist in ihren Grundzügen
schauung ist es wenn Kleantlies wie Plato die Ver-
stark abhängig von Aristoteles. Dieser unter- , , ,

den ernähren- nunft allein im Kopfe konzentriert dachte^) er fand je- ;

scheidet drei Teile der menschlichen Seele,


Ähnliches be- doch in der Schule keinen Beifall. Denn Seneca meint,
den, den empfindenden, den denkenden.
die verschiedenen seelischen Funktionen hätten keine
deutet die stoische Einteilung, die von den ältesten bis
getrennten Sitze, sondern Vernunft und Affekt seien
zu den letzten Vertretern der Schule wiederkehrt Kör- :

per, Seele, Vernunft. „Zum Körper gehören die


Empfindungen, zur Seele die Triebe, zur Vernunft die zweiten ist. dass Vernunft und Sprach vermögen den liöchsten, die
fünf Sinne den zweiten, das Zeugungsvermögen den dritten, körper-
Grundsätze.-^) Die Verschiedenheit von Aristoteles ist
lichen Seelenteil bedeutet. Die Triebe, die in Zenos Aufzählung
geringer als die Ähnlichkeit, nur dass die Ernährung, die fehlen, würden dann wohl teils unter die Sinne, teils unter das
mit den Trieben zusammenhängt, unter diesen berücksich- Zeugungsvermögen gerechnet. Jedenfalls ist die Achtteilung sehr
tigt ist, die Empfindung aber, bei Aristoteles die Funktion bald vergessen worden. Von keinem, auch nicht von Posidonius wird
eines Seelenteils, als körperlich betrachtet wird. Epiktet
eine direkte Wiederaufnahme berichtet, die Dreiteilung aber ist durch-
gedrungen.
hat allerdings eine scheinbare Zweiteilung, indem er den
'} III, 7, 4. '-) 11, 18, 29; III, 24, 108; IV, 11, 26.
^) Pearson, S. 140. Auch Seneca, Ep. 57, 8.

»)So Marc Aurel III, 16, dasselbe II, 2 und Xll, o, au welchen 4j Fragm. 100 (Pearson, S. 147) und 141 (Pearson S. 181).

beiden Stellen nur statt il^v//; nvsvfjbdtiov steht, der Seelenstoff ^) Vergl. R. Hirzel, Untersuchungen zu Giceros philosophischen
angegeben ist. Ganz gleich ist die Einteilung bei Panaetius: cpvaiQy Schriften. 2. Teil, I.Abteilung. Leipzig 1882, S. 151. L. Stein, die
ilfv/i], }]y£fiovLyi6v oder loyog. (Vergl. Schmekel, S. 198) und Psychologie der Stoa, Berlin 1886, S. 170, erhebt Gegenbemer
bei Posidonius: cpv(n<;^ S-vjULosidsQ^ Xöyog oder voifQ (Schmekel, kungen gegen Elirzel, die mich nicht überzeugen können, weil Kleanthes
S. 259 f.), auch bei Seneca, (Ep. 92,1). Über Zeno wird zwar (Fragm. 93) auch sonst in seiner Psychologie Platoniker ist, besonders in der
berichtet, dass er S Teile der Seele unterschieden habe: die fünf wörtlichen Annahme der Dreiteilung Piatos, durch die er von der
Sinne, das Zeugungsverraögen, das Sprach vermögen und die Vernunft. gesamten Stoa abweicht. Vergl. Fragm 85. Übrigens hat vor
Aber demselben Zeno schreibt TertuUian eine Dreiteilung der Seele Plato schon Alkmaeon von Kroton das Gehirn als Gentralorgan der

zu (Fragm. 94). Vielleicht vertragen sich beide Nachrichten so mit- Geislesthätigkeit erkannt. Vgl. Th. Gomperz, Griechische Denker, I»

einander, dass die erste Einteilung nur die weitere Ausführung der Leipzig 1896, S 119 ff.
86 Seelenleben. Der Trieb. 87

nur „Veränderungen der Seele zum Besseren oder nach Kants Terminologie Leidenschaft heisst, wenn jener
Schlechteren/ M vom Gefühl gelenkte Vors tellungs verlauf durch Gewohn-
Die Psychologie der Empiindungen und der aus ihnen heit einwurzelt. ^) Eingehender wird diejenige Erschein-
entstandenen Vorstellungen ist in der Stoa wenig ent- ung behandelt, die wir Trieb (oq^h] , impetus) nennen.
wickelt. Die Vorstellung ist, wie oben bemerkt, Sein Gegenteil ist der Abscheu (dcpogfirj). Im Triebe sind
ein Abdruck in der Seele der wie Epiktet -) sagt in
, , , alle drei Elemente des Seelenlebens zu einer untrenn-
der Seele bewahrt wird, gelegentlich wieder die Seele baren Einheit verbunden. Denn „zuerst muss jedes vernünf-
bewegt und sie zu denselben Gedanken führt, die sie bei tige Wesen durch die Erscheinung irgend eines Dinges ge-
der ersten Wahrnehmung der Dinge selbst hatte'). So reizt sein, dann fasst es den Trieb dann bestätigt die,

allgemein nur ist von der Reproduktion der Vorstellungen Zustimmung (der Vernunft) diesen Trieb", sagt Seneca^).
die Rede, wie auch Zeno *) das Gedächtnis nicht anders, In der Erscheinung irgend eines Dinges liegt das Ele-
denn als „Aufspeicherung von Vorstellungen" zu be- ment der Vorstellung das Element des Gefühls ist,* wie
;

stimmen wusste. eben aus Epiktet erwiesen, ebenfalls beim Triebe vor-
Genauer, wenn auch mehr vom ethischen, als vom handen, und endlich ist dieser, da er auf eine Handlung
psychologischen Standpunkte aus sind Gefühl und , gerichtet ist, die ursprünglichste Erscheinung des Willens-
Wille in der Stoa behandelt worden. lebens.
Das Gefühl selbst die elementare Erscheinung,
,
Aber das Vorstellungselement, das dem Triebe zu
aus der alles weitere sich aufbaut, heisst wohl Leiden Grunde liegt kann grosse Veränderungen erleiden^).
,

{nad^oQ) in dem allgemeinsten Sinne eines seelischen Ein- An Stelle der einfachsten Empfindung können zusammen-
drucks. „Für den Trieb nach et-
So sagt Epiktet^): gesetzte Gebilde in mannigfacher Weise treten. Auch
was ist das Gefühl, dass es sich gebührt, und für das das Gefühlselement ist mannigfacher Modifikationen fähig,
Begehren nach etwas das Gefühl, dass es mir nützt, sodass aus dem einfachen Triebe eine Anzahl verschiedener
veranlassend." Von Fragen der modernen Psychologie^ Arten seelischer Erscheinungen hervorgeht.
ob das Gefühl eine selbständige Erscheinung ist oder .
Zunächst ist es ein Unterschied, ob dem Triebe die
lediglich| in Begleitung von Vorstellungen auftritt, ob Vorstellung eines Objekts oder einer Handlung zu Grunde
sinnliche und intellektuelle, niedere und höhere Gefühle liegt. Im ersten Falle wird er ein Begehren (ögs^ig),
zu unterscheiden seien, davon ist nicht die Rede. Auch im zweiten Falle bleibt er ein Trieb. ^ Dieser Trieb
wird das Wort ndd^og sehr selten auf das elementare Ge-
^) Vergl. Wundt, Grundzüge der physiol. Psychologie,
fühl, viel öfter dagegen auf das angewandt, was wir 4. Aufl. II, S. 501. Hoff ding, Psychologie, 3. Aufl., S. 384.
entweder Affekt nennen, d. h. ein Gefühl, das den Ver- -) Ep. 113, 18.
lauf der Vorstellungen beeinflusst oder auf das was , , Für die moderne Psychologie ist dem „Triebe" ein geringer
^)

Grad von Bewusstheit der zu Grunde liegenden Vorstellung wesent-


*) De ira, I, 8. Der zweite TeU der obigen Behauptung^ schon lich, nicht so bei den Alten.
bei Zeno (Frg. 135). Anderswo erklärt Seneca (de dementia l, 3, *) Diese terminologische Unterscheidung ist bei Epiktet durch-
nat. quaest. VII, 25) den Sitz der Seele für ungewiss. aus festgehalten. Und weil das Begehren auf Objekte geht, diese
») I, 14, 8. 3) A. a. 0. aber nach Epiktets Lehre gleichgiltig sind, so verlangt er gelegentlich
*) Fragm. 14. ^) I, 18, 2. vom Weisen durchaus folgerichtig, dass er vom Begehren überhaupt

*
i
88 Seelenleben. Der Affekt. 89

kann von sehr vernünftiger Einsicht begleitet sein, durchgeführte Ordnung, deren Überschreitung eine
er findet sich z. B. bei allen pflichtgemässen Handlungen. Störung des organischen Zusammenhangs und Zusammen-
Er kann dann noch immer Trieb genannt werden, oder wirkens, also Krankheit zur Folge hat. Somit ist der
auch, wenn man die Bewusstheit der Vernunft betonen AiFekt als übermässiger Trieb eine Störung und
will, wählender Wille. ^) Krankheit des Seelenlebens^), und darum ist er
Noch eingehender, als der Trieb, ist von der Schule wider die Natur-). Da in dem Triebe alle drei ver-
der Affekt in dem Sinne behandelt worden, dass nicht schiedenen Elemente des Seelenlebens vereinigt sind, so
bloss der Affekt in unserer Auffassung, sondern auch müssen sie notwendigerweise auch im Affekt erscheinen,
die Leidenschaft darunter begriffen wurde. der eben nur graduell, nicht aber toto genere vom
Die allgemeine stoische Definition des Affekts ist: Triebe verschieden ist.
^ein übermässiger Trieb" (6()/*?i TiAaova^oixra-). Der Trieb Und zwar ist der Gefühlsbestandteil, die rein sub-
ist die Gattung , das Übermass die spezifische Differenz. jektive Seite des Affekts, sehr ausführlich, aber in physio-
Zum Wesen der Seele, wie zu dem der Flamme ge- logischen Begriffen beschrieben.
hört die Bewegung'). Wenn Epiktet ^) und Marc AureP) Allen Affekten gemeinsam ist die schon in der Defi-
von völliger Windstille der Seele, Seneca^) von ihrer nition angedeutete Heftigkeit der Bewegung
beständigen Ruhe tranquillitas spricht, so ist dies eben
( )
der Seele, d. h. des durch den ganzen Körper verbreite-
ein hinkendes Gleichnis. Jede Bewegung aber hat in ten feurigen Pneumas. Das wird bezeichnet durch Zenos
der organischen Welt ein bestimmtes Mass in jedem :
Bild, jeder Affekt sei ein „Flattern der Seele" wie eines

Menschen soll in Nachahmung des grossen ein kleiner unruhigen Vogels.^)


Kosmos entstehen'^), d. h. eine in kleinerem Massstabe Ferner werden ohne besondere Begründung, bloss
in Anknüpfung an Plato, vier Typen der Affekte unter-
frei sei (vergl. Bonhöffer I, S. 240), während gemässigte Triebe
schieden: Schmerz. Furcht. Begierde und Lust^). Von
ihm erlaubt werden. (Ench. 2, 2 und 48, 3). Die von Bonhöffer
diesen werden Schmerz und Lust am meisten physio-
(I, 256) angeführte Ausnahme (I, 18, 1) ist nur eine scheinbare,
beruht auf falscher Lesart. Die richtige hat Schenkl nach Schweig- logischcharakterisiert. Der Schmerz wird als Zu-
häuser als aus dem Zusammenhange sich notwendig ergebend her- sammenziehung ^j und Senkung*'), Minderung^), Lösung «),
gestellt. Diese ganze Unterscheidurg ist wahrscheinlich altstoisch.
Vergl Bonhöffer I, 257. Nach Giceros Übersetzung perturbatio und morbus. Vergl.
^)

*) n^oalosaig oder n^oat^sri-x/J dvvafXK^. Der wählende Wille Zeno, 138 und 144.
frg.

ist so wesentlich unterscheidend für die menschliche Seele, dass er -) Vergl. Zeno, frg. 136. Für Krankheit wurden in der Schule
oft für diese selbst steht. Vergl. Bonhöffer I, 118 ff.
zwei griechische Ausdrücke gebraucht v6ar]f.ia und aQ^cjaTr]fia.
-) Vergl. M. Heinze, Stoicorum de affectibus doctrina, Bero- Der letzte scheint einen höheren Grad der Krankheit zu bezeichnen.
lini 1860, p. 3. Vielleicht liegt hierin die erste Unterscheidung zwischen Affekt und
^) Seneca, Ep. 39, 3. So auch, ohne das Gleichnis, Posidonius. Leidenschaft, die oben S. 87 erwähnt wurde. Doch ist dies sehr
Vergl. Schmekel, S. 249. ^) II, 18, 30. ^) VIII, 28. ungewiss. Vergl. Bonhöffer, I, S. 276.

•*) De tranquillitate animi, Kap. 2, 3. Diese Seelenruhe wird ^) Zeno, frg. 137. *) Zeno, frg. 142.

daselbst ebenfalls in Ausdrücken der Bewegung umschrieben: non '')


(TvaroXrj^ das man auch
durch Spannung übersetzen könnte.
concuti, stabilis animi sedes. Vergl. Zeno, frg. 139, auch Marc Aurel II, 10 und Pearson S. 180 f.
') Marc Aurel. IV, 27; XII, 1. ^) Tircjcrtg, bei Zeno a.a.O. ') /if tca(Ttg, a. a. 0- ^} Xi^atg S. unten.
90 Seelenleben. Gefühls- Vorstellungs-Willensseite des Afifekts. ^1

die Furcht als Niederschlagung ^), die Lust alsHebung oder der Hand der allgemeinen materialistischen Auffassung
Hinschmelzung der Seele 2) beschrieben. Weniger wird physiologische Vorgänge vorausgesetzt.
die Begierde physiologisch geschildert. Nur der Zorn, Viel mehr als das Gefühlselement kommt in der
den zur Begierde rechnen ^j, wird wie die
die Stoiker stoischen Lehre von den Affekten die V r s t e 1 1 ung s -
Lust als Hebung (tumor = enaQ ais) der Seele aufgefasst. Seite derselben zur Geltung. Zeno betrachtet sie als
Äusserlich betrachtet sind alle diese Begrifi'e , immer auf Urteile folgend i), Chrysipp infolgedessen als
materialistisch und mechanisch; bei genauem Zusehen Urteile selbst-). Besonders wichtig aber wurden zwei
findet man aber , dass damit die Grefühlsseite des Definitionen Chrysipps, die das Wesen der den Affekt
Affekts psychologisch beschrieben wird. Die neuere einleitenden Vorstellung näher bestimmen. Den Schmerz
Psychologie, z. B. diejenige Wundt's, charakterisiert die nannte er „einen frischen Wahn
von der Anwesen-
Affekte wie die einfachen Gefühle durch drei Gregen- heit eines Übels",und die Lust, „einen frischen Wahn
satzpaare: Erregung und Depression, Lust und Unlust. von der Anwesenheit eines Gutes." 3) Die „Frische"
Spannung und Lösung. *) Lust und Unlust oder Schmerz des Wahns sollte den Sinn haben, dass er noch Kraft
werden als Affekte selbst betrachtet. Erregung aber und eine gewisse Wachstumsfähigkeit (viriditas) haben
und Depression finden wir in den oben genannten Ter- müsse ^), um einen Affekt zu erregen, durch längere
mini als Hebung und Senkung angedeutet, Spannung und Dauer aber vertrockne und unwirksam werde.
Lösung als Zusammenziehung und Lösung, die freilich Dieser Betonung der Neuheit der veranlassenden
zusammen in der Stoa wohl nicht als Gegensätze gelten, Vorstellung liegt die Erkenntnis zu Grunde, dass alles,
einigermassen antizipiert. was in das Seelenleben eingeht, der geistigen Ver-
Und da die Affekte zunächst doch nur
in der That, arbeitung unterworfen wird und dadurch oft an gefühls-
psychologisch gegeben und zu betrachten sind physio- , erregender Kraft abnimmt. Wenn die Aufmerksamkeit
logische Beobachtungen aber in der Stoa nicht gemacht einem Gefühle und damit auch notwendigerweise den
wurden, so ist es einfach die Gefühlsseite des Affekts, Vorstellungen, an denen es haftet, sich zuwendet, um
die hier, allerdings noch sehr unvollkommen, dargestellt sie zu analysieren, oder sie sich auf ganz und gar disparate
wird. Und nach dieser Gefühlsseite wurden dann an Vorstellungen richtet, in beiden Fällen wird das Ge-

*) ransivcüdLi;, -) sna^dig odei* dva/^vaic;. Vergl. Zeno , a.

a. 0., und Epiktet an vielen Stellen, z. B. 8id)(vaiQ: 111,24, 85; *) Vergl. Pearson, S. 180.
snaiQSCFd^aL : III, 7, 7. Die dLa'/^vaig heisst bei Seneca dififusio Pearson, a. a. 0.
-j Dass Ghrysipp damit die anderen
animi=gaudium de vita beata, Kap. 4. Bonhöffer betrachtet (1,264)
:
beiden Seiten des Affekts nicht ausschliessen wollte, beweist Zeller,
\vaiQ als synonym mit ina^aLQ und dt,d)(V(ng und bezieht es eben- III, 1
3, S. 228. Anm. 2.

falls auf die ijSovi]. Aber Cicero bezieht die XifatQ bei Ghrysipp 3) ff. Nach Stobaeus, Ecl. II, 173 (ed.
Vergl. Bonhöffer,»!, S. 266
auf den Schmerz (vergl. Pearson, S. 180), womit auch besser über- Heeren), wurden auch Furcht und Begierde entsprechend definiert. Dass
einstimmt, dass Kleanthes (frg. 86) den Schmerz als na^dXvavg dies eine willkürliche Erweiterung seitens des Stobaeus sei, wie M. Heinze

TTjQ ipi'/^e bezeichnet. (S. 26) meint, kann ich nicht finden wegen Giceros (Tusc. disp. III, 25).
3) Vergl. Bonhöffer I, 265. So Gicero, Tusc. disp- III, 75. Was Gicero vom opinatum
*)

*) Vergl. W. Wundt, Grundriss der Psychologie 4. Aufl., Leipzig malum aussagt, kann man auch von der opinio mali selbst aussagen,
1901, S. 101, auch Völkerpsychologie, Leipzig 1900, I, 1, S. 38. die bald darauf genannt wird.
-

92 Seelenleben. Der „frische Wahn". 93

fühl schwächer — so lehrt die neuere Ps^^chologie. ^) wird von der Schule öfter betont, da sie für die sitt-
Dies war im allgemeinen auch der stoischen Schule be- liche Behandlung der Leidenschaften sehr wichtig ist.
kannt. Marc Aurel empfiehlt ausdrücklich, dasjenige, „Das beste Heilmittel gegen den Zorn ist die Zeit",
was eine gefährliche Gewalt über uns hat. wie Gesang. sagt Seneca^). Und auch dieser EinÜuss der Zeit ist
Tanz, Ringkampf, in seine Elemente, die einzelnen Töne in der Lehre vom „frischen Wahn'^ der die Ursache ,

und Bewegungen zu zerlegen, um „durch die Zerlegung des Aifekts sei, zum Ausdruck gekommen. ^1
zur Verachtung dieser Dinge zu kommen." -) überhaupt Dieser Wahn ist — das ist wichtig — keine Wahr-
uns gegen das. was gleichgiltig werden soll, dadurch heit. Alle Vertreter der alten Stoa waren darüber
deichoriltiii: zu stimmen dass wir es nicht als Ganzes,
. eins, dass „das Urteil, aus welchem der Affekt Heftig-
sondern zerlegt betrachten'''). Er weiss also sehr wohl, keit und Stärke gewinnt^ ein falsches und fe h 1

dass die Anal y s e der Vorstellungen den Gefühlston gehendes sei", ^) dass die Leidenschaften „Verdrehungen
herabsetzt. Diese Analyse tritt aber ganz unwillkürlich der Vernunft" seien. Wer dagegen die Wahrheit er-
ein. wenn eine Vorstellung länger dauert, und darum kannt hat, der hat das „gemeinsame Gresetz" erkannt, nach
kann eben nur eine „frische" Vorstellung die ganze dem alles geschieht, er lebt nach diesem Gesetze, gemäss
Macht des Gefühls bis zur „St()rung" der Seele ent- der Natur, nicht wider die Natur, also ohne Leiden-
fesseln. schaft. Die Wahrheit befreit vom Kummer. „Zweierlei",
Aber ganz abgesehen von der seelischen Verarbeitung, sagt Seneca, „giebt der Seele die meiste Kraft, das
die Zeit selbst wirkt auf die H eftigkeit des Gefühls Glauben der Wahrheit unddas Vertrauen auf sich selbst".*)
lindernd ein. Die heutige Psychologie weiss dass die . „Niemand wurde ie durch die Wahrheit o-eschädijrt".
Intensität Gefühls in einer Kurve verläuft, dass
des erklärt Marc AureP).
nach einem Höhepunkte ein allmähliches Niedergehen Die Betonung der Vorstellungsseite des Aifekts
stattfindet^). Diese Erfahrung des täglichen Lebens geht soweit, dass er geradezu schlechtes und un-
gezügeltes Denken genannt wird. ^) Es wird dies
Vergl. Kaut, Von der Macht des Gemüts, besonders folgende
verständlich, wenn man bedenkt, dass in der Stoa der
V)

stelle: „Ein vernünftiger Mensch statuiert keine solche Hypochondrie,


sondern wenn ihn Beängstigungen anwandeln, die in Grillen, d. i.
') De und De benef. 11, 14: „Das Urteü wird ge-
ira II, 29,
selbst ausgedachte Übel ausschlagen wollen, so fragt er sich, ob
hemmt durch die Aber wenn die Begierde sich gelegt,
Affekte.
ein Objekt derselben dasei. Findet er keins, welches gegründete
wenn der Trieb der brennenden Seele, der die Überlegung ver-
Ursache zu dieser Beängstigung abgeben kann, oder sieht er ein, dass,
scheucht, sich gesenkt hat, dann verabscheuen wir die verderblichen
wenn auch gleich ein solches wirklich wäre doch dabei nichts zu
,

Geber schlechter Geschenke." Vergl. auch Epiktet, Ench., K. 20.


thun möglich sei, um seine Wirkung abzuwenden, so geht er mit
diesem Ansprüche seines inneren Gefühls zur Tagesordnung, d. i., er ^) Ich kann darum auch nicht Bonhöffer beistimmen, der meint
lässt seine Beklommenheit (welche alsdann bloss topisch ist), an ihrer
(I, 273), die Theorie von dem frischen Wahne habe gar keinen
Stelle liegen, (als ob sie ihn nichts anginge) und richtet seine Auf- wissenschaftlichen Wert. Ich finde darin vielmehr gewisse Seiten
merksamkeit auf die Geschäfte, mit denen er zu thun hat.* des psychischen Thatbestandes bezeichnet.

2j XI, 2. 3) XI, 16 3) Vergl. Zeno, frg. 135.


*) Vergl. W. Wundt, Grundzüge der physiolog Psychologie, ^) Ep. 94, 46. '-)
VI, 21.
4. Aufl. I, S. 576. «J Vergl. Zeno, frg. 135.
H Seelenleben. Die edlen Affekte. 1)5

denkende Seelenteil überhaupt die ganze Seele darstellt. V) Darstellung der Gemütshewegungen eine ethische
In ihm finden die Leidenschaften statt, nicht in einem Disjunktion eingedrungen.
anderen, untergeordneten Seelenteile, der ja von M. AurePj Neben den Affekten, von denen bisher die Eede ge-
auch angenommen wird. Damit ist aber ein starkes wesen ist, die sämtlich sittliche Verirrungen darstellen,

Willenselement in ihnen notwendig gegeben. Denn der nehmen die Stoiker noch edle Affekte (evnddsiav.
führende oder denkende Seelenteil ist völlig sou- honesti affectus) an, die, wenn das Verfahren psycho-
verän gegenüber der Umgebung. Von seinem Willen Arten der allgemeinen Gattung „Affekt"
logisch wäre, als
hängt es ja al) einem Satze zuzustimmen oder nicht,
.
erscheinen müssten; da aber die ethische Wertung vor-
ihn als wahr oder und demgemäss
falsch zu betrachten waltet, so werden sie als neue Gattung eingeführt.
sich zu verhalten. In immer neuen Wendungen wird Freilich nur die alte Stoa scheint die „edlen Affekte''
diese Souveränität gepriesen: „Der führende Seelenteil einer besonderen Lehre gewürdigt zu haben, die spätei^
lässt alles, was geschieht, sich erscheinen, wie er will."') wohl nicht weiter ausgebildet wurde. Wenigstens findet
^Die Dinge haben nicht die Fähigkeit, unsere
selbst .sich weder bei Epiktet noch bei Marc Aurel das ent-

Und nur so ist es verständlich,


Urteile zu erzeugen*.'*) sprechende Wort oder ein gleichartiger Ausdruck, ^)

wenn Marc Aurel wiederholt auffordert: „Lösche die Jedem der drei ersten Typen der unvernünftigen
Vorstellung aus !
" ^) Affekte entspricht als Gegenstück ein vernünftiger Typus.
So ist also, von den Handlungen, die in der Leiden- Der Begierde steht gegenüber der rechte Wille
Schaft geschehen, abgesehen, schon mit der Vorstellung -), der Furcht die Vorsicht (evlaßsia), der
(ßovX7]CFig)

allein ein starkes Willenselement im Affekte vorhanden.*^) Lust die Freude (x«?« Der vierte Typus, der leiden-
).

Wie aber die ganze Affektenlehre der Stoa der schaftliche, vernunftwidrige Schmerz, kann ein ver-
Ethik dienen soll, so ist auch in die psychologische nünftiges Gegenstück nicht haben. Denn ein vernünftiger
Schmerz ist durch die durchaus optimistische Weltan-
schauung der Stoa ausgeschlossen.^)
>) VergU Bonhöffer I, 95 fif., 113 ff. 'Hysfiovixov^ (Principale)
und ÖLcivoLa bedeuten ursprünglich nur den denkenden Seelenteil, Der rechte Wille besteht zunächst aus zwei Teilen,
bald aber das ganze Seelenleben, Gefühl und Willen einschliessend» dem rechten Willen gegen die Mitmenschen und dem
2) III, 16 und XI, 19. gegen das Schicksal. Der erste Teil heisst Wohl-
3) Marc Aurel VI, 8.
wollen (evvoia^ svfievsLa). der zweite Zufriedenheit
*) M. Aurel VI, 52. Ähnlich auch IV, 3, V, 19, V. 26, XI, 1.
(ay(xnrj(TLQ^ danaafioQ). ^) Doch wird noch ein dritter Teil
5) VII, 29, VIII, 29.
*)Wegen dieser Allmacht des denkenden und wollenden Seelen- hinzugefügt, der eigentlich im ersten enthalten ist, nur
teils wäre es nicht allzusehr zu verwundern, wenn, wie Cicero wegen seiner besonderen Beziehung auf die Philosophie
berichtet, die Affekte schliesslich „freiwillige Störungen** genannt
') Vergl Bonhöffer, I, 286.
wurden (Zeno frg. 138, Pearson S. 178). Doch widerspricht dies dem
^) Vergl. Bonhöffer, I, 284 ff. ^) Dies, scheint mir, ist der Grund
eigentlichen Wesen der Affekte, die eben nicht den freien, sondern
den vom Irrtum verführten Willen, ausserdem Schwäche, Leiden der
des Fehlens des vierten Edelaffekts, denTh. Ziegler, Geschichte der
Ethik I, Bonn 1881, S. 169, vermisst.
Seele und Mangel an Spannkraft (so Ghrysipp ; vergl. Bonhöffer, I,

275) voraussetzen, so sehr, dass ich diese Angabe Giceros für einen
*) Eine hiervon abweichende Deutung der äydnqaig und des
oanaa^iOQ hat Bonhöffer (II, 57) zurückgenommen.
seiner nicht allzu seltenen Irrtümer halte.
.

AusdrucksbeAveguDgen. Bewusstsein 97
Seelenleben.
96
d r u c k s b e w e g u n g e n. Doch ist diese Seite des
von ihr getrennt wird nämlich der Eros, die philo-
,

Themas in der Stoa nur berührt worden. Seneca hält


sophische Liebe, die ähnlich wie bei Plato definiert wird
die Ausdrucksbewegungen nicht für eigentliche Zeichen
als „die Absicht, einen wegen sittlich
schöner Erscheinung
",i) was nach dem Zusammen- des Affekts und des Seelenzustandes , den sie begleiten,
zum" Freunde zu erwerben
wird, sich be- sondern für blosse „Schläge des Körpers." ^ Sie
hange, in dem diese Definition angeführt
)

Philosophen zu einem sind von unserem Willen unabhängig und können, wie
sonders auf das Verhältnis des
z. B. das Schliessen der Augenlider vor der geballten
gut beanlagten Jüngling bezieht. 2)
Faust, nur durch lange (Tcwöhnung und Beobachtung
Die Vorsicht hat zwei Teile, Ehrgefühl
{aiöcog)

Ehrgefühl wird näher beschränkt aber nicht ganz unterdrückt werden. -)


und K
e u s c hh e i t [äyvsia). Das ,

Tadel". Es Epiktet hingegen scheint in Bezug auf das Erröten


bestimmt als , Vorsicht vor berechtigtem ,

sondern die erste wenigstens, anzunehmen, dass es willkürlich erfolgen


ist bei Epiktet nicht bloss ein Afiekt,
könne. Er fordert, dass es beim Anhören unanständiirer
aller Tugenden, wie wir noch sehen werden. Die Keusch-
Worte geschehe.^) Er betrachtet es auch als einen
heit aber scheint nach dem wenigen, das uns überliefert
Begriff der Vorzug des Menschen^) vor dem Tiere.
wird, in der stoischen Schule den weiteren
äusseren und inneren Noch eine Seite des Seelenlebens, die alle Teile des-
Reinheit, besonders auch der selben betrifft, hat die Stoa zuerst in den Bereich ihrer
nötig ist. gehabt zu
Reinheit, die zum Gottesdienste
Aufmerksamkeit gezogen, nämlich das Bewusstsein,
haben. ^)
evd-vßia) während Aristoteles in seiner Psycholoo-ie diese Seite
Die Freude (/«(>«, auch reoi/;it;, evcpQoavvi] ,

der seelischen Zustände noch ganz ausser acht lässt.


endlich, die der Lust (ijdovi^) entgegengestellt wird, grenzt
Die Stoa scheint zuerst für das Bewusstsein der eigenen
nahe an die von der Tugend untrennbare Eudämonie.
.sehr
behandeln sein inneren Zustände ein eigentümliches Wort, owaldii-r^GiQ^
mit der sie weiter unten zusammen zu
geprägt zu haben. Das Tier hat ein instinktives Be-
wird.
berühren wusstsein seines Körperbaues, einen sensusconstitutionis^).
Mit Ausnahme des letzten der Freude , ,

mit entsprechenden der Mensch auch ein Bewusstsein seiner geistigen Zu-
sich alle edlen Affekte sehr nahe
wurde, stände,z. B. seiner Schwäche und Unfähigkeit in den
Tugenden, wie vom Ehrgefühle schon bemerkt
notwendigen Dingen des Lebens.")
vom Wohlwollen, der Zufriedenheit mit dem Schicksale
klar ist.
und dem philosophischen Eros ohne weiteres
notwendig dazu führen, dass die Lehre von De De
Dies musste ') ira II, 3. -') ira II, 4.
verschmolzen
den edlen Affekten mit der Tugendlehre
3) Enr.bir., K. 33, 16. ^) III, 7, 27.

^) Vergl Seneca, ep. 121, 5 ff. Ganz ähnlich Epiktet I, 2, 30.


wurde. «) Epiktet II, 11, l. Vergl. Bonhöffer I, S. 137. Wenn H. Siebeck
Zu einer vollständigen Theorie der Affekte gehört (Geschichte der Psychologie
I, 2, Gotha 1884) S. 335 den Ausdruck
auch eine Darstellung und Erklärung ihrer
Aus- (TwaladTjCnQ zuerst bei Alexander von Aphrodisias finden will, so
aw. nicht als dem heutigen technischen Sinne
scheint er die stoische
von Bewustsein entsprechend zu verstehen, nur als Bewusstsein der
1) Vergl. Bonhöffer, I, 288 ff.

239. seelischen Gesamtlage, nicht in dem Sinne des Gegensatzes der


2) Dies ist ganz klar bei Stobaeus, Ecl. ed. Heeren, II,

Apperception zur Perception, der schon bei der Empfindung erscheint.


3) Vergl. Bonhöffer I, 292 ff.
Barth, Die Stoa. 7
98 Unsterblichkeit.
Epiktet, Marc Aurel, Posidonius darüber.
99
80 hat die Psychologie der Stoa, obgleich sie durch Schmerz empfindet, istauch der Krankheit unterworfen.
die überall vorherrschende ethische Wertung überschattet Was krank werden kann, geht auch unter. Also geht
wird, doch nicht ohne eine gewisse Selbständigkeit die
auch die Seele unter.
Thatsachen des Seelenlebens betrachtet.
Ahnlich wie Panaetius, aber nicht so entschieden
urteilen Epiktet und Marc Aurel. Bei Epiktet findet
sich kein Beweis seiner Annahme der Unsterblichkeit. 1)
B. Die Unsterblichkeit der Seele.
Vielmehr die Elemente, aus denen der Körper besteht,
gehen in ihresgleichen über. 2) Von der Seele sagt er
Die Unsterblichkeit der Seele in Verlundung mit .

nichts, während Marc Aurel von den körperlichen


Ele-
der Seelenwanderung ursprünglich wohl eine Anleihe
.

menten dasselbe behauptet wie Epiktet, s) die Seele aber


aus den Greheimkulten der Griechen war durch Plato, ,

nach dem Tode in die samenartige Vernunft, aus der


wenn auch vielfach nur in mythischer Darstellung, zum Be- sie hervorgegangen ist. zurückkehren lässt.^)
standteile seines Systems erhoben worden. Jedes neue Eine
individuelle Unsterblichkeit giebt es bei
S^^stem musste nun zu dieser Erage bejahend oder ver-
ihm nicht.
neinend Stellung nehmen.
Dagegen Posidonius die Unsterb-
finden wir bei
Durch ihren ausgesprochenen Materialismus wurde
lichkeit gelehrt auf Grund zweier Argumente Piatos:
die Stoa verhindert, hier an Plato anzuknüpfen. Für
Die Seele müsse unvergänglich sein als Ursache der
Plato ist die ganze Seele als Einheit unsterblich, trotz
Bewegung, die selbst nie aufhören könne. Sie müsse
der Unterscheidung ihrer drei Vermögen oder Teile.
ferner auch unauflöslich sein, da sie nicht zusammen-
Für Zeno ist die gröbere Materie derselben vergänglich, gesetzt sei. sondern eine Einheit darstelle. Sie entsteht
sie wird allmählich in das Unsichtbare ausgegeben. Nur
ferner nach Posidonius nicht mit dem Körper, sondern
die Vernunft, der Seelenmaterie allerfeinster und
kommt von aussen in ihn hinein, woraus ihre Präexi-
göttlicher Teil, sei unsterl)lich.M Kleanthes folgte ihm
stenz, ihr Dasein vor der Verbindung mit dem Leibe
hierin wohl nach, während Chrysipp selbst jene teilweise
i'olgt. ^)
Unsterblichkeit nur den Seelen der Weisen zuschreiben
Xur die Seelenwanderung übernahm Posidonius von
wollte.-')
Plato nicht, ebensowenig wie derjenige Stoiker, der die
Seltsamerweise zog gerade Panaetius trotz seiner .

Unsterblichkeit am breitesten ausgemalt und ofi^enbar


Hinneigung zu Plato die strengsten Folgerungen aus
.

dem stoischen Materialismus. Er lehrte:^) Alles, was *) Ausgenommen Fragm. 30 (Schweighäuser) (fr. 19 bei Schenkl,
S. 467), das aber Schenkl (S. 461) mit vollem Rechte für unecht
hält. Ench. 15: „Du wirst ein würdiger Zechgenosse der Götter sein",
M Zeno, frj;. 95. istbloss Ausdruckweise in populärer Mythologie, die keinen Glauben
2) Kleantiies, frg. 41. Wenn Kleanthes ausdrüclclich nur von an diese Mythologie einschliesst, wie Epiktet auch sagt (II, 6, 18):
der Fortdauer der Seelen bis zur nächsten Feuerwerdung spricht, so ,Was kümmert's dich, wie du in den Hades gehst?" und doch nicht
kommt dies doch wegen der ewigen Wiederkehr der Dinge auf Un- an die Existenz des Hades glaubt (III, 13, 15).
sterblichkeit hinaus.
') III, 13, 14. 3) IV, 21. *) IV, 21 und VII, 50. Vgl. oben, S.43.
3) Vergl. Schmekel, S. 197,
5) Vergl. Schmekel, S. 249 ff.
Unsterblichkeit. Senecas Unsterblichkeitslehre. 101
100

zu einem Eckstein seines Systems


gemacht hat, nämlich Katur . >;ieht alles Menschliche von entfernter Höhe,
Seneca. M alles Göttliche hingegen, dessen Art und Weise sie so
die Klage, die,
In allen Tonarten wiederholt Seneca lange vergeblich gesucht hatte, aus grösserer Nähe".^)
erklungen, doch erst In der Heimat der Seligen sieht man den ganzen Sternen-
obwohl schon bei den Pythagoreern
seit Piatos Apologie nicht verstummt ist und schon m himmel und seinen Umschwung aus der Nähe. -) Metronax
der mittleren Stoa-) zu ihren
Grundtönen gehört, dass sagte, und Seneca stimmt ihm zu: „Ich gehe mutiger
der Körper das G e f ängn i s der S ee 1 e sei. „Unser davon, weil ich glaube, dass mir nun der Weg zu meinen
Körper ist die Last und die Strafe der Seele. -^3) Die (röttern offen ist. Ich habe verdient, zu ihnen zuge-
Seele verhält sich zum Körper wie Gott zum Weltall. lassen zu werden ich war schon unter ihnen
. habe ,

soll ihr dienen, reisst sie aber


dennoch zu meinen Geist zu ihnen, und jene haben den ihrigen zu
Der Körper
sie zu einem
einem niederen Leben herab und zwingt mir gesandt."^) „Jener Tag, den du als den letzten
harten Kampfe^) und ermöglicht ihr
nur eine dunkle fürchtest, ist der Geburtstag der Ewigkeit Einst . . .

Erkenntnis. ^) Sie stammt aus dem göttlichen Urfeuer, werden dir die Geheimnisse der Natur ent-
also aus der Welt jenseits des Mondes,
vom Himmel, hüllt werden, das Dunkel hier wird sich zerstreuen und
Das Leben
und kehrt durch den Tod dorthin zurück. überallher wird helles Licht durchdringen. Denke dir, wie
nicht sehr ähnliches Abbild der gross jener Glanz sein wird, wenn so viele Sterne ihr
istnur ein schwaches,
Da auch dieses mit dem Tode vergeht, so lässt Licht vereinigen! Kein Schatten wird die Helligkeit
Seele. «)
zurück, sondern entflieht ganz. trüben Gleichmässig wird jede Seite des Himmels
sie nichts von sich !

„Nachdem indem sie sich reinigt, die anhaltenden


sie, glänzen. Tag und Nacht sind nur Wechselzustände der

Fehler und den ganzen Schmutz des sterblichen Lebens untersten Luftschicht. Du wirst dann sagen, dass du im
abschüttelt, kurze Zeit über uns
geweilt hat, erhebt sie Dunkel gelebt hast wenn du und zwar mit deinem
. ,

sich zu den Höhen (des Weltalls)


und schwebt unter den ganzen Wesen das ganze Licht erblickt haben wirst,
,

seligen Geistern. Es hat sie eine heilige Schar aufge- das du jetzt nur durch die sehr engen Wege deiner

nommen."^) Dort vollendet sich die Erkenntnis, die Augen unklar anschaust. Und dennoch, schon aus der
hier angestrebt, doch immer
unvollkommen war. Die Ferne bewunderst du es. Wie wird das göttliche Licht

unsterbliche Seele „freut sich des Anblicks der ganzen dir erscheinen, wenn du es an seinem eigenen Orte
schaust!" ^) Selbst die Christen konnten von den Freuden
Quaest. III, 30, 7, spielt er nicht auf die Seelenwande-
») Nat.
des Himmels keine lebhaftere Darstellung geben. Die
rung an, sondern meint sittliche Vertierung.

Vergl. Schmekel, S. 249. philosophisch gebildeten Apologeten, wie Athenagoras,


-') Bei Posidonius.
^) Ep. 65, 16, Ep. 102, 22, Nat. Quaest., ProL, 12. gebrauchen dazu ähnliche Wendungen wie Seneca. die
*) Ad Marciam Kap. 24.
4 Ad Marciam, Kap. 24. Ep. 79, 11 f.
bonorumque observator Animus magnus et sacer. De tranqu.
«) Ad Marciam Kap. 24, 5. an., K. 9: sacrorum opera ingeniorum, d, h. der Denker und Dichter.
') illum coetus sacer.*^
.excepit Ad Marciam, K. 25. Es ist Ep. 67, 13 ist die Rede von Gatos sacrum pectus.
vorhanden, mit Haase diesen Salz zu streichen. Denn Ad Polybium. K. 9. Ad Marciam, 26,
kein Grund ^)

das er zunächst von jeder denken-


sacer ist ein Lieblingswort Senecas, 2) Ep. 93, 9. 3) Ep. 93, 10. M. ist Zeitgenosse S.'s, Stoiker.

den Seele gebraucht. Ep. 41 : Sacer inter nos spiritus sedet, maloruiii *) Ep. 102, 26 und 28.
102 Das ethische Ziel.
Die Konsequenz. 103

zum Teile erst von ihm oder von einem


sie violleicht
leben. Das heisst aber nach einem, mit sich , zu-
andern Stoiker entlehnt haben. ^) sammenstimmenden Prinzipe zu leben, da diejenigen, die
widerspruchsvoll leben, nicht glückselig sind."
Dieser von Zeno auf die Folgerichtigkeit
2. Kapitel. und Einheitlichkeit des Handelns gelegte Accent
Das ethische Ziel. blieb in der Schule immer wirksam. Und wenn nach
Kant: „konsequent zu sein . die grösste Obliegen-
Der Kern der stoischen Lehre ist, wie oben er- heit eines Philosophen ist,"^) so hat die Stoa für das
wiesen, ihre Ethik.-) Auf ihr beruht ihre weltgeschicht- Handeln diese höchste Pflicht sehr bewusst eingeschärft.
liche Bedeutung, sowie der Ruf, dessen sich die Schule „Schreite fort; und vor allem sorge dafür, dass du
im populären Bewusstsein erfreut. dir selbst gleich bleibest", ruft Seneca aus. 2) Nichts
Alle Systeme der Ethik lassen sich in zwei grosse ist schimpflicher, als sich selbst ungleich zu sein. Halte
Klassen einteilen, je nachdem sie ein bestimmtes Ziel darauf, „nur eine Charakterrolle zu spielen". ^) „Kühn
setzen, also ein Objekt des Willens bestimmen oder, kann man es aussprechen, das höchste Gut ist die Ein-
ohne ein Objekt zu nennen, ein blosses Gesetz zur Be- tracht der Seele mit sich selbst. Die Tugenden werden
folgung aufstellen. Die erste Klasse ist die der mate- dort sein müssen, wo Harmonie und Einigkeit ist, die
r i a 1 e n in der Erfahrung gegebenen oder wenigstens
. Laster sind uneins. " ^j

mögliehen, die zweite Klasse die der formalen, ,,Du darfst nicht ein Mal Sklave sein wollen, ein
nicht gegebenen, sondern konstruierten Prinzipien. ander Mal nicht, sondern einfach und aus ganzer Seele
Die stoische Ethik ist weder rein formal, noch rein entweder dies oder jenes," verlangt Epiktet^) und dass
material, sondern sie hat verschiedene Prinzipien beider man bei dem richtig Entschiedenen bleiben solle. ") Jede
Arten zusammengewoben. Sünde schliesst ausserdem schon in ihrem Entstehen nach
Ein formales Prinzip und zwar ein sehr wichtiges ihm einen Widerspruch in sich ^), nämlich zwischen dem
ist schon von Zeno mit folgenden Worten ausgesprochen Wollen, das nach der Stoa von Natur gut ist, und dem
worden: ^ ^Das Ziel ist übereinstimmend zu
) : Handeln. ^)

Dieselbe Folgerichtigkeit stellt sich bildlich i\I. Aurel


*) Vergl. Athenagoras: de resurrectione cadaverum, Kap. 24:
»Das Ziel aber eines vernünftigen Urteils ist unfehlbar ewig innig
vor, wenn er mahnt : „Den geraden Weg nach dem Gresetze
vereint mit demjenigen zusammen zu existieren, woraus wesentlich
und zuerst die Ordnung der Natur zusammengefugt ist, und an dem M Kritik der praktischen Vernunft, (ed. Kehrbach) S. 28.
Schauen dessen, der diese Ordnung gegeben hat, und seiner Ge- -) Ep. 35, 4. Ebenso Ep. t>8, 7; 31, 8; 34, 4.
danken sich unaufhörlich zu erfreuen/ »Woraus wesentlich erst die
') Ep. 120, 22.
Ordnung der Natur zusammengefügt ist,** das sind nach desselben
Athenagoras libellus pro christianis, Kap. 36 die Ideen Piatos , alle
'*)
Ad Gallionem de vita beata, Kap. 8.

unkörperlichen Prinzipien, die älter (uQeaßvTSQa) sind, als die ^) II, 2, 13. Der Sinn verlangt notwendig am Anfange des
körperlichen. Satzes nach dem 'Aal ein ^irj einzuschieben, das in allen Ausgaben
2) S. oben S. 32. fehlt. «) II, 15, 7.
') Frgm. 120. Epiktet II, 26, 1. «) Vergl. Seneca, Ep. 89, 14 f.
)

104 Das ethische Ziel.


Verwerfung der Reue. 105
einzuhalten und Gott zu fol^^on d(»r selbst immer die
Thun) bereuen." i) Auch Epiktet hebt hervor, dass der
.

gerade Richtung innehält."^)


Weise .,mit sich selbst nie sclielten, nie zwiespältig sein,
Mit dieser Betonung der Konsequenz hängt der nie bereuen, nie sich martern wird."-) Und Marc Aurel
Wert zusammen den . die Gewissen
Stoa auf das spricht sehr geringschätzig von dem. ..der fast alles, was
legt. Wer immer sich gleich bleiben soll, der muss ja er thut, bereut."^)
in sich auch denWegweiser des Handelns haben. Und In der neueren Philosophie besonders bei Spinoza ,

da dieser Wegweiser gut sein muss, so steht Gewissen wird die Reue verworfen, weil sie zur Unlust, also zu
bei Seneca geradezu für „gutes Gewissen."-) Mit den schwächenden und darum zu meidenden Affekten
sehr beredten Worten preist er dieses , wie es auch in zählt. ^) Bei den Stoikern tritt mehr ihr intellektueller
höchster, unverdienter Pein doch nicht von seiner H()he Gegensatz gegen die über alles gepriesene Konsequenz
herabsteigt.^) Bei Epiktet und bei M. Aurel wird das hervor^) und mehr die sittliche Verwerflichkeit des
Gewissen mit dem einem jeden beigegebenen Dämon Irrtums, der ja der Tugend der Weislieit widerspricht.
identifiziert. '
„Das dachte ich nicht, zu sagen, betrachte ich als die
Mit der Hoehschätzung der Konsequenz hängt es schimpflichste Entschuldigung für einen Menschen", ß)
zusammen dass die R e u e nicht nach ihrer positiven
.
Noch näher kommt Seneca an strengen Formalis-
Seite, als Rückkehr zum Guten geschätzt, sondern nach mus heran, wenn er meint, nicht auf Erreichung des
I ihrer intellektuellen Seite als Zeichen einer geschehenen Zweckes komme es an, sondern darauf, dass man alles
Abirrung, und als ein gewisses Verweilen bei dieser in der rechten
Weise thue. Ebenfalls formal, so- "')

Abirruns; verboten wird. .,Der Weise bereut nie sein gar Kantisch scheint: „Wir wollen nicht ein und das-
Thun. er ändert nie, was er gethan hat, er wechselt nie selbe begehren! Unter Mitbewerbern entsteht Streit!"»)
seinen Entschluss". sagt Seneca.^) Und da. wie wir
oben gesehen haben, „sich selbst ungleich zu sein", das
Seneca Ep. 115, 18. Auch De ira II, 28: ,Nobis ne irasca
Allerschimpflichste ist, so muss die Freiheit von diesem mur, minime dis".
Fehler, also auch die Freiheit von der Reue sehr hocli -) II, 22, 35. ^) VIII, 53.
stehen. ^) Vergl. Spinoza, Ethica IV, prop. 54.
•^)
-Die Philosophie wird dir das leisten, was ich für Vergl. A. Bonhöfifer, I, S. 303. „Dass Epiktet die ^srdvoia
(Reue) als Bekehrung nicht verwirft," hat Bonhöffer nur gefolgert,
das Grösste halte : Niemals wirst du dich selbst (Dein
ausgesprochen ist es nicht.
«) Seneca, de
ira, II, 31. Vergl. auch Zeno, frg. 153.
*) X, 11. Auch IV, 18 und V, 3. Ebenso wenn er ein Ziel Ep. 85, 32 huic enim (sapientij propositum est in vita agenda-
')

f durch das Leben festzuhalten rät. (XI. 21.) non utique, quod temptat, efficere, sed omnia recte facere. Und
-) Ep. 81, 20: »ne conscientiam perderet« Ep. 97, 16 hingegen scheinbar wird auch Ep. 73, 3 der Zweck zurückgewiesen mit den

bedeutet conscientia das strafende Gewissen. Worten: nee ambitio tantum instabilis est, verum cupiditas omnis.
quia incipit semper a fine. Hier wird nicht das Zwecksetzen an sich,
5) De beneficiis, IV. 21.
sondern nur das ruhelose Hasten von einem erreichten zu einem
*) Vergleiche : Bonhöffer II, S. 83. Anm. 2. Und oben S. 47. neuen Zwecke getadelt.
^) Mit den Worten eines Gegners, die er sich zu eigen macht. Ep. 14, Auch
«) 9. Epikt. I, 22, 14. Vergl. Kant, Kritik der
De benef. IV, 34. pr. Vernunft, ed. Kehrbach. S. 33.
106 Das ethische Zie?« Die Freiheit.
107

Aber, wie sehr dies alles nach Ausschliessung; des Zweckes, A f f e k t e und die
ä u s s e r e n D i n g e. Diesen beiden
des Objektes des Willens klingt es ist eben nur ein . Feinden gilt der sittliche Kampf der Stoa.
Anklingen, ein vorübergehendes Gefühl für die Bedeutung Die Voraussetzung aber der Forderung der Freiheit
des Formalen nicht die Erkenntnis, dass ein formales
, ist ihre Möglichkeit. In dieser Beziehung geht die Stoa
Prinzip allein herrschen müsse. Dazu ist das hellenische trotz ihres Grlaubens an die Gesetzmässigkeit aller Dinge
Denken noch zu sehr mit der Anschauung verwachsen. sehr weit. Sie lehrt die volle Souveränität
des
Es bedarf eines anschaulichen, wenn auch inneren, Geistes gegenüber den inneren Erlebnissen sowohl wie
seelischen Zieles des Handelns. den Vorstellungen, mittels deren die Aussendinge auf
In der That wird ein solches imter mannigfaltigen uns wirken. „Mir ist mein Seelenleben der Stoff, wie
Namen immer und immer wieder dem Hörer oder Leser dem Baumeister das Holz, dem Schuster das Leder",
vorgehalten, der häufigste der Xamen dieses Zieles ist: sagt Epiktet. 1) Und Marc Aurel 2); „Der Geist macht
Ereiheit.M Sie gehört in der Stoa so zum Wesen alles zum Stoffe, was ihm entgegengebracht wird, wie

der Sittlichkeit, dass sie den Satz prägte: „Der Weise ein Feuer, wenn es das Hineinfallende bewältigt, von
ist allein frei!"-), dass Epiktet den Freien, dem höch- dem ein kleines Licht ausgelöscht worden wäre. Das
sten Gotte, Zeus, gleichstellt ^j, dass er in seinen Vor- leuchtende Feuer aber macht sich das Zugelegte sehr
trägen seinen gedachten Gegner oder den Unweisen schnell zu eigen, und verzehrt es und erhebt sich aus
immer mit Sklave anredet oder bezeichnet.^)
.,
•"
dem Zugelegten desto höher".
Da Freiheit und Gebundenheit korrelative Begriffe Dass wir unser Lmenleben, bis zu einem gewissen
sind, so ist der erste durch den letzten zu erläutern. Grade wenigstens, in unserer Gewalt haben, lehrt die
Es zu bestimmen, was den nicht sittlichen Menschen
ist Erfahrung. Aber die Stoa lehrt, wie schon oben erwiesen.
fesselt um zu erkennen wovon der sittliche frei ist.
, . dass wir auch über die Vorstellungen, die von aussen

Es sind vor allem zwei Fesseln, die immer kommen, Herr sind. „Die Dinge selbst sind nicht fähig
1!

wieder als Sklavenketten bezeichnet werden Die :


unsere Urteile zu schaffen". 3)
Sowohl gegen die Linenwelt, soweit sie nicht Geist
und vernünftiger Wille ist, wie gegen die Aussenwelt
^) Alle Vorzüge des sittlichen Menschen werden in diesem Worte
ist der Geist die „Burg" des Menschen, die ihn schützt. M
zusammengefasst bei Epiktet IV, 1, 1. Bei Marc Aurel VIII, 51 wird
die Freiheit an erster Stelle (erst nach ihr das Wohlwollen, die Ein-
Bei dieser Allmacht des Geistes ist es kein Wunder.
heitlichkeit des Handelns und die sittliche Scheu) mit einer ewig dass vor allem die Freiheit von den seelischen Störungen.
strömenden, durch nichts zu trübenden Quelle verglichen. Und in den „Krankheiten der Seele" d. h. von den Affekten
der Sentenzensammlung des Stobaeus heisst es, jedenfalls aus stoischen
verlangt wird.
Quellen (frg. 31 bei Schenkl.Ausgabe des Epiktet S.470):
in seiner
Die Affekte sind wie wir oben^) gesehen haben^
.Freiheit und Knechtschaft, der eine der Tugend Name, der andere
,

des Lasters."
Triebe, die durch ihr Übermass die all waltende Ord-
2j Eines der berühmten Paradoxa Stoicorum. Dass es, wie die Vergl. Bonhööer,
') III, 22, 20. I, S. 113. 2) jy, \,
andern, schon von Zeno ausgesprochen wurde, lässt sich folgern 3) M. Aurel VI, 52. Vergl. oben S. 94.
aus frg. 155. =») IV, 1, 90. *) Vergl. Seneca Ep. 82, 5, M. Aurel VIII, 48.
*) I, 4, 14. I, 22, 20 und an vielen anderen Stellen. 5) Vergl. S. 88.
l

I
Das .nalursemässe' lieben. 1(J9
108 Das ethische Ziel.

Instinkte, die doch recht eigentlich Hilfsmittel der Natur


nunc: stören. Sie sind darum wider die Natur. Die
zu ihren Zwecken sind, ist ihm seltsamerweise Chrysipp
Aufgabe der Tugend oder der Sittlichkeit aber ist es,
gefolgt.^)
„mit der Natur übereinstimmend zu leben."
Dennoch nach Chrysipp der Satz bestehen, dass
blieb
I

Dieses „mit der Natur'^ hat Kleanthes^) hinzugefügt,


die Natur mit der allgemeinen, d. Ii. der
individuelle
nachdem, wie wir oben gesehen haben. Zeno bloss über-
vernünftigen Weltordnung harmoniere, -) und diese Har-
stimmend, d. h. einheitlich und folgerichtig zu leben ge-
monie die Tugend sei. Damit war den Störungen dieser
fordert hatte. Und das ..naturgemässe Leben" ist seit-
Harmonie, den Affekten der Krieg erklärt. Die Frei-
dem Formel der Sittlichkeit geblieben ^).
in der Stoa die
heit von den Affekten, der eine Teil der allgemeinen
FÄne sehr wichtige Ergänzung dieser Formel gal)
Freiheit, wird ein notwendiger Bestandteil der Sittlich-
Chrysipp, indem er die Frage erhob, ob man unter der
keit. Der Aft'ekt beruht auf einer ungeprüften Vor-
„Natur" die allgemeine oder ])loss die eigene,
stellung^), er reisst uns, so bald er einmal zugelassen
d. h. die individuell menschliche zu verstehen habe, und
ist, fort und tliut was er will,') beraubt uns also der
sich für die Übereinstimmung beider entschied^). Da-
Freiheit, er macht uns zur Marionette.^)
mit wollte er sagen, die individuelle Vernunft müsse
Er ist darum unwürdig des sittlichen Menschen, es
sich mit der allgemeinen, die ganze Natur durchwalten-
gilt ihn auszulöschen und zur völligen Apathie, d. h.
den Weltvernunft decken. Zeno hatte sicherlich manches
Freiheit von Gemütsbewegungen und von Aufregungen
I seiehrt, was der individuellen Vernunft, d. h. der
zu^ gelangen. Diese Apathie bedeutet nicht (jefühllosig-
menschlichen Natur wie sie im Individuum lebt zu-
, ,

keit, da der Weise ja gemässigte Triebe hat, ^) nur die


wider war. Die natürlichen Triebe, die Instinkte hatte
Unterordnung der Affekte unter den führenden Seelen-
er indem er lehrte, vieles, was die Sitte
missachtet,
teil, der durch die Affekte geschädigt wird, ^) durch die
verbiete, wüe derGenuss von Menschenfleisch, eheliche
Tugend aber seine natürliche Bestimmung erfüllt.^)
Verbindung von Eltern und Kindern Knabenliebe sei .

Manche Affekte, die von anderen Philos()])hen ge-


nicht gegen die Natural. In dieser Missachtung der
billigt werden, werden von der Stoa ebenfalls verworfen.

1
So der Zorn, den Aristoteles und seine Schüler zu-
*) Wie Slobaeus, Ecl. II, 34 f., ausdrücklich bezeugt. Diesem
lassen, der aber der Freiheit widerspricht, wie jeder
Zeugnis gegenüber kommt Giceros und Diogenes' Angabe, dass schon
Zeno die erweiterte Formel gebraucht habe, nicht in Betracht, da andere Affekt^). nur bei Auch er ist den Schwäch-
Diogenes sich öfter als ungenau erweist, Cäcero aber leicht eine lingen, also den Unfreien, möglich ^*^).
Verwechslung Zenos mit Kleanthes begegnen konnte. Vergl. Hirzel
») Vergl. A. Dyroff, Die Ethik der alten Stoa. Berlin 1897,
a. a. 0. S. 105 ff. Der Zusatz ist übrigens nicht original, schon der
S 132, 147. 2) Vergl. M. Aurel V, 3. ^) Siehe oben S. 93.
Akademiker Polemo hatte das naturgemässe Leben empfohlen. Vergl.
*) Seneca, de ira I, 8. ^) Marc Aurel VI, 28; VII, 29. ß) Siehe oben
M. Heinze, Stoicorum ethica ad origines suas relata, Numburgi
S. 88. ') Epiktet, Ench. K. 38. ^) Epiktet III, 4, 9. Ench. K. 4.
1862 S. 13 f. und Zeller, II, 1,-» S. 1045.
^) Seiner Bekämpfung ist die ganze Schrift Seneca's de ira
^} Vergl. Seneca, de vita beata Kap. 3 Interim, quod inter
gewidmet. Vergl. daselbst II, 7 : „Quid indignius quam sapientis
omnes Stoicos convenit, rerum naturae assentior. Ab illa non
affectum zornig sein darf) ex aliena pendere nequitia!"
(falls er
deerrare et ad legem exemplumque formari sapientia
illius est.
*®) Seneca, a. a. 0. I, 20: IIa ira muliebre maxime et puerile
3) Vergl. Diog. S. VII 1., 88 f.
Vitium est. Marc Aurel XI, 9. XI, 18.
*} Frg. 180—184.
"

110 Das ethische Ziel. ^Lust" und „Freude*. 111

Aber ebenso wie der Zorn, wird da.s Mitleid , das E igene und das F remde unterscheiden zu lernen.
behandelt. ^) Ancb dieses widerspricht der Ruhe des Zu den fremden Dingen gehört anch der eigene Körper.
Weisen. 2) Der Weise leidet nicht, da jedes Unglück Die Dinge bewegen uns überhaupt nicht, sondern die
nur Aussendinge betrifft, die ihm fremd sind. Nur der Ansichten über die Dinge ^). Diese aber sind in unserer
Unweise leidet. Diesem kann der AVeise nicht nach- (lewalt. So können wir von den Dingen frei werden.
fühlen, doch kann er zu seiner Tröstung mit ihm seuf- AVir brauchen nur unser Begehren und unsren Abscheu
zen, wenn er nur nicht innerlich seufzt. ^)
auf das zu l)eschränken . was eben in unserer Macht
Und da Furcht zu den Affekten gehört, so ist
die steht, das andere aber als uns nichts angehend zu be-
es o-anz foln-erichti«:. dass der vollkommenen Freiheit trachten. -) die Kyniker die Bedürfnislosigkeit, also
1 )a

jede Furcht fremd ist, auch die vor den (iöttern. ^) Die die Freiheit von Genussmitteln lehrten, so sind sie die
stoische Frömmigkeit stellt sich vertraulicher zu den ersten, die den Menschen frei machten.^)
I

Göttern als jede andere da die Götter als Mitglieder


.
Darum verhält sich der Weise zu allen äusseren
des Weltstaates demselben „gemeinsamen Gesetz" wie wir Dingen ohne Begierde, nur mit einem gemässigten Triebe*).
unterworfen, also gewissermassen unsere Mitbürger sind. Jede Begierde macht niedrig, ordnet den Menschen den
Aber nicht minder als von den Affekten, ist der sitt- Dingen unter und denjenigen Menschen, die über die
liche Mensch unabhängig von allem, was nicht zu seinem Dinge verfügen,^) vernichtet also die Freiheit.
Seelenleben gehört, nicht seinem Willen unterliegt Mit der Freiheit verträgt sich nichts was Leiden ,

(nQoaioeTLviov) . sondern ausserhalb seiner Herrschaft bedeutet, darum auch nie und nimmer die Lust. Die
(anooalosrov) darum fremd ist. Die Unterscheidung Lust gehört ja, wie oben dargethan, zu den Atfekten,
der von uns abhängigen und der fremden, ausserhalb und wie sehr sie auch von den Neueren seit Spinoza
nnseres Machtbereichs liegenden Dinge ist bei Epiktet mit der Hebung des Lebens indentiti ziert wird, für die
der Anfang der Sittlichkeit.^) Kurz und bündig sagt Stoiker ist sie eine Störung des Lebens.
er (lY, 5, 7) „Die philosophische Bildung besteht darin,
: Sie darf darum niemals Gegenstand des Strebens

in der Stoa
sein. Dies war und bleibt die schärfste Antithese der
*) Auch hier, wie oben bei der Reue, finden wir
Gedanken, die später Spinoza, wenn auch wohl anders abgeleitet, Stoa gegen Epikur und seine Schüler. In der alten
ausgesprochen hat. Auch ihm ist das Mitleid, weil Unlust, also Stoa war namentlich Kleanthes ein Bekämpfer des
schwächend, ,an sich schlecht und unnütz\ Vergl. Ethica IV, Strebens nach Lust. Er nennt sie sogar naturwidrig'').
prop. 50. Die Unterstützung des UnglückHchen erfolgt beim Tugend-
liaften nicht aus Mitleid, sondern nach dem Gebote der Vernunft.
152 (Pearson 1) Epiktet, Ench. K. 5,
2) Das lehrt vielleicht schon Zeno. Vergl. frg.

De dementia 5: -) Ench. K. 1, 2, Diss. III, 16, 15.


S. 192), jedenfalls aber Seneca, de ira II. 17. II,
3) Epiktet III, 24, 67 ff.
est enim (misericordia) vitium pusilli animi ad speciem alienorum
malorum succidentis. Das Mitleid ist nicht zu verwechseln mit der
^) Vergl. oben S. 88. Von Epiktet wird nicht bloss die allgemeine
Leidenschaft des Begehrens verworfen (II. 16, 45; II. 18, 8;
dementia: Vergl a. a. 0.: Misericordia nou causam, sed fortunam III. 15,

spectat, dementia rationi accedit. Auch Epiktet III, 22, 13 ver- 11; IV. 1, 175; IV. 1, 4) sondern überhaupt äussere Dinge zu begeh-
ren untersagt (IV. 4, 33; IV. 10, 6). Vergl. oben S. 87.
bietet das Mitleid
3) Ench.K. 16. *) Seneca, Ep. 75, 18: Quae est absoluta
Epiktet,
5) Epiktet IV, 4, 1 und III. 20, 8.

Non homines timere, non deos. ^) Euch. K. 1 und öfter. ^) Frgm. 88.
libertas?
112 Das ethische Ziel.
.Lust" und .Freude". 113
was freilich wohl in dem weiteren Sinne zu verstehen Freilich für die seelische Lust, welche die Tugend
ist, dass sie . wie eben jeder Affekt , der auch in der
begleitet, hat sich wohl schon frühe in der Stoa ein
Natur waltenden vernünftigen Ordnung zuwider sei. besonderer Ausdruck, die Freude (xccod) , eingebürgert,
Sie ist ihm so wertlos wie ein falscher Kopfputz ^). Er wenn auch der Sprachgebrauch keine strenge Scheidung
meint ferner, bei Annahme der T.ust als letzten Zieles
zwischen „Lust" und „Freude" durchgeführt hat^).
werde diese die Königin, die man sich auf dem Throne Jedenfalls linden wir die sachliche Unterscheidung schon
sitzend denken müsse, von allen Tugenden bedient, und bei Panaetius, während es unbestimmt l)leibt, ob sie bei
diese Rolle sei der Tugenden unwürdig. -) Und er ver- ihm terminologisch ist. Seneca aber neigt trotz einiger
tlucht endlich denjenigen, der zuerst das (irerechte vom Rückfälle sehr entschieden dazu, die Freude einerseits,
Nützlichen geschieden hat, also Epikur und die Epi- die Lust andererseits auch sprachlich auseinander zu
kureer^). halten, indem er die erste gaudium, die letzte voluptas
So streng wie Kleanthes sprach sich keiner der oder laetitia nennt. Er giebt eine sehr bestimmte klassi-
späteren aus. Nur Panaetius meinte es sei nicht alle ,
fizierende Definition: „Die Freude ist die Erhebung der
Lust naturofemäss. sondern nur die eine, die andere da- Seele, die auf ihre eigenen wahren Güter vertraut.--)
gegen natui-widrig. •*) Alle aber haben das Streben nach Er fügt bald darauf und öfter das den Gegensatz zur
Lust verworfen. Seneca geht so weit, dass er die Lust Lust bezeichnende Merkmal hinzu: „Es ist mit ihr ver-
(voluptas) eine res infamis nennt, -^l immer wieder vor- bunden, nicht aufzuliören und nicht ins Gegenteil umzu-
schreibt, die Sittlichkeit nur um ihrer selbst willen zu schlagen." Sie kann also, wie er auch weiter ausführt,
I erstreben^) und gegen die Lust sich sogar die metaphy- nie schlecht sein. «Sie wird den Göttern und den Xach-
sischen von Plato im Philebus erhobenen Gegengründe eiferern der Götter zu Teil:
ist nicht von aussen
sie
zu eigen macht, dass unbegrenzt und darum unsitt-
sie
genommen. Da von aussen kommendes
sie nicht ein
lich sei, während bei der Tugend nichts zu fürchten Geschenk ist, so ist sie auch nicht vom fremden Willen
sei,da ihr Mass in ihr liege ^). abhängig" ^) es werden hier voluptas und laetitia der
,

Ebenso ist die ganze Stoa der Ansicht, dass die Freude ausdrücklich entgegengesetzt und wird noch die
Lust, obgleich nicht erstrebt, doch der Tugend als Be- genetische Bestimmung hinzugefügt: „Die Freude ent-
«rleiterin sich zucc^sellen kimne'*).
steht nur aus dem Bewusstsein der Tugenden"^).
Epiktet und Marc Aurel haben in den uns erhaltenen
») VergL die richtige Erklärung des betreffenden Fragments des Schriften den Ausdruck „Freude" (xaod) nicht gebraucht.
Kleanthes bei Bonhöffer I, 313 ff.
Doch spricht Epiktet von der „seelischen Lust", die das.
-) Frg. 90. ') Frg. 77.
Historia phUosophiae graecae 7. ed.
wodurch wir vernünftiger Weise eine Erhebung erfahren^),
*) YergL Ritter et Preller,
also die Tugend begleitet, woraus hervorgeht, dass sich
Gothae 1888, S. 438.
*) Ep. 59, 2. ^) De benef. IV, 16. seine „seelische Lust" zum Teile mit der Freude deckt.
^ Ad Gallionem de ?ita beaU K. 13; wenigstens klingt dies an
an Plato, Phüebus Kap. 15 (27 E.) und Kap. 16 (31 A.). ') Vergl. Bonhöffer, L S. 293. Oben S. 95. -) Ep. 59, 2.
^) Ep. 59, 18.
•) S. oben S. 22. Seneca (de vitabeata, c. 8)
Epiktetlll, 7, 7.
*) Ep. 59, 16. Dagegen Ep. 23, 3 und Ep. 109, 5 werden
ergleicht die Lust, die ohne Absicht der Tugend zuwächst, der
gaudium und laetitia in gleichem Sinne gebraucht. ^) HI, 7, 7.
Blume im Saalfeld, die ohne Arbeit des Landwirts gedeiht.
Barth, Die Stoa. 8
112 Das ethische Ziel.
.Lust" und .Freude*.

was freilich in dem weiteren Sinne zu verstehen


wohl Freilich für die seelische Lust, welche dir Tiiir-nd
ist, wie eben jeder Affekt der anch in der
dass sie , ,
begleitet,hat sich wohl schon frülie in der Stoa .»in
Natur waltenden vernünftigen Ordnung zuwider sei. besonderer Ausdruck, die Freude (/aod) «Mn-cbüfi^rt ,

Sie ist ihm so wertlos wie ein falscher Kopfputz ^). Er wenn auch der Sprachgebrauch keine strenge Scheidimg
meint ferner, bei Annahme der T.ust als letzten Zieles
zwischen .,Lust" und .Freude- (hirchgefiihrt hat').
werde diese die Königin, die man sich auf dem Throne Jedenfalls tinden wir die sachliche Unterscheidung si-hon
sitzend denken müsse, von allen Tugenden bedient, und bei Panaetius, während es unbestimmt bleibt, nh «iV Im»i
diese Rolle sei der Tugenden unwürdig. -) Und er ver- ihm terminologisch ist. Seneca aber neigt Imtz eiiu>;er
flucht endlich denjenigen, der zuerst das (lerechte vom Rückfalle sehr entschieden dazu. di<' Freude einerseits,
Nützlichen geschieden hat, also Epikur und die Epi- die Lust andererseits auch sprachlich auseinander
zu
kureer^). halten, indem er die erste gaudium, die b^tzt ...Itiptmi
So streng wie Kleanthes sprach sich keiner der oder laetitia nennt. Er giebt eine sehr bestimmte klasmi-
späteren aus. Nur Panaetius meinte es sei nicht alle ,
fizierende Definition: ..Die Freude ist die Krhebnng der
Lust naturo-emäss. sondern nur die eine, die andere da- Seele, die auf ihre eigenen walmMi (lüter vertraut -*^
gegen naturwidrig.^) Alle aber haben das Streben nach Er fügt bald darauf und nüin^ .l;i< den Üegeuzjatz /.ur
Lust verworfen. Seneca geht so weit, dass er die Lust Lust bezeichnende Merkmal hinzu: .,Esist mit ihr ver-
(voluptas) eine res infamis nennt, ^) immer wieder vor- l)unden, nicht aufzuhr»ren und niclit ins «legenteil umzu-
schreibt, die Sittlichkeit nur um ihrer selbst willen zu schlagen." Sie kann also. wi(^ er nnrh weitor ansfiihrt.
.erstreben^) und gegen die Lust sich sogar die metaphy- nie schlecht sein. „Sie wird den (lottern und «len Xaeh-
sischen von Plato im Philebus erhobenen Gegengründe eiferern der (xötter zu Teil: si,. ist nicht von au>M»n
zu eigen macht, dass unbegrenzt und darum unsitt-
sie
genommen. Da sie nicht ein von aussen kommende.i
lich sei, während bei der Tugend nichts zu fürchten Geschenk ist, so aucli nicht vnm fremden Willen
ist sie
sei, da ihr Mass in ihr liege ^). abhängig" werden hier voluptas und laetitia der
3)^ es
Ebenso ist die ganze Stoa der Ansicht, dass die Freude ausdrücklich entgegengesetzt und wird mich die
Lust, obgleich nicht erstrebt, doch der Tugend als Be- genetische Bestimmung hinzugefügt: „Die Freude ««nt-
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gleiterin sich zugesellen könne '^). steht nur aus dem IJewusstsein der Tugenden-
^j.
Epiktet und Marc Aurel haben in den uns erhaltt»nen
*) Vergl. die richtige Erklärung des betreffenden Fragments des Schriften den Ausdruck ..Freude*^
(X"9"' nicht gebrancht.
Kleanthes bei BonhöfTer I, 313 ff.
Doch spricht Epiktet von der ..-eelischen liUst-. dit- das.
2) Frg. 90. 3) Frg. 77.
wodurch wir vernünftiger Weise ein«» Erhebung <»rtaliren-*>.
*) Vergl. Ritter et Preller, Historia philosophiae graecae 7. ed.
also die Tugend begleitet, woraus hervorgeht, dass sich
Gothae 1888, S. 438.

5) Ep. 59, 2. «) De benef. IV, 16. seine „seelische Lust zum Teile mit der Freude d.»rkt
-^

de vita beata K. 13; wenigstens klingt dies an


Ad Gallionem
an Plato, Philebus Kap. 15 (27 E.) und Kap. 16 (31 A.).
') Vergl. Bonhöffer, I. S. 21)3. Oben S. 95. -) Ej». 59, 2.
3} Ep. 59, 18.
«) S. oben S. 22. Epiktetlll, 7, 7. Seneca (de vita beata, c. 8)
*) Ep. 59, 16. Dagegen Ep. 23, ;} und Ep. 109, 5 werdeo
vergleicht die Lust, die ohne Absicht der Tugend zuwächst, der
gaudium und laetitia in gleichem Sinne gebraucht. *) IH, 7, 7.
Blume im Saatfeld, die ohne Arbeit des Landwirts gedeiht.
Barth, Die Stoa. 8

/'
Das ethische Ziel. Die Glückseligkeit. 11 o
114

Wenn man Senecas obige Lobpreisungen der Freude Idee in die Wirklichkeit, also im Handeln. Aristoteles
liest, die den Göttern und den Nacheiferern der in der dem Menschen
eigentümliclien Thätigkeit. die vor
r Götter zu wird, so fühlt man, dass sie nur noch
teil allem eine theoretische, in zweiter Linie eine praktische
einen Schritt höchstens entfernt ist von der Krönung des sein, alle Tugenden, die des Denkens wie die des Han-

Lel)ens, die mit der Tugend für die Stoa unzertrennlich delns bewähren muss\). So sehen wir seit Sokrates als der

verbunden ist, von der .Glückseligkeit (Eudä- Eudämonie wesentlich das T h u n. Und das ist es, was
monie)'^. sieauch bei den Stoikern von der Lust, sogar von der
Schon Zeno lehrte dies, er betonte, dass die Tugend Freude unterscheidet. In der wirklichen Definition, die
allein für sie ausreichend seiM. und — gegen die Peri- (^rvsipp neben der eben erwähnten Umschreibung giebt.
patetiker — dass es keines anderen Hilfmittels bedürfe, heisst es. dass die Glückseligkeit eintritt, „wenn alles
gab auch eine vermeintliche Definition, indem er sie gethan wird nach Übereinstimmung des einem jeden
„schönenFluss des Lebens" nannte^). Keiner der späteren innewohnenden Dämons mit dem Willen des Verwalters
Stoiker hat an dieser Lehre etwas geändert.^) des Alls-).'- Dagegen wird von der Lust ausdrücklich
Die Endämonie ist ein sehr wichtiger und sehr als stoische Ansicht berichtet, dass ,,sie keine Thätigkeit,

charakteristischer Begriff des antiken Denkens. Zuerst keine Disposition, nicht einmal ein Teil von uns ist" 3).
scheint Anaxagoras diesen Terminus gebraucht und auf Die Thätigkeit aber ist das wesentlichste Element der
denjenigen angewendet zu haben, der ein reines Leben Tugend, nicht die Erreichung eines bestimmten Objektes*).
nach der Gerechtigkeit führe, oder teilnehme an einer Darum kann die Tugend nie nach blossem Leiden, nach

Art göttlicher Betrachtung^). Sokrates verstand dar- Lust streben. Und auch von der Freude wird nicht
unter sowohl die Bedürfnislosigkeit als auch die gesagt, dass ihr ein Element der Thätigkeit innewohne,
svn^a^la, d. h. „das rechte Handeln, das auf Einsicht wie sehr auch sonst ihre Beschreibung sich derjenigen i

und Übung beruht, mit dem aber zugleich das Wohl- der Eudämonie annähert, so dass auch sie nicht mit der
befinden verbunden ist"^). Plato findet die Eudämonie Tugend identisch ist.

in erster Linie bedingt durch die Freude an der Er- Da


hingegen Griückseligkeit und tugendgemässe
kenntnis, vor allem an der Erkenntnis des wahrhaft Thätigkeit eine Gleichung bilden^), so kann die Glück-
Seienden, der Ideen«), in zweiter in der Einbildung der seligkeit ebensogut wie die Tugend
als Ziel des Lebens
hingestellt werden. Da
aber diese Glückseligkeit einen
*) Frg. 125. (Pearson 166.) seelischen Zustand bedeutet, so ist damit die formale
-) Frg. 124. (Pearson 165.)
*) Auch nicht Panaetius und Posidonius, wie es nach dem
») Vergl. Zeller H, 2', Leipzig 1879, S. 163 ff.
Fragment bei Diogenes Laert. VII, 128 erscheinen könnte. Diesem
2) Vergl. Bonhöffer I, 83 u. II, 164.
widersprechen andere Zeugnisse. Vergl. Zeller.. III, 1 ^ S. 565.
^) Von Clemens Alex. Vergl. Bonhöffer I, 315.
Anm. 2.
^) Epiktet II, 16, 15.
VergL M. Heinze, der Eudämonismus in der griechischen
*)
') So bei Aristoteles: , Glückseligkeit ist tugendgemässe Thätig-
Philosophie I (Abhandlungen der phü.-hist. Klasse der Königl. Säch-
keit." Bei Zeno (nach der von Zeller III, l^ S. 210 Anm. 1 citier-
sischen Gesellschaft der Wissenschaften Bd. 8, VI) Leipzig 1883. S. 59.
ten Stelle aus Plutarch) sind die Elemente der Glückseligkeit die
5) Heinze a. a. 0. S. 102.
Natur und das Naturgemässe, wozu das tugendhafte Handeln gehört.
6) Vergl. Zeller, II, 1 \ Leipzig 1882. S. 874.
116 Die Pflicht und die Pllicliten. Pflicht und , rechte Tiiat' 117

Richtung der Ethik wieder verlassen. So abstrakt wie dieser Begriff Anwendung.^ Schon aus dieser Definition
)

li

die Ethik Kants ist die Ethik der Stoiker nicht. Und -ergiebt sich, dass damit der Umfang des Begriffes sehr
wie sehr auch Kant ihre Ethik rühmt wegen „der weit gezogen ist.

Würde der menschlichen Natur und der Freiheit (als In der That wurde er in der Stoa immer weiter.
Unabhängigkeit von der Macht der Neigungen)-^), von Bei Epiktet umfasst er schliesslich sogar, wenn man
der sie ihr sittliches Prinzip nahmen, so sehr trennt er von den rein pliysischen Verrichtungen der Pflanzen ab-
sich von ihnen in der Auffassung der (llückseligkeit, sieht, immer noch dreierlei sehr verschiedene Stufen der

die nach ihnen mit der Tugend unzertrennlich verbunden, Pflichterfüllung: 1. die in der erlaubten Befriedigung
nur durch ein analytisches Urteil von ihr zu der Bedürfnisse und in der verständigen Verfolgung des
sondern ist, während Kant die Glückseligkeit mit der eigenen Vorteils besteht. 2. die sich auf die durch (xe-
Tuirend nicht notwendi<2: verbunden findet, und dieses setz und Sitte allgemein gebotenen Handlungen richtet,
Verhalten beider zum Ausgangspunkte transcendenter welche die nur dem philosophisch Grebildeten
3. diejenige,

Postulat e macht. geboten erscheinenden Handlungen vollzieht.-)


Doch wird eine solche Stufenfolge keineswegs von
der Stoa ausdrücklich unterschieden. Wenn die alte
3. Kapitel. und die mittlere Stoa die mittlere" und die „voll-
,,

kommene" Pflicht unterscheiden, so bezieht sich dies


Die Pflicht und die Pflichten. nicht auf die eben gegebene Einteilung, überhaupt nicht
auf die Arten der Handlungen, sondern auf die geistige
Die Stoiker haben zuerst den Begriff der ..Pflicht''
Disposition desjenigen, der die Handlung vollbringt. Die
in die Ethik eingeführt, freilich in einer, wie es scheint,
mittlere Pflichterfüllung ist die neutrale Pflichterfüllung,
wenig scharfen Abgrenzung, die aber vielleicht der mangel-
die zwischen Böse und Gut steht, weil sie überhaupt
haften Überlieferung des alten Stoicismus einen Teil ihrer
keinen sittlichen Charakter hat. Sie geschieht bei dem
Unbestimmtheit verdankt.
philosophisch Ungebildeten, der bloss dem allgemeinen
Das „Gebührende" (xa^/Jxov) war ihr Name für das,
Menschenverstände und seinem Vorteile fol2:t. Die voll-
was die neueren ethischen Systeme etwa Pflicht nennen,
kommene Pflicht dagegen ist die Pflichterfüllung des
weshalb dieser Xame im folgenden immer mit Pfiicht
Weisen, die darum auch E echt t hu n (zaropi^-ojai^) oder
wiedergegeben sei.
rechte That (xaro^i^-w/ca) heisst. und nicht aus dem
Zeno und nach ihm seine ganze Schule bestimmten
allgemein menschlichen Verstände, sondern aus dem
die Pflicht als ,,das im Leben sich notwendig Ergebende,
philosophisch „richtigen Verstände", dem ö^ß^og loyog^
das, wenn es geschehen ist, eine wohlbegründete Kecht-
hervorgeht. Ausserlich können die Handlungen des
fertigung findet".-) Auch auf Pflanzen und Tiere findet
blossen Menschenverstandes denen des Weisen gleichen.
*) Religion innerhalb der Grenzen der blossen Vernunft ed.
Kirchmann, S. 64. Vergl. auch Fr. Orestano, der Tugendbegriff bei *) Was bei Stobaeus sowohl wie bei Diogenes zur Erläuterung
Kant, Diss. Leipzig 1901, S. 89 ff. der Definition ausdrücklich zugefügt ist. Vergl. Bonhöffer II, S. 193 ff.

*) So bei Stobaeus. Bei Pearson frg. 145. -) Vergl. Bonhöffer II, S. 204 ff.
Die Pflicht und die Pflichten. Keine Handlung indifferent. 119
118

sie werden aber nie denselben sittlichen Wert haben, da unbewusst, noch diesseits von Grut und Böse auf. wie etwa
sie nicht aus der richtigen geistigen Disposition ent- das tierische Handeln. Aber auch so stand es in scharfem
springen und so gewissermassen nicht von der vidligen Gegensatz zum Handeln des Weisen, denn darin giebt
sittlichen Reife zeugen. Dieser Standpunkt führt zu der es —
von der Bewusstheit abgesehen nichts, auch —
grossen Härte, dass bei den Rigoristen der Stoa ein und das Kleinste nicht, was sittlich indiiferent wäre. Die
dieselbe That. vom Weisen vollbracht, als „rechte That" Stoa ist hierin strenger als Kant.^) Alles, was der Weise

zum höchsten sittlichen Verdienst gerechnet, dagegen, oder der nach Weisheit Strebende thut, muss zu der
vom Unweisen gethan, als Sünde betrachtet wird.M Erreichung des Zieles dienen, der dnäd^eia oder Freiheit;
Wer ein neues Prinzip hat, sieht eben alles im und zwar muss er auf dem geraden Wege darauf hin-
Lichte dieses Prinzips oder er sieht es gar nicht. ]\Iit gehen.-) Eine Handlung bleibt also auf dem geraden

Recht vergleicht Bonhölfer-) mit diesem stoischen Wege und ist dann sittlich, oder sie weicht ab und ist
Rigorismus das harte Wort des Paulus:^) „Was aber dann unsittlich; ein Mittleres zwischen diesen beiden
nicht aus dem Glauben gehet, das ist Sünde." Die mil- Möglichkeiten kann es nicht geben.
deren Denker der Stoa fassten wohl alles Thun des Un- So ist der Unterschied der gebührenden und der
weisen als nicht zurechnungsfähig, weil gewissermassen rechten That nicht geeignet, eine neue, für zweilelhafte
Fälle anwendbare Richtschnur des Handelns zu geben,
sondern nur die Art und Weise der Erfüllung der an-
^) Bonhöffer II, pag. 211 ff. Bonhöffer citieit als stoische Sätze
erkannten, bestehenden Pflichten zu beleuchten.^) Keine
ausStobaeus Ekl. II, 117: Zwischen Tugend und Laster giebt es kein
Zwischenglied. Der Unweise thut alles, was er thut, schlecht. — Ethik aber, die wissenschaftlich sein will, darf sich der
Und aus Plutarch, de aud. poet. 7: Durchaus und Überali ist der Un- erstgenannten Aufgabe entziehen; denn ohne ein Krite- I

weise sündhaft, in allein aber recht thut der Weise. Vergl. auch Seneca, rium, nach dem man in zweifelhaften Fällen urteilen
ep» 95, 43. In der ganzen Auffassung der „mittleren Pflicht", die kann, bliebe sie auf dem Standpunkte der öffentlichen
Cicero mit officium medium übersetzt, aber nicht verstanden hat.
Meinung, die sie vorfindet, auf dem Boden des gesunden
und der vollkommenen Pflicht, officium perfectum, folge ich der sehr
Menschenverstandes, könnte sie höchstens eine Beschrei-
klaren und wohlbegründenden Darlegung Bonhötfers, der Dyroff (die
Ethik der alten Stoa, Berlin 1897, S. 133 f.) im wesentlichen bei- bung der bestehenden Sitten, aber nicht eine Begrün-
stimmt. , Mittlere" Handlungen in dem Sinne „sittlich indifferent" giebt dung einer neuen, mehr einheitlichen und vollkommenen
es, Avie sogleich zu erweisen sein wird , in der Stoa nicht. Zeller Sittlichkeit liefern.
nähert sich mit seiner Auffassung des v.ad^ri-^ov als Legalität und
Die Stoiker haben aber noch ein zweites Prinzip,
des yaro^d-co^ia als der Morahtät sehr der von Bonhöffer ergründeten,
das ihnen eine neue Ableitung sittlicher Pflichten und
wie mir scheint, richtigen Erklärung; denn die Pflichterfüllung kann
eben beim Unweisen nur Legalität sein, nie Moralität. AVas der
Weise wird von der Stufe der Legalität zu der der Moralität
thut, *) Bei Kant giebt es sittlich indifferente Handlungen. Vergl.
erhoben. Dagegen findet, wie Bonhöffer II, 230 ff. nachweist, Zellers Metaphysik der Sitten, ed. Kirchmann, S. 23.
gleichzeitige Deutung des ^ad-fjy.ov als bedingter und des Y.aT6o&o}iia
'-)
Vergl. oben S. 103 u. M. Aurel II, 16: „Es muss auch das

als unbedingter Pflicht in den Quellen keine Rechtfertigung. Über Kleinste nach der Beziehung auf das Endziel geschehen.**

Verstand und .richtigen Verstand* oder „aufrechte Vernunft" vergl. 'j Auch W. Windel band, Geschichte der alten Philosophie,

Bonhöffer II, 224 ff.


2. Aufl., München, 1894, S. 185 vermisst in der Stoa „ein eigentlich
inhaltliches Prinzip der Moral."
-j Bonhöffer II, 212. ^) Römer 14, 23.
,

120 Die Pflicht und die Pflichten. Zweite Formel: Allgemeine Sympathie. 121

ein neues Kriterium der Entscheidung ermöglicht. Seneca Aber schon aus dem ersten Prinzip, der allgemei-
giebt es uns in dem Briefe,^) in dem er ein Kompendium nen Sympathie, ergeben sich allerlei Pflichten, die die
seiner ganzen Philosophie liefert. Nachdem er von den Stoa entweder im Gegensatze zu anderen Schulen oder
Pflichten gegen die Götter gehandelt hat, geht er zu zu der volkstümlichen Sittlichkeit ihrer Zeit aufstellte.
denen gegen die Menschen über, und nach allerlei darauf Aus der Sympathie aller Teile des Alls folgt, dass
bezüglichen Einzelfragen unterbricht er dieselben mit der 3Iensch Mitglied eines grossen Staates ist, der
der Bemerkung, dass eine Antwort darauf überflüssig aus den vernünftigen Wesen, den Göttern und den Men-
sei. da er ganz kurz die Formel der menschlichen Pflicht schen, besteht, desgleichen aber auch Mitglied des im
lehren könne: „Alles das, was du siehst, w^orin alles nächsten Sinne sogenannten Staates, der eine kleine
Menschliche und Göttliche eingeschlossen ist, bildet eine Nachahmung des Gesamtstaates, der Welt, ist.^) Und
Einheit. AYir sind Glieder eines grossen Körpers".^) der Staat oder die Gesellschaft, die ja das antike Denken
Dio Lehre von der Einheit des Weltalls ist bereits vom Staate nicht unterscheidet, wird ganz und gar als
erwähnt worden. Innerhalb ihrer gab es wieder eine Organismus aufgefasst. „Wir sind zum Zusammenwirken
noch engere Einheit des Gleichartigen. M. AureP) führt geboren, wie die Füsse, wie die Hände, wie die Äußren-
aus dass alles dem Verwandten zustrebe
, das Feuer , iider. wie die Eeihen der oberen und der unteren Zähne.
nach oben, die Erde nach unten, dass Tiere und Menschen Einander entgegenzuwirken ist gegen die Natur." f>o
Gemeinschaft mit ihresgleichen suchen und zwischen den sagt 3Iarc Aurel.Und derselbe weist auch hin auf die
noch höheren Wesen, den Gestirnen, sogar eine Sympathie Folgen der Zerreissung des organischen Zusammen-
aus der Ferne bestehe. Die allgemeine Sympathie hanges: „Ein Zweig, von dem Nebenzweige getrennt,
ist wohl schon von Kleanthes gelehrt worden.^) Die muss notwendigerweise auch von dem ganzen Baume
Sympathie des Gleichen lehrt jedenfalls Seneca. indem abgeschnitten sein. So ist auch der Mensch, von einem
er (»fter wiederholt , dass die Tiere gleicher Gattung Menschen getrennt, von der ganzen Gemeinschaft abge-
sich nie angriffen oder gar auffrässen, dass nur der fallen."-) Während die Epikureer gerade von den ver-
Mensch das traurige Vorrecht habe, ö^o'
ffejren sein Geschlecht nünftigen Wesen behaupten, dass es keine durch die
zu wüten.^) Natur begründete Gemeinschaft zwischen ihnen gebe,^)
mahnt Marc Aurel immer zu bedenken, „wie gross die
') Ep. 95.
Verwandtschaft des Menschen mit dem ganzen Menschen-
') Ep. 95. 52. geschlechte ist. Denn sie beruht nicht auf des Blutes
'j IX. 9. Vergl. Zeller III, 1», pag. 170. oder des Samens, sondern der Vernunft Gemeinsamkeit. " ^)
*J Vergl. Pearson, S. 117. Aus dieser Auffassung folgt zunächst die Hingebung
^) De ira II, 8; auch de
clemenüa I, 26; doch ist dies ein Irr- an die Aufgaben der engeren Gemeinschaft, des Staates,
tum Senecas. Es giebt Kannibalismus im Tierreiche.
Der alte Krebs zu dem der Philosoph gehört. Die Kyniker, deren Lehre
junge Krebse, wenn die Mutter sie nicht schützt. Vergl. H u x l e y
frisst

der Krebs (Internat. Wissensch. Bibliothek, 48. Band, Leipzig, 1881),


sonst so vielfach in der Stoa sich fortsetzte, wollten
S. 8. Und E. Brehm (Tierleben. 3. Aufl., Leipzigund Wien. 1890,
Säugetiere, I, S. 91) sagt: ,Sehr viele Tiere verlassen die Kranken
V) Epiktet, II, 5, 26,
ihres Verbandes, einige töten, andre fressen sie sogar."
2) M. Aurel II, 1 u. XI, 8, ') Epiktet II, 20, 6. ^j M. Aurel, XII, 26
122 Die Pflicht und die Pflichten. Ehe und Arbeit. 123

lücht Bürger eines bestimmten Staates, sondern Bürger Was in diesen Bildern schon enthalten ist. dass
der Welt sein/) In der That lebten sie als Bettler,
i
jeder an seiner Stelle dem Ganzen zu dienen hat.
also mögliclist unpolitisch. Epikur riet im allgemeinen das wird mit Beziehung auf das Verhältnis zur Gesell-
von politischer Bethätigung ab, nur in aussergewöhn- schaft noch ausdrücklich ausgesprochen, wenn es heisst:
lichen Fällen sei sie notwendig, wenn nämlich der Weise „es ist genug, wenn jeder seine Aufgabe erfüllt"^). Aus
sonst Schaden litte.-) Dagegen verlangte Zeno vom diesem positiven Verhältnis zur menschlichen Gesell-
Weisen, dass er dem Staate diene, wenn ihn nicht ein schaft ergiebt sich notwendig die Stellung der Stoa zur phy-
f
bestimmter Grund daran hindere.^) sischenund zur ökonomischen Erneuerung des Lebens,
Und dies ist im wesentlichen die Lehre der Schule zur Ehe und zur Arbeit. Die Ehe wird in scharfem
geblieber., wenn auch freilich über die hindernden (Iründe Gegensatze zur Schule Epikurs bei Zeno geboten,-) der
nicht alle ganz einig waren. Chrysipp verlangte, der Ehebruch verboten.^) Wenn Zeno und Chrysipp die
Weise nur denjenigen Staaten dienen, die einen
solle Frauengemeinschaft für ihren Idealstaat forderten,^) so
Fortschritt zu einem in seinem Sinne vollkommenen war dies eben die ideale Eheform ihres idealen Gemein-
Staate zeigten. Also Stillstand war schon ein Hinde- wesens die eine Würdigung der bestehenden Eheform
,

rungsgrund.*) Seneca dagegen lässt nur hoffnungslose des bestehenden Gemeinwesens nicht ausschloss. L^nd
Verderbtheit der Zustände als solchen gelten.^) Aber
wenn Epiktet die Kyniker verteidigt, dass „sie anstatt
selbst wenn der Weise vom ()ffentlichen Leben sich zu-
zwei oder drei hässliche Kinder statt ihrer in die AVeit
rückgezogen hat so dient er doch einem Staate der
, .

zu setzen, nach Kräften über alle Menschen Aufsicht


seiner würdig ist: der Welt.'') üben, was sie thun, wie sie leben, was sie eifrig be-
Wenngleich nun so der Staatsdienst bloss bedingt treiben, was sie wider Gebühr vernachlässigen," ^) so will
irefordert wird, so besteht doch in der Stoa das leb- er doch keineswegs hierin ihr Beispiel als allgemein
hafteste Bewusstsein, dass jeder an der Stelle der nachahmenswert hinstellen.
menschlichen Gemeinschaft, an der er steht, ausharren Aus der Idee der Solidarität des sozialen Organis-
und durch sein Thun der Gesamtheit nützen muss. ..Ein mus folgt ferner eine höhere Schätzung der Arbeit als
Feldzug ist das Leben, und zwar ein langer und viel- bei früheren Philosophen und Philosophenschulen zu fin-
bewegter. Du musst das Gebot des Feldherrn halten den ist.Die griechische Volksmeinung dachte von jeder
und nach seinem Wink alles thun," sagt Epiktet.^) Und körperlichen Arbeit, mit Ausnahme des Ackerbaues,
M. AureP) nennt denjenigen, der seinem Verwandten sehr gering.*') Plato hält Handarbeit und sittliche Minder-
d. h. seinem Mitmenschen zürnt, einen Deserteur.
») Epiktet, Ench. 24, 4.
M Vergl. Zeller, II, 1*, S. 324.
-) Vergl. Zeno, Frg. 171 ; auch Epiktet I, 23.
-) Vergl. Seneca, de otio III, 2, auch Zeller III, 1 ^ S. 455.
3) Zeno, Frg. 178. ^) Zeno, Frg. 176. ^) III, 22, 77.
') Vergl. Seneca, de otio, III, 2.
^) Herodot II, 167: „Am wenigsten missachten die Ko-
Vergl.
^) Vergl. Zeller, HI, 1 \ S. 295, Anm. 2.
rinther den Handwerker, am meisten die Lacedaemonier." Vergl.
') A. a. 0. in, 3. auch Th. Gomperz, Griechische Denker I, Leipzig, 1896, S. 465. Die
«) Seneca, ep. 68, 2.
Thebaner Hessen zu Ämtern nur die zu die zehn Jahre lang auf
,

III, 24, 34; auch III, 24, 95. ») XI. 9. dem Markte nichts verkauft hatten. Vergl. Aristoteles Pohtik, III, 3.
Die Pflicht und die Pflichten. Der Fleiss in der antiken Philosopie. 125
124

Wertigkeit für identisch.^) In seinem Idealstaate sehliesst gewidmet haben.M Von der körperlichen Arbeit erwartet
er ja alle Handarbeiter, einschliesslich der Ackerbauer Plato nicht die Gesundheit des Leibes und der Seele,
von der Regierung und von der Verteidigung des Landes sondern beides von der Gymnastik, die sowohl auf den
aus. und diejenigen Kinder der beiden ersten Stände, Körper wie auf die Seele wirke wenn sie zur Vollen- ,

die eine unedle Natur verraten, werden in den Stand dung der letzteren Wirkung auch noch der musischen
der Arbeiter hinabgestossen.-) Aristoteles sagt: „Es ist Bildung bedürfe.-) Kein Pädagoge des Altertums hätte
)
nicht m()glich. die Werke der Tugend zu üben, wenn zur Ausbildung der sittlichen Persönlichkeit die Ver-
;

man das Leben eines Handwerkers oder Tagelöhners bindung von Schulunterricht und produktiver Handarbeit
tÜhrt".^) An einer andern Stelle^) sehliesst er in sein verlangt wie es Pestalozzi gethan und zum Teil
,

Yerwerfungsurteil auch die Händler ein. Ackerbauer durchgesetzt hat. Bei Aristoteles giebt es 3 oder 4 dia-
und Hirten schätzt er höher, aber nur deshalb, weil noetische und 11 ethische, im ganzen also etwa 15
sie arbeiten und darum auf Anteil an der Staatsregie- Tugenden, aber man sucht darunter vergeblich die Tu-
rung keinen Anspruch erheben. Er hält sie also nicht gend des Fleisses.
für tüchtig zu den Pflichten eines tugendhaften Bürgers, Erst bei den Kynikern tritt eine gewisse Wandlung
sondern bloss für unschädlich. Und in seinem eigenen ein. Die Mühe (nuvoc;), die freilich mit der Arbeit nicht

Musterstaate sind die Ackerbauer fast blosse Passivbürger, gleichbedeutend, aber ihr nahe verwandt ist,^) wird bei
jedenfalls Von der Staatsverwaltung, ausgeschlossen, nur ihnen ein Gut. Herakles, der so viele Mühe hatte, wird
diejenigen, die als Schwerbewaffnete oder als Eatsherrn ihr Vorbild, ihr Schutzheiliger.^) Indessen trug diese
dienen können, also die Wohlhabenden und Reichen, sind neue Anschauung keine Frucht; denn die Kyniker
,, Teile des Staates".^) bettelten lieber, als dass sie durch Arbeit ihren Unter-

Ebenso gering wie in sozialpolitischer Hinsicht ist halt gewonnen hätten.^)

die Schätzung der Arbeit in ethischer Beziehung. Die Erst die Stoa hat diese[,Gedanken der Kyniker ver-
sreistiß-e Arbeit, das Forschen und Wissen, wird tieft und teilweise ins Leben*übertragen. Chrysipp kennt

zwar über alles gefeiert, aber sie gilt den Alten, den im Kataloge seiner Tugenden eine svnovia,^') die onan
Griechen sowohl als den Römern, doch weniger als Ar- wohl nur mit Fleiss übersetzen kann, sein Schüler
beit, denn als würdige und angenehme Ausiüllung der Herillus zählt unter den „ersten naturgemässen Dingen",
Müsse. Die philosophische Betrachtung der Welt, be- die neben Lust und Schmerzlosigkeit das „Unterziel"
sonders das Studium der Idee des Gruten, ist nicht eine d. h. das dem Nichtweisen erreichbare Ziel
{0710X6X10)

Arbeit, sondern eine regelmässige Erholung von den ausmachen, auch die „Liebe zur Arbeit" auf.'} L^nd
Ämtern, die Plato in seinem Idealstaate nur den am i
meisten hervorragenden Geistern gönnt, nachdem sie bis Der Staat VII, 18. ^) Staat, III, Kap. 17. (410 G).
Wir unterscheiden beide Begriffe wohl so, dass wir bei
^)
zum 50. Lebensjahre sich ausschliesslich dem Staatsleben
.Arbeit" mehr an das objektive Ergebnis denken, als bei „Mühe",
^) Vergl. Staat, III, 14 (405 a): „Die Schlechten und Hand- so dass Arbeit sogar dieses Ergebnis selbst bezeichnen kann.
arbeilenden.*' *) Vergl. Zeller, II, 1^ S. 307.
2) Staat, III, 20; III, 21 (415 Bf.). ») Potitik, III, 3. 5) Vergl. Zeller, a. a. 0., S. 317.
^) Politik, VI, 2; auch VII, 8. "O Politik, VII, 8. 6) Vergl. Dyroff, S. 85. ') Vergl. Dyroff, S. 49 f.
126 Die Pflicht und die Pflichten. Die Wohlthat. 127

Kleanthes bewährte diese im Leben. Da er sehr arm Marc AurelM sagt: ,,Ein Bettler ist der, der eines an-
war, so truo; er des Nachts Wasser in den Gärten, um
I

dern bedarf und nicht alles zum Leben Nützliche von


am Tage sich philosophischen Übungen widmen zu sich hat," so meint er damit zunächst geistige Bettelei,
können.^) aber siclierlich will er auch diejenige, die nach Art der ll

Die mittlere Stoa machte, ihrer platonischen Ten- Kyniker geschieht, zurückweisen.
denz gemäss, in der Schätzung der Arbeit einen Eiick- Wenn so der aus der Solidarität der Gesellschaft
schritt. Panaetius erklärte, wie Plato selbst, jede kör- Üiessende PflichtbegriÜ' in der Schätzung der Arbeit die
perliche Lohnarbeit für ehrlos,-) Posidonius^) erachtete crriechische Volksmeinnno; weit hinter sich lässt. so erst
wenigstens die Künste der Handwerker für .gemein und recht in der Pflicht des Wohlthuns . die allen Menschen
niedrig"^, weil dem äusseren Leben des Menschen dienend. ireffenüber o-efordert wird. Dieses Wohlthun (evnoisXv
Die römische Stoa hingegen kehrt zu der Auffassung beneficium) bedeutet keineswegs etwa bloss die ökono-
der Alten zurück. Seneca verteidigt die Müsse des Weisen. mische Hilfeleistung, sondern diese einschliessend, ein
Er überschreitet gewiss die römische Volksmeinung, wenn allgemeines Wohlwollen, ein aus wirklicher Liebe her-
er sagt, dass „Zeno und Chrysipp Grösseres gethan vorgehendes Streben, das Los jedes Mitmenschen, auch
haben, als wenn sie Heere geführt, Ämter bekleidet, des Unweisen-) in jeder Hinsicht, durch Verteidigung
Gesetze gegeben hätten ^*) Er verteidigt hierin die freie vor Gericht,^) durch Heilmittel gegen Krankheit und
Der Stoiker Musonius meinte, dass der
geistige Arbeit.^) durch andere Hilfe zu erleichtern, sogar in sittlicher
Beruf des Landmanns für den Philosophen vorzugsweise Beziehuno; ihn zu heben, wie die Kyniker schon die
passe.«) Epiktet, sein Schüler, redet den, der den Hunger sittliche Besserung ihrer IMitmenschen für ihre Pflicht
fürchtet, an:^) „Kannst du nicht Wasser tragen, nicht hielten.-^) Mehr als auf die That kommt es dabei auf
schreiben, nicht Kinder hüten, nicht eine fremde Thür die Gesinnuno' an. „Weder Gold noch Silber ist die
bewachen? — Aber es ist schimpflich in solchen Dienst Wohlthat, sondern der Wille dessen, der sie ausübt",
zu gehen. — Lerne nur
was schimpflich ist, und
erst, sagt Seneca.^)
dann nenne dich vor uns Philosoph Für jetzt aber dulde I
Die hellenische und auch die römische Volks-
es nicht, wenn ein anderer dich so nennt Und aus- !""
meinung war der naiven, vom natürlichen Egoismus
drücklich empfiehlt er den zugleich studierenden und eingegebenen Ansicht, dass man seinen Freunden wohl,
wassertragenden Kleanthes zur Nachahmung.*) Und wenn seinen Feinden Übles thun müsse. L^nd indem Sulla
sich als Grabschrift bestimmte: „Er liess sich von keinem
') Diog. VII, 5, 168.
•-) Vergl. Bonhöffer II, S. 74, 235. Freunde im Wohlthun, von keinem Feinde im Ubelthun V

•^) Vergl. Schmekel, p. 277; auch Seneca, Ep. 88. 21. übertrefl'en" " glaubte er alle seine Grausamkeiten ge-
).

*) De olio, K. 6.
ii
^j Immer nur freilich, soweit sie auf das Notwendige des stoi-
M IV, 29.
schen Systems geht, also auf die Ethik. Alles andere, „was dem -) De beneficiis IV, 26. ^) De benef. I, 11. V, 17* 4.
Geiste nur Bildung, nicht Stärke bringt," ist auch ihm nur oblecta- *) Über den Kyniker: Epiktet III, 22, 72 u. 77, 82, 96 f. Er
mentum otii; vergl. de benef. VII, 1. ist Vater und Bruder aller Menschen.
«) Vergl. Zeller III, 1 ^ S. 734. ^) De benef. I, 5; auch V, 19.

') III, 26, 7. ') III, 26, 23. ^) Vergl. Plutarch, Sulla, Schluss.
:fl

128 Die Pilicht und die Pflichten. Die Menschenliebe.


129

rechtfertigt und hatte sie wohl auch in den Augen des Gottes 1), alle untereinander Brüder 2), die Alten sind
(I
Volkes gerechtfertigt. Selbst die Philosophie blieb lange ebensogut die Väter aller Jüngeren wie ihrer eigenen
an diesem naturalistischen Prinzip der mei^schlichen Kinder. Es giebt keinen Unterschied des Eanges
Beziehungen haften. Noch der Sokrates des Xenophon zwischen Herren und Sklaven, Vornehmen und Ge-
erklärt^), dass „ihm derjenige höchst lobenswert er- ringen ^).
.

scheint, der den Feinden im Ubelthun, den Freunden Damit ergiebt sich zunächst ganz unmittelbar
im Wohlthun zuvorkommt. " Plato -) hingegen geht da- gegenüber der Volksmeinung Piatos Bestimmung des
rüber sehr entschieden hinaus, indem er gegen diese Verhältnisses zum Mitmenschen. Der Nächste ist ja
Ansicht geltend macht, dass die Gerechtigkeit als mensch- nicht verschieden von mir, sondern wesensgleich, ich
liche Tugend niemanden auch den Feind nicht in seiner ,
würde gegen mich selbst wüten, wenn ich ihn verletzte.
menschlichen Tüchtigkeit schädigen dürfe, was not- Also, wie Seneca sagt: „Homo res sacra homini" und

wendig geschähe, wenn der Gerechte dem Feinde Übles doch wird er —
eine der ersten römischen Stimmen, die
zufügte. sich gegen die Gladiatorenkämpfe erhebt zum —
Die Stoa geht noch weiter als Plato. Nicht bloss Spiele und Scherze getötet! ^) „Frevel ist es, das Vater-
keinen Schaden, sondern sogar Gutes thun soll man jedem, land zu schädigen, also auch den Mitbürger, denn dieser
selbst dem, der sich feindselig stellt. ]\Iindestens seit ist ein Teil des Vaterlandes. Heilig sind die Teile,
Chrysipp^) herrscht die aus ihrer Allbeseeltheitslehre wenn das Ganze verehrungswert du ist. Also darfst
II sich ergebende Vorstellung, dass alle Menschen unter- auch einen Menschen überhaupt nicht schädigen,- denn
einander verwandt und auf enge Gemeinschaft unter- dieser ist in dem grösseren Staate dein Mitbürger.^ 5)
einander angewiesen seien. Dagegen erfolgte in der Nicht darf der Mensch dem Menschen gegenüber ein
If! mittleren Stoa gemäss ihrem Piatonismus und dem sich wildes oder überhaupt ein angreifendes Tier werden,
daraus ergebenden aristokratischen Zuge ein llückschlag. wodurch er ja selbst herabsinken und sich selbst am
Bei Panaetius und bei Posidonius giebt es innerhalb meisten beeinträchtigen würde. ^) Eine der Ursachen,
der menschlichen (Tcsellschaft sehr bedeutende E ang- durch die „die Seele zum Geschwür und gleichsam zum
unterschiede ^ ).
Gewächs auf dem Körper der Welt wird," besteht darin,
Die römische Stoa hingegen hat mit der Theorie dass „sie einen Menschen verabscheut und ihm feindlich,
der Gleichheit aller Menschen Ernst gemacht. Aus der um ihn zu schädigen, begegnet, wie es die Seelen der
pantheistischen Psychologie ergab sie sich als notwen- Zürnenden thun.""^) Und alles dies gilt nicht minder
dige Folgerung.
Jede Seele ist ein Fragment^), ein den Feinden gegenüber. Auch gegen sie wird der
Teil der göttlichen. Also sind alle Menschen Söhne Weise milde und freundlich sein^) nach dem Vorbilde

^) Memorabilia, II, 3, 14; dass hier mehr Xenophon als Sokrates ^) Epiktet I, 8, 2. -') Epiktet III, 22, 96. ^) Epiktet I, 13, 5.
spricht, wie Zeller (II, 1*, S. 171 f.) meint, halte ich allerdings für Seneca, Ep. 44; de benef. III, 28. Ep. 47, 1 ff

sehr wahrscheinlich. Vergl. auch Memor. II, 6, 35. *) Ep. 95, 33. ^) de ira II, 31.
-^3 -) Staat I, 9. ») Vergl. Dyroff, S. 228 ff. •) Epiktet IV, 1, 127.
^) Bonhöffer II, S. 99 f. ') M. Aurel II, 16. Zu den schlechten Charakteren gehört auch
^) ^ dnoonaai-ia^ Epiktet II, 8, 11. der tierisch wilde (IV. 28). ^) Seneca, de vita beata, c. 20«
Barth, Die Stoa. 9
> I

130 Die Pflicht und die Pflichten.


Die Milde. 131 li

der Götter, die über viele Unwürdige^ die Sonne auf-


Diese Gesinnung
müssen wir selbst gegen die
gehen lassen.^) ^1

Schlechten bewähren.Die Milde gegen die sittlich


Doch mit der blossen Enthaltung vom Unrecht, mit
Minderwertigen wird von Epiktet und M. Aurel als
dem. was Bentham und nach ihm Spencer die ..negative
wesentlicher Teil der Tugend betrachtet und zwar aus
beneücence" nennen, sind die Pflichten gegen die Mit-
menschen noch nicht erschöpft. Diese Enthaltung liesse
zwei Gründen: erstens, weil nach Piatos Auffassung, —
sich wohl durch den staatlichen Eechtszwans: allein er-
der die Stoa folgt —
jede Seele nur wider ihren Willeii ill

wie der Wahrheit so auch der Tugend beraubt wird, wir r 1

reichen. Aber „viel weiter als des Rechtes reicht der


alsokeinem eine Schuld beimessen können i); zweitens
Pflichten Gebot.- -) „Die Natur hat uns gegenseitige Liebe
aber, weil wir unserer eigenen Fehler uns bewusst sein
eingegeben und uns gesellig gemacht. - ^) Und „die Weis-
und die Verzeihung gewähren müssen, deren wir selbst
heit ruft uns zur Eintracht'* ^). durch die unsere Schwach-
so oft bedürfen-), üt absolvaris. ignosce!^)
heit gestützt wird^). „Die Verwandtenliebe widerspricht
Seneca meint zwar, der Weise werde dem. der vor-
nicht der Vernunft," meint Epiktef), also aucli nicht
sätzlich und gewohnheitsmässig undankbar ist, keine
die Liebe zu allen Menschen, die ja alle mit uns
Wohlthat erweisen^). Und er erinnert sich auch der
verwandt sind. Und in dieser Beziehung sind wir alle
gleich. Der Sklave kann Wohlthaten erweisen und
strengen Lehre, dass man einem Schlechten nicht nützen,
er also keine Wohlthat empfangen kann, weil in ihm
unseren Dank verdienen^). Der Weise kann selbstver-
i empfängt, wie in einem verdorbenen Magen
alles, w^as er
ständlich Wohlthaten erweisen, und obgleich er nichts
zum Übel wird^). Aber schliesslich mildert er trotz
bedarf, sogar empfangen, wie auch der König solche
Kleanthes seine Strenge dahin, dass der Schlechte wenn
empfängt^). Der gemeinnützige Sinn (xou'wvtxov) ist
nicht Wohlthaten. so doch Vorteile empfangen könne
nach M. Aurel der Hauptteil in der Verfassung des ^'),

Menschen^), einmal ^^) rät er sogar als einzige Freude


dass man „den Undankbaren gegenüber eine milde,

und Erholung „mit stetem Gedenken an Gott von einer


sanfte, grosse Seele'* zeigen solle'). Und er schliesst
seine Er<)rterungen mit der
Aufforderung den Göttern
gemeinnützigen Handlung zur anderen überzugehen."^
nachzuahmen, die den Menschen trotz ihrer Unwissen-
Und auch Seneca giebt als Lebensregel: „Li jeder Frage
heit und Undankbarkeit doch nicht aufhören, Gutes zu
sei unser Ziel das allgemeine Wohl." i^)
<Tweisen und mit dem tröstlichen Satze: vincit malos
pertinax bonitas^). Marc Aurel aber sagt 9): „Ich bin
^) Seneca, de benef. I, 11. ein Glied des aus vernünftigen Wesen bestehenden
-) De ira II, 28. Auch Ep. 95, 51: Quantulum est ei non nocere,
cui debeas prodesse!
3) Ep. 95, 52; auch de ira I, 5. Epiktet I, 28, 4-lL M. Aurel VII, 63; IX, 42; XI, 18.
*) Ep. 90, 26. 5) De benef. IV, 18. «) I, 11, 18. •) Seneca, de 2) Ench. K. 33, 9. Kap. 42. ^) De benef. VII, 28.
benef. III, 17.
*) De benef. IV, 26 u. 27.
«) De benef. VII, 3 und 4. ^) De benef. V, 12. De benef. V, 13.
^)
^) VII, 55. Er betont ihn beständig; vergl. V, 6; VI, 23; VIII,
• ') De benef. VII, 26. De benef. VII, 31.
«)
12; XI, 20 wird er wichtiger als die Gerechtigkeit genannt.
^) VII, 13. Das Wortspiel (fie^OQ, Teü gegen fulog, Glied)
>«) VI, 7. ") De benef. VII, 16.
lässt sich im Deutschen nicht wiedergeben."
If

132 Die Tugend und die Tugenden. Einheit der Tugend. 133

Ganzen. du dich bloss einen Teil desselben


Wenn Geist gerade und nie abweichend macht" ^). Da nun
Menschen noch nicht von Herzen.'
nennst, so liebst du die nichts grader sein
kann als das Grade-), so ist jedes
So nahe an die christliche Etliik wird die Stoa ge- Mehr oder Weniger ausgeschlossen. Dies wird aus-
führt durch die zweite „formula officii'', die Seneca als drücklich hervorgehoben 3). Dasselbe Gleichnis der m
solche geprägt hat. graden Linie —
mit sehr wichtigen Folgerungen daraus
— haben wir oben bei Epiktet und bei M. Aurel ge-
funden.
4. Kapitel. In dem Begriffe der stets sich gleichbleibenden Dis-
position und Kraft, „die durch die Vernunft entstanden
Die Tagend und die Tugenden.
ist", liegt eine Rücksicht anf den Willen als einen
In der Darstellung des sittlichen Ziels der Stoa zunächst von der Vernunft und vom Denken verschiede-
konnte die Tugend nur negativ, als Freiheit von den nen Faktor. Nach Sokrates' und Piatos Autfassung ist
Leidenschaften und von den Aussendingen bestimmt ja der Anfang der Tugend ein rein intellektuelles Ver-
halten. Wie Seneca sagt, ist nach Sokrates die Tugend iden-
werden. Die PHichtenlehre bezog sich wesentlich auf
die Handlungen, sodass über die seelische Eigenschaft, tisch mit der Wahrheit^). Für Plato war jedenfalls die
ans der diese hervorgehen, erst jetzt zu sprechen ist. vollendete Tugend nur durch das Wissen erreichbar, wenn

Diese Eigenschaft ist die Tugend. Die alte Stoa auch für die Tugend der gewöhnlichen Menschen Übung
definiert sie einstimmig als „eine gewisse Disposition und Gewohnheit genügten^). Aristoteles war sich der
und Kraft des führenden Teils der Seele, die durch Bedeutung des AVillens mehr bewusst. Bekannt ist ja
seine Bestimmung, dass die Tugend, auch bei ihm ein
die Vernunft entstanden ist"^). Sie fügte hinzu, dass
dieser Zustand weder der Steigerung, noch der Ab- Zustand (s^ls), durch drei Mittel zu erwerben sei, durch
schwächunoj fähio; sei. Da die Vernunft mit der Natur Natur. Gewöhnung und Vernunft ^) und zwar jede Tugend,

in stoischem Sinne identisch ist, so ist auch, wie aus-


nicht bloss die unvollkommene. In der Anerkennunir
drücklich erklärt wird , das tugendhafte Leben das der Gewöhnung als Wurzel der Tugend liegt die Be-

dem oben darge- rücksichtigung des Willens die auch sonst bei Aristo-
naturgemässe-), und widerspricht nicht ,

stellten Zielbegriife.
teles bewnsst hervortritt. Auch die Stoa ist sich im
allgemeinen des nicht rationalen Momentes, des Willens,
Mit sehr geringer Schwankung^) ist diese Definition
bewusst. Nur bei Panaetius findet, seinem Platonismus
massgebend geblieben. In der römischen Stoa wird die
i gemäss, ein Rückschlag statt. Für ihn ist die Tugend
Konstanz des Grades der Tugend durch einen schon oben*)
erwähnten Vergleich begründet. Allen jenen Tugenden,
») Ep. 66, 13. '^j Ep. 66, 8.
sagt Seneca, „liegt eine Tugend zu Grunde, die den
^) Ep. 71, 19: „Das Sittliche [honestum, das objektive Gegen-
bild der subjektivenTugend] kann weder nachgelassen noch ange-
*) Zeno, Frag. 135. ^tcf^ScJts, oben mit , Disposition" wieder-
spannt werden, ebensowenig wie man ein Lineal, mit dem man die
gegeben, bezeichnet einen dauernden, sich gleichbleibenden Zustand.
Gradlinigkeit prüft, biegen darf."
Vergl. Dyroff, S. 58 fif.

•-)
Vergl. Dyroff, S. 28. *) Ep. 71, 16« 5) Vergl. Zeller II, 1*, S. 880.

3) Bei Herillus. Vergl. Dyroff, S. 59. *) S. 103, «) Vergl. Zeller H, 2^, S. 631. Auch Th. Ziegler, a. a. 0. S. 112.
134 Die Tugend und die Tugenden.
Wille und Intellekt in der Tugend.
135
ein Wissen^), für Posidonius dagegen auch das ent- siegt wird, kann auch die Tugend nicht ohne Anteil
sprechende Verhalten des unvernünftigen Seelenteils-), des Triebes, des AVillens bestehen.
„Ein Teil der Tugend", sagt Seneca, „besteht aus Lehre, Eine Hindeutung auf den Willen ist endlich auch
ein anderer aus Übung" ^). Der Gleichstellung der enthalten in Tvleanthes' materialistischer Erklärung der
Lehre mit der Übung liegt das Bewusstsein zu (Irunde, Tugend, wenn er sagt: „Und ebenso wie die Körperkraft
dass die Lehre allein den etwaigen AViderstand des eine hinreichendeSpannung in den Sehnen, ist auch
Willens noch nicht besiegt. Und wie der Soldat sich die Seelenkraft eine hinreichende Spannung beim Ur-
im Frieden für den Krieg übt, so empfiehlt Seneca, im teilen und Handehr-. Die Spannung beim Handeln,
Wohlstande gelegentlich die Lebensweise äusserster Ar- neben der beim Urteilen, kann eben nur der Wille sein.
mut zu führen, oifenbar in der Einsicht, dass bei einem Dass Kleanthes in dieses Urteilen und Handeln das
wirklichen Umschwünge der Verhältnisse nicht bloss
tugendhafte Handeln einschliesst ist ausdrücklich be- ,

das Bewusstsein von der Notwendigkeit der Änderung zeugt i). Epiktet lässt ebenfalls die Tui^end auf „Wohl-
der Lebensweise vorhanden, sondern auch der Wille da- gespanntheit'' der Seele beruhen-).
zu vorbereitet sein muss^). Und dasselbe bedeutet es, Aber freilich die bewusste Tendenz der stoischen
wenn Epiktet^) meint, die Frucht der Einsicht der Lehre in k u al
ist t e 1 1 e t i s t i s h nicht volunta-
c ,

Menschen, also die Tugend, könne nicht in kurzer Frist ristisch. Darum tritt in ihrer Ausdrucksweise das
und bequem erworben werden, sie bedürfe vielmehr, wie Willenselement zurück.
Schon die ältesten Stoiker
die Feige, längerer Zeit zur Reife. hatten neben der erwähnten Definition der Tugend eine
Eine gewisse Anerkennung des Willens liegt auch kürzere, die
nicht als von der Vernunft bewirkte
sie
inden allerdino-s seltenen Sätzen, die den Affe k t d u r c h Disposition und Kraft der Seele, sondern als „konse-
den Affekt bekämpft wissen wollen. Denn alle Er- quente, feste, nie wankende Vernunft selbst "3) fassten.
scheinungen des Willens werden ja von den Stoikern in Seneca sagt: .,Die Tugend ist nichts anderes als die
die Terminologie der Atfekte eingeordnet. Seneca zwar rechte Vernunft" ^).
spricht sehr misstrauisch von dem „unsicheren, schlechten Intellektualistisch begründet wird auch die Ansicht,
Frieden", der entsteht, wenn ein Affekt den anderen die in der Stoa vorherrscht, dass die Tugend unverlier-
zurückgeschlagen hat^). Aber Epiktet fragt: „Wer bar Chrjsipp hielt
ist. sie für verlierbar, z. B. durch
kann einen Trieb besiegen als ein anderer Trieb?"*) Rausch oder Geistesstijrung Kleanthes aber hatte sie, .

Da nun von der Tugend der „übermässige Trieb" be- wohl in Übereinstimmung mit Zeno und gleich ihm in
Anlehnung an Antisthenes^). für unverlierbar erklärt
') Vergl. Schmekel, 3. 213; mit geringer Einschränkung, S. 216. und zwar wegen der festen Überzeugungen, auf denen
-) Schmekel, S. 271.
^)Ep. 94, 47, auch 90, 45: non enim natura dat virtutem, ars
^) Kleanthes, frg. 76. Vergl. L. Stein, die Psychologie der
est bonum fieri hat wohl den gleichen Sinn. Dieser Satz klingt zu-
Stoa, Berlin, 1886, S. 73. Und oben S. 42, S. 94.
erst unstoisch; er schliesst aber die Xaturgemässheit der Tugend
-) II, 15, 8.
nicht aus.
') Vergl. Zeno, frg. 135.
*) Ep. 18, 5 fif.; vergl. auch Bonhöffer II, S. 147.
V Ep. 66, 32; recta ratio, Übersetzung des oodroc, \oyoc,.
^) I, 15, 8. «) De ira, I, 8. ') I, 17, 24.
^) Vergl. Zeller II, 1 \ S. 313.
136 Die Tugend und die Tugenden. Die vier Kardinaltuffenden.
137

sie beruht^). Auch Seneca sagt: „Die Tugend wird Feuers verglich, mit denselben Namen wie Plato Weis- il\

nicht verlernt~-j. heit (ao(pia), Tapferkeit, Selbstbeherrschung und Gre-


Da
Tagend der Vernunft gleichgesetzt wird
die rechtigkeit nannte i). Die Einheit der Tugend hat bei
und es nur eine Vernunft
giebt, so kann es auch nur ihm den denkbar schärfsten Ausdruck gefunden. Sie
eine Tugend geben. Dieser Gedanke ist schon in ist seitdem ein Lehrstück der Stoa geblieben, nur
dass
Sokrates" Lehre enthalten, der die Weisheit oft die Chrysipp das Verhältnis der allgemeinen Tugend zu
einzige Tugend nennt so dass alle anderen
, obgleich — den besonderen anders und weniger wahrheitsgemäss
er das nicht ausdrücklich gesagt hat — ihre Folge- als Aristo fasste: nicht als einer Kraft, die in ver-
erscheinungen sein müssen^). Bei Plato ist die Grerechtig- schiedenen Formen erscheint,
sondern als der (lattung
keit die Tugend, von der die drei übrigen. Weisheit. zu ihren Arten-'), dass er also nicht auf dem Wege der
Selbstbeherrschung und Tapferkeit, nur besondere Er- partitio, sondern auf dem der divisio die einzelnen
scheinungsweisen sind^). Die Kyniker^) aber und die Tugenden ableiten wollte.
Megariker^) haben geradezu gelehrt, dass es nur eine Diese Ableitung
ist freilich von keinem Stoiker
Tugend gebe, die vielen Tugenden nur verschiedene — anscheinend auch nicht in den verlorenen Schriften
Namen für eine und dieselbe Sache seien. — in strengster Systematik versucht worden. Sie hätte
Die Stoa hielt gegenüber der Vielheit der Tugen- den Beweis führen müssen, dass der Wille nur vom
den, die Aristoteles und die Peripatetiker zählten, an Wissen, nicht auch von der Gewöhnung und von k(*>rper-
der Einheit fest. Zeno gab der zu Gründe liegenden lichen Zuständen abhänge. Sie liegt nur unbewiesen
Vernunft den besonderen Namen der „praktischen der stoischen Definition der vier Kardinaltugenden zu
Vernunft'^ (cpQovj^aig) und stellte die einzelnen Tugen- Grunde.
den als Anwendungen derselben auf verschiedene Auf- Diese vier Kardinaltugenden blieben mit
gaben dar. Doch blieb bei ihm das logische Verhält- geringen, meist nur terminologischen Änderungen 3) in
nis der praktischen Vernunft zu den besonderen Tugen- der Stoa als solche anerkannt. Nur Panaetius versuchte
den unklar, indem sie teils als allgemeine, teils als be- ein neues Teilungsprinzip, indem er theoretische und
sondere Tugend auftrat^). Klarer und energischer ver- praktische Tugenden und unter diesen wieder die auf
fuhr Aristo, der die zu Grunde liegende eine Tugend das Ich und die auf die Gesellschaft bezüglichen unter-
Wissen ihre verschiedenen Erscheinungsformen
{smcFTrjfjirj), schied^). In der römischen Stoa machte sich bei
aber, die er mit den je nach dem brennenden Stoife ver- M. Aurel jene zweite Jormula oificii" geltend, die wir
schiedenen Flammen , den Erscheinungen des einen bei der Pflichtenlehre fanden. Der Gemeinsinn (svhol-
wird bei ihm gewissermassen zur fünften Kardinal-
vcovT](Tla)

*) Vergl Kleanthes, frg. 80. Derselben Ansicht war Persaeus; tugend, indem er die Gerechtigkeit einerseits neben den
vergl. Hirzel, S. 104.
•-) Ep. 50, 8; auch Ep. 113, 8.

^) Vergl. Zeller II, 1*, S. 146. ^) Vergl. Zeller, a. a. 0., S. 882 ff. ') Vergl. Dyroff, S. 73 ff.

') Vergl. Zeller, a. a. 0., S. 312. 2) Vergl. Dyroff, S. 78.


«) Zeller, a. a. 0., S. 260. ') Vergl. Kleanthes, frg. 76 und Pearsons Erläuterung desselben.
') Vergl. Dyroff, S. 71. *) Vergl. Schmekel, S. 216 ff.
Die abgeleiteten Tugenden.
138 Die Tugend und die Tugenden. 13V<

anderer- Sprüngen. Plato hatte die Gerechtigkeit des Staates


drei anderen als Kardinaltugend anerkennt i),
darin gefunden, das jeder Stand im Staate das Seine
seits aber als Unterart zum Gemeinsinn rechnet-).
thut, die Gerechtigkeit im einzelnen Menschen aber
Jene neue Ethik, die sich aus der Wesensgleichheit aller
darin, dass jeder Seelenteil das Seine thut. Bei ihm
3Ienschen ergab, ist bei ihm mächtiger als die alte, die
also, wie noch bei J. G. Fichte^), hat
sich auf das Wissen gründet. Epiktet hat vollends von
die Gerechtig-
keit das Ziel, dass jeder das Seine t h u e bei Aristo-
der alten Lehre keinen Gebrauch gemacht. ,

teles hingegen, dass jeder das Seine


h a b e. Beide Arten
Die Definitionen der vier Kardinaltugenden sind im
der aristotelischen Gerechtigkeit
wesentlichen von Chrysipp festgestellt worden 3), sowohl die aus- ,

gleichende wie die verteilende, an welche letztere


Die .praktische Vernunft" wird bestimmt als ,

Chrysipp besonders gedacht hat, wägen Güter und Übel.


das Wissen von dem, was zu thun und was nicht zu
Auf Aristoteles geht auch Senecas Gedanke zurück,
thun ist die Tapferkeit als das Wissen von dem,
.

was zu fürchten, was nicht zu fürchten und was keins


dass die Gerechtigkeit die schönste Tugend sei-).

ein Ausschnitt
Denn Aristoteles hatte dasselbe orelehrt „Die Gerechtio--
von beiden ist. Die erste Bestimmung ist :

keit erscheint oft als die bedeutendste aller Tugenden,


aus der platonischen Weisheit, die reine Theorie und
und weder der Abend- noch der Morgenstern
Praxis umfasst, die zweite, dem Sinne und dem Wort- ist so be-

und beide wiederholen den In- wundernswert wie sie"^).


laute nach platonisch ^)
Eine ins einzelnste gehende Anwendung der vier
tellektualismus Piatos, der in seinem „Staate" auch bei
Haupttugenden auf alle m()glichen Fälle des Lebens,
der Tapferkeit nur an die Vorstellungen, an den Willen
aber, der, soweit er abhängig, ohne Übung
vom Körper
eine ausgearbeitete Kasuistik hat die Schule vielleicht —
unwillkürlich zurückscheuen wird, gar nicht denkt, ob-
mit Ausnahme des Vielschreibers Chrysipp ^) nicht ge- —
geben. Diese Kasuistik hiess der „paränetische" Teil der
gleich er im „Laches~ in der Erörterung über die Toll-
Ethik. Aristo hielt ihn für wertlos, Kleanthes für „nütz-
kühnheit, die nur Eigenschaft des Willens ist. auch
Erwägung gezogen lieh,aber schwach, wenn er nicht vom Allgemeinen abge-
diese zweite Seite der Tapferkeit in
Chrysipp als Und Seneca stimmt diesem bei, er verlano-t
leitet ist."
hatte. Die Selbstbeherrschung definiert
vor allem decreta, d. h. feste Überzeugungen in allge-
das Wissen von dem, was zu wählen, was zu fliehen
meinen Fragen^).
und was keins von beiden ist, die Gerechtigkeit als das
Wohl erscheinen ausser den vier Haupttugenden
Wissen, das jedem das Gebührende zuteilt. Die erste
noch gar manche andere in der stoischen Lehre, die
bedeutet das Wissen von den (Jbjekten als Gütern oder
Übeln oder gleichgiltigen Dingen, die zweite ist ganz *) Vergl. J, G. Fichte, „Der geschlossene Handelsstaat^
und gar aus Aristoteles' Begriif der Gerechtigkeit ent- I. Buch, 1. Kap. ,Ich habe das Eigentumsrecht beschrieben als das
ausschliessende Recht auf Handlungen, keineswegs auf Sachen.**
1) III, nur dass statt der „Weisheif* die „Wahrheit'' steht. Auch das 2. Kap. des I. Buches.
6,

-) XI, 20. 3) Vergl. Dyroff, S. 82 ff.


') Ep. Nikomachische Ethik V, 3 (1129 b).
113, 31. 3)

*) Mit des widersinnigen Zusatzes, und „was keins


Ausnahme *) Er nahm einen ganzen „Bienenschwarm
Vergl. Dyroff, S. 80.
von Tugenden" an, die er wohl nicht bloss durch die divisio, son-
von beiden ist*, den Chrysipp nur aus falschem logischem Forma-
dern auch durch die Verbreitung über Einzelfälle gewann.
lismus gemacht hat. Er begriff nicht, dass es bei einem kontradik-
'')
Vergl. Kleanthes, frg. 92; und Seneca,
torischen Gegensatze ein Mittleres, Neutrales nicht giebt. ep. 94, 4 ff.
Die Tugend und die Tugenden. Die Laster. 141
140

meisten bei Seneca. Es lassen sich diese jedoch teils losigkeit , Bedürfnislosigkeit , Freiheit , Prunklosigkeit.
als Arten oder Abteiinngen oder Folgeznstände jener Schweigsamkeit zur Selbstbeherrschung, Ergebung in
vier betrachten, teils aus der Pflichtenlehre der Stoa das Schicksal, wie die Frömmigkeit überhaupt nach
ableiten die sogar allein genügt
, uin ein System von ,
Sokrates' Vorgange zur Gerechtigkeit. Sie ist nach
Tilgenden darauf zu gründen, bei Seneca aber mit der diesem die Gerechtigkeit gegen die Götter^). So be-
allgemeinen und besonderen Tugendlehre verbunden er- stimmte sie auch ausdrücklich Posidonius-).
scheint. Seneca zählt ausser den vier Haupttugenden Wie aber die Tugenden untereinander eine „untrenn-
am Weisen noch auf^) Massigkeit. Enthaltsamkeit,
:
bare Gefolgschaft" bilden, so auch die Laster. Wer eine
Sparsamkeit, die doch wohl aus der Selbstbeherrschung Tugend hat, der hat alle^). Wer ein
Laster hat, der
folgen, Geduld als ..Zweig der Tapferkeit" -). wozu auch hat alle Laster^). Ferner sind, wie schon Zeno lehrte,
die Standhaftigkeit geh()rt, ferner Voraussicht. Gleich- alle Laster untereinander gleich^), ein
mut, Seelenruhe, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Ge- Satz, der dann mit Ausnahme des Heraklides von Tar-
schmack (elegantia), Hochsinn, die wohl alle Anwendungen sus, des Antipater von Tarsus und des Athenodorus von

der praktischen Vernunft, der der platonischen Weisheit allen Stoikern anerkannt wurde"). Auch dies ist ein
in der Stoa entsprechenden Kardinaltugend sind. Frei- Ergebnis des Intellektualismus ihrer Ethik. „Es giebt
gebigkeit aber, Freundlichkeit, Menschlichkeit, Gnade ^), nichts, was wahrer ist als das Wahre", so schloss
Geselligkeit^) ergeben sich ohne weiteres aus der zweiten, Chrysipp^), „oder, was falscher ist als das Falsche.
von Seneca aufgestellten Pflichtformel , die von der Also auch keinen Irrtimi, der grösser wäre als ein anderer
Einheit des Menschengeschlechts ausgeht. Und wenn und keine Sünde, die grösser wäre als eine andere.
M. Aurel^) Wahrhaftigkeit, Ernst, Grösse rühmt, so ge- Wer hundert Stadien und wer ein Stadium von Kanobos
hört dies zur praktischen Vernunft, Fleiss. Anspruchs- entfernt ist, sind beide gleicherweise nicht i n Kanobos.
So auch, wer mehr und wer weniger fehlt, beide sind
') Ep. 66, 13; 88, 29—30;Das »praeter has% womit
115, 3.
gleicherweise nicht im Zustande der Pflichterfüllung".
Seneca nach der letzten Stelle sekundären Tugenden einfülirt,
die
zeigt freilich, dass er sich ihrer logischen Unterordnung unter die
Und in der That, wer nur den kontradiktorischen Gegen-
ersten hier nicht bewusst ist. Aber das beweist nichts gegen den
wirklichen logischen Zusammenhang, zumal dieser an anderer Stelle ^) Bei Xenophon, Memorab. IV, 6, 4, wird der Fromme von
ausdrücklich festgestellt wird, nämlich Ep. 67, 10, wo es heisst, bei Sokrates definiert als das, was den Göttern gebührt, wissend, bald
jeder tapferen That sei individuus iste comitatus virtutum, zugleich darauf (§ 6) der Gerechte als das, was den Menschen ge-
aber auch eine Unterordnung der patientia, perpessio und tolerantia bührt, wissend. Dies wird wiederholt in Piatos Euthyphron.
als der „Zweige der Tapferkeit* unter diese stattfindet. Für beide, die Memorabilien wie den Euthyphron, nimmt K. Joel
-) Vergl. Ep. 67, 10. (Der echte und der xenophontische Sokrates H, 1, Berlin 1901, S. 512)
^} Ihre Definition (de dementia II, 3): Die Gnade (dementia) Antisthenes als Quelle dieser Definition an.
ist Macht des Strafens, oder
die „Selbstbeherrschung der Seele in der -) Vergl. Schmekel, S. 273; auch den Stoiker ApoUodor bei
die Milde des Bestimmung der Strafen".
Höheren gegen den Niederen bei Diog. L. VII 1, 119.

Ep. 5, 4. Hoc primum philosophia promittit, sensum com-


"*) ^) Dies ist allgemein stoisch nach Diog. L. VII, 1, 125, vergl.

munem, humanitatem ... et congregationem; sensus communis


. auch Seneca, ep. 109, 10, und ep. 113, 14.

ist wohl dasselbe wie der englische common sense, nicht Gemeinsinn. *) Vergl. Seneca, de benef. V, 15. ^) Zeno, frg. 132.
') IV, 5. «) Bei Diog. L. VH, 120, 121. ') Bei Diog. L. VII, 120.
Quelle der Laster. 143
142 Die Tugend und die Tugenden.

satz ^walir — nicht wahr'' gelten lässt, eine abgestufte


rechten Verhältnisses zum Mitmenschen ab. Wenn er
sagtM: muss man nach einem alten Gebote^
„Dreierlei
Annäherung an die Wahrheit nicht anerkennt und die '
meiden: Hass, Neid, Verachtung." so hat er nur die Be-
Tugend für ein Wissen hält, für den kann es zwischen
Ziehungen zu anderen im Auge, freilich in einem Zu-
Tugend und Laster ebensowenig Zwischenstufen geben,
sammenhange, der nur von diesen Beziehungen handelt.
wie zwischen Wahrheit und Irrtum. Freilich ist ja
diese Scheidung der Wirklichkeit nicht ent-
schroffe
Wenn es aber der erste Vorwurf ist, den er gegen Epi-
kurs Philosophie erhebt, dass „sie den Bürger ausser-
sprechend. Darum
mussten. wie wir weiter unten sehen
halb des Vaterlandes stellt"-), so sieht man wieder, wie
werden, später Milderungen dieser Schroffheit auf-
ihm diese Beziehungen wichtiger als alle anderen sind.
kommen. Und eine gewisse Erinnerung an das Willens-
Auch M. Aurel hat keine Systematik der Laster
moment im Laster, also an ein zweites, von der strengen
als Gegenstück des Systems der Tugenden aufgestellt,
Disjunktion der Wahrheit und des Irrtums unabhängiges
sondern die menschlichen Verfehlungen aus dem falschen
Verhältnis liegt in der Bestimmung, dass, wie jeder
Verhältnis zur Welt, die vor allem die Menschheit
Schwäche des Körpers, jedem Affekt der Seele, so auch
dem im allgemeinen
I^aster Mangel an Spannung einschliesst, abgeleitet, ein Beweis, dass auch ihm da^^

unheilbare zweite Pflichtprinzip das grössere war. Drei Quellen


im Seelenstoife zu Grunde liegte die .

der Sünde sind die wesentlichsten 3) 1. jeder Affekt


Schlechtigkeit aber aus Spannkraft mit einer falschen :

gegen den Mitmenschen, der die Gemeinschaft löst, 2. die


-Neigung" der Seele entsteht-). Wo aber von Spannung
Heuchelei, 3. das Unterliegen des führenden Seelenteils
die Eede ist. da muss es nach allen Analogieen der
im Kampfe gegen den sterblichen Seelenteil,^) d. h. den
Erfahrung auch Grade der Spannung geben.
Körper.
Immerhin ist diese Blindheit gegen die Gradunter-
Epiktets systematische Tugendlehre ist bisher nicht
schiede des Unsittlichen einer eingehenden Behandlung
Zwar unterschied Zeno^) erwähnt worden, da er in anderer Weise als alle früheren
desselben hinderlich gewesen.
Mitglieder der Schule verfährt. Die überlieferten Kar-
den vier Kardinaltugenden entsprechend vierHaupt-
dinaltugenden verwendet er nicht zur Systematik, nie
laster: Unvernunft. Unmässigkeit Ungerechtigkeit ,

nennt er sie zusammen. Von Weisheit (aocpla) spricht er


und Feio-heit. Aber es scheint ihm niemand auf dieser
niemals, nur vom Weisen, von praktischer Vernunft
Bahn gefolgt zu sein. Seneca leitet wohl die Laster
{(pQovrjdLs) nur zwei Mal,^) öfter von der philosophischen
alle aus der Verletzung des zweiten Pflichtprinzips, des
Bildung (naidsia). Die Selbstbeherrschung ist es wohl,
*) Epiklet II, 15, 4 ist nur vom Hirnwütigen, einem körperlich die er mit seinem Wahlspruche „Trage und entsage'^
Leidenden die Rede aber da jeder Affekt zugleich ein körperliches
;

(ave^ov xal ans^ov) hat umschreiben wollen.^)


Leiden ist, und jedem Laster ein Affekt zu Grunde liegt oder folgt,
so gilt der Mangel an Spannung auch vom Laster. ') Ep. 14, 10. 2) Ep. 90, 35. ^) Vergl. II, 16 und XI, 19.
-) Epiktet II, 15, 20. Es müsste dann allerdings, da der Irrtum *) Weniger bedeutsame Ursachen scheinen ihm Irrtum, Mangel
jedes Laster begleitet, die Spannung mit Irrtum verbunden sein, was an Ergebung in das Schicksal und Ziellosigkeit des Lebens, die er n
der sonstigen erkenntnistheoretischen Charakterisierung der „Span- nur einmal (11, 16) anführt, zu sein. '^)
I, 20, 6 und III, 18, 19.

nung", die gerade Erkenntnis ermöglicht, sehr widerspricht. S. oben «) Vergl. die Ausgabe Schenkls, S. 411. Dieser Wahlspruch
ist von Gellius aufbewahrt worden. Nach ihm bezieht sich das Tra-
S. 135.
gen auf das Unrecht, das Entsagen auf die Lust.
3) Frg. 128.
144 Die Tugend und die Tugenden. Zuverlässigkeit und Sittsamkeit bei Epiktet. 145
Er ireht den Grundla<^en
vielmehr o-eraclezu von verbundene Rücksicht auf Götter und Menschen
\) um-
des Systems aus. Wir sahen, dass die Konsequenz eines fasst.Die Zuverlässigkeit ist die individuelle, subjektive,
der ethischen Prinzipien der Stoa ist. Und demgemäss die „Sittsamkeit" die soziale Tugend.
verlangt er wieder als erste Tugend Der Gute soll vor :
Es ist darum ganz folgerichtig, wenn Zuverlässig-
allem zuverlässig (TiKjro^) sein. Die Treue gegen keit und Sittsamkeit zusammen bei Epiktet das
sich selbst oderZuverlässigkeit (nlaTig) ist ihm Wesen der Tugend erschöpfen.-^) Die erste bedeutet den
die erste Tugenden, sie ist gewissermassen die
aller
subjektive Seite des gesamten Wesens der Tugend:
^ didcog bedeutet bei Epiktet zunächst Scham, den Affekt, den
„Der Mensch ist zur Zuverlässigkeit geboren; wer diesen alle unter diesem Worte verstehen, der Erröten zur Folge hat.
Satz aufhebt, hebt das auf, was dem Menschen eigen- Vergl. IV, 3, 2. frg. 14, 8 (Schenkl, S, 414). In demselben Sinne
tümlich ist".i) Schärfer als es mit diesen Worten ge- das Adjektiv aidi^ficjv, z. B. III, 7, 27. Daneben aber haben beide,
schieht, konnte Epiktet den grundlegenden Charakter das Substantiv wie das Adjektiv, eine zweite, ethische Bedeutung,
wie oben gesagt: die ehrfürchtige Scheu vor und die Rücksicht
der Zuverlässigkeit nicht betonen. Wenn der Mensch auf
Götter und Menschen, die wir am besten mit „Sittsam keif
wieder-
zum Tiere entartet, so ist die Unzuverlässigkeit seine geben, die sich am deutlichsten an den Stellen offenbart, wo
die
erste Untugend.-) Wo die Tugenden der Götter aufge- Götter oder die Menschen ausdrücklich genannt sind, aber auch
an
zählt werden, da ist die Zuverlässigkeit die erste.^j Und allen übrigen Stellen anzunehmen ist. Euch. Kap. 33, 15. Euch.
das ganze Wesen des Unweisen wird darin zusammen- 36. 16, 7: „Eins genügte, um die Vorsehung zu fühlen, wenigstens
I,

des für den Sittsamen und Dankbaren". IV, 1, 106: „Tritt ab (vom
gefasst, dass seine Seele nicht zuverlässig ist."^) sitt-
Leben) wie ein Dankbarer und aidrjfjicov (gegen die, die deinen Platz
lich Gesunkenen darin, dass er gute Gesinnung und Zu- wollen)." H, 20, 32 werden die Menschen, die die Gaben der Götter
verlässigkeit verloren hat.^) Die erste Eigenschaft, die geniessend an ihnen zweifeln, ironisch dankbar und sittsam genannt.
von Freunden verlangt wird, ist Zuverlässigkeit ^) Unter III, 18, 6 heisst der dankbare Sohn sittsam.

den wahren, unentreissbaren Gütern der Menschen wird So ist bei Epiktet II, 10, 29 der zuverlässige und sittsame
-)

Wille der Inbegriff aller Tugend. I, 3, 4 ist der Mensch


sie von Epiktet zuerst genannt.'^) geboren
„zur Zuverlässigkeit und Sittsamkeit und zur Sicherheit des
Gebrauchs
Neben der Zuverlässigkeit wird eine zweite Tugend seiner Vorstellungen", welche letztere nicht ein neuer Bestandteil
der
genannt, die nicht mehr rein subjektiv sondern auch .
Tugend, sondern wie aus IV, 1, 97 hervorgeht, nur eine nähere
Er-
objektiver Beziehungen fähig ist: die Sittsamkeit läuterung der Zuverlässigkeit ist. Besonders aber ist „zuverlässig

(aidcog), die mehr einschliesst als der in der


bei Epiktet und sittsam" bei Epiktet eine stehende Formel, um den gesamten
Wert eines Menschen zu bezeichnen. Allein wird
Stoa mit demselben Worte benannte edle Alfekt. Während sie in diesem Sinne
gebraucht: II, 2, 4; III, 17, 3; IV, 13, 13; IV. 13, 19; IV, 13, 20; IV,
dieser bloss „die Scheu vor berechtigtem TadeP be- Euch. 24, Wie sehr
1, 161.
5. diese Verbindung formelhaft geworden ist,
deutet,*) ist die alöcoQ bei Epiktet fast ebensoviel als beweist ihre Anwendung
bei gleichgiltigen Verrichtungen des Lebens,
beiHomer, bei dem sie die ehrfürchtige Scheu vor den I, 4, 20: „Er badet wie ein Zuverlässiger und isst wie ein Sittsamer."
Sehr häufig erscheint diese Formel in Verbindung mit anderen
Menschen und den Göttern und die notwendig damit Tu-
genden, doch so, dass man die Absicht ihrer Hervorhebung
merkt
So II, 8, 23; HI, 3, 9; I, 4, 18; II, 22, 30; III, 13, 3; HI, 18- 23,
') II, 4, 1. 2) I, 3, 7. II, 4, 11. 3) II, 14, 13. ') II, 22, 25. II, 8, 27; IV, 3, 7; H, 22, 20. I, 28, 20. IV, 4, 6. (dacpaXäg für
') IV, 5, 14. JitöTüg). Euch. 24, 3 und 4. Bonhöffer hat das Vorwalten der
«) II, 22, 27 und 29. ') I, 25, 4. «) Siehe oben S. 96. niarig und alöag bei Epiktet nicht bemerkt.
Barth, Die Stoa. JQ
146 Die Tugend und die Tugenden. Schönheit der Tugend.
147
Willen,
konsequenten, die zweite den guten, weil sozialen und Schande bedeckt, wäre uns in ihrer Schönheit sicht-
das der zweiten PflieMformel Senecas sehr bar, wenn wir den
geistigen Blick ebenso wie den leib-
ein Prinzip,
verwandt Alle objektiven Tugenden lassen sich aus
ist. lichen schärfen könnten.^) Es ist dies ein
Gedanke, der
ableiten. Sie
diesen beiden Dispositionen des Willens seit Piatos wo er zuerst auftaucht, wo zuerst
Phädrus,
übrigen Stoikern,
sind bei Epiktet dieselben wie bei den die Schönheit der Tugend der Schönheit des Körpers
andere aber
nur die Grundlegung ist bei Epiktet eine , gleichgestellt sogar vorgezogen wird bei keinem der
, ,

Ethik durchaus homogene. antiken Moralphilosophen ganz fehlt. Eine Vereinigung


eine dem Geiste der stoischen
gehen in der Tugendlelire der Stoiker wie in des Wahren, Guten und Schönen, die Plato
So in seinen
Pflichtenlehre zwei Stri^mungen neben- und bis- Ideen fand, lebt in der Tugend der Stoiker
ihrer wieder auf,
weilen gegeneinander. Die eine, der Tradition folgend, wie sehr sie auch von seiner Ideenlehre sich
entfernen.
die intellektualistische Tugendlelire
Piatos fortbildend Denn die Wahrheit ist die Grundlage der
stoischen,
modifizierend, die andere aus dem psychologischen Tugend, diese ist ferner, wie wir sehen werden,
und das
Pantheismus neue Tugenden ableitend. In dieser Hin- einzige Gute in der Welt, und sie dünkt
den Stoikern,
sicht trägt ihre Metaphysik neue, der hellenischen Welt wenn sie konkret gedacht wird, von überirdischer
dahin'' unbekannte Früchte. Weniger
ansprechend ist Schönheit.
bis
diese Metaphysik, wenn sie in ihrer kindlichen Bemühung
alles Körper, mindestens als Substanz zu deuten,
als
,i)
wie die Weisheit als Gut, also als Körper
so die
5. Kapitel.
als lebendes Wesen (animal) klassifiziert. Wahr-
Tugend
Albernheiten",'-^) Das Gut, die Güter und die Werte.
scheinlich Chrvsipp hat diese „subtilen
widmet,
denen Seneca eine umständliche AViderlegung
Tendenz, die Wenn man im Altertume jemanden, einen Nicht-
Ansprechender ist eine andere
aufgestellt.
philosophen sogar, nach dem hervorstechendsten Merk-
Tugend mit den Vorzügen konkreter Dinge auszustatten,
wäre, male der Lehre der Stoa gefragt hätte, so hätte er
nämlich die Annahme, dass sie, wenn sie sichtbar
Nicht wohl, wie der Dichter Athenaeus in einem Epigramm
uns durch ihre Schönheit anzöge und überwältigte.
wenn auf diese Schule, die These angegeben: „Die Tugend
bloss die Seele eines sittlich guten Mannes hätte,
der Seele ist allein ein Gut".^) im Gegensatze zu
sie sichtbar wäre, ein schönes, heiliges Antlitz, das von Ari-
Gott- und den Peripatetikern, schärfer sogar als Plato,
stoteles
Hoheit und Güte strahlte'^) und träte uns wie eine hat Zeno im Anschlüsse an die Kyniker dies behauptet
entgegen, sondern auch die Tugend allein, wenn-
heit
Niedrigkeit
und zu stützen gesucht.^) Es ist dann ein festes Dogma
gleich vom Körper bedrückt, von Armut,
der Schule geblieben. Wenn die Tugend aber allein ein
Seneca Ep. 117, 2; auch Ep. 106, 3—12.
>) Vergl.
sie ep. 113, 21. Fast der ganze
^) .Subtües inepliae', nennt er ') Ep. 115, 6 und 7; auch de benef. IV, 22, und Ep. 66, 2.
fast der ganze 106.
113. Brief ist ihrer Widerlegung gewidmet, wie -) Athenaeus bei Diog. L. VI, 1, 14; auch VIT, 1, 30. Entgegen-
dass alles
Brief gegen die allgemeinere Behauptung gerichtet
ist,
gesetzt wird der Tugend das Lustgefühl des Fleisches.
Ebenso, ohne
Gute ein Körper sei. S. oben S. 37. den Gegensatz, Tacitus, bist. IV, 5.
3) Ep. 115, 3 und 4. 2) Frg. 128.
Das Sittliche das höchste Gut. 149
die Güter und die Werte.
Das Gut,
^48
Das (.ütt genannt. M Freilich muss
diese Vernunft ausgebildet
höchste Gut
Gut ist, so ist sie auch das (perfecta) sein.Dasselbe meint Epiktet, wenn er sagt,
vollkommene Gut lautet
lieh) Gute ist das
,

das Wesen des Guten bestehe im rechten Gebrauche


Fassung.M
darum die These in anderer der Vorstellungen oder in der Vernunft, dem Wissen,
was zur Tugend gehört, ist als Gut
Alles daher,
dem rechten Verstände.^) Und dasselbe bedeutet es, wenn
zu er immer wieder einprägt, was ein Gut ist, stehe in
b«^*[^^';Jl"^^.^^^ 5j^r^„,_^i der Tugend lernten wir die
unserer Gewalt, und nur das sei ein Gut, was in unserer
sowohl als vom Zwange
Freiheit von den Leidenschaften Gewalt steht 3), d. h. eben die Tugend, oder zweierlei
äusserer Dinge kennen.
Daraus folgt notwendig, dass
Gutes aus- nur sei ein Gut: der richtige Wille und der richtige
einen Teil des höchsten
Se Freiheit selbst
„Es ist ein unschätzbares Gut,
Gebrauch der Vorstellungen,-^) welche beide zusammen
macht, also ein Gut ist. eben die Tugend ausmachen.
«pin eio-ner Herr zu werden".*) Freilich, das Wissen, das die Stoa meint, ist vor
haben, mit der Tugend
Ferner ist. wie wir gesehen allem die Philosophie und in ihr die Ethik, alles andere
notwendig verbunden. Sie ist darum,
die Glückseligkeit ist nur Ergötzung der Musse.^) Und auf dieses, auf das
erscheint ebeiüalls ein
wie es uns selbstverständlich Wissen von Natur und Geschichte, das nicht unmittel-
bedarf dies nicht; denn die Gluck-
Gut») Eines Beweises innen bar der Ethik dient, bezieht es sich, wenn Zeno die
Teligkeit ist ja nichts
anderes als die Tugend von
encyklopädische Bildung für unnütz erklärt,^) und Seneca
sagt: „Mehr wissen wollen, als genug ist, ist eine Art
Erkenntnis nach der stoi-
Die Tuo-end beruht auf
,

oder der Unmässigkeit. ^) Während Plato und Aristoteles ohne


*^

der praktischen Vernunft


schen Terrnfnologie auf Einschränkung das ganze Wissen als Grundlage der
schliesslich gleich-
Sinne nach
dem Wissen, die aber dem em Gut. Glückseligkeit betrachten, giebt die Stoa nur der Ethik
sind. Darum ist auch dieses Wissen
bedeutend diesen Preis, alles andere Wissen ist ihr minderwertig,
Geist animus mtuens vera,
Der das Wahre schauende
,

nicht anders eine Auffassung, die glücklicherweise für den wirklichen


stoischer Auffassung
wird sogar, da er nach Betrieb der Einzelwissenschaften in der stoischen Schule
als tucrendhaft sein
kann, das ,erste Gut" genannt. )
ohne schädliche Wirkung geblieben ist.
bedeutet dasselbe wie das Wissen
Die -Vernunft" (ratio) Da nur ein Gut giebt, die Tugend, die keiner
Menschen, nicht dem Tiere zu
es
und wird, weil nur dem Gut Steigerung fähig ist, von mehreren Gütern nur soweit
dem Mensehen „eigentümliche
Teil geworden, das die Rede sein kann, als sie Erscheinungen, zureichende
Ursachen oder Wirkungen der Tugend sind, so wird es
17;118, 10.
.)SenecaEp. 71,4;74, 1;76, U;85. verständlich, dass es seit Chrysipp als Lehrsatz der
34.
2> Spneca Ep. 75, 18; auch 104, Schule galt: Alle Güter sind untereinander gleich.^)
ausgesprochen wird es von Seneca, De v.ta
3 irdrückth
inaestimabile bonum, q^^es mentis
beata K.4: Tum illud orietur
smd Be-
Quies mentis et subhmitas
fn tlo collocata et sublimitas. ') Ep. 76, 9 u. 10; auch Ep. 31. '-) II, 1, 4; II, 8, 1 f.

revertamur et 3) I, 22, 18. ^) I, 30, 4; auch I, 8, 16.


B: ad primu. bonu.
''-'X^^r^t^^. intuens vera, peritus fug.endorum ^) De benef. VH, 1. ß) Frg. 167. S. oben S. 19. ') Ep. 88, 36.
considLTus id quäle sit: animus '^) Vergl. Dyroff, S. 99.
talis animus virtus est.
et petendorum
150 Das Gut, die Güter und die Werte. Werte und Misswerte. 151

Seneca^) sagt mit kurzer, aber durchaus schulgetreuer Da die Gottheit fürunsere Glückseligkeit gesorgt
Begründung: „Wenn die Vernunft gottlich, kein Gut hat, diese aber von unserem Denken und Wollen ab-
aber ohne Vernunft ist, so ist jedes Gut göttlich. Ferner hängt so muss alles was nicht von unserem Denken
, ,

giebt es zwischen göttlichen Dingen keinen Unterschied, und Wollen abhängt, für unsere Glückseligkeit gleich-
also auch nicht zwischen den Gütern." giltig, also kein Gut sein. So lehrte auch Zeno in seiner

Wie die Tugend allein ein Gut ist, so das Laster ersten Periode „Gleichgiltig sind Leben und Tod, Ruhm
:

allein ein Übel. Dies ist von Zeno schon proklamiert-) und Ruhmlosigkeit, Unlust und Lust, Reichtum und
und seitdem, ebenso wie die These über die Tugend, un- Armut, Krankheit und Gesundheit und alles dergleichen".^)
abänderlich festgehalten worden. Das einzige Übel ist Und die Lehre der Schule ist dies immer geblieben.
die Unsittlichkeit, sagt Seneca.^) Und Epiktet erklärt, So sagt noch Seneca:-) „Was den Göttern fehlt, kann
das Wesen des Übels bestehe im Gebrauche der Vorstel- kein Gut sein." Den Göttern fehlt aber nach seiner
im falschen Gebrauche derselben, der zum
lungen,*) d. h. Auffassung alles, was die unweisen Menschen begehren.
Laster führe. Und oft wiederholt er das Übel liegt im : Nur Vernunft und Wille ist ihnen mit den Menschen
üblen Willen, nie in den fremden von meinem Willen ,
gemeinsam. Und Epiktet wird nicht müde zu wieder-
unabhängigen Dingen.^) Jedes Laster hat auch seine holen, dass alles, was nicht in unserer Gewalt ist, ganz
Übel in sich, nicht etwa in den Strafen, die es nach sich und gar keine Beziehung auf unsere Glückseligkeit habe.
zieht.^) „Die sittliche Schlechtigkeit trinkt den gross ten Lidessen nur der Weise, „den seine Tugend in ein
Teil ihres Giftes selbst."^) anderes Gebiet der Welt gestellt hat, der mit euch nichts
gemein hat," ^) kann diese den Göttern mögliche Verach-
^) Ep. 66, 12. Wenn er dennoch Guter von dreierlei Quellen
tung alles Irdischen durchführen. Da aber die Stoa auf
anfuhrt (triplex conditio, Ep. 66, 5): 1. Freude, Frieden und Wohl- die Erdenbewohner wirken wollte, so musste sie auf die
ergehen des Vaterlandes, 2. solche, „die sich an unglücklichem Stoffe thatsächlichen Werte, die die Dinge für das Leben
ausprägen*. Geduld in Qualen und Selbstbeherrschung in schwerer
haben, schliesslich Rücksicht nehmen. Die Natur, der
Krankheit, 3. sittsamen und würdigen Gang, ehrliche Miene und Ge-
die Stoa doch folgen will, lehrt uns ja diese Rücksicht.
bärden, wie sie einem würdigen Manne ziemen, so liegt darin kein
Widerspruch gegen die Gleichheit der Güter. Denn die angeführten
Schon Zeno unterschied in einer späteren Lebensperiode ^)
drei Arten sind nicht graduell verschieden, sondern nur ^ebensoviele unter den gleichgiltigen Objekten drei Klassen, wodurch
Erscheinungsweisen (species) des tugendhaften Geistes, die nach der er die allgemeine Gleichgiltigkeit aufhob: 1. vorge-
Verschiedenartigkeit des Lebens und nach den verschiedenen Hand-
zogene Dinge {nQoi)yf.dva) wie Leben Ruhm Lust,
,
, ,

lungen sich entfalten/ (Ep. 66, 7.) Dass auch Friede und Wohl-
Reichtum, Gesundheit, Schönheit; und 2. nachge-
fahrt der Mitbürger zu den Gütern gehören, zeigt deutlich die Wich-
tigkeit des zweiten Pflichtprinzips bei Seneca. Sie sind Ziele der setzte Dinge (d7ro7i^ory7/i£va), wie Tod, Schande, Mühe,
Humanität, also darum ein Gut. S. Rubin (die Ethik Senecas, Armut, Krankheit, Schwäche, Schmerz.^) Die ersten sind
München 1901, S. 58 ff.) hält diese drei Arten von Gütern für drei keine Güter und tragen zu der Glückseligkeit nichts
Arten von Werten, die wir weiter unten charakterisieren werden,
und begeht damit eine Verwechslung.
2) Frg. 128. ^) De constantia sapientis V, 3; auch ep. 94, 8.
» ) Vergl. Frg. 128. ^) Ep. 74, 14. ^) Seneca, de const. sap. Kap. 15.
*) II, 4. ^) Z. B. II, 6; auch II, 5, 5.
•») Vergl. Dyroff, S. 108.
1, 1,

«) Seneca, Ep. 87, 24. ') Ep. 81, 22. 5) Zeno, Frg. 131 (Pearson, S. 171), und Dyroff, S. 110.
152 Das Gut, die Guter und die Werte. Freundschaft, Ruhm, Reichtum u. a. 153

bei, werden aber als naturgemäss den anderen als den donius betrachtet als wesentlichen Wert die Lust, so-

naturwidrigen vorgezogen.^) Freilich ist liier nicht die- weit sie der Erhaltung des Lebens dient, als Misswert
jenige Natur gemeint, die mit der Weltvernunftidentisch den Schmerz, als weitere, mit dem ersten zusammen-
ist, sondern diejenige, die mit einer gewissen
Blindheit hängende Werte Leben, Gesundheit, Reichtum, Kunst
Leben und Lust schafft und mehrt.^) Als dritte Klasse und Wissenschaft.^)
aber nannte Zeno noch schlechthin gleichgiltige Dinge, Seneca will nur diejenigen als Güter anerkennen,
für deren Annahme oder Ablehnung es gar keinen die dieVernunft giebt. Alles andere sind nur Werte,
Grund gebe, von denen aber auch kein Beispiel erwähnt (commoda), des Namens „Güter" nicht würdig.^) Eine
wird.3) Diese völlig des Wertes oder des Misswertes ^) genauere Abstufung dieser Werte hat er nicht gegeben.
entbehrenden Objekte sind eine Inkonsequenz gegenüber Nur so viel lässt sich aus zerstreuten Äusserungen
der Pflichtenlehre. Wenn es in der Stoa keine sittlich entnehmen, dass die Freundschaft einen sehr hohen
indifferentenHandlungen giebt wie wir oben (S. 119)
,
Wert hat. Denn „ohne Freund ist das Leben die Fütte-
gesehen haben, so kann es auch sittlich indifferente Ob- rung eines Löwen und eines Wolfes." 3) Obgleich der
jekte oder Gemütszustände nicht geben; denn jede Hand- Philosoph wie jedes Wertes, so auch der Freundschaft
lung bezieht sich auf einen Gegenstand und hat einen entbehren kann,^) so ist doch „keines Gutes Besitz ohne
Bewusstseinszustand zur Ursache und zur Wirkung. einen Gefährten angenehm ".s) Der Weise ist darum ein
Wenn sie selbst aber nicht indifferent ist, so kann auch Künstler in der Schliessung von Freundschaften (artifex
das, was ganz untrennbar mit ihr verknüpft ist. nicht faciendarum amicitiarum).^)
indifferent sein, da jeder Wert oder Misswert sich von Der zweite Wert ist der Ruhm, der ja auch von
der Ursache auf die Wirkung, von dem Motiv auf den Zeno unter den bevorzugten Objekten genannt wird,
erreichten Zweck ebenso überträgt, wie umgekehrt, und freilichmit einer gewissen Einschränkung. Nur die Be-
ein unmittelbarer Wert oder Misswert, oder eine Hand- rühmtheit (claritas), die als Anerkennung des sittlich
lung, die nie indifferent sein kann, vermittelte Werte Guten durch die sittlich Guten definiert wird, betrachtet

oder vermittelte Misswerte erzeugen muss^). Seneca Gut, d. h. nach strengem Sprachgebrauche
als
als Wert.^) Diese Berühmtheit scheidet er scharf von
Die Annahme verschiedener Werte ist in der Stoa dem
seit Zeno geblieben. Nur die Einordnung der verschie-
gewöhnlichen Ruhme (gloria), der auf dem Urteile der
denen Objekte in die Wertklassen hat geschwankt. Posi- Menge beruht.«) Und wie die Gerechtigkeit beiden Segen
bringt, dem, der sie giebt, wie dem, der sie empfängt,
1) Zeno a. a. 0. und Frg. 130.
•-) Wie überhaupt „Natur* bei den Stoikern nicht eindeutig ist. ') Schmekel, S. 275 ff.

Vergl. oben S. 134. M ')Ep. 74, 17; doch wird dieser Sprachgebrauch nicht festgehalten.

3) Vergl. Pearson, S. 168—170. So'heisst es Ep. 4, 6 nuUum bonum adjuvat habentem, nisi ad cuius
:

*) Diesen Terminus für die , nachgesetzten* Dinge entlehne araissionem paratus est animus. Die wahren Güter können nie ver.-
loren werden, also sind hier nur
ich Bonhöffer. Er drückt den konträren Gegensatz besser aus als commoda gemeint.
') Ep. 19,10.
.Unwert".
^) Vergl. Chr. von Ehrenfels, System der Werttheorie, I, *) Ep. 9, 5.

Leipzig, 1897, S. 75 ff.


Ep. 6, 4. 6) Ep. 9, 5. ') Ep. 102, 14. «) Ep. 102, 13.
Das Gut, die Güter und die Werte.
154 Das Leben, der Selbstmord. 155

so ist auch diese Berühmtheit, die gerechte Anerkennung das Leben selbst nicht mehr ein Wert, sondern ein
des verdienten Mannes, sowohl für den Anerkannten wie Misswert, ein Hindernis der Freiheit, der Tugend ist.
für die Anerkennenden wertvoll.^) In ihr findet Seneca Solange das nicht der Fall ist, ginge der Selbstmord
einen noch nach dem Tode fortwirkenden Segen eines
hervor aus der blossen „Willkür zu sterben" i) (libido
sittlichen Lebens,^) und sogar der Sohn, der sie seinen moriendi), die von Seneca wie von Epiktet und M. Aurel
Eltern erwirbt, erweist ihnen einen unschätzbaren aufs schärfste verworfen wird. Wann Zeit und Grrund
Der gewöhnliche Ehrgeiz hingegen und die
Dienst.^) des freiwilligen Scheidens gegeben sind, lehrt die Philo-
Ruhmsucht werden als Laster betrachtet und selbst an sophie als „Wissenschaft des Lebens und des Sterbens"-).
einem so hervorragenden Manne wie Julius Caesar Dass wir so den wahren Übeln entgehen können, ist
getadelt.^) ein wesentlicher Bestandteil der stoischen Theodicee.
Endlich gehört zu den Werten bei Seneca auch der „Das ist das einzige, warum wir über das Leben nicht
Reichtum. Er kann zwar Böses zur Folge haben, klagen dürfen. Es hält niemanden" 3). Freilich, wie
aber nicht als bewirkende Ursache (causa efficiens), Zeller bemerkt, der hochgespannte FreiheitsbegriiF der
sondern nur aus Anlass (causa praecedens). Er erzeugt, Schule hat in der Praxis den Selbstmord oft wegen
wie Seneca mit Posidonius feststellt, nichts Böses, sondern unbedeutender Beschränkungen des freien Willens her-
reizt nur dazu^). Der Weise liebt den Reichtum nicht, beigeführt*). Die aber einen grossen Anlass hatten,
aber zieht ihn der Armut vor "). Doch ist er kein Gut. wie Cato von Utica, die galten gewissermassen als
Demokrit wird gerühmt, weil er seinen Reichtum als Heilige der Schule^).
Und Seneca
eine Last für einen edlen Greist fortwarf ^). Der natürliche Tod ist also, wie wir sehen, vieler
betrachtet es als ein Zeichen schlimmer Entartung, dass Übel Ende , also ein Wert , der pflichtgemässe Selbst-
die Armut als Schande gilt^). mord der Bürge der Freiheit, also ein Gut. Dennoch
Leben und Tod sind nach der strengen Lehre gleich- klingt es wieder, als Tod etwas ganz Grleich- ob der
giltig, nicht so bei Seneca. Zunächst ist ihm der Tod giltiges sein sollte wenn Seneca sagt „Niemand lobt
, :

„keines Übels Stoß*, vieler Übel Ende"»), er muss also den Tod, sondern nur den, dessen Seele der Tod eher
ein Wert sein. Die Furcht davor, im ersten Jahrhundert dahinraffte als erschütterte^)". Er fühlt hier, dass.
der römischen Kaiserzeit eine sehr verbreitete Stimmung, wie alle Dinge, so auch der Tod rein an sich betrachtet,
die unter anderem bei Horaz sehr hervortritt, wird von gar keinen Wert oder Misswert hat, sondern erst durch
ihm scharf zurückgewiesen^^). die Beziehung auf den menschlichen Willen einen solchen
Andererseits ist der freiwillige Tod oft eine sitt- erhält. Hätte er den Gredanken zu Ende gedacht, so
liche That, der „vernünftige Ausgang aus dem Leben" r

wie ihn die Stoa von ihrem Stifter an gebietet, sobald ') Ep. 24, 25. Epiktet, I, 9, 17; I, 29, 29. M. Aurel XI, 8.-

Vergl. Bonhöffer II, 33 f.


») Ep. 102, 17 ff. ^) Ep. 102, 30. ^) De benef. III, 32. ^) De brevitate vitae, Kap. 19, 2.
*) Ep. 94, 65; und 104, 9. •3) Seneca, Ep. 70, 15. Epiktet I, 24, 20.
5) Ep. 87, 29—34. «) De vita beata, K. 21. ') De Providentia, *) Vergl. Zeller III, 1 S. 306 und Seneca Ep.
3, 56, 3.
s)
^) De benef.
i°) Nat.
Kap. 6. Ep. 115, 11. 7, I. Ep. 101, 10; Seneca,
5) Vergl. Ep. 25,6; 67,7; 104, 33. De const. sap.
Quaest. VI, 32. K. 7, 1. «) Ep. 82, 11.
156 Das Gut, die Güter nnd die Werte. Epiktet strenger als Seneca. 157

hätte er gefunden, dass es eben darum, wenn man über aber wird an anderen Stellen von ihm ausdrücklich als
die Dinge einmal Werturteile fällt, keine gleichgiltigen nicht wünschenswert bezeichnet^).
Dinge geben kann, wie es nach der strengen Lehre der Während so bei Seneca ein arges Schwanken in
Schule keinen völlig gleichgiltigen Willen und keine der Wertlehre stattfindet, ist Epiktet zwar nicht ganz
völlig gleichgiltige Handlung giebt^). Da Seneca diese klar, aber einheitlicher und folgerichtiger. Freilich ist
Folgerung nicht zieht, so bleibt die Kategorie der völlig auch er nicht bei der ersten Lehre Zenos geblieben.
gleichgiltigen Dinge bei ihm bestehen. Aber er ver- Auch für ihn haben die äusseren Dinge, die nicht Güter
mag sie ohne Widersprüche nicht auszufüllen, weder oder Übel sind, einen Wert oder Misswert. Und bei
mit dem natürlichen Tode, noch mit dem pflichtgemässen der Beurteilung des vernünftigen oder unvernünftigen
Selbstmorde, wie wir gesehen haben, noch mit dem Lebens müssen wir darauf Rücksicht nehmen -). Auch
bürgerlichen Tode, der Verbannung. Diese nannte er diese Unterscheidung der Werte und Misswerte ist eine
zwar einen blossen ^Ortswechsel"-), muss aber in dem- Thätigkeit der Tugend 3). Aber dem Weisen hat er
selben Atem zugeben, dass sie „Miss werte, nämlich Ar- bestimmte Werte nicht zugewiesen. Für ihn bleiben
mut. Schande. Verachtung im Gefolge hat", also selbst „die Stoffe gleichgiltig, nur ihr Gebrauch ist nicht
ein mittelbarer Misswert ist. Die Adiaphorie aller gleichgiltig"^). Er
bearbeitet sie frei für seinen Zweck,
äusseren Dinge, die von der ersten, strengen Richtung die Tugend, wie der Weber die Wolle ^). Nur für den
gelehrt wird, ist logisch unanfechtbar. Die Adiaphorie durchschnittlichen Menschen ist das Leben dem Tode,
der mittleren Dinge aber, die zwischen Werten und die Lust dem Schmerze vorzuziehen 6). Der Weise wählt
Misswerten liegend keins von beiden sein sollen, bleibt die naturgemässen Werte nur, „solange ihm die Folgen
auch bei Seneca ein leeres Wort, ist überhaupt eine unklar sind", ^) d. h. solange sie eben nicht sein Ideal
logische Missbildung, wahrscheinlich lediglich durch den der Freiheit beeinträchtigen. Wenn dies aber der Fall
schon oben (S. 138j erwähnten, verkehrten Formalismus ist, so verziehtet er auf alles. „Nimm das Körperchen,
Chrysipps veranlasst, der gleichviel ob berechtigt oder nimm den
,
Besitz, nimm den Ruf, nimm die Meinen"^).
unberechtigt zu je zwei Grliedern eines Gregensatzes
immer ein drittes suchte.
Insbesondere wird im Gegensatze zu Seneca der Ruhm
in keiner Weise von Epiktet bevorzugt, sondern er
Was Seneca sonst noch als gleichgiltig anführt, bleibt in der grossen Menge der gleichgiltigen Dinge ^).
Armut, Krankheit, Schmerz^), kann er eben- Auch Gesundheit, Reichtum und Armut ^") werden aus-
falls nur im Widerspruche gegen sich selbst so benennen. drücklich Adiaphora genannt und zwar scheint es, als
Wenn ihm der Reichtum, wie oben erwiesen, ein Wert ob er damit eben wieder zur strengen Lehre zurück-
ist, muss die Armut ein Misswert sein. Und wenn Gre- kehrte, von der er in Bezug auf den Weisen gar nicht
sundheit *) wünschenswert ist so kann die Krankheit,

nur fliehenswert nicht indiiferent sein. Der Schmerz


. ') Ep. 67, 4. ') I, 2, 7. Vergl. Bonhöffer IT, 43 ü'.

3) II, 23, 7. ^) II, 5, 1. ö) II, 5, 21. 6) I, 2, 15. ') U, 6, 9.


^) I, auch Ench. 18. Man beachte übrigens die merk-
29, 10;
M S. oben S. 119. «) Ad Helviam VI, 1.
würdige Übereinstimmung mit Luther: „Nehmen sie uns den Leib,
3) Ep. 82, 10.
Gut, Ehr, Kind und Weib .« . .

*) De vita beata. Kap. 22.


^) II, 9, 15; auch wohl III, 24, 68. ^«) IT, 9, 15; auch III, 17, 7.
Das Ideal des Weisen. Apotheose des Weisen. 159
158

abgewichen iet. Seine Hochschätzung der kynischen Darstellung wäre es nun gewesen, wenn man in dichter-
Lehre scheint Epiktet zur schärferen Fassung des Wert- ischer Weise anschaulich das Lebensbild des tüchtigen

begriffs geführt zu haben. Mannes der Gegenwart oder der Vergangenheit in Form
Marc Aurel im ganzen Epiktet gleich. Nur in-
ist einesRomans, etwa wie der Kyrupädie, gezeichnet hätte.
dem er eine massige Sorge für den Körper empfiehlt i), Einer solchen künstlerischen Gestaltung aber war nie-
scheint er unter den „fremden" Dingen eine gewisse mand in der Schule geneigt oder niemand gewachsen.
Rangordnung festzustellen. Der Ruhm ist auch ihm im Statt dessen wurde der Begriff des Weisen wie ein

strengsten Sinne etwas Gleichgiltiges"), er macht den Puppenleib behandelt, um den man als schöne Kleider
Menschen abhängig von fremder Thätigkeit, d. h. von alle die sehr gesteigerten stoischen TugendbegrifFe um-
fremder Anerkennung^), widerstreitet also der Selbst- legte. So entstanden allmählicli die mannigfaltigen
ffenüo:samkeit, nach der man streben muss. Thesen über den Weisen, die einen grossen Teil der
stoischen Paradoxa ausmachten, die teils den Spott, teils
die Kritik herausforderten, aber durchaus richtio:e
6. Kapitel. Folgerungen aus der stoischen Tugendlehro waren.
Schon Zeno rühmte vom Weisen, dass er allein
Das Ideal des Weiseu. frei, allein reich, allein schön sei ^), was
uns nicht überrascht, da ja in der Stoa der Tugendhafte
Jede Religion, die auf die Massen begeisternd wirken
innerlich frei, die Tugend und die Tugend,
allein ein Gut.
will, bedarf nicht bloss transcendenter sondern auch ,

wenn sie sichtbar wäre, auch schön Dass er allein


ist.
sichtbarer Ideale; ebenso ein philosophisches System,
glückselig ist, liegt einfach im Begriffe der Tugend.
wenn an einen engen Kreis hochgebildeter,
es sich nicht
Dass er auch allein der rechte König, der rechte Feld-
sondern an alle Menschen wendet. Darum kann sich
herr, Vermögens Verwalter und Vermögenserwerber ist^),
Plato mit der Schönheit der bloss dem Denken erreich-
folgt aus seiner hohen Einsicht. Freilich merkte man
baren Welt der Ideen begnügen, die Stoa muss, wie die
auch dass die Vereinigung der höchsten Grade aller
.

nachzuahmendes Idealbild aufstellen.


k\Tiische Schule, ein
Tugenden doch sehr selten ist, und Chrysipp meinte,
Den Kynikern selbst war Herakles ihr IdeaP) und in es habe bis zu ihm überhaupt nur einen oder zwei Weise
ihren Schriften suchten sie sehr bestimmt den Weisen
gegeben^), indem er wahrscheinlich zuerst an Zeno. in
als Vorbild, den Thoren als Schreckbild darzustellen.
zweiter Reihe an Sokrates dachte.
Diese Personifikation der Weisheit haben die Stoiker
Seneca hat die Apotheose des Weisen, die
noch eifriger und mehr ins einzelne ausgeführt. Auch
s),
er von der Schule überkam, noch gesteigert. Wenn die
Zeno schon schied die Menschen in zwei grosse Gattungen
alte Stoa den Weisen Zeus, dem höchsten Gotte, gleich-
die Tüchtigen (anovdaXoL) und die Schlechten
stellte^), so stellt Seneca ihn beinahe über Gott. „Gott
((pavloi). Eine psychologisch richtige und wirksame
^) Vergl. Zeno, Fragm. 149, 151, 150.

2) IV, VI, 5L -} Vergl Zeno, Fragm. 148.


M I, 16. 3. »)
3) Vergl. Bonhöffer, H, S. 152.
*) Vergl. Zeller II, \\ S. 307.

*) Vergl. Zeno, frg. 148.


*) So Kleanthes und Chrysipp, vergl. Dyroff, S. 194 ff.
Der Weise bei Epiktet und M. Aurel.
160 Das Ideal des Weisen. 161

zu dieser niedrigsten Stufe der Fortschreitenden (profi-


ist durch die Übel, der Weise
ausserhalb des Leidens
eientes) zu rechnen^).
darüber"^). Kein Vergleich ist ihm zu kühn, der den
Bei Epiktet herrscht derselbe Gegensatz zwischen
Weisen über die Menschheit erhebt Er ist gleich der
Weisen Seele den Weisen und den Unweisen, welche letzteren er so-
Sonne, die kein Pfeil trifft^')- ;,I>es
gar in Anwandlung äusserster Strenge „Tote" {veviQoi)
gleicht der Welt über dem Monde; denn immer ist in
nennt 2). Grosse Thaten anderer, die nicht aus der
ihm heitresWetter" 3). Da er gleichwohl ein Mensch,
richtigen Überzeugung geschehen, haben keinen sitt-
des Schmerzes und der Lust fähig ist^), so muss er sehr
lichen Wert, wie die Todesverachtung der „Galiläer",
selten sein, er wird wie der Vogel Phönix nur einmal
d. h. der Christen s). Während der Weise ganz und
alle 500 Jahre geboren^).
gar selbstgenügsam ist, vermag der Unweise nicht ein-
An eine so seltene Erscheinung kann man für das
mal einsam zu sein^).
Leben berechnete Vorschriften nicht anpassen. Während
Epiktet hat wohl ein höheres Selbstbewusstsein als
daher die strenge Lehre nur Weise und Unweise unter-
Seneca, nach der Art und Weise zu urteilen, in der er
scheidet, die letzteren sogar für rasend, für geisteskrank
sich selbst schildert^). Aber das Ideal, dass der Weise
erklärt^) , musste schon Zeno eine zwischen beiden
„Fortschreiten- anziehend für den Menschen sei, wie die Sonne für die
stehende Klasse annehmen, die
Blüten^), hat er mit dieser Selbstschilderung nicht er-
den" (TipoxoTiTovrge) ^). Dieser Typus des Fortschreiten-
reicht. Viel anziehender ist uns M. Aurel, der in seiner
den hat die stoische Ethik für das Leben gerettet.
reinen Menschlichkeit des ganzen Weisenkultus sich
Am meisten giebt Seneca von der Psychologie der
Fortschreitenden. Er teilt sie in drei Stufen: Die erste,
enthält; anziehender auch Epiktet, wo er milde gegen

die der Höchstgestiegenen, ist von Krankheiten der


die Fehlenden isf^), wenn auch sein kaiserlicher Schüler
ihn darin weit überholt hat.
Seele, den veralteten und verhärteten Lastern, frei, aber
nicht von den Affekten, die vorübergehende Störungen Einheit und Geschlossenheit wird man der stoischen
der (xesundheit der Seele sind. Die zweite Stufe nehmen Ethik — trotz des Schwankens in einzelnen Frao-en —
diejenigen ein, die die schlimmsten Krankheiten und
Affekte überwunden haben, aber vor Rückfällen noch ') Ep. 75, 8~15. -') I, 13, 5; auch J, 9, 19. Vergl. III, 16, 7.

nicht sicher sind. Die dritte Stufe ist über viele der ') IV, 7, 6.

schlimmsten Übel, aber nicht über alle hinaus, z. B. ') HI, 14, !. ^) III, 9, 12—22.
frei von Habgier und Ausschweifung, aber nicht von ^) III, 23, ,Wie die Sonne die Nahrung an sich zieht."
27:

Jähzorn und Ehrgeiz. Sich selbst wagt Seneca kaum Aber hinter dem Worte Nahrung (r^ogp^v) steckt sicher ein passen-
deres verborgen. An sich ist der Satz nicht sinnlos, denn nach all-
gemein griechischer und stoischer Vorstellung nährt sich die Sonne
*) De provid, Kap. 6* ^j De const. sap. 4, 2.
wie alle Gestirne von den Flüssen und vom Meere. Vergl. Kleanthes
3) Ep. 59, 16. dem Monde bestand nach Ari-
Die Welt über
Frg. 29 (Pearson, S. 257) und Seneca, nat. quaest. III, 26; V, 8; VI,
stoteles, an den Seneca wohl hier denkt, aus reinem Äther. Vergl.
16. Aber das Bild von der Sonne, die ihre Nahrung verzehrt, wäre
Zeller II, 2\ S. 451, Anm. 1.
sehr ungeschickt. Vielleicht ist wirklich etwas ähnliches wie »Blüten*
^) Ep. 9, 3. 5) Ep. 42, 1. De tranqu. 7, 4.
oder eine bestimmte Blüte zu lesen.
^) Vergl. Cicero, Paradoxa Stoicorum 4.

') Vergl. Zeno, Frg. 160. ') I, 18; auch Ili, 1, 36 11'., wo er nur Werkzeug Gottes sein will.
Barth, Die Stoa. 11
162 Das Ideal des Weisen. Erfolg der stoischen Moral.
163
nicht absprechen können. Mit grossem
Ernste ^) kon- Helvidms
,
Priscus verbannt ^j. Und Tacitus,
und die der strenge
zentriert sie den Willen auf hohe Aufgaben Sittenrichter findet nur anerkennende
der Worte für diese
Menschheit, die an Stelle des Volkes, der Weltstaat Schule^). Er berichtet von ihrer Lehre ohne in
beschränk- ihr
vernünftigen Wesen, der an Stelle des alten, einen Widerspruch zu ihrem Leben
zu finden.
einen weiten Wäre
ten Heimatsstaates tritt, geben ihr ein solcher vorhanden gewesen, so
hätte er ihn sicher
Horizont. nicht mit Schweigen übergangen.
Wichtiger noch als ihr wissenschaftlicher
aber
Charakter ist nach der eignen Meinung der Schule ihr
Leben. Die Meinungen darüber sind
Erfolg für das
om -
M m
7. Kapitel.
geteilt. Es giebt Geschichtsschreiber, wie Th.
grossmäuligen und lang- Die Staats- und Bechtslehre der Stoa
sen, der die Stoiker, „die und ihre
Ge- praktischen Folgen.
weiligen Pharisäer", ihre Lehren „terminologisches
einen
klapper und hohle Begriffe"'^), Cato von Utica Die Staats- und Eechtslehre der Stoa
ist aus den-
Narren und politischen Don Quixote 3) nennt, andere, wie selben Grundsätzen, wie ihre Ethik,
Worte aus- erwachsen.
Montesquieu, der über sie in folgende Wie die Sprache, so glaubten die Stoiker auch
bricht^): „Es scheint, dass diemenschliche
Natur sich die
Gesellschaft von Xatur entstanden, sie
bewunderns- war ilmen neben
angestrengt habe um aus sich
,
selbst jene
der Vernunft als dem ersten das zweite
gleicht, Geschenk des
werte Secte zu erzeugen, die den Pflanzen höchsten Gottes, durch das er die schwache
Erde an den vom Himmel nie gesehenen Menschheit
welche von der kräftigen wollte.-^)
Orten hervorgebracht werden". Der Wahrheit
kommt
Durch diesen Ursprung hatte die Gesellschaft,
wie
jedenfalls Montesquieu näher als Mommsen. das Recht und die Sittlichkeit bei
ihnen eine höhere
Dass es unwürdige Anhänger der Schule gab, wissen
,

Würde, als bei den Epikureern, die alles dieses


römi- nicht
wir aus Epiktet. Aber wie viele haben in der durch die Xatur, sondern durch die
und nicht weniger menschliche Satzung
schen Kaiserzeit durch ihr Leben geschaffen glaubten. Die Menschen waren ursprüng-
durch ihr Sterben ihrer Schule Ehre gemacht! Unter lich tierisch roh ~
nach der stoischen Auffassung
Nero allein wurden die Stoiker Thrasea Paetus. Seneca, Iriedlich und gut^) -
es herrschte zuerst der
Kampl"
Eubellius Plautus, Lucanus getötet, der letzte allerdings aller gegen alle, bis sie durch
Vertrag Frieden schlössen
nach einem unmännlichen Verrate, Musonius, Cornutus, -
und des allgemeinen Nutzens wegen
Eecht und —
Sittlichkeit einführten.^) So hatte beides bei den Epiku-
>) VergU R. Eucken, die Lebensanschauungen der grossen reern menschliche, relative, nicht
Leben Kämpfen sei (vi- absolute Geltung. Es
Denker, 3. Aufl., Leipzig, 1899, S. 99: „Dass

vere est militare), ist namentlich von hier (der Stoa) in die Vor- ') Vergl. Zeller III 1^, s. 683, Anm. 2. Auch Th. Ziegler
stellung der Menschheit eingegangen." a. a. 0., S. 214. ^) Z. B. Hist., IV, 5.
*'
'

2) Römische Geschichte, III, 554 ff.


5. Aufl., Vergl. Seneca de benef. IV, 18
')
und die ganze Lobpreisung
») A. a. 0. III, 7, 157, 445, vergl. Winckler a. a. 0., S. 4, der Gesellschaft daselbst. Auch oben
S. 121.
*) Gonsiderations sur les causes de la grandeur des Romains ^) Vergl. Seneca Ep. 22,
15.
et de leur decadence. 16. Kap. ^) Vergl. Horaz, Satiren, 1. Buch, III, V. 98 ff.
und Rechtslehre. Das Naturrecht.
164 Staats- 165

Aus der allgemeinen


gab, wie schon Cicero i) ihnen vorwarf, nach ihnen nur Grleichheit kann sich nur die
Republik naturgemässe Staatsform ergeben.
als die
Unvorsichtige, nicht Ungerechte.
Andererseits aber wird die Gesellschaft einem Organis-
Ihrem Ursprünge nach sind für die Stoa die Men-
mus verglichen, wie wir oben gesehen haben, also die
schen als Teilhaber der göttlichen Vernunft alle gleich/-)
Ungleichheit der Mitglieder der Gesellschaft gefolgert,
Während Plato und Aristoteles manche Völker von
da die Teile des Organismus ungleich sind. Darum
Natur zur Sklaverei bestimmt glaubten, giebt es in der ge-
lingt es Seneca auch, das Königtum zu rechtfertigen.
Stoa von Natur keine Sklaven. Zeno hat das Bild
wahr- Der König ist im Staate, was die Seele im Körper.^)
eines alle Menschen umfassenden Idealstaates,
Die Natur selbst hat das Königtum gewollt, wie wir
scheinlich mit Gemeinbesitz und mit allgemeiner Frei-
Chrysipp meinte, die sowohl an den übrigen Tieren, wie an den Bienen sehen.^)
heit und Gleichheit entworfen.^)
Die gemein stoische Lehre war, dass die beste Ver-
Sklaven seien nur lebenslängliche Lohnarbeiter,^) womit
Lage nur ein Vermögens- nicht fassung eine aus Königtum, Aristokratie und Demokratie
er sagen will, dass ihre
ein Rechtszustand sei. Darum bestreitet auch Seneca, gemischte sein müsse.^)
Freilich
für das Leben ist die Staatslehre der
wo er seine innerste Meinung ausspricht ,5) die Berech-
Stoiker, von der wir übrigens nicht viel wissen, nicht
tigung des Adels und leugnet die Möglichkeit, das Ver-
den Nachkommen anzurechnen. sehr fruchtbar gewesen. Sphaerus vom Bosporus,
dienst der Vorfahren
ein Schüler Zenos, hat den spartanischen König Kleo-
„Nicht macht adlig ein Atrium, erfüllt mit rauchge-
menes zu seinen Reformen angefeuert,^) und Blossius
schwärzten Ahnenbildern. Niemand hat für unsern Ruhm
o-elebt, und, was vor uns war, ist nicht unser. Die Seele aus Cumae den älteren Gracchus.^) Vielleicht auch,

macht adlig, der es aus jeder Lage vergönnt ist, sich


dass Montesquieu durch Ciceros Vermittlung von dem
stoischen Ideal der gemischten Verfassung wusste und
über das Schicksal zu erhebende) Und Marc Aurel
dies für ihn mitbestimmend war, das Königtum
wirft dem Adel Mangel an Menschenliebe vor.^) mit
zwei Kammern, das jenem Ideal ungefähr entspricht,
») De legibus I, 14.
für die normale Staatsform zu halten.
2) S. oben ^) Zeno frg. 162 und 176.
S. 128. Dies wird nicht
Wichtiger für die Praxis als das Staatsrecht der
nur aus den allgemeinen Voraussetzungen der
überliefert, lässt sich
Schule und daraus folgern, dass es in seinem Staate keinerlei
Münze Stoa ist ihre S traf re cht sphilosophie gewesen.
Vergl. Zeno frg. 168. Chrysipp dagegen behielt wohl in Sie knüpfte hier an Plato an, der im Protagoras gelehrt
giebt.
seinem Idealstaat das Privateigentum bei. Vergl. Cicero, de Fin.
lil, 20.
hatte, es sei zu strafen, nicht weil gefehlt worden ist,
*) Vergl. Seneca de benef. III, 22.
'") Ep. 44, 5.
6) Dies hindert leider Seneca nicht, in
einer für die Öllentlich- ^) De dementia I, 3—5. Freilich darf man nicht vergessen, dass
keit bestimmten Schrift die Adelsvorrechte anzuerkennen und das diese Schrift dem Kaiser Nero gewidmet ist.

gerade Gegenteü des oben Angeführten zu sagen.


De benef. IV, 30, -) Die ganze Ausführung Senecas über die Bienen scheint
4 heisst es nach längerer Verteidigung der Bevorzugung
des Vor- unter dem Irrtum zu stehen, dass sie einen männlichen König haben,
selbst wenn er .turpissimus" „Dieser ist von
vortrefflichen 2) Diog. L. VII, 131. Dies war auch Polybius' und Ciceros
nehmen, : 1,

Ahnen geboren: wie er auch sein mag, er berge sich im Schatten der Ideal. Vergl. K. Hildenbrand, Geschichte und System der Rechts-
Sonne beleuchtet und Staatsphilosophie,
Seinen. Wie hässHche Orte durch den Reflex der I, Leipzig, 1860, S. 536 und 589.

werden, so mögen die Untüchtigen im Lichte ihrer Vorfahren er- *) Vergl. VV. Oncken, die Staatslehre des Aristoteles, I,
Leipzig, 1870, S. 231. ^) S. oben S. 56.
glänzen." ') I, 11.
166 Staats- und Rechtslehre, Die Philosophie des Strafrechts. 167

sondern damit nicht gefehlt werde, in den Gesetzen aber auf die antiken Philosophen.^) Seine Ideen wurden fort-
die Strafe als Heilmittel betrachtet wissen wollte.^) Das gebildet von Thomasius, Montesquieu und Beccaria. In
letzte lehrt auch die Stoa, und zwar hat nach ihr die allen diesen leben neben andern Gedankenreihen plato-
Strafe — was genau mit Piatos Thesen übereinstimmt nische und stoische Elemente fort und haben schliesslich
— drei Aufgaben den Verbrecher zur Reue zu bringen,
: 1. den grossen Fortschritt, der sich im 18. Jahrhundert
2. die übrigen Bürger durch Abschreckung zu bessern, im Strafrecht vollzieht, die Vermenschlichung der Strafen,
3. durch Beseitigung der Unverbesserlichen die andern bewirken helfen.
zu sichern.2) Den Zweck erreichen am besten die
ersten Am
tiefsten aber ging der Einfiuss der stoischen
milden Strafen. immer noch etwas
Der Bestrafte muss ßechtslehre in der Gestaltung des römischen Privat-
zu verlieren haben; denn, wer nichts zu verlieren hat, rechts, wie sie sich in der römischen Kaiserzeit voll-
lebt ohne Bedacht. [Für den zweiten Zweck müssen die zogen hat. Im letzten Jahrhundert der Eepublik gab
Strafen selten sein. Eine Strafe, die sehr häufig ist. wird es in Eom verschiedene Tendenzen in der Hechtsent-
eben dadurch weniger entehrend. Und auch die ärgste wicklung, die dem alten jusstrictum entgegenwirkten:
Grausamkeit stumpft sich durch Häufigkeit ab. Claudius Erstens das jus gentium, d. h. das internationale
Hess die auf Elternmord gesetzte Strafe innerhalb fünf Handelsrecht,-) das sich im Verkehre mit Nichtbürgern
Jahren öfter vollstrecken, als sie in der ganzen Ver- herausgebildet hatte und das eigentlich römische Besitz-
gangenheit vollstreckt worden war.^) Dennoch stand es recht sich zu assimilieren strebte. Zweitens die aequitas,
unter ihm mit der Elternliebe schlechter als jemals.^) d. h. das Streben der praktischen Juristen, der Prätoren,

Alle diese Gedanken wurden im Altertume wenig das formale Recht mit höherem, materialem Rechtsbewusst-
wirksam, da das allmählich die ganze Welt beherr- sein in Einklang zu bringen.^) Drittens das Naturrecht,
schende römische Eecht in seinen strafrechtlichen Teilen jus naturale, keineswegs ein Eecht des Stärkeren,
d. h.

sehr wenig entwickelt war und die Juristen mehr dem wie man wenn man „Natur" bloss
es auffassen könnte,
Privatrecht ihre Aufmerksamkeit zuwandten. Sehr als das Primitive, Tierische versteht, sondern ein Eecht,

wichtig und bedeutsam wurden aber im 16. und im


sie das auf der Natur im stoischen Sinne beruht, d. h. auf
17. Jahrhundert, als sie von den Naturrechtslehrern der Vernunft, die das ganze Weltall regiert, besonders
adoptiert wurden, damit sie zur Verdrängung der herr- aber die „liebe Stadt des Zeus",^) d. h. die Gemeinschaft
schenden grausamen Vergeltungstheorie des Straf- der vernünftigen Wesen beherrscht. Da die einzelnen
rechts durch die auch harte, aber doch jener gegenüber Staaten von jener grossen Stadt gewissermassen die
viel mildere Ab seh reck ungstheorie beitrügen. Hugo einzelnen Häuser bilden,^) so soll es auch in diesen
G rot ins, wohl der erste Vertreter der Abschreckungs-
theorie, beruft sich nicht minder als auf die Bibel auch ^) So citiert er Piatos und Senecas Ansicht über die Strafe, de
jure belh et pads, 2. Buch, 20. Kap., IV, 1.

\) Vergl. Hildenbrand, a. a. 0. S. 215. -) Vergl. Hildenbrand, a. a. 0., S. 612. Jus gentium heisst bei
-) Vergl. Seneca, de dementia I, K. 22 f. Auch de ira I, 19, 7. den Römern keineswegs „Völkerrecht% wofür der entsprechende Aus-
^) Sie bestand darin, dass der Verbrecher, lebendig in einen druck etwa jus fetiale wäre. Diese Bedeutung nimmt es erst im 16.
Sack eingenäht, in den Tiber geworfen wurde. Jahrhundert an, z. B. bei H. Grotius. ^) Hildenbrand, a. a. 0., S. 622 f.

*) Seneca, de dementia, I, K. 23. ') Marc Aurel IV, 23. ^) Marc Aurel III, 11.
168 Staats- und Rechtslehre. Das Recht der Frauen und der Sklaven.
169

herrschen, die Schranken des Standes, des Creschlechts, Noch bedeutsamer als diese Wandlung im Erbrecht
der Nationalität aufheben. Ja, sogar auf alles Lebende war die zweite allmähliche Gleichstellung, die sich
soll es sich nach einer besonders kühnen Definition be- durchsetzte, die der Fr au en
mit den Männern in Bezug
ziehen und die Tiere mit einschliessen.i) Es ist also ein auf Rechtsfähigkeit. Nach dem alten Rechte war keine
idealesRecht der allgemeinen Grleichheit und darum der Frau rechtsfähig, sondern entweder in der Gewalt ihres
allgemeinen Freiheit. Es ist zuerst von der Stoa be- Mannes, oder, wenn unverheiratet, ihres Vormundes.
wusst definiert worden,^) wenn es auch als unausge- Augustus machte den Anfang zur Besserung, indem er
sprochenes Gefühl schon dem jus gentium und der die Witwen, die mehrere Kinder hatten, von der Vor-

aequitas zu Grunde lag. Es wurde von den römischen mundschaft befreite.!) Diese wurde nun immer mehr
Juristen, die die Systematik des Rechts schufen, beson- eingeschränkt, bis Theodosius sie ganz aufhob.'
ders von G a i u s ,3) U 1 p i a n*) und mit sehr bewusster Am einschneidendsten in das antike Leben war die
Anlehnung an stoische Dogmen von M a r c i a n^) als dritte grosse Eechtsveränderung der Kaiserzeit, die

idealer Massstab angenommen und hat die im jus gentium allmähliche Anerkennung des S k 1 a v e n als rechtsfähigen
und in der aequitas liegende Richtung sehr verstärkt. Menschen.
Besonders auf drei Gebieten vollzog sich in der Für das
jus strictum ist der Sklave nichts weiter
römischen Kaiserzeit unter dem Einflüsse des Natur- als eininstrumentum vocale, wie das Zugvieh ein in-
rechts der Fortschritt von der Ungleichheit zur Gleich- strumentum semivocale. Aber schon Nero gab Polizei-
heit. Erstens im Erbrecht. Das jus strictum machte gesetze, die der Unmenschlichkeit der
Herren Schranken
einen scharfen Unterschied zwischen a g n a t i und c o g- setzten.2)Hadrian setzte auf Ermordung eines Sklaven
nati, d.h. zwischen Nachkommen in männlicher und durch den Herrn Strafe, Antoninus Pius gab dem ge-
solchen in weiblicher Linie. Die letzteren waren allerlei misshandelten Sklaven das Recht der Flucht zu den
Beschränkungen der Erbfähigkeit unterworfen, die im Altären der Götter oder den Statuen der Kaiser, die
Laufe der Kaiserzeit aufhörten, sodass sie schliesslich zur Folge hatte, dass er an einen anderen Herrn ver-
dasselbe Erbrecht wie die agnati hatten.'*) kauft werden musste.^) Marc Aurel, der stoische Kaiser,
verbot alle Gladiatorenkämpfe, also auch die Benutzung
*) Seneca, de dementia I, 18,2: commune jus animantium, von Sklaven zu solchen.^) Im 3. Jahrhundert n. Chr.
2) Es ist, jedenfalls aus stoischen Quellen, schon bei Cicero voll- wurde verboten , die Sklavenfamilie durch Verkauf zu
kommen bewusst dem geltenden Rechte entgegengesetzt. Vergl.
Hildenbrand, S. 566 ff. der Agnation eine Redeutung für das Intestaterbrecht gegeben.
Durch
Gaius definiert es als jus, quod naturalis ratio inter omnes
^) die kaiserliche Gesetzgebung langsam voranschreitend, das Gog-
ist,

homines constituit. Vergl. Hildenbrand, S. 607. nationsprinzip immer massgebender entfaltet worden S. 411:
^) Ulpian nimmt sogar, wie nach der oben citierten Stelle Justinian setzte cognatische Geschwister nebst ihren Kindern den
Seneca, diejenige Definition an, die die Tiere einschliesst. Vergl. agnatischen gleich.
Hildenbrand, S. 606. *) Vergl. P. Gide, Etüde sur la condition priv6e de la femme,
5) Vergl. M. Lehre
Voigt, die vom jus naturale, aequum et Paris, 1867, S. 157 ff.

bonum und jus gentium der Römer, I, Leipzig, 1856, S. 275 ff. 2) Vergl. H. Wallon, histoire de l'esclavage dans Tantiquitö,
ß) Vergl. R. Sohm, Institutionen des römischen Rechts, 4. Aufl., 2. 6d. III, Paris, 1877, S. 56.

1889, S.410: „Bereits das prätorische Edikt hatte der Cognation neben 3) Wallon a. a. 0., S. 57. *) Winckler (s. S. 28), S. 35.
170 Staats- und Rechtslehre. Das Recht der Kinder. 171

trennen.!) derselben Zeit erhielten die Staatssklaven


2u drücklich aber hat Epiktet —
wohl als der erste in
das Eecht, über die Hälfte ihres Vermögens ein Testa- der römischen Welt —
jedes Kindes, also auch des
ment zu machen. Und endlich, im 4. Jahrhundert, erlangten schwächlichen Aussetzung als unmenschlich, sogar un-
alle Sklaven die Befugnis, in gewissen Fällen gegen tierisch verurteilt^).
ihren Herrn zu klagen, wenn auch nicht direkt, so doch Durch die Vermittlung der römischen Juristen ist
durch einen Rechtsbeistand.^) Für das antike Denken es der Stoa gelungen ihr Naturrecht wenigstens teilweise
war etwas Unerhörtes geschehen. Der Sklave und sein aus dem Gedanken in das Leben zu übersetzen. Auch
Herr wurden vor Gericht als gleiche Parteien behandelt. ^) nach dem Untergange der antiken Kultur starb diese
Als das Christentum zur Macht gelangte und seiner- Idee des Naturrechts nie aus vom 16. Jahrhundert an
;

seits die Gresetzgebnng auf Anerkennung der Rechte aber wird sie die Formel, in der man die Forderungen
aller Menschen als der Kinder Gottes zu lenken suchte, des Einzelnen an die Gesamtheit geltend machte, unter
so hat es keine neue Bewegung eingeleitet, sondern eine der sich in der Wissenschaft wie im Leben der Libera-
längst bestehende in seinem Geiste fortgesetzt. Die Stoa lismus durchgesetzt hat. Dies berechtigte Ideal des
war es, die zuerst, wie in der Ethik für die Würde, Liberalismus, die möglichste Selbständigkeit des sittlich
so im Rechte für den Wert des Menschen ihre Stimme reifen, mündigen Menschen, kraftvolle Entfaltung des
erhob. nicht bloss der Erwachsenen, auch der Un-
Und Individuums, die keineswegs Individualismus zu sein
mündigen, der neugeborenen Kinder hat die Stoa sich braucht, im Vergleich zum Mittelalter immer mehr
ist
zuerst angenommen. Seneca zwar findet es nützlich Thatsache geworden und wird, falls unsere Kultur be-
und vernünftig, Missgeburten und schwächliche Kinder stehen bleibt, auf immer weiteren Gebieten durchdringen.
zu töten *), schweigt aber über die Aussetzung, die viel Zu den mannigfaltigen Wurzeln dieses Eechtszustandes
härter war, da sie die Kinder in furchtbare Gefahren gehört auch die stoische Schätzung des Menschen.
brachte. Denn man machte sich ein Geschäft daraus,
Findelkinder aufzulesen und zum Gladiatorengewerbe
oder zur Prostitution aufzuziehen, oder man verstüm-
melte sie aufs grausamste, um sie zur Bettelei zu miss-
brauchen. ^) Seinen Grundsätzen gemäss verwirft Seneca
diese ganz allgemeine Sitte wohl stillschweigend, aus-

^) Wallon a. a. 0., S. 52.

-) Wallon a. a. 0., S. 393.


^) Allerlei wichtige Einzelheiten über die Beziehungen der Stoa
zur Sklavenfrage giebt auch Franz Vollraann, über das Verhältnis
der späteren Stoa zur Sklaverei im römischen Reiche, Dissert. von
Erlangen, 1890.
*) De ira I, 15.
^) W. Platz, Geschichte des Verbrechens der Aussetzung, Stutt-
gart, 1876, S. 19. ^) I, 23, 7 ff. Auch I, 11, 19 ff. Vergl. auch den 4. Teil.
Verhältnis zu den Peripatetikern und Akademikern. 173

uns, dass niemand irgend jemandem glaubt! i) Er sao-t


spottend von ihnen, den „Leichtsinnigen", dass sie „ihre
Empfindungen wegzuwerfen oder zu blenden" sich be-
mühten, es aber nicht können.^) Ihren Sophismen 3) wirft
er vor, dass sie nicht minder als das Denkvermögen
auch das Schamgefühl des Menschen versteinern lassen,
ihn zur Leiche machen, dass sie sich nicht schämen,
das Offenkundige zu bestreiten und das Widei-sprechende
IV. Teil.
zu thun*).
Noch gespannter aber als diese Beziehungen zu den
Das Verhältnis der Stoa zu anderen Schulen. Akademikern war von Anfang an das Verhältnis der
Stoa zu E p i k u r und seinen Schülern. Schon Kleanthe.s
Das Bild der stoischen Schule, das wir gewinnen schloss wohl die Epikureer ein,wenn er denjenigen ver-
wollen,wäre unvollständig, wenn wir nicht ihres Ver- wünschte, der zuerst die
Gerechtigkeit vom Nutzen
hältnisses zu den gleichzeitigen anderen Philosophen- trennte, da er etwas Gottloses begangen habe.^)
schulen gedächten. Ein Stoiker Diotimos verleumdete Epikur schwer,
Am war das Verhältnis der Stoa zu
besten noch indem er 50 gefälschte unzüchtige Briefe ihm andichtete
den Peripatetikern. Kleanthes^) meint sehr milde ein anderes, ungenanntes Mitglied der Stoa legte ihm
von ihnen, dass sie der Laute gleichen, die, schönklingend, andere ähnliche Briefchen zur Last, die von Unbeteiligten
sich selbst nicht höre, wirft ihnen also nur mangelhaftes der Hand Chrysipps zugeschrieben wurden.'^) Der Unrat
Selbstbewusstsein vor. Aber auch sie rechnet Seneca^) der eignen Schule wurde also den Gegnern angeworfen.
zu den Weibern in der Philosophie, denen gegenüber In der mittleren Stoa wurde es nicht besser. Posidonius
die Stoiker allein Männer seien. Und oft genug wendet wird unter denjenigen genannt, die allerlei ungünstige
er sich gegen ihre Auffassung der Tugend, dass sie, Nachrichten über Epikurs Lebenswandel verbreiteten.
wenn die Mitte
richtige zwischen zwei fehlerhaften Die römische Stoa hingegen hielt zwar die alte
Extremen, nur eine Verminderung der Krankheit der Kampfstellung gegen ihre Antipoden fest, unterliess
Seele sei.^) Epiktet nennt sie „erschlafft"*). aber die persönliche Verunglimpfung. Seneca schätzt
Die Schule Piatos wandte sich im zweiten Jahrhundert Epikur selbst und von den ersten 29 Briefen an Lucilius
bekanntlich der Skepsis zu; seitdem trat die Stoa zu schliesster 22 mit einer Sentenz Epikurs, einen mit
ihr in einen scharfen Gregensatz der noch bei Epiktet ,
einem Diktum aus dessen Schule. Doch erhebt er gegen
nachklingt. Er macht die Akademiker lächerlich, die Epikureer den Vorwurf, dass sie die Tugend dem
indem er ihnen die Worte in den Mund legt : Menschen, Vergnügen preisgeben 7) und nennt sie eine verzärtelte
seid überzeugt , dass niemand überzeugt ist ! Glaubet

II, 20, 5. *'•)


II, 20, 20. ') I, 27, 2. *j I, 5.
») Apophth. 10 (Pearson, S. 328). -) De constantia sapientis I, 1. 5) Fragm. 77 (Pearson S. 303). ^) Vergl. IiierQber und über
3) Z. B. Ep. 116, 1. *) II, 19, 20. das folgende Diog. L. X, 3-8. ^) Ep. 90, 35.
174 Verhältnis zu anderen Schulen, Zu den Epikureern.
175

und das ()ffentliche Leben scheuende Menge (delieata et Stoikern als unsterblich. Sogar auf die Terminologie
i).
umbratica turba), die bei ihrem Mahle philosophiere erstreckt sich die Opposition es scheint, als
hätten die
;

Epiktet tadelt die Epikureer sehr hart. Er hält ihnen Stoiker absichtlich den Kunstausdrücken der
Epikureer
vor, dass sie durch ihren Rat, die Kinder nicht aufzu- einen anderen Sinn, als diese, gegeben.^) Z. B.
n^oXr^ipig
ziehen, sondern auszusetzen den Menschen unter das un- ist bei Epikur, der diesen Terminus aufbrachte,^) 'ebenso
vernünftige Tier herabsetzen, dass sie G-erechtigkeit wie ävvoLa, die
schematische, einen Begriff vertretende
und Ehrfurcht vernichten, nur Vorsicht bei Verbrechen Vorstellung, bei den Stoikern aber, später
wenigstens,
empfehlen und dadurch das Leben und Gedeihen der der Begriff, der wissenschaftlich bearbeitet ist,
wie oben
Staaten untergraben,^) dass sie besonders durch ihre (S. 73) erwiesen; 86^a bedeutet bei den
Epikureern
Lehre von der Gleichgiltigkeit der Götter gegen alles eine Vorstellung, die auch wahr sein kann,
schrieb —
Menschliche alle Keime des Edlen aus den Seelen der doch Epikur xuotca öö^ai^-) —
bei den Stoikern nur einen
Jünglinge ausrotten.^) Freilich erkennt er an, dass vieler Wahn, Epikureer sprechen von alaö-riaig dvrLh]nTim],^)
die
Epikureer Leben besser ist als ihre Lehren,^) aber im die Stoiker hingegen von cpavracria xaraXijnTLyiTj,
obgleich
allgemeinen sind sie ihm doch hoffnungslos „stumpf- sie wohl beide dasselbe meinen.

sinnig und verblendet in Bezug auf die wahren Übel des Auch in der Philosophie leider, wie in der Religion,
Lebens ".5) giebt es Parteileidenschaft, sogar bei denjenigen
Denkern,
In der That, auch abgesehen von der Ethik, in der die alle Leidenschaft verwerfen.
ja die Gegensätze am lebhaftesten empfunden werden,
selbst in den theoretischen Fragen vertraten die Stoiker
immer das gerade Gegenteil dessen, was die Epikureer
lehrten. Die Gottheit ist bei diesen ausserhalb der Welt,
jedenfalls ausserhalb der den Menschen wahrnehmbaren,
bei der Stoa der Welt immanent. Die Epikureer nehmen
Atome an, die Stoiker die vier Elemente, dort ist die
Welt nach Raum, Zeit und Menge ihrer Teile unbegrenzt,
l)ei den Stoikern begrenzt,'"') dort herrscht in der Welt

der blinde Zufall, bei den Stoikern die Vorsehung. Die


Epikureer glauben an absolute Willensfreiheit, die Stoiker
an die Notwendigkeit auch der menschlichen Handlungen.
Die Stoa glaubt an ein goldnes Zeitalter als den An- ^

fang der Menschheit."^) Epikurs Schule nicht. Bei den ') Die Schule Epikurs scheint mir
früher begründet, als die
Zenos; nach der Überlieferung nur sechs Jahre etwa vorher,
Epikureern gilt die Seele als sterblich, bei den meisten aber
Epikur war ausserdem ein frühreifer Geist, Vergl. Zeller III, 1^,
M De benef IV, 2. -') I, 23. II, 20, 25 ff. IIT, 7, 11 ff. S. 364. Anm. 2. Also, obgleich mit Zeno gleichaltrig (beide sind
^) II, 20, 34. *) III, 7, 18. ^) II, 20, 37. 341 V. Chr. geboren), war er wohl früher fertig.
^) Vergl. Plutarch, de stoic. repugn., K. 9 G. ') Vergl. Zeller, III, l\ S. 389. ^) Zeller III 1^, S. 367,
'j Vergl. Schmekel, S. 453. Anders Panaetius S. 337. Anm. 6. *) Sextus Empiricus, Adf. Math. VII, 9.
Die Einzelwissenschaften in der
Stoa. 177
der Spartaner ^1) desgleichen eine
solche von Sphaerus
vom Bosporus erwähnt wird,-) so werden
auch andere
der weniger bedeutenden Mitglieder
der Schule sich mit
geschichtlichen Fragen beschäftigt haben.
In der mittleren Stoa erreichte
die Pflege der
Wissenschaft ihren Höhepunkt. Panaetius war nicht
bloss Astronom, indem er eine neue Theorie der
Kometen
V. Teil. gab,3) und Geograph, sondern auch
Historiker, und zwar
nicht nur für die Geschichte der Philosophie,
zu der er
Das Verhältnis der Stoa zur positiven ausser anderen Werken ein sehr wichtiges
über Sokrates
Wissenschaft. und seine Schule beitrug,^) sondern auch für
die Kultur-
geschichte, zumal die Geschichte der
Religion.^) Posi-
Man sollte erwarten, eine Schule, die von den donius war ein sehr vielseitiger Forscher. In
der Astro-
Kynikern ausging, hätte sich deren Verachtung des rein nomie, in der
mathematischen und physikalischen Geo-
theoretischen Wissens zu eigen machen müssen. In
i) graphie war er voll ursprünglicher eigener
Gedanken
der That finden wir gelegentliche geringschätzige Ur- und Methoden, kraft deren er z. B. den
ersten Versuch
teile über den Wert der reinen Theorie, wie wir oben machte, die Länge des Erdmeridians zu
berechnen.''>
S. 149 gesehen haben. Doch haben dieselben auf das Ferner schrieb er eine Weltgeschichte vom
Untergange
faktische Verhältnis der Schule zur positiven Wissen- der griechischen Freiheit bis zur Diktatur
Sullas (llb
schaft keinen ungünstigen Einiiuss ausgeübt. bis 82 vor Chr.) ^)

Auf zweifache Weise vielmehr ist dasselbe ein In der römischen Stoa hielt Seneca die
wissenschaft-
sehr inniges gewesen.Philosophen der Schule
Viele lichen Überlieferungen der Schule aufrecht. Zwar ge-
waren zugleich in einer Einzelwissenschaft thätig, oder schichtliche Studien hat er, wie es
scheint, gar nicht
wissenschaftliche Forscher fühlten sich zur Weltan- getrieben, aber in der Naturwissenschaft
hat er durch
schauung der Stoa hingezogen, auch dies letzte ein — viele, nichtauf uns gekommene Schriften und durch
die
Beweis, dass das ganze System des wissenschaftlichen uns erhaltenen naturales quaestiones wenn
nicht neues ,

Geistes nicht entbehrte. gelehrt, so doch die von anderen, z. B.


von Aristoteles
Schon Zeno schrieb ausser seinen philosophischen und Posidonius erworbenen Kenntnisse mittels
seiner
Werken „fünf Stücke homerischer Fragen",-) Chrysipp gewandten Feder verbreitet. So brachte er des Posidonius lü
war nicht bloss in der Philosophie, auch in allerlei
grammatischen und geschichtlichen Gegenständen ein mente Ghrysipps in den Annales Academiae Lovaniensis,
vol. IV,
eine „Verfassung 1820—21, p. 24, 121 und 353) mindestens zwei zur Geschichte,
Vielschreiber.3) Und wie von Persäus wenn
sie nicht etwa, was freilich auch möglich
ist, einem andern Chrysipp

») Vergl. Zeller II, l\ S. 289. zukommen.


-) Pearson, Die grammatischen Schriften freilich kann
S. 31. *) >) Zeller III, P, s. 37. ^) Diogenes L. VII,
6, 178.

man nach der Auffassung der Stoiker zu den logischen rechnen. 3) Schmekel, S. 230, *) Schmekel, S. 236. '^) Schmekel, S. 237 ff.

Immerhin gehören von den Titeln bei Baguet (Sammlung der Frag- «) Schmekel, S. 285. ») Schmekel, S. 289.

Barth, Die Stoa.


|2
17S Verhältnis zur positiven Wissenschaft. Neigung der Forscher zur Stoa.
179
auf die
noch jetzt geltende Erklärung der (rezeiten sind^.i) Diese Gelübde selbst sind vom Schicksal voraus-
Nachwelt. 1) aber auch die Fabeln, dass Tiere aus
dem bestimmt. So rettet er beides, die Wirksamkeit der
Feuer entstehen können und dass manche Winde aus religiösen Akte, wie die Unabänderlichkeit
des Schick-
den Wolken wehen.-) Eigene Beobachtungen hat er kaum Frömmigkeit wie die Kausalität.
sals, die

angestellt. Er rühmt zwar seine Erfahrungen, die er Beides, das Fehlen genauer Methoden und
die Ein-
sorgfältiger Winzer über die Feuchtigkeitsgrenze mischung religiösen Glaubens, sind IMängel seiner
als'' Xatur-
des Erdbodens gemacht habe,^) spricht aber bald darauf betrachtung. Ein Vorzug aber, der Seneca auszeichnet,
Beweis,
von der „ewigen Tvälte^ unter der Erde.') ein ist wiederholt hervorbrechende B e w u n d e r u n o^
die
Zwecke der Untersuchung der Tempe- der SclK'hiheit und Erha1)enheit der Xatur
dass er nie zum besonders .

etwas tiefer gegraben hat. Und wie sehr er auch des nächtlichen Himmels ^^). Dies Gefühl
ratur bleibt auch ])ei
drohenden
über den Volksaberglauben spottet, der den Epi];tet=^) und bei M. Aurel^). die im übrigen für die
die 12
Hagel durch Opfer abzuwenden hofft, und über eigentliche Wissenscliaft der Xatur keinen besonderen
Feldfrüchte
Tafeln, die Leute bestrafen, weil sie anderer Sinn zeigen.
er selbst ist dem
durch Zaubersprüche behext hätten.^) Nicht minder nahe als die Stoa zur Wissenschaft
unterworfen, den die r(*)mische Priester-
Aberglauben stellte sich diese zur Stoa. Wenn wir die Vertreter
über die der E i n z e 1 w i s s e n schatten überblicken,
schaft und nicht minder die stoische Schule so finden
Vorzeichen in ein testes System gebracht wir verhältnismässig viele, die in ihrer
Bedeutung der Weltanschauung
Einteilungen der Blitzvorzeichen, die Caecinna der Stoa
hatte. Die sich anschlössen. Von den Mathematikern
berichtet war der
nach der Lehre der etruskischen Priester giebt. l)erühmte Euklides aus Alexandria Stoiker.
ernsthaft wie die des Stoikers Attalus.") Die Grundsätze der
er ebenso Geometrie nannte er notiones
die über-
Seneca glaubt an Naturgesetze (jura naturae), communes (yioival twoiai)^). Der Astronom Aratus'=).
der
all, unter der Erde ebenso wie
über der Erde gelten.') Astronom und (Geograph Eratosthenes^) bekannten
sich
er o'laubt, wie ganze Stoa. an die unabänderliche
die ebenfalls zur Stoa. Desgleichen von den berühmten
Notwendigkeit des Schicksals, aber zugleich möchte
er Ärzten A. Cornelius Celsus. der im ersten Jahrhundert
Fähigkeit ein drohendes
den religiösen Gelübden die V. rhr. lebte 8j. von den grossen
Grammatikern sowohl
Übel abzuwenden nicht absprechen. Darum
nimmt er Aristarch aus Alexandria als K rates von ]\rallos ^
von ).

an. dass „einiges von den Göttern in der Schwebe ge-

lassen damit es sich zum Guten wende, wenn Bitten


ist.

an die Götter gerichtet wenn Gelübde gethan worden


, Nat. Quaest. II, oT. -) So de benef. IV, 23. Nat. Quaest I
'
prol. ') II, 16, 32. ') XI, 27. '

1) Vergl. Joh. Muller. Über die Originalität der Xat. Quaest. ^) Vergl. S. Günther,
Abriss der Geschichte der Mathematik
aus Innsbruck an die 42. deutsche Philologen- und der Naturwissenschaften im Altertum, Anhang zu W.
Senecas (Fe^'stgruss Windel-
und de prov. I, 4. band, Geschichte der alten Philosophie, 2. Aufl., München,
ver>ammlung). Innsbruck, 1893, S. 19 f.
1894, S.252.
-) Nat. Quaest. V, 6 und 12. ^) Nat. Quaest. 111. 7.
«) Überweg-Heinze, Grundriss der Geschichte der Philo-
') Xat, Quaest. III. '•». '^) Nat. Quaest. IV, 6 und 7. «) NaU sophie. I, ^ S. 261.

Quaest. 11, 49 und 50. ') Überweg-Heinze, a. a. 0, S. 24. »j Ebenda S. 311


') Nat. Quaest. III, 16. ^) Überweg-Heinze, P, S. 261.
18U Verhältnis zur positiven Wissenschaft.

den Historikern Apollodor^), der Verfasser der sehr


verdienstlichen Chronik.
In beiden Beziehungen, in der Thätigkeit der Schule
und in ihrer Anziehungskraft für die Wissenschaft
ist die Stoa den Epikureern weit überlegen. Diese
haben für die Wissenschaft fast gar nichts gethan.
Von den wissenschaftlichen Forschern giebt es nur einen,
den Arzt Asklepiades -) der sich zu den Epikureern
,
VI Teil.
rechnete. Dasselbe that wohl der Kompilator Diogenes von
Laerte, dem wir für seine Notizen aus der Geschichte Die Nachwirkung der Stoa im Christentum
der hellenischen Philosophie, freilich nur in Ermangelung und in der neueren Philosophie.
besserer Quellen, sehr dankbar sein müssen. Nur die

Schule des Aristoteles kann in Bezug auf die Verbindung Der Einfluss der Stoa ist nicht
auf das Altertum
mit der Wissenschaft der Stoa sich vergleichen, wenn beschränkt. gehört zu denjenigen Elementen der
Sie
auch nicht gleichstellen. Auch dies vielleicht ist eine antiken Kultur, die über das Ende derselben hinaus
Folge des Ernstes und der Energie der stoischen Ethik. gewirkt haben, und zwar nicht bloss durch ihre Rechts-
lehre, diewir in dieser Hinsicht schon verfolgt haben,
sondern auch durch andere Teile ihres Systems.
Zunächst hat sie wichtige Stücke zur christlichen
Lehre beigetragen. Der Gregensatz zwischen Geist
und Fleisch, den die Stoa in aller Schärfe vertritt,
ist in das System des Paulus übergegangen, der, wie
sein Citat aus Kleanthes oder Aratus (Acta Apost. 17,28)
beweist, stoische Schriften gelesen hatte i). Der stoische
Glaube an die Unsterblichkeit, der allerdings
sehr pantheistisch gefärbt ist, hat Paulus mindestens
wankend gemacht, so dass er die jüdische Vorstellung
der Auferstehung nicht mehr rein durchführt. Der
K s m p 1 i t i s mus ,
den Paulus im Gegensatze zu
Petrus vertrat, ist wohl aus derselben Quelle verstärkt
worden-). Die Lehre von der allwaltenden Weltver-
nunft, dem Logos, der gleich Gott ist, ist durch

*) Vergl. E.Zell er in den Tübinger Theologischen Jahrbüchern,


XI, S. 293 ff. Auch A. H. Winckler, ein Beilrag zur Geschichte des
Stoizismus. Diss. Leipzig, 1878, S. 22 und 37.

^) Überweg-Heinze a. a. 0. -) A. a. 0., S. 280. 2) Vergl. Winckler, a. a. , S. 36.


Nachwirkung der Stoa. Im Christentum. In der Renaissance. 183
182

Philos Vermittluii*^: in das vierte Evan;^elium gelangt \). Durch die Renaissance erwachte neben Plato auch
Und noch manchen Zug der urchristlichen Lehre könnte die Stoa zu neuem Leben. Insbesondere war es zuerst
man wohl auf die Stoa zurückführen; doch darf man Cicero, durch den man die stoischen Lehren kennen
andererseits die anderen Quellen dieses Glaubens nicht lernte. Durch ihn leben sie neben epikureischen in
vergessen-). Laurentius Valla auf ^). Energischer aber aus ,

In den Kirchenvätern setzte sich Strömung


eine Cicero und Seneca geschöpft, machen sie sich geltend in
stoischer Gedanken fort, die über Justin den Märtyrer Zwingiis Schrift ..de Providentia"-). Grottes Güte,
zu T e r t u 1 1 i a n geht und bei diesem ausserordentlich Wahrheit und seine Vorsehung werden in stoi-
]\[acht,

stark hervortritt, dann wieder durch Clemens von Ale- scher Weise gelehrt und begründet; stoisch ist auch
xandria und andre bis zu Origines fortgepÜanzt wird, die Immanenz aller Geschöpfe in Gott, die er lehrt,

um schliesslich, mit anderen Gedankenrichtungen ver- sein Determinismus und sein religiöser Universalismus,

bunden, in Augustins System zu enden. Kein Wunder da- der ihn in allen Religionen Spuren der Offenbarung
her, dass noch zu Justinians Zeiten ein Kleriker es ünden lässt. Auch Calvin noch studierte Senecas
wagen durfte mit sehr geringen äusserlichen Abänder-
.
Schriften^).

ungen — indem z. ß. statt Taneivog niedrig, das ja in


,
Noch bedeutsamer als im 1(3. wurden gewisse Ele-
der Stoa tadelnden, im Christentum (=demütig) einen mente der stoischen Schule im 17. Jahrhundert. Her-
lobenden Sinn hat dvnEiog unwürdig, statt Sokrates
,
bert von C h e r b u r y entlehnt der Stoa den Begriff
Paulus gesetzt wird —
Epiktets Handbuch als Lehr- der notitiae communes, womit er den Terminus xotval
buch der christlichen Moral herauszugeben ^K hvoua übersetzte^). Er hielt freilich dieselben nicht
Im Mittelalter war wie alle anderen Systeme mit bloss der Anlage nach, wie die Stoa, sondern auch dem

Ausnahme des Aristotelischen die stoische Philosophie Inhalte nach für angeboren. Die wichtigsten davon
vergessen.
Epiktets wörth'ch beibehalten worden und arge Widersprüche gegen
^) Vergl. M. Heinze, die Lehre vom Logos, S. 255 u. S. 330.
die christliche Lehre, wie z. B. dass das Naturgemässe. gut sei, sind
') Wincliler fuhrt auch den ethischen Rigorismus des Jalcobus-
ohne Änderung stehen geblieben. Nur hier und da ist ein Satz weg-
briefes : „So jemand das ganze Gesetz hält und sündigt an einem, der
gelassen oder ein neuer hinzugesetzt. Der heilige Nilus, ein Ana-
ist es ganz schuldig", auf die Stoa zurück. Doch scheint es mir, dass
choret des 6. Jahrhunderts, hat ebenfalls eine christliche Paraphrase
er aus der jüdischen Gesetzeslehre kommen könne. Über Philo
Schweighäuser im 5. Bande abgedruckt
veranstaltet, die gleichfalls bei
vergl. auch P. Wendland, Philo und die kynisch-stoische Diatribe,
i ist,aber fast nichts geändert, nur z. B. rein äusserlich statt Sokrates
in P. Wendland und 0. Kern, Beiträge zur Geschichte der griechi-
Paulus gesetzt, dagegen das ransivov im tadelnden Sinne stehen
schen Philosophie und Religion, Berhn, 1895, wo besonders bewiesen
lassen.
wird, wie sehr zu Phüos Zeit die stoischen Gedanken Gemeingut der
Gebildeten waren.
^) Vergl. W. Dilthey, das natürliche System der Geisteswissen-
des Handbuchs Epiktets'" schaften im 17. Jahrhundert, 11, im Archiv für Geschichte der Philo-
^) Diese „christliche Paraphrase ist
sophie, VI (1893), S. 117
von Schweighäuser im 5. Bande seiner Epikteteae Philosophiae f.

Ver^l. Dilthey, 119


Monumenta, Lipsiae 1800 herausgegeben worden. Der Entdecker und -) a. a. 0., S. ff. ^) Vergl. Dilthey, a. a.
S. 529.
erste Herausgeber derselben, Mericus Gasaubonus, setzt sie in die
,

Die oben erwähnten Änderungen stehen im Kap. 28


^) Vergl. Herbert de Gherbury, Tractatus de veritate 1656 (die
Zeit Justinians.
= Ench. 21 und im Kap. 69 =
Ench. 51. Im ganzen ist der Text erste .Ausgabe erschien 1624), S. 60.
184 Nachwirkung der Stoa. Bei Descartes, Spinoza, Leibniz,
185

waren ihm die Ideen der natürlichen Religion: (xott, auch das der Stoiker. Die allgemeine Zweckmässig-
Unsterblichkeit, Vergeltung nach dem Tode. Sie em- keit der Welt und die Ohnmacht des Bösen ruht bei
pfingen Wahrheitsbeweis abgesehen von ihrer
ihren ihm auf logischen und metaphysischen Gründen, aber er
intuitiven Gewissheit auch vom consensus universalis zitiert auch gern die allgemeine Ansicht der Stoiker,
wie bei den Stoikern. Und wenn er es für gottlos hält, dass es ein physisches Übel nicht gebe: „Wie des Ver-
die Natur verdorben und schlecht zu nennen^), so er- fehlens wegen kein Ziel aufgestellt wird, so entsteht
klingt auch darin die Stoa wieder. auch kein von Natur Übles in der Welt" i). Und unter
Der grosse Begründer der wissenschaftlichen Philo- den einzelnen Gründen für die Vollkommenheit der
sophie, Descartes, ist ebenfalls in wichtigen Lehren Welt und die Güte Gottes kehrt auch derjenige wieder,
Schüler der Stoa. Erstens ist ihm das Urteil, wie in der bei den Stoikern öfter angeführt wird: „Ein ge-
der Stoa. ein Willensakt. Denn es gehört dazu die Zu- wisses besonderes Übel kann sehr wohl mit dem. was
stimmung zu einer sinnlichen Wahrnehmung oder einem für das Allgemeine das beste ist, verknüpft sein"-).
darauf gegründeten Gedanken, die man geben oder ver- Oder „die scheinbaren ünschönheiten unserer kleinen
weigern kann-). Zweitens stellt er in seiner Ethik als AVelton vereinigen sich in der grossen zu Schönheiten,
Ursache vieles schlechten Begehrens, wie Epiktet, den und enthalten nichts, was der Einheit eines allgemeinen,
Irrtum fest, der die in unserer Gewalt befindlichen unendlich vollkommenen Prinzips zuwider wäre"^).
Dinge mit denen, die nicht in unserer Gewalt sind, ver- Der Kritizismus Kants ist in der Erkentnistheorie
wechselt^). Die Lehre von der Zustimmung als über die Stoiker so weit hinausgegangen, dass es hierin
Voraussetzung des Urteils setzt sich l)ei Spinoza fort. keine Beziehung mehr zu ihnen giebt. In seiner Ethik
In Spinozas „Ethik" klingt mancher Satz der Stoa aber erinnert sich Kant öfter der Stoiker er ist durch .

geradezu entgegengesetzt. So der folgende: „Weil alles siewohl in seiner Anschauung bestärkt worden. So
das .dessen bewirkende Ursache der Mensch ist not- , rühmt er an ihnen, dass sie ihr allgemeines moralisches
wendig gut ist so kann ihm Übles nur v o n
, Prinzip „von der Würde der menschlichen Natur, der
äusseren Ursachen begegnen"*). Dies letzte Freiheit (als Unabhängigkeit von der Macht der Neig-
aber schon die Fortsetzung mildert den
ist unstoisch,
Gegensatz: „nämlich soweit er ein Teil der gesamten
^) Leibniz, Th^odicee, § 378, citiert aus Epiktet, Ench.
K. 27.
Natur ist, deren Gesetzen die menschliche Natur zu Epiktet sagt yiay^ov cpvaLg und meint damit eine zweite, schlechte
gehorchen, der auf fast unendlich viele Weisen sich an- Natur neben der guten. Dem Sinne nach kommt es darauf hinaus,
zupassen sie gezwungen wird." dass er die schlechte Weltseele, die manche neben der guten an-
Leibniz suchte in seiner Weltanschauung aus nehmen, leugnet.

allen Svstemen, die sich der Wahrheit nähern, die 2) Theodicee § 145. Vergl. oben S. 51.

Zu diesen gehört ') A. a. 0. § 147. Vergl. auch § 199.


Vergl. damit Epiktet I,
wichtigen Elemente zu vereinigen.
12, „Gott ordnete an, dass Sommer und Winter, Fruchtbarkeit
16:
1) A. a. 0., S. 73. und Unfruchtbarkeit und Tugend und Laster und alle diese Gegen-
^) Vergl. Principia Philosophiae I, K. 34. *) De Passionibus sätze seienwegen der Harmonie des Alls." Und M. Aurel IX, 39:
Animae II, Art. 144. „Nicht darf der Teil dem, was für das Ganze geschieht, einen Tadek
*) Elhica IV, append. K. 6. anhängen."

1
i
186 Nachwirkung der Stoa. Bei Kant und bei Ficlite. 187

ungen) hernahmen-^ ^). ^Ein besseres und edleres konn- keimfähige Vernunft in den verschiedensten Greistern
ten sie auch nicht zum Grunde legen. Die moralischen aufgeht und Frucht bringt. Wie in der physischen
Gesetze schöpften sie nun unmittelbar aus der auf solche Welt, so giebt es auch in der geistigen ein Gesetz der
Art allein gesetzgebenden und durch sie schlechthin ge- Erhaltung der Energie. Darum war die Kraft des
bietenden Vernunft"^. Auch bei Kant ist ja die Freiheit Willens und des Denkens der Stoa mit ihrem äusser-
die Vorbedingung des sittlichen Handelns; freilich ist lichen Aufhören nicht erloschen, sondern half noch der
diese sittliche Freiheit bei ihm nicht naturgemäss^ neueren europäischen Xachwelt die Probleme des Denkens
sondern erst nach Überwindung derjenigen natürlichen und des Lebens befriedigender als vorher lösen. Und
Regungen, die böse sind, nämlich der egoistischen er- die ganze Nachwelt muss ihnen dankbar sein.
reichbar-). Er rühmt ferner an den Stoikern, dass sie
das Übel und das Böse, also das physische und das
moralische Übel streng schieden^). Er erkennt auch den
hohen AYert ihres Wahlspruchs: sustine et abstine (trage
und entsage) für die Übung in der Tugend^) an, und
widerspricht ihnen nur darin, dass sie Glückseligkeit
und Tugend für identisch halten^).
Kants Ethik setzt sich unter den deutschen Idea-
listen am meisten in Fichte fort. Darum finden wir
auch bei ihm noch eine starke Ader der ethischen Ge-
danken, die zuerst von der Stoa geprägt wurden. Wie
Kant in Anknüpfung an die Stoa die Konsequenz rühmt").
so ist diese auch bei Fichte ein wesentlicher Bestand-
teil Und auch der Satz: „Meine Welt
der Sittlichkeit.
ist Objekt und Sphäre meiner Pflichten und absolut

nichts anderes; eine andre Welt oder andre Eigenschaften


meiner Welt giebt es für mich nicht"^ ^) erinnert an ,

stoische Sätze '=').


So sehen wir. wie das Denken der Stoiker noch
zwei Jahrtausende hindurch als Xoyoi^ oziBoi^tariAog als .

*) Religion innerhalb der Grenzen der blossen Vernunft, ed


Kirchmann, S. 64, Anmerkung.
2) Religion S. 40. '^)
Kritik der praktischen Vernunft, ed. Kelir-
bach, S. 73, ^) Metaphysik der Sitten, ed. Kirchmann, S. 34:3.
s)
Kritik der prakt. Vernunft, ed. Kehrbach, S. 135 und 152.
^) S. oben S. 103. ') Die Bestimmung des Menschen, ed Kehr,
bach, S. 100. «) Z. B. M. Aurel, VII. 68; und oben S. 107.
Narnenverzeichniri. 189

Descartes 73. 184. Herillus 125. 132.


Dilthey, W. 183. Herodot 123.
Diogenes Laertius 22, 23. 30.31. Herophilus 31.
108. 114. 117. 126. 141. 147. Hildenbrand, K. 165. 166. 167.
165. 173. 177. 180. 168.
Diotimos 173. Hirzel, R. 85. 108. 136.
Dühring 32. Höffding 87.
Namenverzeichnis. Dyroff 109. 118. 125. 128. 132. Homer 144.
136. 137. 138. 139. 149 151. Horaz 154. 163.
{Dip Ziffer bedeutet die Seite). 159. Huxley 120.

Ehrenfels, Chr. v. 152. Joel, K. 141.


Eieaten 71. Johnson, E. 69.
Aall, A. 44. Berkeley 72.
Empedokles 34. Justinus Martyr. 182.
Akademiker 172. Blossius 56. 165.
Epiktet 24 u. passim.
Alexander v. Aphrodisias 97. Bonhöffer, A. 65. 67. 72. 73. 88.
Epikur, Epikureer 21. 32. 77. 111. Kant 48. 70. 73. 87. 92. 103. 105.
Alkmaeon 85. 89. 90. 91. 93. 94. 95. 104.
112. 121. 122. 123. 163. 173 ff.
116. 119. 185. 186.
Anaxagoras 41. 114. 105. 107. 112. 113. 115. 117.
Erasistratus 31. Karneades 66.
Antipater v. Tarsus 81. 141. 118. 126. 128. 134. 145. 152.
Eratosthenes 179. Kern, 0. 182.
Antisthenes 77. 135. 141. 155. 157. 159.
Eucken. R. 162. Kleanthes 22. 31. 35. 42. 43. 45.
Apollodor 141. 180. Brehm, E 120.
Euklides 179. 49. 68. 71. 72. 73. 90. 98. 108
Aratus 179. 181. Burckhardt. J. 16. 19.
111. 112. 120. 126. 131. 135.
Aristarch 79. 179 Fichte, J. G. 139. 186.
Caecinna 178. 136. 137. 139. 159. 161. 172.
Ariston 31. 136. 137. 139. F.owler 36.
Calvin 183. 173. 181.
Aristoteles 17. 22. 28. 30. 31. 34.
Garus, J. V. 53. (raius 168. Krates von Mallos 80. 179.
36. 41. 54. 60. 61. 62. 65. 70.
Gasaubonus Mericus 182. Gellius 143. Kyniker 111. 121. 123. 125. 127.
72. 74. 75 f. 77. 79. 80. 81. 84.
Gliantepie de la Saussaye 14. Gide, P. 169. 136. 147. 158. 176.
85. 97. 109. 115. 123. 124. 125.
133. 136. 138. 139. 149. 160. Ghrysippos 23. 37. 47. 49. 55. Gomperz, Th. 11. 85. 123.
59. 62. 64. 67. 68. 72. 73. 75. Grotius 166. 167. Lacombe 13.
164. 165. 177. 180.
80. 81. 85. 89. 98. 108. 109. Günther, S. 179. Lactanz 48. 49.
Arrian 26.
115. 122. 123. 125. 128. 135. Laurentius Valla 183.
Asklepiades 180.
137. 138. 139. 141. 146. 149. Haase 29. Leibniz 52. 73. 184. 185.
Athenaeus 147.
156. 159. 164. 173. 176. Heeren 96. Littrow 32.
Athenagoras 44. 101. 102.
Gicero 24. 36. 64. 72. 73. 74. 89. Hegel 20. Lucilius 173.
Athenodorus 141.
90. 91. 94. 108. 118. 160. 164. Heine, 0. 42. Lukrez 41.
Attalus 56. 178.
165. 168. 183. Heinze, M. 44. 48. 66 f. 68. 73. Luther 157.
Augustinus 182.
Clemens v. Alexandria 115. 182. 88. 91. 108. 114. 179. 182.
Avenarius 42.
Condillac 69. Heinze, R. 30. 46. 49. Maine, H. S. 16.

Bacon 75 f^ Cornelius Gelsus 179. Heraklides von Tarsus 141. Marc Aurel 25 u. passim.

Baguet 176. Gornutus 45. 162. Heraklit 24. 35. 36. Marcian 168.
Barth, P. 12. Heraklit der Stoiker 45. Megariker 136.
Beccaria 167. Darwin, Gh. 53. Herbart 71. Metronax 101.
Bentham 130. Demokrit, Demokriteer 11. 34. 154. Herbert von Gherbury 183. Meyer, E. 13.

\
190 Namenverzeichnis. Namenverzeichnis. 191

Mommsen, Th. 162. Prantl, C. 37. 59 ff. 75 83. Tacitus 147. 163. Winckler, H. A. 28. 162. 181.
Montesquieu 162. 165. Preller s. Ritter. Terenz 19. 182.

Müller, Joh. 178. Priscian 81. Tertullian 49. 84. 182. Windelband, W. 119.
Musonius 26. 126. 162. Pseudo-Augustinus 78. Thomasius 167. Wolff, Ghr. 52.
Pseudo-Plutarch 73. Trendelenburg 66. 74. 75. Wundt, W. 78. 87. 90. 92.
yilus 183. Publilius 25.
Cberweg-Heinze 179. 180. Xenokrates 30. 59.
Oncken. W. 165.
Pythagoras, Pythagoreer 11. 15.
Ulpian 168. Xenophon 128. 141. 159.
Orestano, Fr. 116. 34. 100.

Origenes 182. Tarro 82. Zeller, E. 16. 24. 25. 26. 32. 36.
Kehmke 42.
66.
Voigt, M. 168. 37. 72. 73. 74. 91. 114.
Panaetius 23 f. 36. 45. 46. 55. Richter, G. 25.
Vollmann, F. 170. 115. 118. 120. 122. 125. 126.
63. 66. 67. 68. 84. 99. 100. 101. Ritter et Preller 112.
133. 135. 136. 155. 158. 160.
112. 113. 114. 126. 128. 133. Rubin, S. 150.
Wachsmuth, C. 80. 163. 175. 177. 181.
137. 174. 177. Rutil ius Namatianus 29.
Wallon, H. 169. 170. Zeno 14. u. passim.
Paulus 118. 181. 182. 183.
Wendland, P. 182. Ziegler, Th. 95. 133. 163.
Pearson, A. C. 16. 22. 23. 30. Saussaye, de la, s. Ghantepie.
;

Whewell 32. Zwindi 183.


31. 33. 34. 35. 36. 42. 43. 45. Schenkl 29. 40. 67. 88. 99. 106.
48. 49. 54. 66. 67. 71. 85. 90. 143. 145.
91. 94. 110. 114. 116. 120. 137. Schmekel 23. 24. 31. 36. 37. 46.
151. 152. 161. 172. 173. 176. 49. 55. 63. 67. 72. 74. 84. 88.
Peripatetiker 114. 136. 147. 172. 98. 99. 100. 126. 134. 141. 153.
Persaeus 136. 176. 174. 177.
Pestalozzi 125. Schubert-Soldern 42.
Philo 182. Schuppe 42.
Plato, Platoniker 17. 18. 23. 28. Schweighäuser 88. 99. 182.
30. 33. 34. 41. 45. 46, 49. 54. Seneca 20. 24. u. passim.
60. 70. 71. 75. 85. 89. 98. 99. Sextius 24.
102. 112. 114. 123. 124. 125. Sextus Empiricus 31. 67. 83. 175.
126. 128. 129. 131. 133. 136. Siebeck, H. 31. 97.
137. 138. 139. 141, 146. 147. Sohm, R. 168.
149. 158. 164. 165. 166. 167. Sokrates 17 f.- 32. 34. 54. 69.

172. 1«3. 114. 115. 128. 133. 136. 141.


Platz. \V. 170. 159. 177. 181. f^

Plinius 20. Spencer 130.


Plutarch 23. 30. 33. 37. 44. 52. Sphaerus vom Bosporus 165. 177,
56. 59. 73. 74. 115. 118. 127. Spinoza 73. 105. HO. 111. 184.
174. Stade 14.

Polemo 22. 108. Stein, L. 85. 135.


Polybius 165. Steinthal 76 fi;

Posidonius 23. 24. 31. 36. 37. 45. Stich 29.


46. 55. 63. 67. 68. 72. 74. 84. Stobaeus 57. 91. 96. 106. 108.
87. 8?. 99. 100. 114. 126. 128. 116. 117. 118.
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Noch ein Wort zur Pfarrersfrage.
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Geld. IX. Die Produktivität der Nationen. X. Der Welthandel. XI. Freihandel
Zur Theorie des Geisteskampfes. Zollsohnts. XII. Die Krlsis. XIII. Die Grenzen des Reichtums.
und
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I. Der Kritiker. 1809-1848. II. Der Kimpfer. 1848-1852. Der Denker
152 S. Brosch. M. 1.80. Geb. M. 2.60. 1852—1865.
III.

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der Gemeinschaft.
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I. FondamentalphiloBophiscbe Voraussetzungen. II. Qrundllolen indlvldualer und
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Herbart, Pestalozzi
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Eine Sammlung biographischer System- und Charakterschilderungen logie. Einteilung seiner Pädagogik. „Regierung*. IV. „Unterricht* und „Zacht*; ,Er-
slehender Unterricht". V. Das Zeitalter Pestalozzis. VI. Allgemeine Grundlagen der
Erziehungfilelire Pestalozzis. YII. Pestalozzis Grundansicht Ober die soziale Bedingtheit

herausgegeben von
der Erziehung. Die , Abendstunde*. VIII. Ethik und Sozialphilosophie nach den .Nach«
forschungen*. Religion.
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Professoren an der Universität Berlin.
Handbuch der natürlich-menschlichen
I. Machiayelli Sittenlehre
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Professor an der üniverslt&t Erlangen.
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Ein köstliches Buch,
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Goethes Charakter.
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I. Lebenskämpfe. 11. Eigenart UI. Welt und S^ele.


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schrieben worden. (Beil. z. AUg. Ztg.)

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Versu(5h über die Ungleichheit der Menschenracen.


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Geb. M. 5.80; IV, Bd. 424 S. Brosch. M. 4.50. Geb. M. 5.50.
Qobinean hat stol/ und gro's es ausgesprochen, er habe luerst die wirkliche noch
anerkannte Basis der Geschichte aufgedeckt. SchwerlicL m5chte er sich mit seinem
Glauben überhoben haben I . . Der , Nationalitäten"-, d. h. eben der Kacen-Gedanke dureh-
.

tiebt das moderne Volkerleben heute mehr denn Je, und keiner kann sich mehr
der Em-
pfindung erwehren, dass alle modernen Nationen vor eine Entscheidung, eine Prüfung ge-
stellt sind, was sie al<s Nationen —
d. h. eben nach Ihrer Racen-Anlage, ihren Mischungs-
bestandteilen, dem Ergebnisse ihrer Raoenmischungen —
wert seien, inwieweit sie dunkel
geahnten, vielleicht mit Vernichtung drohenden Stürmen der Zukunft gewachsen sein werden.
\zz
DUE DATE \ \

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COLUMBIA UNIVERSITYUBRA^^^

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Printed
tn USA

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