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Griechenland gab dem Dritten Reich keine „Zwangsanleihe“

Von Sven Felix Kellerhoff | Veröffentlicht am 16.11.2017

Von 1932 bis 1945 leitete Lutz Graf Schwerin von Krosigk (im Kreis; 1887-1977) das
Reichsfinanzministerium; das Foto zeigt ihn im Januar 1933 im neu berufenen Kabinett Hitlers

Umgerechnet mehr als zwei Billionen Euro mussten die besetzten Länder 1939 bis 1945 aufbringen,
um die Wehrmacht zu bezahlen. Eine neue Studie zeigt die Rolle des Reichsfinanzministeriums. Ohne
Geld kein Krieg – jedenfalls nicht in modernen, arbeitsteilig organisierten Gesellschaften. Soldaten
und Hilfspersonal müssen bezahlt, Rohstoffe und Bauteile für die Rüstungsproduktion eingekauft,
Logistik organisiert werden. Die Heimatfront muss ebenfalls funktionieren, denn ohne sie ist kein
Heer der Welt verteidigungs-, geschweige denn angriffstauglich. Hauptverantwortlich für die
Finanzierung von Staaten sind stets die Finanzministerien, für Geldpolitik meist die Zentralbanken. In
Hitler-Deutschland war es wesentlich das Reichsfinanzministerium, geleitet von Lutz Graf Schwerin
von Krosigk. Denn die Reichsbank war seit 1934 nicht mehr eigenständig, sondern in Personalunion
mit dem Reichswirtschaftsministerium verbunden.

Wie die Finanzierung des Zweiten Weltkriegs auf deutscher Seite konkret erfolgte,
dokumentiert jetzt die Historikerkommission des Bundesfinanzministeriums. Sie untersucht
seit 2009 die Rolle seiner Vorgängerinstitution im Dritten Reich; als dritter Band der
Publikationsreihe ist nun die Studie „Krieg auf Kosten anderer“ des Historikers Jürgen Kilian
über das „Reichsministerium der Finanzen und die wirtschaftliche Mobilisierung Europas für
Hitlers Krieg“ erschienen. Obwohl es schon viele Studien zu den ökonomischen Grundlagen
der nationalsozialistischen Eroberungspolitik gibt, wird dieses Buch ab sofort das neue
Fundament jeder seriösen Auseinandersetzung mit dem Thema bilden.

Das Reichsfinanzministerium in der Berliner Wilhelmstraße Nr. 60-62, Ecke Kaiserhofstraße

Insgesamt 126 Milliarden Reichsmark mussten die von der Wehrmacht eroberten Staaten für
den Krieg und ihre eigene Besatzung 1939 bis 1945 aufbringen. Gemessen an der Kaufkraft,
entspräche das einem heutigen Wert von mehr als zwei Billionen Euro. Genauso viel wie die
heutige Verschuldung der Bundesrepublik auf allen staatlichen Ebenen, Bund, Ländern und
Gemeinden, die seit 1962 zusammengekommen ist.
Das war aber „nur“ ein gutes Drittel aller Kriegsausgaben des Dritten Reiches – noch mehr
nämlich trugen die extreme Ausweitung des Geldumlaufes (von elf auf 73 Milliarden
Reichsmark), verschiedene Finanzierungsinstrumente wie die ab 1939 unbegrenzten Kredite
der Reichsbank an die Reichsregierung und die Abschöpfung privater Guthaben durch das
propagierte „eiserne Sparen“ bei. Natürlich funktionierte diese Finanzierung durch die
Druckerpresse nur, weil gleichzeitig Löhne und Preise festgeschrieben waren – die Folge war
die Inflation 1945 bis 1948.

Deutschland soll Milliarden für Kriegsschäden zahlen

Die griechische Regierung fordert von Deutschland Wiedergutmachung für die Zerstörungen
im Zweiten Weltkrieg. Es geht um einen mehrstelligen Milliardenbetrag. Berlin lehnt die
Forderung ab. Kilian untersucht speziell den Beitrag der besetzten Länder zur
Kriegsfinanzierung. Seine Arbeit, das hebt der Wirtschaftshistoriker Alexander Nützenadel
von der Berliner Humboldt-Universität hervor, ist die erste derartige Studie, die wirklich ganz
Europa einbezieht. Erst so wird ein sinnvoller Vergleich möglich.

Die wichtigste Erkenntnis: Die besetzten Länder wurden wesentlich von rund 1200
ausgesandten Beamten des Reichsfinanzministeriums ausgeplündert, um den Weltkrieg
finanziell am Laufen zu halten. Zugleich widerlegt Kilian allerdings auch die Behauptung,
riesige Summen seien aus den besetzten Ländern ins Dritte Reich geflossen und hätten, so
eine Formulierung des Publizisten Götz Aly, hier eine „Wohlfühl-Diktatur“ finanziert. Laut
Nützenadel ist Alys These durch Kilians Forschungen „gründlich widerlegt“. Besser macht es
das freilich nicht. Denn die besetzten Länder mussten die Kosten der eigenen Unterdrückung
bezahlen, z. B. auch die Aufwendungen für den letztlich nutzlosen „Atlantikwall“ von
Nordnorwegen bis in die Biskaya. Fast ein Drittel der 126 Milliarden brachte allein
Frankreich auf.

Weitere Reaktionen auf griechische Forderungen

Seit einigen Wochen hält die Debatte zum griechischen Reparations-Streit an: Das Thema
„griechische Reparationsforderungen“ sei politisch und juristisch abgeschlossen, so ein
Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin.

Eine höchst umstrittene Frage ist die angebliche „Zwangsanleihe“ Griechenlands in Höhe von
476 Millionen Reichsmark. Kilian legt höchst faktenreich auf 24 Seiten dar, wie genau die
finanziellen Beziehungen zwischen dem besetzten Griechenland und dem Dritten Reich
aussahen. Ergebnis: Den vermeintlichen Kredit hat es nie gegeben; im Gegenteil hatten die
deutschen Beamten das Ziel, die griechische Wirtschaft eben nicht zusammenbrechen zu
lassen. Freilich keineswegs aus edlen Motiven: Nur eine funktionierende Volkswirtschaft
konnte die Mittel aufbringen, die zur Bezahlung der Besatzung nötig waren.

Kilians enorm materialreiches Buch ist keine einfache Lektüre. Aber in all seiner
Nüchternheit macht es die in jedem Fall moralisch, vielfach auch juristisch-völkerrechtlich
kriminelle Handlungsweise deutscher Finanzbeamter in Europa greifbar.

Jürgen Kilian: „Krieg auf Kosten anderer. Das Reichsministerium und die wirtschaftliche
Mobilisierung Europas für Hitlers Krieg“. (Verlag de Gruyter-Oldenbourg, Berlin. 494 S.,
49,95 Euro).

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