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Medien prägen unsere Welt. Nicht selten schaffen sie ihr eigenes Universum –
schnell und pulsierend, mit der suggestiven Kraft der Bilder. Überall live und
direkt dabei zu sein ist für die junge Generation zum kommunikativen Ideal
geworden, das ein immer dichteres Geflecht neuer Techniken legitimiert und
zusehends erfolgreich macht.
Um in einer von den Medien bestimmten Gesellschaft bestehen zu können,
müssen Kinder und Jugendliche möglichst früh lernen, mit Inhalt und Ästhetik
der Medien umzugehen, sie zu verstehen, zu hinterfragen und kreativ umzuset-
zen. Filmbildung muss daher umfassend in deutsche Lehrpläne eingebunden
werden. Dazu ist ein Umdenken erforderlich, den Film endlich auch im öffent-
lichen Bewusstsein in vollem Umfang als Kulturgut anzuerkennen und nicht nur
als Unterhaltungsmedium.
Kommunikation und Information dürfen dabei nicht nur Mittel zum Zweck sein.
Medienbildung bedeutet auch, von den positiven Möglichkeiten des aktiven
und kreativen Umgangs mit Medien auszugehen. Medienkompetenz zu
vermitteln bedeutet für die pädagogische Praxis, Kinder und Jugendliche bei
der Mediennutzung zu unterstützen, ihnen bei der Verarbeitung von Medienein-
flüssen und der Analyse von Medienaussagen zu helfen und sie vielleicht sogar
zu eigener Medienaktivität und damit zur Mitgestaltung der Medienkultur zu
befähigen.
Die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb sieht die Medien nach wie vor
als Gegenstand kritischer Analyse an, weil Medienkompetenz in einer von
Medien dominierten Welt unverzichtbar ist. Darüber hinaus werden wir den
Kinofilm und die interaktive Kommunikation viel stärker als bisher in das Konzept
der politischen Bildung einbeziehen und an der Schnittstelle Kino und Schule
arbeiten: mit regelmäßig erscheinenden Filmheften wie dem vorliegenden, mit
Kinoseminaren, themenbezogenen Reihen, einer Beteiligung an bundesweiten
Schulfilmwochen, Mediatoren/innenfortbildungen und verschiedenen anderen
Projekten.
Thomas Krüger,
Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung
Impressum
Herausgeberin: Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, Fachbereich Multimedia & IT
Adenauerallee 86, 53113 Bonn, Tel. 01888 515-0, Fax 01888 515-113,
info@bpb.de, www.bpb.de
mit freundlicher Unterstützung von X Verleih
Autor: Philipp Bühler
Arbeitsblätter: Petra Anders, Kirsten Schulz
Redaktion: Katrin Willmann (verantwortlich), Claudia Hennen
Redaktionelle Mitarbeit: Holger Twele (auch Satz und Layout), Rüdiger Fleiter, Stefan Stiletto
Umschlag, Basislayout: Susann Unger
Druck: DruckVerlag Kettler, Bönen
Bildnachweis: X Verleih, Jürgen Olczyk
© Neuauflage, Oktober 2005
Inhalt
Fritz und nach dem Frieden. Ihr christ- erinnert sich vielmehr an die unbe- Der Volksgerichtshof
licher Glaube ist ihr darin eine wichtige schwerten Momente jenes Sommers war ein rein politisches Gericht zur
Stütze. 1942, bevor ihr Bruder und Fritz an Ausschaltung der NS-Gegner. Neben
vermeintlichem Hoch- und Landesver-
die Ostfront verschickt wurden und
rat war er auch für die Aburteilung von
„Gott, Gewissen, Mitgefühl“ – ihr Vater wegen Verstoßes gegen „Feindbegünstigung“, Spionage und
Sophies Welt das „Heimtücke“-Gesetz für mehrere so genannter Wehrkraftzersetzung zu-
Monate in Haft kam. In den Gesprä- ständig. Das Gericht urteilte auf der
Sophies Standfestigkeit ist nur zu er- chen mit Mohr, die zeitweilig die Grundlage von NS-Sonderbestim-
klären durch einen Einblick in ihre Bahnen eines gewöhnlichen Verhörs mungen, die das traditionelle Recht
verletzten: Das Kriegssonderstrafrecht
Gedankenwelt, wie sie der Film bietet. verlassen, gibt sie ihren Überzeugun-
(1938) stellte jegliche Kritik am NS-
Von ihren Eltern wurden die Geschwis- gen nachhaltig Ausdruck. Begriffe wie Regime unter Strafe, selbst kleinste
ter Scholl nach den Idealen religiöser „Freiheit“ und „Ehre“, in Sophies Augen Vergehen wurden mit der Todesstrafe
Sittlichkeit und politischer Freiheit erzo- von den Nationalsozialisten miss- geahndet. Die Urteile des Volksge-
gen. Wie sehr sie diese Ideale durch braucht, werden von beiden völlig richtshofs konnten nicht angefochten
den Nationalsozialismus verletzt sahen, gegensätzlich interpretiert. Sophie werden, die Verteidiger mussten vom
zeigen die „Flugblätter der Weißen besteht auf dem „freien Wort“, nach Richter genehmigt werden. Roland
Freisler machte den Volksgerichtshof
Rose“, die von Hans maßgeblich mit- heutigem Verständnis ein Menschen-
ab 1942 endgültig zu einem reinen
verfasst wurden. recht; Mohr hat eine rein nationale Terrorinstrument des NS-Regimes:
Zu ihrem älteren Bruder hat die 21- Perspektive: „Nie wieder Besatzung Fast die Hälfte aller Urteile waren seit-
Jährige ein inniges Verhältnis. Mit ihm auf deutschem Boden“. Seinem dem Todesurteile, die oft schon kurz
teilt sie die anfängliche Sympathie für Beharren auf dem „Gesetz“, das die nach der Urteilsverkündung vollstreckt
Hitler. Wegen seiner Aktivitäten in der Gesellschaft vor Chaos schütze, wurden. Abgeurteilt wurden hier auch
■ „Bündischen Jugend“ kamen Sophie begegnet sie mit dem „menschlichen die Mitglieder der Roten Kapelle, der
Weißen Rose, des Kreisauer Kreises
und ihre Geschwister schon 1937 in Gewissen“, das im Gegensatz zum
und die Attentäter des 20. Juli 1944.
Sippenhaft, was sie in ihrer Hinwen- Gesetz keinen Veränderungen unterlie-
dung zu Humanität und Christentum ge. Gegen Sophies Glauben verstoßen Die Bündische Jugend
bestärkt hat. Hans’ Erlebnisse als Sol- insbesondere das Vorgehen gegen die ist ein Sammelbegriff für verschiedene
dat an der Ostfront im Sommer 1942 Juden und die Euthanasie, also die politisch unabhängige Jugendbünde,
haben sie wie alle anderen Mitglieder vom NS-Regime vorgenommene Ver- die sich 1926 zum „Bund der Wander-
der Gruppe davon überzeugt, dass der nichtung der als „minderwertig“ oder vögel und Pfadfinder“ zusammen-
schlossen. Allen gemeinsam war ein
menschenverachtende Krieg beendet gar „unwert“ angesehenen Menschen.
naturverbundener Romantizismus und
werden muss. Im Film zitiert sie Hans Die Entscheidung über den Wert eines die Suche nach einem selbstbestimm-
mit dessen Losung „Ein harter Geist, Lebens liegt für sie nicht beim Men- ten Leben. Auf langen Fahrten ins Grü-
ein weiches Herz“. Sophie hat diesen schen, sondern ausschließlich bei Gott. ne lasen die etwa 50.000 organisierten
Gedanken allerdings konsequenter zu Da all ihre Mitstreiter/innen diese An- Mitglieder aus teilweise verbotenen
Ende gedacht als alle anderen. Über sichten teilen, fühlt sie sich mit ihnen Büchern und spielten auch amerikani-
Fragen wie Sabotage und die Unaus- durch ein unsichtbares Band verbun- sche Country-Musik. 1933 wurden
sämtliche „bündischen Umtriebe“ ver-
weichlichkeit einer Niederlage hatte sie den. Es ist also nicht allein die Angst
boten. Innerhalb des „Jungvolks“ der
mit ihrem an der Ostfront stationierten um Freunde und Bekannte, die ihr in HJ führten sie aber weiterhin ein
Verlobten Fritz Hartnagel oft heftigen ihrer Situation Stärke gibt. Angesichts Eigenleben.
Streit. Im Film erwähnt sie dies gegen- der Schreckensherrschaft ist für sie
über Else Gebel nur am Rande und Widerstand Pflicht – bis zuletzt.
„Schlag auf Schlag“ – In den gewissen Bevölkerung auf fruchtbaren weise gemäßigten Verhörpraxis sollte
Mühlen der NS-Justiz Boden. Nur so ist die Aufgeregtheit zu man sich nicht täuschen lassen.
erklären, mit der Polizei und Justiz auf Mohrs Selbstzweifel können seiner
Am selben Tag, als die Geschwister die Aktivitäten der Weißen Rose rea- „Weltanschauung“ nichts anhaben.
Scholl verhaftet wurden, hielt Propa- gierten. Schon im Vorfeld der Verhaf- Mit seiner akribischen Beweisführung
gandaminister Joseph Goebbels im tung wurde der Urheberschaft der Flug- ist er genauso ein Vollstrecker des
Berliner Sportpalast seine berüchtigte blätter und illegaler Graffiti wie „Nieder Machtapparats wie Roland Freisler.
Rede vom ■ „totalen Krieg“. Im Film mit Hitler!“ intensiv nachgegangen. Lei- Im Fall des berüchtigten „Blutrichters“
ist sie bei Sophies Einlieferung ins ter der Untersuchungen war der ehe- allerdings wäre jede Differenzierung
Gefängnis über einen Volksempfänger malige Kriminalbeamte Robert Mohr, unangebracht. Als Präsident des Volks-
im Raum zu hören. Der Zusammen- mit 26 Jahren Diensterfahrung einer gerichtshofs seit August 1942 reprä-
hang wurde keineswegs zufällig ge- der gewieftesten Köpfe der Gestapo. sentiert dieser die furchtbarste Seite
wählt. Das Flugblatt und die Rede der NS-Herrschaft: die gnadenlose
bezogen sich auf dasselbe Ereignis. Im Film ist Mohr ein kühler Beamter Vernichtung des politischen Gegners.
Wenige Tage zuvor, am 3. Februar und Parteigänger des Nationalsozia- Das von Mohr und Sophie eindringlich
1943, hatte das Oberkommando der lismus. In den Verhören spielt er be- diskutierte Verhältnis von Gesetz und
Wehrmacht die endgültige Niederlage rechnend seine Autorität aus, Vorwür- Gewissen hat für ihn keine Bedeutung.
im Kampf um Stalingrad gemeldet. fe wie ■ Judenvernichtung und ■ Eu- In seinem Gewissen ausschließlich
Während der Minister seine Anhänger thanasie kontert er mit der bekannten Adolf Hitler verpflichtet, tritt Freisler
zum letzten Aufbäumen einschwor, NS-Rhetorik. Gleichwohl bringt ihn So- selbst das im NS-Staat geltende
forderte das Flugblatt den „Tag der phies klare Argumentation zeitweise in Recht mit Füßen. Die Todesstrafe
Abrechnung“. In dieser Phase des die Defensive. In der Diskussion über steht von vornherein fest, Entlastungs-
Krieges erfüllte ein solcher Aufruf zum den Russlandfeldzug zeigt er schließlich zeugen gibt es ebensowenig wie eine
Widerstand nicht nur den Tatbestand sogar Gefühle: Auch sein Sohn steht ordnungsgemäße Verteidigung. Die
von „Hochverrat“ und „Wehrkraftzer- als Soldat an der ■ Ostfront. Doch Angeklagten werden im Gerichtssaal
setzung“. Er fiel bei der zuvor sieges- davon und auch vor seiner vergleichs- geradezu niedergebrüllt und mit infa-
Schuss-Gegenschuss-Technik
Spielraum. Sie bleibt meist auf mitt- Musik und Ton bezeichnet eine Sequenz von Einstel-
lerer Distanz, ■ Großaufnahmen von lungen, in denen die Darsteller/innen
Gesichtern sind den Szenen von Der Film beginnt mit Swingmusik insbesondere während eines Dialogs
Prozess und Hinrichtung vorbehalten. („Sugar“ von Billie Holliday ) aus dem abwechselnd gezeigt werden. Dabei
bewegt sich die Kamera auf nur einer
Nicht die Kamera, sondern das Spiel Radio, deren Melodie und Text die
Blickachse.
der Darsteller/innen soll die Identifika- Akteurinnen nachzusingen versu-
tion mit ihnen ermöglichen. ■ Auf- chen. Durch die ■ Realmusik wird Subjektive Kamera
und Untersichten kommen nur be- eine glaubwürdige und zugleich per- auch: Point of view shot. Die Kamera
grenzt zum Einsatz. So etwa bei der sönliche Atmosphäre geschaffen, in nimmt die Position einer Figur ein. Das
ersten Vernehmung der Geschwister welcher Sophie Scholl als vergnügte Bild zeigt also, was die Person selbst
durch Mohr, der aus Sicht der sitzen- junge Frau erscheint. Danach wird sieht. Die Wirkung ist besonders sug-
den Sophie bedrohlich wirkt. In den Musik nur sehr sparsam, aber dra- gestiv.
Verhören allerdings begegnen sich maturgisch höchst effektiv eingesetzt.
Steadycam
Mohr und Sophie auf Augenhöhe. Ein dramatischer Streichersatz be-
am Körper des Kameramanns/der
Eine Ausnahme vom ruhigen Schnitt- gleitet in der Anfangssequenz den Kamerafrau befestigtes Tragstativ mit
rhythmus des Films bildet die span- Druck eines Flugblattes. Die anschlie- Federungssystem, das auch bei
nungsgeladene Flugblattaktion, die ßende Flugblattaktion und später die schnellen Bewegungen eine ruhige
zur Verhaftung von Hans und Sophie Fahrt zum Prozess sind mit Drum Bildführung ermöglicht.
führt. Hier wird auch die äußerst Beats unterlegt. Hierbei handelt es
bewegliche ■ Steadycam verwendet. sich um einen bewussten Anachro- Musik
Sie vermag dem Weg der Geschwis- nismus, der auch einem jüngeren Das Filmerlebnis wird zu einem gehöri-
gen Teil von der Filmmusik beeinflusst.
ter über Treppen und Emporen zu fol- Publikum mit anderen Hörgewohn-
Sie kann Stimmungen begleiten (Illus-
gen und fängt die hastige Aktion aus heiten die Dynamik der Situation ver- tration), in eine bestimmte Richtung
unterschiedlichsten Perspektiven mitteln soll und eine stärkere Identi- lenken (Polarisierung) oder im krassen
dynamisch ein. Die Scholls werden fikation mit dem Geschehen in der Gegensatz zu den Bildern stehen
dabei in schnellen Schnittwechseln Gegenwart ermöglicht – schließlich (Kontrapunkt). Eine extreme Form der
sowohl von hinten als auch von vorn hat die Bedeutung des Widerstands Illustration ist die Pointierung (auch:
Mickeymousing), die nur kurze Mo-
gezeigt. Außerdem findet ein ständi- bis heute nicht an Aktualität einge-
mente der Handlung mit passenden
ger Wechsel von Auf- und Untersich- büßt. Spannung wird auch auf der musikalischen Signalen unterlegt. Bei
ten statt. Ersteres vermittelt jeweils Tonebene erzeugt: Die Schritte der Szenenwechseln, Ellipsen, Parallel-
ein bedrohliches Gefühl des Beob- Geschwister hallen durch den leeren montagen oder Montagesequenzen
achtetwerdens. Letzteres zeigt die Lichthof, aus einem Saal sind ge- fungiert die Musik als akustische
Geschwister als Handelnde. Zur dämpft Passagen aus einer staats- Klammer, in dem sie die Übergänge
Verdeutlichung des Fenstermotivs, theoretischen Vorlesung, vermutlich als zusammengehörig definiert.
das für Sophies nie ausgesprochene von Prof. Kurt Huber, zu hören.
Realmusik
Hoffnung steht, kommt gelegentlich Später werden besonders emotio-
im Rahmen der Handlung eingespielte
die ■ subjektive Kamera zum Einsatz. nale, auch religiöse Momente wie Musik, also z. B. Musik aus dem Radio
In der Prozesssequenz ist bemer- Sophies Gebete, von einfachen oder bei einer Tanzveranstaltung. Weil
kenswert, dass hier wie schon in den Klaviermelodien und Chormusik die Figuren sie selbst wahrnehmen,
Verhören auf Auf- und Untersichten untermalt. wirkt sie authentischer als die Film-
verzichtet wird, Freisler also nicht komposition.
übermäßig dämonisiert wird.
In der fünften Sequenz vollzieht sich Sophie, wie auch der uninformierte abgebildet. Die Bildausschnitte zeigen
in quälender Länge ein wichtiger Stim- Teil des Publikums, auf einen guten nur die jeweilige Person von Tisch-
mungsumschwung. Hier zerschlägt Ausgang der Geschichte. Die Auf- höhe aufwärts, meist mit dem Hinter-
sich Sophies Hoffnung auf baldige merksamkeit gilt vor allem Else, die kopf des Gesprächspartners im Vor-
Freilassung, die ihr der Ermittler Mohr viele Fragen stellt und auch ein dergrund – so wird eine beengende
in der vorigen Sequenz in Aussicht Spitzel sein könnte. Kurz darauf wird Atmosphäre aufgebaut. Mohr stellt
gestellt hat. Angekündigt durch das Sophie erneut nach oben gebracht. Fragen zu den politischen Ansichten
den Film beherrschende Fenstermotiv Der Beamte Locher soll ihr einen von Sophies Vater, ihrer Zeit beim
und einen markanten Positionswechsel Entlassungsschein ausstellen. Sie BDM und ihrem Verlobten Fritz. Dann
der Kamera, wendet sich Sophies ist nur noch Sekunden von ihrer konfrontiert er sie mit Beweisstücken,
Schicksal nach und nach ins Unver- Freilassung entfernt. Sie blickt die dem Publikum aus einer vorigen
meidliche. Sie muss dem Tod ins Au- lächelnd auf ein Fenster, hinter dem Sequenz bereits bekannt sind: Pistole,
ge blicken und ihre Strategie ändern. sie die Freiheit wähnt. In Wahrheit Munition und Briefmarken stammen
Schauplatz der Sequenz ist zunächst befindet sich hinter den Gittern nur aus Hans’ Schublade. Wegen der
der Gefängnistrakt des Wittelsbacher noch eine weitere Mauer – eine Me- Briefmarken gerät Mohr in Rage. Er
Palais’, dann das graue Verhörzimmer, tapher für den weiteren Verlauf der verliest Auszüge aus einem Flugblatt.
das die Zuschauenden schon kennen. Handlung. In diesem Moment klingelt Es wurde auf der Schreibmaschine
Sie schließt mit einem bewegenden Akt das Telefon. der Scholls geschrieben. Bei dieser
der Selbsterkenntnis und Sophies Ge- Erklärung springt Mohr wütend auf,
ständnis nach zermürbendem Verhör. Sophie wird erneut in Mohrs Verhör- während die Kamera einen Positions-
zimmer gebracht. Es ist abgedunkelt, wechsel um 90 Grad unternimmt.
Sophie wird in ihre Zelle aufgenommen. das Zeitgefühl geht immer mehr verlo- Sie zeigt nun beide von der Seite,
Die Registrierung erledigt die Mitgefan- ren. Das Verhör wird wie schon zuvor die Zuschauenden sind also auch
gene Else Gebel. Noch immer hofft in Schuss-Gegenschuss-Technik bildlich mit einer neuen Situation kon-
Beleuchtung
In Anlehnung an die Schwarzweißfoto-
grafie unterscheidet man grundsätzlich
drei Beleuchtungsstile: der Normalstil
imitiert die natürlichen Sehgewohnhei-
ten und sorgt für eine ausgewogene
Hell-Dunkel-Verteilung. Der Low-Key-
Stil betont die Schattenführung und
wirkt spannungssteigernd (Kriminal-,
Actionfilme). Der High-Key-Stil be-
leuchtet die Szenerie gleichmäßig bis
übermäßig und kann eine optimistische
Grundstimmung verstärken (Komö-
dien).
Einstellungsgrößen
In der Filmsprache haben sich folgende
acht Einstellungsgrößen durchgesetzt:
Detailaufnahme (Detail-Shot/Extreme-
Close-Up) – umfasst nur bestimmte
Körperteile einer Person, wie etwa die
Augen oder Hände, Großaufnahme
(Close-Up) – umfasst den Kopf kom-
plett oder leicht angeschnitten, Nah-
einstellung (Medium-Close-Shot/
Medium-Close-Up) – erfasst bis zu
einem Drittel des Körpers („Passfoto“),
Amerikanische Einstellung (Medium-
Shot/Knee-Shot) – häufig in Western
verwendet, erfasst eine Person ab Colt
bzw. Hüfte an aufwärts, Halbnah (Mid-/
Medium-Shot) – erfasst etwa zwei
Drittel des Körpers, Halbtotale (Me-
dium-Long-Shot/Full-Shot) – Person
frontiert: Ein weiteres Leugnen macht wird in ihrer Umgebung gezeigt, Totale
keinen Sinn mehr. (Long-Shot) – erfasst die maximale
Bildfläche mit all ihren agierenden
Personen, wird häufig als einführende
Als Mohr den Raum kurz verlässt, wird Einstellung verwendet, Panorama/
die Zimmerperspektive Schnitt für Weit (Extreme-Long-Shot) – Land-
Schnitt ausgeweitet. Man sieht nun schaftsaufnahme. Groß- und Nahauf-
die Protokolldame, den Beisitzer, im nahme betonen vor allem die Mimik,
Hintergrund Vorhänge. Zuvor nur ver- während Halbnah und Halbtotale die
Gestik und Proxemik (Körpersprache)
dächtigt, war Sophie von dieser Um-
der Schauspieler hervorheben und in
gebung optisch getrennt. Als überführ- Auf wiederholte Bitte wird sie von die unmittelbare Umgebung einbezie-
te Täterin ist sie ihr als Teil des Ganzen Locher auf die Toilette begleitet. Dort hen.
schutzlos ausgeliefert. Mohr kehrt blickt sie bedrückt in den Spiegel.
zurück und zeigt ihr ein zerrissenes, Die Zuschauenden sehen nun zwei Off-/On-Ton
mühsam zusammengeklebtes Flug- Sophies. Sie versinnbildlichen die Ist die Quelle des Tons im Bild zu
blatt (Großaufnahme). Er benennt kommende Trennung von Leib und sehen, spricht man von On-Ton, ist sie
Christoph Probst als Urheber. Auf die- Seele durch den Tod. Mit ihrem letzten nicht im Bild zu sehen, handelt es sich
um Off-Ton. Beim Off-Ton ist zu unter-
sen neuen Beweis folgt wiederum ein Spiegelbild nimmt Sophie Abschied
scheiden, ob die Geräusche, Sprache,
Positionswechsel. Außerdem wird von sich selbst. Sie weint (leise Kla- Musik zur logischen Umgebung in der
Mohr nun gelegentlich aus leichter viermusik). Locher ruft sie heraus. Sie Szene gehören (Türschließen, Dialog,
Untersicht gefilmt, was seine gestärkte wischt sich die Tränen ab, die nie- Radiomusik) oder ob sie davon unab-
Position zum Ausdruck bringt. Unter mand sehen soll. Im Verhörzimmer hängig außerhalb der Szene eingesetzt
der Beweislast gesteht Sophie. Noch öffnet Mohr das Fenster. Es ist wie- werden (Erzähler-Kommentar, Film-
immer nimmt sie ihren Bruder und der Tag. Sophie unterschreibt ihr Ge- musik).
Christoph in Schutz. ständnis.
Zum Inhalt: Warum baut Mohr Sophie eine „golde- Wie wurden die Verhöre inszeniert?
ne Brücke“? Worin bestehen seine Wie interpretieren Sie die Körperspra-
Welche Charaktereigenschaften zeich- Forderungen? Warum lehnt Sophie che der beiden Beteiligten? Welche
nen Sophie aus? Worin unterscheidet sein Angebot ab, obwohl sie damit ihr Informationen erhalten die Zuschau-
sie sich von anderen Frauen ihres Leben opfert? enden hier über andere Personen und
Alters? In welchen Wesenszügen vergangene Ereignisse? Mit welchen
können Sie sich wiedererkennen? Was wissen Sie über Gewaltenteilung filmsprachlichen Mitteln wird deutlich
in einem Rechtsstaat? Findet sich gemacht, dass sich Sophies Situation
Was führt zu ihrer Verhaftung? diese in der Szene vor dem „Volks- dramatisch verschlechtert?
Glauben Sie, dass Sophie und Hans gerichtshof“ wieder? Inwiefern wider-
leichtsinnig gehandelt haben? Wie spricht der Prozessverlauf modernen Zum Material:
verhalten sich die anderen Studieren- Vorstellungen von Justiz und Gerech-
den, als sie auf die Flugblätter und tigkeit? Wer waren die Mitglieder der Weißen
anschließend auf die Verhaftung auf- Rose? Wie haben sie sich kennenge-
merksam werden? Was halten Sie Glauben Sie, dass Sophie für ihren lernt und was hat sie dazu bewogen,
vom Hausmeister? Mut einen zu hohen Preis bezahlt hat? sich in einer Widerstandsgruppe zu
Begründen Sie Ihre Meinung. Warum organisieren? Was waren ihre gemein-
Was macht Sophie in den aufreiben- sagt Christoph am Schluss, dass der samen Interessen?
den Verhören so stark? Woran glaubt gemeinsame Widerstand nicht verge-
sie? In welchen Szenen bringt sie ihre bens war? Diskutieren Sie die Flugblätter der
Überzeugungen am deutlichsten zum Weißen Rose. Wie werden ihre
Ausdruck? Wie definieren Sie die Begriffe „Zivil- Adressaten angesprochen? Beschrei-
courage“ und „Widerstand“? Disku- ben Sie die politischen Ziele der
Wie definieren Sophie und Mohr die tieren Sie diese anhand von Sophies Gruppe. Was halten Sie vom sprach-
Begriffe „Freiheit“ und „Ehre“? Worin Haltung und Werdegang. Inwiefern lichen Stil der Aufrufe?
besteht für Sophie der Unterschied unterscheidet sich der Widerstand
zwischen „Gesetz“ und „Gewissen“? der Weißen Rose von dem in einer Welche Aussagen aus den Flug-
Welche dieser Begriffe haben für Sie modernen Demokratie? Worin könn- blättern wurden in die Dialoge auf-
heute noch Bedeutung? ten Gemeinsamkeiten liegen? genommen? Finden Sie dieses
Vorgehen legitim? Begründen Sie
Beschreiben Sie die Beziehung von Zur Filmsprache: Ihre Meinung.
Sophie und Hans. Welche Rolle spielt
Freundschaft in der Weißen Rose? Beschreiben Sie die erste Szene des Wie wurden die Flugblätter hergestellt
Wie stehen Sie zu der Entscheidung Films. Wie werden die Aktivitäten der und verteilt? Wie gingen die National-
des Regisseurs, Sophie so deutlich Gruppe dargestellt? Sind diese Sze- sozialisten dagegen vor und warum?
in den Mittelpunkt zu stellen? nen für das Verständnis des Films Wie würde die Judikative eines demo-
ausreichend? Warum konzentriert kratischen Staates heute darauf rea-
Wie verhält sich Sophie in den Ver- sich der Regisseur auf die „letzten gieren? Kennen Sie Staaten, in denen
hören? Beachten Sie dabei ihre Tage“? Wie stehen Sie zu diesem ein solcher Protest mit gleicher
Ausdrucksweise und ihre Körper- Entschluss? Schärfe bekämpft wird?
sprache. In welchen Szenen sieht sie
sich gezwungen, ihre Strategie zu Welche Atmosphäre herrscht in dem Wodurch wurden die Aktionen des
ändern? Was bezweckt sie damit Film? Durch welche filmischen Mittel Widerstands auch materiell erschwert?
jeweils? wird sie hervorgerufen? Beachten Sie Denken Sie dabei auch an heutige
dabei Filmarchitektur, Kamera und Kommunikationstechniken wie Handy,
Wie wird der Kriminalbeamte Mohr Beleuchtung. Kopierer und Internet.
charakterisiert? Inwiefern ist er eine
Stütze des Systems? Woran erkennt Worin unterscheidet sich die Flug- Wie haben prominente Zeitzeugen wie
man seine Selbstzweifel? Haben die- blattaktion an der Universität von den Thomas Mann den Widerstand der
se Konsequenzen für ihn bzw. für späteren Szenen? Beachten Sie hier- Weißen Rose beurteilt? Welche Be-
Sophie? bei insbesondere Kameraperspektive, deutung hatte er für die Entwicklung
Schnitt und Musik. im Nachkriegsdeutschland?
Aufgabe 1:
Aufgabe 2:
Manipulationsstrategien:
1. Unbewiesene Behauptungen
2. Allgemeinplätze, Floskeln
3. Imponiertechnik
4. Persönlich werden
5. Überrumpelungstaktik
Aufgabe 3:
Aufgabe 4:
Sophie Scholl beginnt vor ihrer Hinrichtung einen Brief an ihren Verlobten Fritz,
der sich als Soldat an der Ostfront befindet. Sie kommt nicht über die Anrede
„Geliebter Fritz ...“ hinaus. Schreiben Sie diesen Brief weiter. Versuchen Sie
darin, Sophies Erlebnisse der letzten Tage sowie ihre Gründe für den Widerstand
zu beschreiben. Verdeutlichen Sie auch Sophies Gefühle zum Zeitpunkt des
Schreibens.
■ ■ Sequenzprotokoll
S1 (Musik). – In der leeren Aula legen sie S4
Vorspann und Einblendung: „Dieser hastig Flugblätter aus (Musik, Montage- Sophie und Hans werden abgeführt.
Film hält sich an historische Fakten.“ – sequenz). Danach kehren sie noch ein- In der Aula begegnen sie Gisela. Sie
Sophie und ihre Freundin Gisela hören mal zurück, um auch noch die letzten wirkt erschüttert. – Sophies Verhör wird
im Radio Swing-Musik. Die Stimmung Flugblätter loszuwerden. Sophie in der Gestapozentrale, dem Wittels-
ist ausgelassen. – Sophie sucht das schubst einen Stapel von der Empore bacher Palais, fortgeführt. Mohr droht
geheime Versteck der Weißen Rose in den Lichthof. Eine Glocke ertönt. Die ihr mit Zuchthaus oder Tod. Er stellt
auf. Die Gruppe druckt gerade ein Geschwister mischen sich unter die Detailfragen, vor allem zu dem leeren
Flugblatt (Musik). Hans teilt den ande- Studierenden, die aus den Sälen strö- Koffer. Sophie erklärt sich und ihren
ren einen Plan mit: Er will am nächsten men. Sie werden vom Hausmeister, Bruder für „unpolitisch“. Mohr befragt
Tag an der Universität Flugblätter ver- der sie beobachtet hat, festgehalten. sie nach ihrer Meinung zum Eklat im
teilen. Willi Graf bezeichnet das Vor- 0:06-0:14 Deutschen Museum vor einer Woche,
haben als „Wahnsinn“. bei dem Studierende gegen die Rede
0:00-0:06 S3 des Gauleiters protestierten. Sie weicht
Erste Vernehmung beim Rektor. Hans aus. Mohr teilt Sophie mit, dass sich
S2 und Sophie leugnen die Tat. Hans ver- ihre Aussagen mit denen von Hans
Hans und Sophie in der gemeinsamen sucht einen Flugblattentwurf zu ver- decken und stellt ihr die baldige
Wohnung. Sie schreibt einen Brief an nichten, wird dabei aber vom Haus- Freilassung in Aussicht.
ihre Freundin Lisa, er bereitet die nächs- meister ertappt. Der Gestapobeamte 0:17-0:29
te Verschickung von Flugblättern vor. – Robert Mohr kommt hinzu und setzt
Am Morgen machen sich die Ge- die Vernehmung fort. Die beiden finden S5
schwister mit einem Koffer voller Flug- weitere Ausreden. Einlieferung ins Gefängnis (im Volksem-
blätter auf den Weg zur Universität 0:14-0:17 pfänger eine Rede von Propaganda-
Aufruf an alle Deutsche! Deutsche! Wollt Ihr und Eure Kinder Kommilitonen! Kommilitoninnen!
dasselbe Schicksal erleiden, das den
Der Krieg geht seinem sicheren Ende Juden widerfahren ist? Wollt Ihr mit Erschüttert steht unser Volk vor dem
entgegen. Wie im Jahre 1918 ver- dem gleichen Maß gemessen werden Untergang unserer Männer in Stalin-
sucht die deutsche Regierung, alle wie Eure Verführer? Sollen wir auf grad. Dreihundertdreißigtausend deut-
Aufmerksamkeit auf die wachsende ewig das von aller Welt gehasste und sche Männer hat die geniale Strategie
U-Boot-Gefahr zu lenken, während ausgestoßene Volk sein? Nein! Darum des Weltkriegsgefreiten sinn- und ver-
im Osten die Armeen unaufhörlich trennt Euch von dem nationalsozialis- antwortungslos in Tod und Verderben
zurückströmen, im Westen die tischen Untermenschentum! Beweist gehetzt. Führer, wir danken dir!
Invasion erwartet wird. Die Rüstung durch die Tat, dass Ihr anders denkt! Es gärt im deutschen Volk: Wollen wir
Amerikas hat ihren Höhepunkt noch Ein neuer Befreiungskrieg bricht an. weiter einem Dilettanten das Schicksal
nicht erreicht, aber heute schon über- Der bessere Teil des Volkes kämpft unserer Armee anvertrauen? Wollen
trifft sie alles in der Geschichte seither auf unserer Seite. Zerreißt den Mantel wir den niederen Machtinstinkten einer
Dagewesene. Mit mathematischer der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Parteiclique den Rest der deutschen
Sicherheit führt Hitler das deutsche Herz gelegt! Entscheidet Euch, ehe Jugend opfern? Nimmermehr! Der Tag
Volk in den Abgrund. Hitler kann den es zu spät ist! [...] der Abrechnung ist gekommen, der
Krieg nicht gewinnen, nur noch ver- Abrechnung der deutschen Jugend
längern! Seine und seiner Helfer Freiheit der Rede, Freiheit des mit der verabscheuungswürdigsten
Schuld hat jedes Maß unendlich über- Bekenntnisses, Schutz des einzelnen Tyrannis, die unser Volk je erduldet hat.
schritten. Die gerechte Strafe rückt Bürgers vor der Willkür verbrecheri- Im Namen der deutschen Jugend for-
näher und näher! scher Gewaltstaaten, das sind die dern wir vom Staat Adolf Hitlers die
Grundlagen des neuen Europa. persönliche Freiheit, das kostbarste
Was aber tut das deutsche Volk? Unterstützt die Widerstandsbewe- Gut des Deutschen zurück, um das
Es sieht nicht und es hört nicht. gung, verbreitet die Flugblätter! er uns in der erbärmlichsten Weise
Blindlings folgt es seinen Verführern betrogen. [...]
Bericht der Gefängniswärter: Brief Sophie Scholls an ihren Sophie Scholls letzter Brief,
Verlobten Fritz Hartnagel, an ihre Freundin Lisa Remppis,
Sie haben sich so fabelhaft tapfer 5. September 1939 17. Februar 1943
benommen. Das ganze Gefängnis
war davon beeindruckt. Deshalb Lieber Fritz, Liebe Lisa!
haben wir das Risiko auf uns genom- Danke für Deinen schönen Brief. Ich lasse mir gerade das Forellen-
men – wäre es rausgekommen, hätte Hoffentlich muss ich auf den nächs- quintett vom Grammophon vorspie-
es schwere Folgen für uns gehabt –, ten nicht wieder so lange warten. len. Am liebsten möchte ich da selbst
die drei noch eine Zigarette miteinan- Es ist etwas vom gemeinsten, wenn eine Forelle sein, wenn ich mir das
der rauchen zu lassen. Es waren nur man dauernd im Ungewissen über Andantino anhöre. Man kann ja nicht
ein paar Minuten, aber ich glaube, es einen Menschen ist, und sei es nur anders als sich freuen und lachen, so
hat viel für sie bedeutet. „Ich wusste sein Aufenthalt. Hast du meinen letz- wenig man unbewegten oder trauri-
nicht, dass Sterben so leicht sein ten Brief aus Ulm gekriegt? [...] gen Herzens die Frühlingswolken am
kann“, sagte Christoph Probst. Und Nun werdet ihr ja genug zu tun Himmel und die vom Wind bewegten
dann: „In wenigen Minuten sehen wir haben. Ich kann es nicht begreifen, knospenden Zweige in der glänzen-
uns in der Ewigkeit wieder.“ dass nun dauernd Menschen in den jungen Sonne sich wiegen sehen
Dann wurden sie abgeführt, zuerst Lebensgefahr gebracht werden von kann. O, ich freue mich wieder so
das Mädchen. Sie ging, ohne mit der anderen Menschen. Ich kann es nie sehr auf den Frühling. Man spürt und
Wimper zu zucken. Wir konnten alle begreifen und ich finde es entsetzlich. riecht in diesem Ding von Schubert
nicht begreifen, dass so etwas mög- Sag nicht, es ist für’s Vaterland. förmlich die Lüfte und Düfte und ver-
lich war. Der Scharfrichter sagte, so Wenn es Dir nur immer gut geht. Gelt, nimmt den ganzen Jubel der Vögel
habe er noch niemanden sterben Du hast keinen gefährlichen Posten? und der ganzen Kreatur. Die Wieder-
sehen. [...] holung des Themas durch das Klavier
Wo seid ihr eigentlich genau, darfst – wie kaltes klares perlendes Wasser,
Quelle: Scholl, Inge: Die Weiße Rose, Du das nicht schreiben, und was hast oh, es kann einen entzücken.
Frankfurt am Main 1993, S. 83 Du alles zu tun? Hoffentlich kannst Lass doch bald von Dir hören.
Du mir bald schreiben. Herzlichst!
Alles Gute, Sophie Deine Sophie!
Quelle: Jens, Inge (Hrsg.), S. 130f Quelle: Jens, Inge (Hrsg.), S. 238
Ja, sie war kummervoll, diese Anfäl- Als wir vor zehn Jahren, zuerst als
ligkeit der deutschen Jugend – gera- halbes Gerücht, dann mit der zu-
de der Jugend – für die nationalsozia- verlässigen Bestätigung von dem
listische Lügenrevolution. Jetzt sind kühnen Versuch erfuhren, womit
ihre Augen geöffnet, und sie legen die Geschwister Scholl und ihr Freun-
das junge Haupt auf den Block für deskreis das Gewissen der studieren-
ihre Erkenntnis und für Deutschlands den Jugend zu erreichen suchten, da
Ehre, legen ihn dorthin, nachdem sie wussten wir und sprachen es auch
vor Gericht dem Nazi-Präsidenten ins aus: Dieser Aufschrei der deutschen Marc Rothemund (Regie)
Gesicht gesagt: „Bald werden Sie hier Seele wird durch die Geschichte
stehen, wo ich jetzt stehe“, nachdem widerhallen, der Tod kann ihn nicht, Marc Rothemund, 1968 geboren,
sie im Angesicht des Todes bezeugt: konnte ihn nicht in die Stummheit sammelte nach seinem Abitur 1988
„Ein neuer Glaube dämmert an Frei- zwingen. Die Sätze, die auf Papier- erste Erfahrungen als Aufnahmeleiter
heit und Ehre.“ Brave, herrliche junge fetzen durch die Münchner Hoch- und Regieassistent. Er arbeitete
Leute! Ihr sollt nicht umsonst gestor- schule flatterten, waren ein Fanal und unter anderem zusammen mit
ben, sollt nicht vergessen sein. Die sind es geblieben. So wurde das tap- Helmut Dietl (ROSSINI, 1996), Bernd
Nazis haben schmutzigen Rowdies, fere Sterben der jungen Menschen, Eichinger (Das MÄDCHEN ROSEMA-
gemeinen Killern in Deutschland die gegen die Phrase und die Lüge RIE, 1996), Gérard Corbiau (FARI-
Denkmäler gesetzt. Die deutsche die Reinheit der Gesinnung und den NELLI, 1995) und seinem Vater Sigi
Revolution, die wirkliche, wird sie Mut zur Wahrheit setzten, im Aus- Rothemund. Mit dem renommierten
niederreißen und an ihrer Stelle eure löschen ihres Lebens zu einem Sieg. Drehbuchautor Fred Breinersdorfer
Namen verewigen, die ihr, als noch So muss ihre Erscheinung inmitten realisierte er ab 1997 eine Reihe
Nacht über Deutschland und Europa der deutschen Tragik begriffen wer- erfolgreicher Fernsehfilme wie DIE
lag, wusstet und verkündetet: „Es den – nicht als ein gegenüber der HOFFNUNG STIRBT ZULETZT
dämmert ein neuer Glaube an Freiheit Gewalt missglückter Versuch zur (2002). Einem größeren Publikum
und Ehre.“ Wende, sondern als das Abschirmen wurde er durch sein Kinofilmdebüt
eines Lichts in der dunkelsten DAS MERKWÜRDIGE VERHALTEN
Quelle: „Deutsche Hörer!“ Stunde. Und darum gehören ihrem GESCHLECHTSREIFER GROSS-
Rundfunkansprache vom Gedächtnis Dank und Ehrfurcht. STÄDTER ZUR PAARUNGSZEIT
27. Juni 1943 bekannt. Für die Komödie erhielt er
Quelle: Grußwort des 1998 den Bayerischen Filmpreis als
Bundespräsidenten zur bester Nachwuchsregisseur. Seinen
Gedächtnisfeier am zweiten Kinofilm, die leichte Teen-
22. Februar 1953 agerkomödie HARTE JUNGS (2000),
sahen 1,7 Millionen Zuschauende.
SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN
TAGE (2004) ist sein erster Versuch,
einen historischen Stoff umzusetzen.
Bald, Detlef: Die Weiße Rose. Von der Monaco, James: Film verstehen. www.sophiescholl-derfilm.de
Front in den Widerstand, Berlin 2003 Kunst, Technik, Sprache, Geschichte Website zum Film
und Theorie des Films und der
Benz, Wolfgang/Pehle, Walter H. Medien, Reinbek 2000 www.bpb.de/sophiescholl
(Hrsg.): Lexikon des deutschen Umfangreiches Online-Dossier zur
Widerstandes, Frankfurt am Main Scholl, Inge: Die Weiße Rose, Geschichte der „Weißen Rose“,
1994 Frankfurt 1993 speziell zu Sophie Scholl, mit Auszü-
gen aus bisher unveröffentlichten
Breinersdorfer, Fred (Hrsg.): Sophie Schüler, Barbara: „Im Geiste der Ge- Vernehmungs- und Gerichtsproto-
Scholl – Die letzten Tage. mordeten...“ Die „Weiße Rose“ und kollen sowie Fotos und audiovisuellen
Frankfurt/Main 2005 ihre Wirkung in der Nachkriegszeit, Dokumenten.
Paderborn 2000
Bundeszentrale für politische Bildung: www.bpb.de/publikationen/T51O7L,2,0,
Deutscher Widerstand 1933-1945. Siefken, Hinrich: Die Weiße Rose. Jugend_und_Studentenopposition.html
Informationen zur politischen Bildung, Student Resistance to National #art2
Heft 243, Bonn 2004 Socialism 1942/1943. Website der Bundeszentrale für politi-
Forschungsergebnisse und Erfah- sche Bildung mit einem Ausschnitt
Bundeszentrale für politische Bildung: rungsberichte, Nottingham 1994 aus dem Heft „Deutscher Widerstand
Widerstand und Zivilcourage. Das 1933-1945“ mit Flugblättern der
Parlament, Themenausgabe Nr. Steffahn, Harald: Die Weiße Rose, Weißen Rose.
27/04, Bonn 2004 Reinbek bei Hamburg 1992
www.dhm.de/lemo/html/nazi/
Jahnke, Karl Heinz: Weiße Rose Steinbach, Peter/Tuchel, Johannes: widerstand/weisserose
contra Hakenkreuz. Studenten im Widerstand gegen die nationalsoziali- Eine Seite des Deutschen Historischen
Widerstand 1942/43, Rostock 2003 stische Diktatur 1933-1945. Bonn Museums in Berlin mit Textauszügen
2004 (Schriftenreihe Bd. 438 der aus allen sechs Flugblättern.
Jens, Inge (Hrsg.): Hans Scholl Bundeszentrale für politische Bildung)
und Sophie Scholl, Briefe und www.weisserose.info
Aufzeichnungen, Frankfurt 2003 Tuchel, Johannes: Neues von der Neue Website des Weiße Rose Institut
„Weißen Rose“? Kritische Überlegun- e.V., gegründet von Angehörigen
Kandorfer, Pierre: Lehrbuch der gen zu „Detlef Bald: Die Weiße Rose. der Mitglieder der Weißen Rose. Der
Filmgestaltung. Theoretisch-techni- Von der Front in den Widerstand“, Verein errichtet ein interdisziplinäres
sche Grundlagen der Filmkunde, POLHIST; 15, Berlin 2003 Forschungs-, Bildungs- und Doku-
Gau-Heppenheim 2003 6 mentationszentrum in München.
Van Roon, Ger: Widerstand im Dritten
Knoop-Graf, Anneliese/Jens, Reich, München 1998 www.weisse-rose-stiftung.de
Inge (Hrsg.): Willi Graf: Briefe und Website der Stiftung „Weiße Rose“,
Aufzeichnungen, Frankfurt 1994 Vinke, Hermann: Das kurze Leben der die Projekte für Schüler/innen anbietet.
Sophie Scholl, Ravensburg 1997
Moll, Christiane: Die Weiße Rose,
in: Peter Steinbach/Johannes Tuchel
(Hrsg.), Widerstand gegen den Natio-
nalsozialismus in der Erinnerung der
Deutschen, Paderborn 2000
Thema Widerstand
und Zivilcourage?
Eine Fülle weiterer Informationen und Materialien bietet
www.bpb.de, die Website der Bundeszentrale für politische
Bildung. Sie hält ein Online-Dossier zu Sophie Scholl
(www.bpb.de/sophiescholl) mit zahlreichen Erläuterungen,
Dokumenten und Fotos zur Geschichte der Weißen Rose
bereit. Online können auch die Publikationen „Widerstand
gegen die nationalsozialistische Diktatur 1933-1945“ und
„Geschichte des Dritten Reichs“ aus der Schriftenreihe sowie
das Heft „Deutscher Widerstand 1933-45“ der Informationen
zur politischen Bildung bestellt oder heruntergeladen werden.
Anlässlich des 60. Jahrestages des Attentats auf Hitler hat
zudem die politische Wochenzeitung Das Parlament im Juni
2004 eine Themenausgabe zu „Widerstand und Zivilcourage“
herausgegeben, die ebenfalls über die Website www.bpb.de
bezogen werden kann. Die Dokumentationen „Widerstand in
Deutschland“ und „Der 20. Juli vor dem Volksgerichtshof“ aus
dem AV-Medienkatalog sowie das Kurz-Video „Weiße Rose“
aus der Reihe Apropos werden von zahlreichen Landesme-
dienzentren und -bildstellen verliehen. Im Rahmen der Initiative
zur Förderung politischer Beteiligung „Projekt P – misch dich
ein“ informiert auch die Internetseite www.projekt-p.de über
das gegenwärtige politische Engagement Jugendlicher in
Deutschland und macht auf die Relevanz politischer
Jugendbeteiligung aufmerksam.