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filmheft

Sophie Scholl – Die letzten Tage


Marc Rothemund
Deutschland 2005
■ ■ Filmbildung

Medien prägen unsere Welt. Nicht selten schaffen sie ihr eigenes Universum –
schnell und pulsierend, mit der suggestiven Kraft der Bilder. Überall live und
direkt dabei zu sein ist für die junge Generation zum kommunikativen Ideal
geworden, das ein immer dichteres Geflecht neuer Techniken legitimiert und
zusehends erfolgreich macht.
Um in einer von den Medien bestimmten Gesellschaft bestehen zu können,
müssen Kinder und Jugendliche möglichst früh lernen, mit Inhalt und Ästhetik
der Medien umzugehen, sie zu verstehen, zu hinterfragen und kreativ umzuset-
zen. Filmbildung muss daher umfassend in deutsche Lehrpläne eingebunden
werden. Dazu ist ein Umdenken erforderlich, den Film endlich auch im öffent-
lichen Bewusstsein in vollem Umfang als Kulturgut anzuerkennen und nicht nur
als Unterhaltungsmedium.
Kommunikation und Information dürfen dabei nicht nur Mittel zum Zweck sein.
Medienbildung bedeutet auch, von den positiven Möglichkeiten des aktiven
und kreativen Umgangs mit Medien auszugehen. Medienkompetenz zu
vermitteln bedeutet für die pädagogische Praxis, Kinder und Jugendliche bei
der Mediennutzung zu unterstützen, ihnen bei der Verarbeitung von Medienein-
flüssen und der Analyse von Medienaussagen zu helfen und sie vielleicht sogar
zu eigener Medienaktivität und damit zur Mitgestaltung der Medienkultur zu
befähigen.
Die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb sieht die Medien nach wie vor
als Gegenstand kritischer Analyse an, weil Medienkompetenz in einer von
Medien dominierten Welt unverzichtbar ist. Darüber hinaus werden wir den
Kinofilm und die interaktive Kommunikation viel stärker als bisher in das Konzept
der politischen Bildung einbeziehen und an der Schnittstelle Kino und Schule
arbeiten: mit regelmäßig erscheinenden Filmheften wie dem vorliegenden, mit
Kinoseminaren, themenbezogenen Reihen, einer Beteiligung an bundesweiten
Schulfilmwochen, Mediatoren/innenfortbildungen und verschiedenen anderen
Projekten.

Thomas Krüger,
Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung

Impressum
Herausgeberin: Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, Fachbereich Multimedia & IT
Adenauerallee 86, 53113 Bonn, Tel. 01888 515-0, Fax 01888 515-113,
info@bpb.de, www.bpb.de
mit freundlicher Unterstützung von X Verleih
Autor: Philipp Bühler
Arbeitsblätter: Petra Anders, Kirsten Schulz
Redaktion: Katrin Willmann (verantwortlich), Claudia Hennen
Redaktionelle Mitarbeit: Holger Twele (auch Satz und Layout), Rüdiger Fleiter, Stefan Stiletto
Umschlag, Basislayout: Susann Unger
Druck: DruckVerlag Kettler, Bönen
Bildnachweis: X Verleih, Jürgen Olczyk
© Neuauflage, Oktober 2005
Inhalt

Sophie Scholl – Die letzten Tage

Deutschland 2004 4 Inhalt


Regie: Marc Rothemund
Drehbuch: Fred Breinersdorfer 5 Figuren
Kamera: Martin Langer
Schnitt: Hans Funck 6 Problemstellung
Musik: Reinhold Heil, Johnny Klimek
Darsteller/innen: Julia Jentsch (Sophie Scholl), Fabian Hinrichs (Hans Scholl), 10 Filmsprache
Alexander Held (Robert Mohr), Johanna Gastdorf (Else Gebel), André Hennicke
(Dr. Roland Freisler), Florian Stettner (Christoph Probst), Johannes Suhm
12 Exemplarische
(Alexander Schmorell), Maximilian Brückner (Willi Graf), Jörg Hube (Robert Sequenzanalyse
Scholl), Petra Kelling (Magdalena Scholl) u. a.
Produktion: Christoph Müller, Sven Burgemeister für Goldkind Film; 14 Fragen
Marc Rothemund, Fred Breinersdorfer für Broth Film
Kinoverleih: X Verleih AG 15 Arbeitsblatt
Länge: 116 Minuten
FBW: besonders wertvoll
16 Sequenzprotokoll
FSK: ab 12 Jahren 20 Materialien
Preise: Internationale Filmfestspiele Berlin 2005, Silberner Bär für die beste
Regieleistung, Silberner Bär für Julia Jentsch als beste Darstellerin 22 Literaturhinweise

Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE 3


■ ■ Inhalt

Februar 1943 in München: Die Wider-


standsgruppe „Die Weiße Rose“ druckt
in ihrem Versteck, einem Hinterhof-
atelier, Flugblätter gegen das Terror-
regime der Nationalsozialisten. Hans
Scholl überrascht seine Freunde mit
einem gefährlichen Plan: Am nächsten
Tag will er den Aufruf an der Münch-
ner Ludwig-Maximilian-Universität beiden die Todesstrafe. Der Verneh- Die Gespräche mit Mohr werden
verteilen. Als er und seine Schwester mungsbeamte Robert Mohr, Krimi- nicht nur zum nervenaufreibenden
Sophie am Morgen die Aula der Uni- nalobersekretär bei der Gestapo, ist Versteckspiel, sondern auch zum
versität betreten, ist der Lichthof men- mit allen Wassern gewaschen. Er philosophischen Schlagabtausch.
schenleer. Doch in wenigen Minuten, führt die Gespräche mit peinlicher Mit beeindruckender Schärfe benennt
um elf Uhr, werden die Studierenden Akribie, sieht aber von den bei der Sophie die Untaten des nationalso-
und Professoren aus den Vorlesungen Gestapo üblichen brutalen Methoden zialistischen Deutschland: politische
strömen. In aller Eile legen Hans und ab. Eine ganze Weile kann ihm So- Unterdrückung, Judenmord und
Sophie Scholl die Flugblätter aus. phie Paroli bieten. Geschickt weicht Euthanasie. Ihr Gewissen und der
Beim Verlassen des Gebäudes treffen sie seinen Fragen aus und gibt nur Glaube an Gott ließen ihr keine andere
die Geschwister eine fatale Entschei- zu, was nicht zu leugnen ist. Der Wahl als den Widerstand, beteuert
dung: Um nicht mit einem halbvollen Verhörspezialist lässt sich von der sie. Der kaltherzige Beamte ist plötz-
Koffer heimzukehren, wollen sie auch Unschuld der Geschwister überzeu- lich verunsichert und baut der mutigen
noch die letzten verbliebenen Blätter gen, denn die Ausreden beider sind jungen Frau eine „goldene Brücke“:
loswerden. Zurück auf der Empore, genau aufeinander abgestimmt. Sollte sie sich von ihrem Bruder ideo-
stößt Sophie übermütig einen ganzen Als Sophie in ihre Zelle geführt wird, logisch distanzieren, könnte sie dem
Stapel hinunter in den Lichthof. Die rechnet sie mit ihrer baldigen Tod doch noch entkommen. Doch
beiden wissen nicht, dass sie längst Freilassung. Sophie ist nun zu allem entschlossen
beobachtet werden. Der Gong, der und will ihre Überzeugungen bis zur
das Ende der Vorlesungen anzeigt, Doch ihre Hoffnungen schwinden letzten Konsequenz verteidigen. Wie
ertönt. Im Gewimmel der Studieren- mit einem Schlag. In der gemein- es wirklich in ihr aussieht, weiß nur
den werden sie vom Hausmeister samen Wohnung hat die Gestapo ihre Zellengenossin Else Gebel.
festgehalten. erdrückende Beweise gefunden. Nachts betet Sophie zu Gott und
Auch ihr Mitstreiter Christoph Probst weint sich in den Schlaf.
Die zermürbenden Verhöre im Wittels- ist nun schwer belastet. Als sie
bacher Palais, der Münchner Zentrale erfährt, dass Hans in seinem Verhör Der eilends angesetzte Schauprozess
der ■ Geheimen Staatspolizei (Gesta- alles auf sich genommen hat, ändert vor Roland Freislers Volksgerichtshof
po), dauern drei Tage. Der Inhalt der Sophie ihre Strategie. Sie legt ein ist eine Farce. Der gefürchtete Richter
Flugblätter ist hochbrisant: Die Stu- Geständnis ab, in dem sie sich und lässt die Angeklagten kaum zu Wort
dentenschaft wird darin aufgerufen, Hans zu alleinigen Tätern erklärt. Von kommen, eine Verteidigung besteht
Hitlers Herrschaft nach der vernich- nun an geht es nur noch darum, die nur zum Schein. Das Urteil steht ohne-
tenden militärischen Niederlage der anderen Mitglieder der Weißen Rose hin fest: Sophie, Hans und Christoph
deutschen Truppen in ■ Stalingrad nicht zu verraten. Dass sie damit ihr werden zum Tode verurteilt und noch
endlich entgegenzutreten. Für solchen Todesurteil unterschreibt, ist Sophie am gleichen Tag mit dem Fallbeil hin-
„Hochverrat“ in Kriegszeiten droht den bewusst. gerichtet.

4 Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE


■ ■ Figuren ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
Die Gestapo
wurde im April 1933 vom damaligen
preußischen Innenminister Hermann
Göring gegründet. Sie entwickelte sich
in kurzer Zeit zu einer eigenständigen,
aus den traditionellen Polizei- und
politischen und religiösen Menschen
Verwaltungsbehörden herausgelösten
erzogen. Früher war Robert Scholl „Gesinnungspolizei“. Ihre Aufgabe war
Bürgermeister im Schwäbischen. Weil die Bekämpfung von tatsächlichen
er Hitler „eine Gottesgeißel“ genannt oder vermeintlichen politischen Geg-
hat, war er gerade erst in Haft. Vor nern des NS-Regimes. Vor allem für
Gericht versuchen die beiden vergeb- Kommunisten/innen und Sozialde-
lich, sich Gehör zu verschaffen. mokraten/innen wurde die Gestapo-
Zentrale in der Berliner Prinz-Albrecht-
Straße bald zur Durchgangsstation in
Robert Mohr die Konzentrationslager. Die Effektivität
Der Gestapobeamte war früher bei der zahlenmäßig kleinen Gestapo
der Polizei. Dem Nationalsozialismus beruhte auf einem ausgedehnten
Sophie Scholl verdankt er seinen Aufstieg. Sophies Überwachungssystem aus Spitzeln
Die 21-Jährige ist erst spät zur Weißen Standfestigkeit beeindruckt auch ihn. und auf freiwilligem Denunziantentum.
Rose gestoßen. Als Schülerin war sie Darum baut er ihr eine „goldene
im „Bund Deutscher Mädel“ (BDM) Brücke“. – Robert Mohr verfasste Die Schlacht um Stalingrad
begann mit der deutschen Sommer-
aktiv und hat wie so viele Hoffnungen nach dem Krieg für Robert Scholl
offensive von 1942. Bis November
auf Hitler gesetzt. Nun aber geht die einen Bericht über die Verhöre. Als hatte die 6. Armee unter General
Studentin für ihre Überzeugungen bis Polizist durfte er nicht mehr arbeiten. Friedrich Paulus fast 90 Prozent der
zum Äußersten. Aus dem gefühlvollen Industriestadt (heute: Wolgograd)
Mädchen mit vielen Träumen wird ei- Else Gebel besetzt. Durch eine Großoffensive der
ne echte Kämpferin, die keine/n ihrer Sophies Zellengenossin ist neben Roten Armee wurde sie kurz darauf
Kameraden/innen verrät. – Sophie Mohr Sophies einzige Ansprechpart- eingeschlossen und in erbittertem
Häuserkampf besiegt. 150.000 deut-
Scholl wurde am 22. Februar 1943 nerin in den Tagen vor ihrer Hinrich-
sche Soldaten fielen, 90.000 gerieten
hingerichtet. tung. Mit ihr redet Sophie auch über in Kriegsgefangenschaft. Für die
ihre Träume und Ängste, hält sich Kriegsmoral der deutschen Bevölke-
Hans Scholl jedoch mit politischen Äußerungen rung bedeutete die Niederlage einen
Sophies drei Jahre älterer Bruder ist zurück. Die Kommunistin soll dafür ersten Wendepunkt.
Gründungsmitglied der Weißen Rose Sorge tragen, dass Sophie sich nicht
und Mitverfasser ihrer Flugblätter. umbringt. Die Hitler-Jugend (HJ)
Auch er war früher in der ■ Hitler-Ju- wurde 1926 auf dem 2. Reichspartei-
tag der NSDAP gegründet und 1933
gend. Als Soldat an der Ostfront hat Roland Freisler
nach der Machtübernahme von einer
der Medizinstudent die Gräuel des Der „Blutrichter“ mit der schnarren- Partei- zu einer Staatsjugend umge-
Zweiten Weltkriegs hautnah miterlebt den Stimme ist seit August 1942 wandelt. Seit 1939 war die Mitglied-
und weiß, dass der Krieg nicht zu Präsident des Volksgerichtshofs. schaft endgültig Pflicht, danach waren
gewinnen ist. Mit seiner sachgerech- Als verlängerter Arm des Terrors fühlt etwa 8,7 Mio. Jugendliche in den ver-
ten Kritik bringt er Freisler vor Gericht er sich keinem Gesetz, sondern nur schiedenen Verbänden organisiert.
gehörig in Rage. – Hans Scholl wurde Adolf Hitler verpflichtet. – Roland Das Deutsche Jungvolk (DJ) erfasste
die zehn- bis 14-jährigen Jungen
am 22. Februar 1943 hingerichtet. Freisler, der in seiner zweieinhalbjähri-
(„Pimpfe“), die eigentliche HJ die 14-
gen Amtszeit über 2000 Todesurteile bis 18-jährigen Jungen. In gleicher
Christoph Probst fällte, kam am 3. Februar 1945 bei Weise waren die zur HJ gehörenden
Der 23-jährige Mediziner hat sich bei einem Bombenangriff auf Berlin ums Mädchenverbände in Jungmädelbund
den Aktionen zuletzt zurückgehalten, Leben. (JM) und Bund Deutscher Mädel
um sich als Vater von drei Kindern (BDM) gegliedert. Nach dem Prinzip
„Jugend wird von Jugend geführt“
nicht in Gefahr zu bringen. Ein von ihm Jakob Schmied
war die uniformiert auftretende HJ
verfasster Flugblattentwurf, den Hans Ohne Denunzianten wie ihn würde streng militärisch organisiert. Feierliche
bei seiner Verhaftung unvorsichtiger- das NS-System nicht funktionieren. Aufzüge, Ausflüge und „Geländespiele“
weise dabei hat, überführt auch ihn. Der Hausmeister der Münchner Uni machten sie für viele Jugendliche
Mit Zustimmung der Geschwister zeigt die Geschwister Scholl gegen- attraktiv. Vermittelt wurde dabei die
Scholl bestreitet er bis zuletzt die akti- über der Polizei an. – Jakob Schmied NS-Ideologie mit ihrem Wertesystem
ve Mitarbeit. – Christoph Probst wurde wurde nach dem Krieg von den von Kameradschaft, Pflichterfüllung
und Willensstärke. Später diente die
am 22. Februar 1943 hingerichtet. Amerikanern zu fünf Jahren Arbeits-
HJ vor allem der Rekrutierung von
lager verurteilt. In einem nicht bear- Soldaten.
Robert und Magdalena Scholl beiteten Gnadengesuch gab er an,
Die Eltern haben Hans und Sophie zu nur seine Pflicht getan zu haben.

Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE 5


■ ■ Problemstellung

Neben dem militärischen Widerstand Inhalte und Ziele ihres Widerstands,


des 20. Juli 1944 hat keine andere aber auch das positive Lebensgefühl
Widerstandsgruppe in der Nachkriegs- innerhalb eines Freundeskreises wer-
zeit der Bundesrepublik Deutschland den annähernd faktengetreu wiederge-
so viel Beachtung und Bewunderung geben. SOPHIE SCHOLL – DIE LETZ-
gefunden wie die Weiße Rose. Inner- TEN TAGE, weit gehend ein Kammer-
halb dieser Gruppe entwickelte das spiel, wirkt demgegenüber abstrakter
Schicksal von Sophie Scholl gerade und dennoch bewegend. Rothemund
für Jugendliche seit jeher besondere kann für sich beanspruchen, seine
Anziehungskraft. Sie war keineswegs historische Hauptfigur (ergreifend dar-
das wichtigste Mitglied. Doch gerade gestellt von Julia Jentsch) noch ein-
ihre Eigenständigkeit im Denken und fühlsamer zu beschreiben. Weiterhin
Handeln, die sich schon in jungen ist es gerade auch für den Unterricht sie zunächst jede Beteiligung an den
Jahren belegen lässt, war Grund für interessant, dass hier die Funktions- Flugblattaktionen ab. Als sie Mohr mit
besondere Anerkennung. Ihre im weise des Polizei- und Justizapparats unwiderleglichen Beweisen konfron-
Nachlass erhaltenen Tagebucheinträge im NS-Staat auf detaillierte Weise ver- tiert, ändert sie scheinbar kühl ihre
und Briefe, ihr Verhalten während der anschaulicht wird. Für den emotionalen Strategie: Sie und ihr Bruder seien die
Haft sowie spätere Filme und Publi- Gehalt sorgen die aus historischen alleinigen „Täter“. Von nun an ist sie
kationen zeichneten nachfolgenden Quellen (Verhör- oder Gerichtsproto- nur noch darum bemüht, die anderen
Generationen das Bild einer außerge- kolle, Zeitzeugenberichte) rekonstruier- Mitglieder der Weißen Rose um kei-
wöhnlichen Persönlichkeit. Selbstver- ten Dialoge und Gesten. In prägnante nen Preis ans Messer zu liefern.
ständlich war auch ihr Status als Bilder gefasst, regen sie in ihrer Dafür, aber auch für ihre Ideale, ist sie
jüngstes Mitglied und einzige Frau im menschlichen Wärme und moralischen bereit, in den Tod zu gehen. Ihre uner-
engeren Kreis der Gruppe von ent- Wucht noch heute zur Identifikation an. schrockene Art beeindruckt Mohr der-
scheidender Bedeutung. In SOPHIE art, dass er ihr eine „goldene Brücke“
SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE be- „Es gibt kein Zurück“ – baut. Wohlgemerkt verlangt er nun
schränkt sich Regisseur Marc Rothe- Sophie im Verhör nicht mehr den Verrat an den Freun-
mund ganz auf ihre Person und die den. Als rein taktische Maßnahme
unmittelbar auf ihre Festnahme am Der Film beginnt mit einem Bild jugend- empfiehlt er Sophie, sich ideologisch
18. Februar 1943 folgende Inhaftie- lichen Überschwangs. Über ein Radio zu distanzieren, ihre Mitwirkung in der
rung. Anlass bot der seit der deut- gelehnt, lauschen Sophie und ihre Bewegung als „Fehler“ zu bekennen
schen Wiedervereinigung erleichterte Freundin Gisela in ausgelassener und so zumindest ihren Kopf zu ret-
Zugang zu Dokumenten aus den Stimmung verbotener Swing-Musik. So ten. Mohr weiß, dass er keine Haupt-
Beständen des Ministeriums für zeigt sich hier bereits ein Hang zum täterin vor sich hat. Die Gründe,
Staatssicherheit der früheren DDR Leichtsinn, der an jenem 18. Februar warum es für sie „kein Zurück“ gibt,
und des Zentralen Parteiarchivs der fatale Konsequenzen für die Wider- entziehen sich jedoch der Vorstel-
SED. Insbesondere die langen Verhöre standsgruppe haben sollte. Bei ihrer lungskraft des Beamten. Sie liegen
durch den Gestapobeamten Robert Flugblattaktion an der Münchner Uni ausschließlich in ihrem Gewissen
Mohr konnten anhand der Verneh- verschätzen sich Hans und Sophie in und dem Wissen um die moralische
mungsprotokolle eindrucksvoll rekon- der ihnen tatsächlich verbleibenden Notwendigkeit des Widerstands. Wie
struiert werden. Das gleiche gilt für Zeit. So werden sie vom Hausmeister, konsequent Sophie Gefühle und Ge-
den Prozess vor Roland Freislers so dem Prototyp eines Denunzianten, wissen zu trennen versteht, zeigen
genanntem ■ Volksgerichtshof. bereits beobachtet und kurz darauf ihre Gespräche mit der Zellengenossin
festgenommen. Sophies Schwester Else Gebel (nach ihrem Bericht drehte
Um Vor- und Nachteile von Rothe- Inge schrieb später dazu: „Zwei Augen Percy Adlon 1982 den Film FÜNF
munds Vorgehen abzuwägen, lohnt ein hatten sich vom Herzen ihres Besitzers LETZTE TAGE, der in seinem drama-
Vergleich mit einer früheren Verfilmung. gelöst und waren zu automatischen turgischen Aufbau dem Rothemunds
Michael Verhoevens DIE WEISSE Linsen der Diktatur geworden.“ In den ähnelt). Hier wird eine andere Sophie
ROSE (1982) bemüht sich um ein voll- folgenden Verhören mit Mohr muss sichtbar, der die Angst vor dem Tod
ständigeres Bild der Gruppe. Wichtige Sophie, getrennt von Hans und ganz keineswegs fremd ist. In vielem unter-
Namen und Ereignisse, die Rothe- auf sich allein gestellt, alle Kräfte und scheidet sie sich nicht von anderen
mund nur am Rande erwähnt, werden Sinne zusammennehmen. In direkter Frauen ihres Alters zu jener Zeit: Sie
hier stärker in den Vordergrund ge- Konfrontation mit einer Diktatur sind sehnt sich nach der Geborgenheit
rückt. Die inneren Diskussionen über keine Schwächen erlaubt. So streitet ihres Elternhauses, ihrem Verlobten

6 Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE


■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■

Fritz und nach dem Frieden. Ihr christ- erinnert sich vielmehr an die unbe- Der Volksgerichtshof
licher Glaube ist ihr darin eine wichtige schwerten Momente jenes Sommers war ein rein politisches Gericht zur
Stütze. 1942, bevor ihr Bruder und Fritz an Ausschaltung der NS-Gegner. Neben
vermeintlichem Hoch- und Landesver-
die Ostfront verschickt wurden und
rat war er auch für die Aburteilung von
„Gott, Gewissen, Mitgefühl“ – ihr Vater wegen Verstoßes gegen „Feindbegünstigung“, Spionage und
Sophies Welt das „Heimtücke“-Gesetz für mehrere so genannter Wehrkraftzersetzung zu-
Monate in Haft kam. In den Gesprä- ständig. Das Gericht urteilte auf der
Sophies Standfestigkeit ist nur zu er- chen mit Mohr, die zeitweilig die Grundlage von NS-Sonderbestim-
klären durch einen Einblick in ihre Bahnen eines gewöhnlichen Verhörs mungen, die das traditionelle Recht
verletzten: Das Kriegssonderstrafrecht
Gedankenwelt, wie sie der Film bietet. verlassen, gibt sie ihren Überzeugun-
(1938) stellte jegliche Kritik am NS-
Von ihren Eltern wurden die Geschwis- gen nachhaltig Ausdruck. Begriffe wie Regime unter Strafe, selbst kleinste
ter Scholl nach den Idealen religiöser „Freiheit“ und „Ehre“, in Sophies Augen Vergehen wurden mit der Todesstrafe
Sittlichkeit und politischer Freiheit erzo- von den Nationalsozialisten miss- geahndet. Die Urteile des Volksge-
gen. Wie sehr sie diese Ideale durch braucht, werden von beiden völlig richtshofs konnten nicht angefochten
den Nationalsozialismus verletzt sahen, gegensätzlich interpretiert. Sophie werden, die Verteidiger mussten vom
zeigen die „Flugblätter der Weißen besteht auf dem „freien Wort“, nach Richter genehmigt werden. Roland
Freisler machte den Volksgerichtshof
Rose“, die von Hans maßgeblich mit- heutigem Verständnis ein Menschen-
ab 1942 endgültig zu einem reinen
verfasst wurden. recht; Mohr hat eine rein nationale Terrorinstrument des NS-Regimes:
Zu ihrem älteren Bruder hat die 21- Perspektive: „Nie wieder Besatzung Fast die Hälfte aller Urteile waren seit-
Jährige ein inniges Verhältnis. Mit ihm auf deutschem Boden“. Seinem dem Todesurteile, die oft schon kurz
teilt sie die anfängliche Sympathie für Beharren auf dem „Gesetz“, das die nach der Urteilsverkündung vollstreckt
Hitler. Wegen seiner Aktivitäten in der Gesellschaft vor Chaos schütze, wurden. Abgeurteilt wurden hier auch
■ „Bündischen Jugend“ kamen Sophie begegnet sie mit dem „menschlichen die Mitglieder der Roten Kapelle, der
Weißen Rose, des Kreisauer Kreises
und ihre Geschwister schon 1937 in Gewissen“, das im Gegensatz zum
und die Attentäter des 20. Juli 1944.
Sippenhaft, was sie in ihrer Hinwen- Gesetz keinen Veränderungen unterlie-
dung zu Humanität und Christentum ge. Gegen Sophies Glauben verstoßen Die Bündische Jugend
bestärkt hat. Hans’ Erlebnisse als Sol- insbesondere das Vorgehen gegen die ist ein Sammelbegriff für verschiedene
dat an der Ostfront im Sommer 1942 Juden und die Euthanasie, also die politisch unabhängige Jugendbünde,
haben sie wie alle anderen Mitglieder vom NS-Regime vorgenommene Ver- die sich 1926 zum „Bund der Wander-
der Gruppe davon überzeugt, dass der nichtung der als „minderwertig“ oder vögel und Pfadfinder“ zusammen-
schlossen. Allen gemeinsam war ein
menschenverachtende Krieg beendet gar „unwert“ angesehenen Menschen.
naturverbundener Romantizismus und
werden muss. Im Film zitiert sie Hans Die Entscheidung über den Wert eines die Suche nach einem selbstbestimm-
mit dessen Losung „Ein harter Geist, Lebens liegt für sie nicht beim Men- ten Leben. Auf langen Fahrten ins Grü-
ein weiches Herz“. Sophie hat diesen schen, sondern ausschließlich bei Gott. ne lasen die etwa 50.000 organisierten
Gedanken allerdings konsequenter zu Da all ihre Mitstreiter/innen diese An- Mitglieder aus teilweise verbotenen
Ende gedacht als alle anderen. Über sichten teilen, fühlt sie sich mit ihnen Büchern und spielten auch amerikani-
Fragen wie Sabotage und die Unaus- durch ein unsichtbares Band verbun- sche Country-Musik. 1933 wurden
sämtliche „bündischen Umtriebe“ ver-
weichlichkeit einer Niederlage hatte sie den. Es ist also nicht allein die Angst
boten. Innerhalb des „Jungvolks“ der
mit ihrem an der Ostfront stationierten um Freunde und Bekannte, die ihr in HJ führten sie aber weiterhin ein
Verlobten Fritz Hartnagel oft heftigen ihrer Situation Stärke gibt. Angesichts Eigenleben.
Streit. Im Film erwähnt sie dies gegen- der Schreckensherrschaft ist für sie
über Else Gebel nur am Rande und Widerstand Pflicht – bis zuletzt.

Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE 7


■ ■ Problemstellung

„Schlag auf Schlag“ – In den gewissen Bevölkerung auf fruchtbaren weise gemäßigten Verhörpraxis sollte
Mühlen der NS-Justiz Boden. Nur so ist die Aufgeregtheit zu man sich nicht täuschen lassen.
erklären, mit der Polizei und Justiz auf Mohrs Selbstzweifel können seiner
Am selben Tag, als die Geschwister die Aktivitäten der Weißen Rose rea- „Weltanschauung“ nichts anhaben.
Scholl verhaftet wurden, hielt Propa- gierten. Schon im Vorfeld der Verhaf- Mit seiner akribischen Beweisführung
gandaminister Joseph Goebbels im tung wurde der Urheberschaft der Flug- ist er genauso ein Vollstrecker des
Berliner Sportpalast seine berüchtigte blätter und illegaler Graffiti wie „Nieder Machtapparats wie Roland Freisler.
Rede vom ■ „totalen Krieg“. Im Film mit Hitler!“ intensiv nachgegangen. Lei- Im Fall des berüchtigten „Blutrichters“
ist sie bei Sophies Einlieferung ins ter der Untersuchungen war der ehe- allerdings wäre jede Differenzierung
Gefängnis über einen Volksempfänger malige Kriminalbeamte Robert Mohr, unangebracht. Als Präsident des Volks-
im Raum zu hören. Der Zusammen- mit 26 Jahren Diensterfahrung einer gerichtshofs seit August 1942 reprä-
hang wurde keineswegs zufällig ge- der gewieftesten Köpfe der Gestapo. sentiert dieser die furchtbarste Seite
wählt. Das Flugblatt und die Rede der NS-Herrschaft: die gnadenlose
bezogen sich auf dasselbe Ereignis. Im Film ist Mohr ein kühler Beamter Vernichtung des politischen Gegners.
Wenige Tage zuvor, am 3. Februar und Parteigänger des Nationalsozia- Das von Mohr und Sophie eindringlich
1943, hatte das Oberkommando der lismus. In den Verhören spielt er be- diskutierte Verhältnis von Gesetz und
Wehrmacht die endgültige Niederlage rechnend seine Autorität aus, Vorwür- Gewissen hat für ihn keine Bedeutung.
im Kampf um Stalingrad gemeldet. fe wie ■ Judenvernichtung und ■ Eu- In seinem Gewissen ausschließlich
Während der Minister seine Anhänger thanasie kontert er mit der bekannten Adolf Hitler verpflichtet, tritt Freisler
zum letzten Aufbäumen einschwor, NS-Rhetorik. Gleichwohl bringt ihn So- selbst das im NS-Staat geltende
forderte das Flugblatt den „Tag der phies klare Argumentation zeitweise in Recht mit Füßen. Die Todesstrafe
Abrechnung“. In dieser Phase des die Defensive. In der Diskussion über steht von vornherein fest, Entlastungs-
Krieges erfüllte ein solcher Aufruf zum den Russlandfeldzug zeigt er schließlich zeugen gibt es ebensowenig wie eine
Widerstand nicht nur den Tatbestand sogar Gefühle: Auch sein Sohn steht ordnungsgemäße Verteidigung. Die
von „Hochverrat“ und „Wehrkraftzer- als Soldat an der ■ Ostfront. Doch Angeklagten werden im Gerichtssaal
setzung“. Er fiel bei der zuvor sieges- davon und auch vor seiner vergleichs- geradezu niedergebrüllt und mit infa-

8 Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE


■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
Der „totale Krieg“ Die Ostfront
wurde am 18. Februar 1943 von verlief auf einer Länge von 1.600
Reichspropagandaminister Joseph Kilometern zunächst von der Ostsee
Goebbels öffentlich ausgerufen. Unter bis zum Schwarzen Meer. Nach dem
dem unmittelbaren Eindruck der Nie- Überfall auf die Sowjetunion 1941
derlage von Stalingrad forderte er standen gewaltige Raumgewinne riesi-
in einer fanatischen, aber von den gen Verlusten gegenüber. Zeitweise
Anwesenden bejubelten Rede im reichte die Ostfront bis kurz vor
Berliner Sportpalast zum Durchhalten Moskau. In den durch die Wehrmacht
men Verleumdungen überzogen („Voll- auf. Resultat war die totale Mobilisie- eroberten Gebieten ermordeten deut-
idioten, Dummköpfe, Schmarotzer“). rung sämtlicher personeller und mate- sche Einsatzgruppen Juden, Kommu-
Vor diesem eiskalten „Gesinnungs- rieller Ressourcen für den angestreb- nisten sowie Sinti und Roma. Mit dem
täter“ hat auch der an den Aktionen ten „Endsieg“. Alle waffenfähigen Vorrücken der Roten Armee wurde der
Männer zwischen 16 und 65 (ab Frontverlauf immer weiter zurückge-
kaum beteiligte und um Begnadigung
Herbst 1944 der so genannte Volks- drängt. 1945 verlief die Ostfront ent-
bittende Christoph Probst keine sturm) sowie Frauen zwischen 17 und lang der Außenbezirke von Berlin.
Chance. 45 Jahren wurden fortan zur Reichs-
verteidigung herangezogen. Im Som- Der Völkermord an den Juden
„Ich würde alles genau so mer 1944 wurden alle kriegsunwichti- begann mit dem deutschen Überfall
wieder machen“ – Das Erbe gen Betriebe geschlossen und große auf Polen im Herbst 1939. Hinter den
Teile der Bevölkerung zur Arbeit in der Linien der Wehrmacht ermordeten ei-
der Sophie Scholl
Rüstungsindustrie verpflichtet. gens dafür zusammengestellte Son-
dereinheiten – so genannte Einsatz-
Wie „effektiv“ der Widerstand der Euthanasie gruppen – polnische Zivilisten und
Weißen Rose war, wie viele Menschen bezeichnet den Mord an Menschen, Juden. Der Angriff auf die Sowjetunion
er erreicht hat, wird sich letztlich nie deren Leben nach der NS-Ideologie 1941 wurde von der Wehrmacht als
belegen lassen. Für Christoph Probst als „nicht lebenswert“ galt. Der Begriff Vernichtungsfeldzug gegen Juden und
steht im Film jedoch fest: „Es war bedeutet ursprünglich „schöner Tod“. Kommunisten konzipiert. Außerhalb
nicht vergebens.“ Über den Hambur- Aus rassenhygienischen Erwägungen, von Kampfhandlungen ermordeten die
die Teil der NS-Lehre waren, brachte Einsatzgruppen, teilweise unter Betei-
ger Zweig gelangte das letzte Flugblatt
das Regime im Rahmen der „Aktion ligung der Wehrmacht, systematisch
ins Ausland, 1943 warf die englische T 4“ 70.000 unheilbar Kranke und Be- die jüdische Bevölkerung. Hundert-
Luftwaffe hunderttausende vervielfäl- hinderte um, zumeist durch Gas oder tausende von Juden deportierte das
tigte Exemplare über Deutschland ab. Gift. Hierzu war die Mitarbeit von Ärz- NS-Regime aus Westeuropa in Lager
Schriftsteller wie Thomas Mann und ten und Pflegepersonal nötig. Nach in den besetzten Gebieten im Osten.
Politiker wie Winston Churchill oder Protesten aus der Bevölkerung, unter Schließlich baute es eigene Vernich-
Theodor Heuss sahen die Studieren- anderem einer Predigt des Bischofs tungslager (zum Beispiel in Auschwitz),
von Münster 1941, schränkte das NS- in denen es Juden massenhaft vergas-
den als Vertreter eines „besseren,
Regime die „Euthanasie“ ein, da es te. Insgesamt kostete der antisemiti-
anderen Deutschlands“, das sich den Rückhalt in der Bevölkerung nicht sche Rassenwahn etwa sechs Millio-
eben doch nicht gänzlich dem Natio- gefährden wollte. Weitere Mordaktio- nen Juden das Leben.
nalsozialismus unterworfen hatte – so nen liefen insgeheim weiter.
klein ihre Zahl auch war. Die wahre
Geschichte zeigt ebenso wie der Film,
dass sich Sophie und die anderen
dieser symbolischen Bedeutung ihres
Handelns bewusst waren. Deutlich
wird dies in zahlreichen Originalzitaten,
die der Drehbuchautor Fred Breiners-
dorfer Briefen, Tagebüchern, Zeitzeu-
genberichten und den Texten der
Flugblätter entnahm und in die Dialoge
einarbeitete („So viele fallen im Kampf
für dieses Regime, da müssen auch
welche dagegen fallen“, „Sollen wir
denn auf ewig das von aller Welt
gehasste und ausgestoßene Volk
sein?“). Ihr unerschrockener Mut und
auch diese Weitsicht machen Sophie
Scholl zu einer der wohl faszinierends-
ten Persönlichkeiten der deutschen
Geschichte. Ihr Kampf für Frieden und
Freiheit hat seitdem viele Menschen
inspiriert.

Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE 9


■ ■ Filmsprache

Über weite Strecken ein Kammer-


spiel, vereint SOPHIE SCHOLL – DIE
LETZTEN TAGE Elemente von Film-
biografie, Kriminalthriller und Gerichts-
film. Nach einem kurzen Blick in So-
phies Privatleben steigert sich die
Spannung sehr schnell. Ein erster
Höhepunkt ist die Flugblattaktion an
der Universität mit der anschließen-
den Verhaftung. Danach beschränkt
sich die linear erzählte Handlung aus-
schließlich auf Innenräume. Die Folge In den Verhören ist Sophies Körper- SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN
ist eine Atmosphäre der Beklem- sprache bemerkenswert: Während ihr TAGE fast minimalistisch aus, bei
mung, die Sophies emotionalen Oberkörper regungslos bleibt, strei- den Kostümen überwiegen gedeckte
Zustand reflektiert und bis zum dra- chen ihre Hände unterhalb der Tisch- Farben, auffällige Zeitbezüge wurden
matischen Schluss anhält. Für die kante – unsichtbar – nervös über die vermieden. Die Ludwigstraße vor der
Authentizität als Geschichtsfilm bür- Knie. Sophies Glauben an die Freiheit erhalten gebliebenen Münchner
gen unterschiedlichste historische und das Glück im Jenseits vermittelt Universität musste lediglich für ein
Quellen wie Zeitzeugenberichte, dagegen das durchgängige Motiv von paar Stunden abgesperrt werden.
Polizeiprotokolle und Gerichtsurteile. Fenstern und das durch sie einfallen- Der Schauprozess wurde in einem
Auf geschickte, nur selten manipulie- de Tageslicht, welches mit dem trü- Saal des Rathauses gedreht, die
rende Weise bilden sie die Grundlage ben elektrischen Licht in Zelle und Atmosphäre, insbesondere Erschei-
für die den Film bestimmenden Dia- Verhörzimmer kontrastiert. Ob in der nung und Sprachduktus Roland
loge. So wurden zum Beispiel auch Zelle oder im Lichthof des Justizge- Freislers, wurden jedoch mittels der
einzelne Textpassagen aus den bäudes kurz vor der Hinrichtung: Filmaufnahmen vom Prozess gegen
Flugblättern der Weißen Rose den Stets geht ihr mal bitterer, mal hoff- die Männer des 20. Juli detailgetreu
Darstellern/innen in den Mund gelegt. nungsvoller Blick nach draußen. Ihre rekonstruiert. Die übrigen Innenräu-
Diese tragen durch äußerst diszipli- letzten Worte lauten: „Die Sonne me, insbesondere Verhörzimmer und
nierte Schauspielleistungen wesent- scheint noch.“ Zellen, wurden zwar eigens auf dem
lich zum Gelingen des Films bei. Ihr Gelände der Bavaria-Filmstudios auf-
Spiel ist deutlich zurückgenommen. Ausstattung gebaut. Doch die kahlen Wände und
Denn Täter wie Opfer agieren in einer spärlichen Einrichtungen lenken zu
Zeit, in der offen gelegte Emotionen In einem Geschichtsfilm muss die keiner Zeit von den Darstellern/innen
den Tod bedeuten können. Beson- behandelte Zeit oft erst aufwändig ab. Sie erzeugen einen gewollt trost-
ders gilt dies für die Hauptfigur So- rekonstruiert werden, da die einstigen losen Eindruck.
phie Scholl. Wie sie unter ungeheu- Schauplätze nicht mehr existieren
rem psychischem Druck die Selbst- oder sich stark verändert haben. Kamera und Schnitt
kontrolle bewahrt, ist eigentliches Gerade in Filmen über den National-
Thema des Films. Nur in wenigen sozialismus stellen Hakenkreuzflag- Die Verhöre von Sophie, Herzstück
Situationen gestattet sie sich den gen, Naziuniformen sowie Kostüme des Films, werden in der geläufigen
Ausbruch von Gefühlen. Wenn sie und Frisuren im Stil der 1940er-Jahre ■ Schuss-Gegenschuss-Technik
allein ist, kanalisiert sie Angst und oft den eigentlichen Schauwert dar. abgebildet. Hier hat die von Martin
Wut in Weinen und lautem Brüllen. Dagegen fällt die Ausstattung in Langer geführte Kamera nur wenig

10 Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE


■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
Kameraperspektiven
Die übliche Kameraperspektive ist die
Normalsicht. Sie fängt das Gesche-
hen in Augenhöhe der Handlungsfi-
guren ein und versucht, unsere ‘nor-
male’ perspektivische Wahrnehmung
abzubilden. Aus der Untersicht/
Froschperspektive aufgenommene
Objekte und Personen können mächtig
und bedrohlich wirken, während die
Aufsicht/Obersicht/Vogelperspek-
tive Personen als klein, hilflos oder ein-
sam inszenieren kann. Die Schräg-
sicht/gekippte Kamera evoziert einen
irrealen Eindruck und wird häufig in
Horrorfilmen eingesetzt.

Schuss-Gegenschuss-Technik
Spielraum. Sie bleibt meist auf mitt- Musik und Ton bezeichnet eine Sequenz von Einstel-
lerer Distanz, ■ Großaufnahmen von lungen, in denen die Darsteller/innen
Gesichtern sind den Szenen von Der Film beginnt mit Swingmusik insbesondere während eines Dialogs
Prozess und Hinrichtung vorbehalten. („Sugar“ von Billie Holliday ) aus dem abwechselnd gezeigt werden. Dabei
bewegt sich die Kamera auf nur einer
Nicht die Kamera, sondern das Spiel Radio, deren Melodie und Text die
Blickachse.
der Darsteller/innen soll die Identifika- Akteurinnen nachzusingen versu-
tion mit ihnen ermöglichen. ■ Auf- chen. Durch die ■ Realmusik wird Subjektive Kamera
und Untersichten kommen nur be- eine glaubwürdige und zugleich per- auch: Point of view shot. Die Kamera
grenzt zum Einsatz. So etwa bei der sönliche Atmosphäre geschaffen, in nimmt die Position einer Figur ein. Das
ersten Vernehmung der Geschwister welcher Sophie Scholl als vergnügte Bild zeigt also, was die Person selbst
durch Mohr, der aus Sicht der sitzen- junge Frau erscheint. Danach wird sieht. Die Wirkung ist besonders sug-
den Sophie bedrohlich wirkt. In den Musik nur sehr sparsam, aber dra- gestiv.
Verhören allerdings begegnen sich maturgisch höchst effektiv eingesetzt.
Steadycam
Mohr und Sophie auf Augenhöhe. Ein dramatischer Streichersatz be-
am Körper des Kameramanns/der
Eine Ausnahme vom ruhigen Schnitt- gleitet in der Anfangssequenz den Kamerafrau befestigtes Tragstativ mit
rhythmus des Films bildet die span- Druck eines Flugblattes. Die anschlie- Federungssystem, das auch bei
nungsgeladene Flugblattaktion, die ßende Flugblattaktion und später die schnellen Bewegungen eine ruhige
zur Verhaftung von Hans und Sophie Fahrt zum Prozess sind mit Drum Bildführung ermöglicht.
führt. Hier wird auch die äußerst Beats unterlegt. Hierbei handelt es
bewegliche ■ Steadycam verwendet. sich um einen bewussten Anachro- Musik
Sie vermag dem Weg der Geschwis- nismus, der auch einem jüngeren Das Filmerlebnis wird zu einem gehöri-
gen Teil von der Filmmusik beeinflusst.
ter über Treppen und Emporen zu fol- Publikum mit anderen Hörgewohn-
Sie kann Stimmungen begleiten (Illus-
gen und fängt die hastige Aktion aus heiten die Dynamik der Situation ver- tration), in eine bestimmte Richtung
unterschiedlichsten Perspektiven mitteln soll und eine stärkere Identi- lenken (Polarisierung) oder im krassen
dynamisch ein. Die Scholls werden fikation mit dem Geschehen in der Gegensatz zu den Bildern stehen
dabei in schnellen Schnittwechseln Gegenwart ermöglicht – schließlich (Kontrapunkt). Eine extreme Form der
sowohl von hinten als auch von vorn hat die Bedeutung des Widerstands Illustration ist die Pointierung (auch:
Mickeymousing), die nur kurze Mo-
gezeigt. Außerdem findet ein ständi- bis heute nicht an Aktualität einge-
mente der Handlung mit passenden
ger Wechsel von Auf- und Untersich- büßt. Spannung wird auch auf der musikalischen Signalen unterlegt. Bei
ten statt. Ersteres vermittelt jeweils Tonebene erzeugt: Die Schritte der Szenenwechseln, Ellipsen, Parallel-
ein bedrohliches Gefühl des Beob- Geschwister hallen durch den leeren montagen oder Montagesequenzen
achtetwerdens. Letzteres zeigt die Lichthof, aus einem Saal sind ge- fungiert die Musik als akustische
Geschwister als Handelnde. Zur dämpft Passagen aus einer staats- Klammer, in dem sie die Übergänge
Verdeutlichung des Fenstermotivs, theoretischen Vorlesung, vermutlich als zusammengehörig definiert.
das für Sophies nie ausgesprochene von Prof. Kurt Huber, zu hören.
Realmusik
Hoffnung steht, kommt gelegentlich Später werden besonders emotio-
im Rahmen der Handlung eingespielte
die ■ subjektive Kamera zum Einsatz. nale, auch religiöse Momente wie Musik, also z. B. Musik aus dem Radio
In der Prozesssequenz ist bemer- Sophies Gebete, von einfachen oder bei einer Tanzveranstaltung. Weil
kenswert, dass hier wie schon in den Klaviermelodien und Chormusik die Figuren sie selbst wahrnehmen,
Verhören auf Auf- und Untersichten untermalt. wirkt sie authentischer als die Film-
verzichtet wird, Freisler also nicht komposition.
übermäßig dämonisiert wird.

Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE 11


■ ■ Exemplarische Sequenzanalyse

In der fünften Sequenz vollzieht sich Sophie, wie auch der uninformierte abgebildet. Die Bildausschnitte zeigen
in quälender Länge ein wichtiger Stim- Teil des Publikums, auf einen guten nur die jeweilige Person von Tisch-
mungsumschwung. Hier zerschlägt Ausgang der Geschichte. Die Auf- höhe aufwärts, meist mit dem Hinter-
sich Sophies Hoffnung auf baldige merksamkeit gilt vor allem Else, die kopf des Gesprächspartners im Vor-
Freilassung, die ihr der Ermittler Mohr viele Fragen stellt und auch ein dergrund – so wird eine beengende
in der vorigen Sequenz in Aussicht Spitzel sein könnte. Kurz darauf wird Atmosphäre aufgebaut. Mohr stellt
gestellt hat. Angekündigt durch das Sophie erneut nach oben gebracht. Fragen zu den politischen Ansichten
den Film beherrschende Fenstermotiv Der Beamte Locher soll ihr einen von Sophies Vater, ihrer Zeit beim
und einen markanten Positionswechsel Entlassungsschein ausstellen. Sie BDM und ihrem Verlobten Fritz. Dann
der Kamera, wendet sich Sophies ist nur noch Sekunden von ihrer konfrontiert er sie mit Beweisstücken,
Schicksal nach und nach ins Unver- Freilassung entfernt. Sie blickt die dem Publikum aus einer vorigen
meidliche. Sie muss dem Tod ins Au- lächelnd auf ein Fenster, hinter dem Sequenz bereits bekannt sind: Pistole,
ge blicken und ihre Strategie ändern. sie die Freiheit wähnt. In Wahrheit Munition und Briefmarken stammen
Schauplatz der Sequenz ist zunächst befindet sich hinter den Gittern nur aus Hans’ Schublade. Wegen der
der Gefängnistrakt des Wittelsbacher noch eine weitere Mauer – eine Me- Briefmarken gerät Mohr in Rage. Er
Palais’, dann das graue Verhörzimmer, tapher für den weiteren Verlauf der verliest Auszüge aus einem Flugblatt.
das die Zuschauenden schon kennen. Handlung. In diesem Moment klingelt Es wurde auf der Schreibmaschine
Sie schließt mit einem bewegenden Akt das Telefon. der Scholls geschrieben. Bei dieser
der Selbsterkenntnis und Sophies Ge- Erklärung springt Mohr wütend auf,
ständnis nach zermürbendem Verhör. Sophie wird erneut in Mohrs Verhör- während die Kamera einen Positions-
zimmer gebracht. Es ist abgedunkelt, wechsel um 90 Grad unternimmt.
Sophie wird in ihre Zelle aufgenommen. das Zeitgefühl geht immer mehr verlo- Sie zeigt nun beide von der Seite,
Die Registrierung erledigt die Mitgefan- ren. Das Verhör wird wie schon zuvor die Zuschauenden sind also auch
gene Else Gebel. Noch immer hofft in Schuss-Gegenschuss-Technik bildlich mit einer neuen Situation kon-

12 Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE


■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■

Beleuchtung
In Anlehnung an die Schwarzweißfoto-
grafie unterscheidet man grundsätzlich
drei Beleuchtungsstile: der Normalstil
imitiert die natürlichen Sehgewohnhei-
ten und sorgt für eine ausgewogene
Hell-Dunkel-Verteilung. Der Low-Key-
Stil betont die Schattenführung und
wirkt spannungssteigernd (Kriminal-,
Actionfilme). Der High-Key-Stil be-
leuchtet die Szenerie gleichmäßig bis
übermäßig und kann eine optimistische
Grundstimmung verstärken (Komö-
dien).

Einstellungsgrößen
In der Filmsprache haben sich folgende
acht Einstellungsgrößen durchgesetzt:
Detailaufnahme (Detail-Shot/Extreme-
Close-Up) – umfasst nur bestimmte
Körperteile einer Person, wie etwa die
Augen oder Hände, Großaufnahme
(Close-Up) – umfasst den Kopf kom-
plett oder leicht angeschnitten, Nah-
einstellung (Medium-Close-Shot/
Medium-Close-Up) – erfasst bis zu
einem Drittel des Körpers („Passfoto“),
Amerikanische Einstellung (Medium-
Shot/Knee-Shot) – häufig in Western
verwendet, erfasst eine Person ab Colt
bzw. Hüfte an aufwärts, Halbnah (Mid-/
Medium-Shot) – erfasst etwa zwei
Drittel des Körpers, Halbtotale (Me-
dium-Long-Shot/Full-Shot) – Person
frontiert: Ein weiteres Leugnen macht wird in ihrer Umgebung gezeigt, Totale
keinen Sinn mehr. (Long-Shot) – erfasst die maximale
Bildfläche mit all ihren agierenden
Personen, wird häufig als einführende
Als Mohr den Raum kurz verlässt, wird Einstellung verwendet, Panorama/
die Zimmerperspektive Schnitt für Weit (Extreme-Long-Shot) – Land-
Schnitt ausgeweitet. Man sieht nun schaftsaufnahme. Groß- und Nahauf-
die Protokolldame, den Beisitzer, im nahme betonen vor allem die Mimik,
Hintergrund Vorhänge. Zuvor nur ver- während Halbnah und Halbtotale die
Gestik und Proxemik (Körpersprache)
dächtigt, war Sophie von dieser Um-
der Schauspieler hervorheben und in
gebung optisch getrennt. Als überführ- Auf wiederholte Bitte wird sie von die unmittelbare Umgebung einbezie-
te Täterin ist sie ihr als Teil des Ganzen Locher auf die Toilette begleitet. Dort hen.
schutzlos ausgeliefert. Mohr kehrt blickt sie bedrückt in den Spiegel.
zurück und zeigt ihr ein zerrissenes, Die Zuschauenden sehen nun zwei Off-/On-Ton
mühsam zusammengeklebtes Flug- Sophies. Sie versinnbildlichen die Ist die Quelle des Tons im Bild zu
blatt (Großaufnahme). Er benennt kommende Trennung von Leib und sehen, spricht man von On-Ton, ist sie
Christoph Probst als Urheber. Auf die- Seele durch den Tod. Mit ihrem letzten nicht im Bild zu sehen, handelt es sich
um Off-Ton. Beim Off-Ton ist zu unter-
sen neuen Beweis folgt wiederum ein Spiegelbild nimmt Sophie Abschied
scheiden, ob die Geräusche, Sprache,
Positionswechsel. Außerdem wird von sich selbst. Sie weint (leise Kla- Musik zur logischen Umgebung in der
Mohr nun gelegentlich aus leichter viermusik). Locher ruft sie heraus. Sie Szene gehören (Türschließen, Dialog,
Untersicht gefilmt, was seine gestärkte wischt sich die Tränen ab, die nie- Radiomusik) oder ob sie davon unab-
Position zum Ausdruck bringt. Unter mand sehen soll. Im Verhörzimmer hängig außerhalb der Szene eingesetzt
der Beweislast gesteht Sophie. Noch öffnet Mohr das Fenster. Es ist wie- werden (Erzähler-Kommentar, Film-
immer nimmt sie ihren Bruder und der Tag. Sophie unterschreibt ihr Ge- musik).
Christoph in Schutz. ständnis.

Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE 13


■ ■ Fragen

Zum Inhalt: Warum baut Mohr Sophie eine „golde- Wie wurden die Verhöre inszeniert?
ne Brücke“? Worin bestehen seine Wie interpretieren Sie die Körperspra-
Welche Charaktereigenschaften zeich- Forderungen? Warum lehnt Sophie che der beiden Beteiligten? Welche
nen Sophie aus? Worin unterscheidet sein Angebot ab, obwohl sie damit ihr Informationen erhalten die Zuschau-
sie sich von anderen Frauen ihres Leben opfert? enden hier über andere Personen und
Alters? In welchen Wesenszügen vergangene Ereignisse? Mit welchen
können Sie sich wiedererkennen? Was wissen Sie über Gewaltenteilung filmsprachlichen Mitteln wird deutlich
in einem Rechtsstaat? Findet sich gemacht, dass sich Sophies Situation
Was führt zu ihrer Verhaftung? diese in der Szene vor dem „Volks- dramatisch verschlechtert?
Glauben Sie, dass Sophie und Hans gerichtshof“ wieder? Inwiefern wider-
leichtsinnig gehandelt haben? Wie spricht der Prozessverlauf modernen Zum Material:
verhalten sich die anderen Studieren- Vorstellungen von Justiz und Gerech-
den, als sie auf die Flugblätter und tigkeit? Wer waren die Mitglieder der Weißen
anschließend auf die Verhaftung auf- Rose? Wie haben sie sich kennenge-
merksam werden? Was halten Sie Glauben Sie, dass Sophie für ihren lernt und was hat sie dazu bewogen,
vom Hausmeister? Mut einen zu hohen Preis bezahlt hat? sich in einer Widerstandsgruppe zu
Begründen Sie Ihre Meinung. Warum organisieren? Was waren ihre gemein-
Was macht Sophie in den aufreiben- sagt Christoph am Schluss, dass der samen Interessen?
den Verhören so stark? Woran glaubt gemeinsame Widerstand nicht verge-
sie? In welchen Szenen bringt sie ihre bens war? Diskutieren Sie die Flugblätter der
Überzeugungen am deutlichsten zum Weißen Rose. Wie werden ihre
Ausdruck? Wie definieren Sie die Begriffe „Zivil- Adressaten angesprochen? Beschrei-
courage“ und „Widerstand“? Disku- ben Sie die politischen Ziele der
Wie definieren Sophie und Mohr die tieren Sie diese anhand von Sophies Gruppe. Was halten Sie vom sprach-
Begriffe „Freiheit“ und „Ehre“? Worin Haltung und Werdegang. Inwiefern lichen Stil der Aufrufe?
besteht für Sophie der Unterschied unterscheidet sich der Widerstand
zwischen „Gesetz“ und „Gewissen“? der Weißen Rose von dem in einer Welche Aussagen aus den Flug-
Welche dieser Begriffe haben für Sie modernen Demokratie? Worin könn- blättern wurden in die Dialoge auf-
heute noch Bedeutung? ten Gemeinsamkeiten liegen? genommen? Finden Sie dieses
Vorgehen legitim? Begründen Sie
Beschreiben Sie die Beziehung von Zur Filmsprache: Ihre Meinung.
Sophie und Hans. Welche Rolle spielt
Freundschaft in der Weißen Rose? Beschreiben Sie die erste Szene des Wie wurden die Flugblätter hergestellt
Wie stehen Sie zu der Entscheidung Films. Wie werden die Aktivitäten der und verteilt? Wie gingen die National-
des Regisseurs, Sophie so deutlich Gruppe dargestellt? Sind diese Sze- sozialisten dagegen vor und warum?
in den Mittelpunkt zu stellen? nen für das Verständnis des Films Wie würde die Judikative eines demo-
ausreichend? Warum konzentriert kratischen Staates heute darauf rea-
Wie verhält sich Sophie in den Ver- sich der Regisseur auf die „letzten gieren? Kennen Sie Staaten, in denen
hören? Beachten Sie dabei ihre Tage“? Wie stehen Sie zu diesem ein solcher Protest mit gleicher
Ausdrucksweise und ihre Körper- Entschluss? Schärfe bekämpft wird?
sprache. In welchen Szenen sieht sie
sich gezwungen, ihre Strategie zu Welche Atmosphäre herrscht in dem Wodurch wurden die Aktionen des
ändern? Was bezweckt sie damit Film? Durch welche filmischen Mittel Widerstands auch materiell erschwert?
jeweils? wird sie hervorgerufen? Beachten Sie Denken Sie dabei auch an heutige
dabei Filmarchitektur, Kamera und Kommunikationstechniken wie Handy,
Wie wird der Kriminalbeamte Mohr Beleuchtung. Kopierer und Internet.
charakterisiert? Inwiefern ist er eine
Stütze des Systems? Woran erkennt Worin unterscheidet sich die Flug- Wie haben prominente Zeitzeugen wie
man seine Selbstzweifel? Haben die- blattaktion an der Universität von den Thomas Mann den Widerstand der
se Konsequenzen für ihn bzw. für späteren Szenen? Beachten Sie hier- Weißen Rose beurteilt? Welche Be-
Sophie? bei insbesondere Kameraperspektive, deutung hatte er für die Entwicklung
Schnitt und Musik. im Nachkriegsdeutschland?

14 Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE


■ ■ Arbeitsblatt ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■

Aufgabe 1:

Beschreiben Sie, welche grundsätzlichen Charaktereigenschaften und


Verhaltensweisen in den Äußerungen gefordert werden:

Hans Scholl: Else:


„Ein harter Geist, „Irgendetwas muss man tun“
ein weiches Herz“

Stellen Sie aktuelle Beispielsituationen Robert Scholl: „Ich möchte, dass


vor, in denen sich Menschen an ihr gerade und frei durch’s Leben
den skizzierten Verhaltensweisen geht. Auch wenn’s schwer ist.“
orientieren sollten.

Aufgabe 2:

Untersuchen Sie, inwiefern der Gestapobeamte Robert Mohr manipulative


Mittel bei seinem Verhör von Sophie Scholl anwendet. Nennen Sie exemplari-
sche Äußerungen und prüfen Sie, wie Sophie Scholl darauf reagiert.

Manipulationsstrategien:
1. Unbewiesene Behauptungen
2. Allgemeinplätze, Floskeln
3. Imponiertechnik
4. Persönlich werden
5. Überrumpelungstaktik

Aufgabe 3:

Sophie Scholl führt in ihrem Verhör eine Grundsatzdiskussion mit Mohr:


„Gesetz oder Gewissen – Worauf sollte man sich berufen?“ Sammeln Sie
die jeweiligen Argumente der beiden Figuren und ergänzen Sie diese durch
Beispiele. Schreiben Sie zusammenfassend einen Essay, in dem Sie sich
mit der Ausgangsfrage auseinander setzen.

Aufgabe 4:

Sophie Scholl beginnt vor ihrer Hinrichtung einen Brief an ihren Verlobten Fritz,
der sich als Soldat an der Ostfront befindet. Sie kommt nicht über die Anrede
„Geliebter Fritz ...“ hinaus. Schreiben Sie diesen Brief weiter. Versuchen Sie
darin, Sophies Erlebnisse der letzten Tage sowie ihre Gründe für den Widerstand
zu beschreiben. Verdeutlichen Sie auch Sophies Gefühle zum Zeitpunkt des
Schreibens.

Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE 15


■ ■ Arbeitsblatt 2 ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■

Ein historischer Spielfilm rend einer Verhörpause die Ausweg-


und sein Drehbuch losigkeit ihrer Lage bewusst wird.
Ein kinotauglicher Film kann auf die
Im Vorspann von „Sophie Scholl – Die Darstellung solcher Szenen nicht ver-
letzten Tage“ wird der Hinweis „Dieser zichten, da diese dem Publikum die
Film hält sich an historische Fakten“ Protagonisten/innen näher bringen.
eingeblendet. Damit erheben die
Filmemacher/innen einen Anspruch Die Verhöre und die „goldene
auf Glaubwürdigkeit. Eine Haltung, die Brücke“
Fragen aufwirft, denn es handelt sich
um einen Spielfilm mit eigenen drama- Drehbuchautor Fred Breinersdorfer
turgischen Regeln, in dem Ereignisse hat die Vernehmung der Widerstands-
inszeniert werden. kämpferin durch den Gestapo-Beam-
ten Robert Mohr als Streit um Weltan-
Inszenierung von Geschichte schauungen angelegt. Das überlieferte
Verhörprotokoll, das keine wortwörtli-
Die Stärke des historischen Spielfilms che Transkription, sondern eine Zu-
liegt nicht in der wissenschaftlichen sammenfassung der Befragung dar-
Analyse vergangener Ereignisse, son- stellt, diente lediglich als roter Faden.
dern vielmehr in der Visualisierung und Die entsprechenden Szenen im Dreh-
Emotionalisierung. Der Film kann sein buch sind Fiktion, sollten jedoch der
Publikum in die Vergangenheit entfüh- Persönlichkeit der Figuren gerecht
ren, geschichtliches Interesse wecken werden. So zitiert Breinersdorfer in
oder Kenntnisse vertiefen. Er kann den Verhörszenen aus Flugblättern
aber auch je nach Vorwissen das der „Weißen Rose“ oder aus Sophies
Geschichtsbild der Zuschauenden Briefen und Tagebüchern – nicht
beeinflussen. zuletzt auch, um die bürokratische
Schriftsprache in einen lebendigen
Zugeständnisse an die Bedingungen und authentischen Dialog zu verwan-
einer Filmproduktion sind unumgäng- deln.
lich. „Sophie Scholl – Die letzten Tage“
erzählt verdichtet in knapp zwei Stun- In einer Schlüsselszene des Films
den die Ereignisse von fünf Tagen versucht Robert Mohr, Sophie vor
nach. Zudem konzentriert sich der der Todesstrafe zu bewahren:
Film auf Sophie und ihre Perspektive.
Dies erleichtert die Identifizierung mit
Sophie und macht die Frage, was die
Mohr: Ist es denn nicht so
Gestapo und Mohr bereits wissen, als
gewesen, dass Sie sich auf
Bedrohung für das Publikum erfahrbar.
ihren Bruder verlassen haben,
Andere, tatsächlich einflussreichere
dass es richtig war, was er
Personen, wie zum Beispiel ihr Bruder
getan hat, und Sie einfach nur
Hans, spielen nur eine marginale Rolle.
mitgemacht haben? Sollen wir
das nicht noch ins Protokoll
Trotz umfangreicher Materiallage zum
aufnehmen? Sonst kann keiner
Thema ist Geschichte darüber hinaus
mehr etwas für Sie tun.
nie lückenlos dokumentiert. Fiktive
Elemente werden hinzugefügt, um
Ereignisse zu interpretieren, auszu-
schmücken und aus historischen
Persönlichkeiten lebendige Charaktere Sophie: Nein, Herr Mohr,
zu entwickeln, die die Handlung vor- weil es nicht stimmt.
antreiben. So sehen wir die Sophie im
Film in erdachten Situationen, etwa
vor dem Toilettenspiegel, als ihr wäh-

Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE I


■ ■ Arbeitsblatt 2 ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■

Diese Szene verdeutlicht Sophies Aufgabe 1:


moralische Stärke und zeigt, dass Historische Quellen
dadurch offenbar selbst ein treuer
Parteisoldat wie Mohr beeindruckt Sophie Scholl und die Weiße Rose
oder gar verunsichert wurde. Nicht sind immer wieder Themen histori-
zuletzt wird Robert Mohr damit in ein scher Forschungen. Recherchieren
menschlicheres Licht gerückt. Sie Fotos und Zitate von Sophie
Scholl (zum Beispiel im Online-Dossier
In den Original-Verhörprotokollen hin- www.bpb.de/sophiescholl der Bun-
gegen bleibt das Angebot einer „gol- deszentrale für politische Bildung).
denen Brücke“ vage: Schreiben Sie anhand ihrer Recher-
cheergebnisse ein kurzes Portrait
„Schlussfrage: Während der Gesamt- über Sophie Scholl.
vernehmung, die sich über zwei volle
Tage erstreckte, haben wir zwischen- Aufgabe 2:
durch, wenn auch nur streiflichtartig, Fiktionalisierung
verschiedene politische und weltan-
schauliche Fragen besprochen. Sind Filme mit historischem Hintergrund
Sie nach diesen Aussprachen nun zeigen immer nur einen Ausschnitt
nicht doch zur Auffassung gekommen, und verdichten Handlungen.
dass man Ihre Handlungsweise und Entwickeln Sie, basierend auf dem
das Vorgehen gemeinsam mit Ihrem Portrait aus Aufgabe 1, eine Szene
Bruder und anderen Personen gerade für einen Spielfilm über Sophie Scholl,
in der jetzigen Phase des Krieges als die ihre überlieferten Charaktereigen-
Verbrechen gegenüber der Gemein- schaften filmisch darstellt. Bedenken
schaft insbesondere aber unserer im Sie bei Ihrer Inszenierung die Unter-
Osten schwer und hart kämpfenden haltungsabsicht von Spielfilmen und
Truppen anzusehen ist, das die schärf- diskutieren Sie notwendige Abwei-
ste Verurteilung finden muss? chungen von historischen Quellen.
Antwort: Von meinem Standpunkt aus Setzen Sie diese Szene anschließend
muss ich diese Frage verneinen. Ich in einem Rollenspiel um.
bin nach wie vor der Meinung, das
Beste getan zu haben, was ich gerade Aufgabe 3:
für mein Volk tun konnte. Ich bereue Medial vermittelte
deshalb meine Handlungsweise nicht Geschichtsbilder
und will die Folgen, die mir aus meiner
Handlungsweise erwachsen, auf mich Durch ihre Anschaulichkeit und dra-
nehmen.“ maturgische Verdichtung beeinflussen
Filme das Geschichtsbild der Zu-
Das Drehbuch interpretiert diese Aus- schauenden. Schreiben Sie ein Portrait
sage als Hinweis auf einen Rettungs- über Sophie Scholl, das ausschließlich
versuch und unterstellt, Mohr habe die auf Ihrer Fiktionalisierung aus Aufgabe
politische Diskussion zwischen ihm 2 beruht. Vergleichen Sie dieses
und Sophie im Protokoll unterschla- Portrait mit dem aus Aufgabe 1.
gen. Der einzige Hinweis auf die „gol-
dene Brücke“ stammt von Robert
Mohr selbst. In einem Bericht, den
er 1951 auf Bitten von Sophies Vater
schrieb, berichtet er von einem
derartigen Rettungsversuch und
Sophies Weigerung, sich von ihren
Idealen und Taten zu distanzieren.

II Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE


Protokoll

■ ■ Sequenzprotokoll
S1 (Musik). – In der leeren Aula legen sie S4
Vorspann und Einblendung: „Dieser hastig Flugblätter aus (Musik, Montage- Sophie und Hans werden abgeführt.
Film hält sich an historische Fakten.“ – sequenz). Danach kehren sie noch ein- In der Aula begegnen sie Gisela. Sie
Sophie und ihre Freundin Gisela hören mal zurück, um auch noch die letzten wirkt erschüttert. – Sophies Verhör wird
im Radio Swing-Musik. Die Stimmung Flugblätter loszuwerden. Sophie in der Gestapozentrale, dem Wittels-
ist ausgelassen. – Sophie sucht das schubst einen Stapel von der Empore bacher Palais, fortgeführt. Mohr droht
geheime Versteck der Weißen Rose in den Lichthof. Eine Glocke ertönt. Die ihr mit Zuchthaus oder Tod. Er stellt
auf. Die Gruppe druckt gerade ein Geschwister mischen sich unter die Detailfragen, vor allem zu dem leeren
Flugblatt (Musik). Hans teilt den ande- Studierenden, die aus den Sälen strö- Koffer. Sophie erklärt sich und ihren
ren einen Plan mit: Er will am nächsten men. Sie werden vom Hausmeister, Bruder für „unpolitisch“. Mohr befragt
Tag an der Universität Flugblätter ver- der sie beobachtet hat, festgehalten. sie nach ihrer Meinung zum Eklat im
teilen. Willi Graf bezeichnet das Vor- 0:06-0:14 Deutschen Museum vor einer Woche,
haben als „Wahnsinn“. bei dem Studierende gegen die Rede
0:00-0:06 S3 des Gauleiters protestierten. Sie weicht
Erste Vernehmung beim Rektor. Hans aus. Mohr teilt Sophie mit, dass sich
S2 und Sophie leugnen die Tat. Hans ver- ihre Aussagen mit denen von Hans
Hans und Sophie in der gemeinsamen sucht einen Flugblattentwurf zu ver- decken und stellt ihr die baldige
Wohnung. Sie schreibt einen Brief an nichten, wird dabei aber vom Haus- Freilassung in Aussicht.
ihre Freundin Lisa, er bereitet die nächs- meister ertappt. Der Gestapobeamte 0:17-0:29
te Verschickung von Flugblättern vor. – Robert Mohr kommt hinzu und setzt
Am Morgen machen sich die Ge- die Vernehmung fort. Die beiden finden S5
schwister mit einem Koffer voller Flug- weitere Ausreden. Einlieferung ins Gefängnis (im Volksem-
blätter auf den Weg zur Universität 0:14-0:17 pfänger eine Rede von Propaganda-

16 Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE


minister Goebbels). Aufnahme durch schwärmt von einem unbeschwerten Präsident des Volksgerichtshofs ist
Else, eine mitgefangene Kommunistin, Sommer mit Fritz, mit dem sie aber Roland Freisler, das Publikum bilden
die dafür Sorge tragen soll, dass auch oft politischen Streit habe (Musik). uniformierte Nazis. Christoph verteidigt
Sophie sich nichts antut. – Sophie wird – Nachts hört sie Folterschreie aus sich mit einer psychotischen Depres-
abgeholt. Der Beamte Locher soll ihr angrenzenden Räumen. Sie betet zu sion. Lachen im Saal. Hans hält nach
einen Entlassungsschein ausstellen. Im Gott („Unruhig ist unser Herz, bis es seiner Befragung ein Plädoyer gegen
letzten Moment ein Anruf. – Sie wird Ruhe findet in dir“, Musik). den Krieg. Hitler könne den Krieg nicht
erneut Mohr vorgeführt. Im bekannten 1:00-1:04 gewinnen, sondern nur verlängern.
grauen Verhörzimmer befragt er sie zu Freisler ist empört, im Publikum ist
den politischen Ansichten ihres Vaters, S9 Unruhe vernehmbar. Sophie hält eben-
ihrer Mitwirkung im BDM und ihrem Im Verhörzimmer. In einem philosophi- falls eine Ansprache und wird von
Verlobten Fritz Hartnagel. Sie wird mit schen Gespräch äußern Sophie und Freisler wütend unterbrochen. Vater
Beweisstücken konfrontiert. Mohr zeigt Mohr ihre unterschiedlichen Ansichten Robert Scholl drängt in den Saal und
ihr ein Flugblatt, das auf der Schreib- über Gesetz und Gewissen. Für Sophie fordert vergeblich eine Anhörung. In sei-
maschine der Scholls geschrieben steht das Gewissen über dem Gesetz. nem letzten Plädoyer bittet Hans da-
wurde. Durch das bei Hans gefundene Für Mohr ist dies eine privilegierte Sicht rum, Christoph zu verschonen. Sophie
Flublatt sei nun auch Christoph Probst der Dinge. Diskussion über die Begriffe droht: „Bald werden Sie hier stehen, wo
schwer belastet. Hans habe alles auf „Freiheit“ und „Ehre“. Mohr sieht beides wir jetzt stehen.“ Ohne weitere Bera-
sich genommen. Sophie gesteht ihre im Nationalsozialismus verwirklicht. So- tung verkündet Freisler gegen alle drei
Beteiligung. – Locher führt sie zur Toi- phie konfrontiert ihn mit ihrem Wissen das Todesurteil.
lette. Sie blickt in den Spiegel und über den Mord an den Juden und Eu- 1:24-1:39
weint (Musik). – Sie unterschreibt ein thanasie. In Mohrs Gesicht spiegeln sich
Geständnis. erstmals Zweifel. Er baut ihr eine „gol- S 12
0:29-0:51 dene Brücke“: Wenn sie ihren „Fehler“ Abtransport durch den Lichthof. Sophie
eingestehe, dürfe sie auf Strafmilderung wird in eine Zelle gebracht, wo sie Ab-
S6 hoffen. Sophie lehnt ab. Sie wolle die schiedsbriefe schreiben kann. Sie brüllt
Sophie wird erkennungsdienstlich er- Konsequenzen ihres Handelns tragen. und weint. Besuch der Eltern. Der Vater
fasst. – In der Zelle macht ihr Else 1:04-1:14 bekundet seinen Stolz. Sophie tröstet
Hoffnung: Vielleicht komme sie nur in ihre Mutter: „Wir sehen uns in der Ewig-
ein Umerziehungslager, der Krieg sei S 10 keit wieder.“ Beim Herausgehen begeg-
vielleicht bald vorbei. Sophie gesteht In der Zelle berichtet Sophie Else von net sie noch einmal Mohr. Sie betet mit
ihre Angst vor der Sippenhaft und Mohrs Angebot und ihrer Ablehnung: dem Gefängnisgeistlichen und erhält von
weint (Musik). „Es gibt kein Zurück.“ Eine Sirene kün- ihm den Segen. Die Aufseherin gewährt
0:51-0:53 digt einen Fliegeralarm an. Während den drei Verurteilten eine letzte gemein-
Else in ihr Bett flieht, sieht Sophie same Zigarette. Sophie wird von ihren
S7 sehnsüchtig aus dem Fenster. – Am Henkern zum Schafott geführt (Musik).
Fortsetzung des Verhörs. Mohr verlangt nächsten Tag berichtet ihr Else von der Sie legt den Kopf unter die Guillotine.
Informationen über Mittäter und Geld- Verhaftung Christoph Probsts. Sophie Schwarzblende. Schritte. Im Off Hans’
geber. Sophie bezeichnet sich und ist entsetzt. Sie wird ihrem Ankläger Stimme: „Es lebe die Freiheit.“
Hans als alleinige Täter/innen und er- vorgeführt, auf dem Weg dorthin be- 1:40-1:53
klärt, sie und ihr Bruder hätten lediglich gegnet sie Christoph. – In der Zelle
den Anschein einer „breiten Basis“ er- betet sie erneut („Wende dich nicht S 13
wecken wollen. Mohr stellt Strafmilde- von mir, lieber Gott!“, Musik). Sie wird Abspann. Vor schwarzem Hintergrund
rung in Aussicht, wenn sie Namen ihrem Pflichtverteidiger Klein vorgestellt, werden die Todes- und Haftstrafen der
nenne. Sophie lehnt diesen „Hochver- der aus seiner Ablehnung keinen Hehl einzelnen Mitglieder der Weißen Rose
rat“ entschieden ab. macht. Allein mit Else, zitiert Sophie aufgelistet. – Die Kamera blickt in den
0:53-1:00 ihren Bruder Hans: „Ein harter Geist, Himmel, wo zwei Flugzeuge vorbeizie-
ein weiches Herz.“ Sie nimmt Abschied hen. Eine Sprecherstimme erzählt von
S8 von Else. hunderttausenden Flugblättern der Wei-
In der Zelle. Else erzählt von Mohr, der 1:14-1:24 ßen Rose, die von englischen Jagdflie-
über Sophie gesagt haben soll: „Solche gern über Deutschland abgeworfen
Leute braucht Deutschland eigentlich.“ S 11 wurden. – Der weitere Abspann zeigt
In ihren Betten liegend führen Sophie In einem Polizeiwagen wird Sophie in historische Fotoporträts der Mitglieder.
und Else private Gespräche. Sie den Justizpalast gebracht (Musik). 1:53-1:56

Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE 17


■ ■
Materialien
Materialien derem im Warschauer Ghetto, beein-
flussten die weitere Arbeit nachhaltig.
Fraktionen des Deutschen Bundestags
am 25. Januar 1985, in der festgehalten
Im folgenden fünften Flugblatt wich der wurde, dass „die als ‚Volksgerichtshof‘
Der Widerstand der Weißen Rose apokalyptische Ton der früheren Schrif- bezeichnete Institution kein Gericht im
ten einem prägnanteren Sprachstil. rechtsstaatlichen Sinne, sondern ein
Im Sommer 1942 erschienen die Erstmals benannte die Gruppe politi- Terrorinstrument zur Durchsetzung der
ersten „Flugblätter der Weißen Rose“. sche Ziele wie Menschenrechte, Demo- nationalsozialistischen Willkürherrschaft
Der studentische Widerstandskreis kratie oder Föderalismus. Die Weiße gewesen war“. Nach der deutschen
gründete auf jahrelangen Freund- Rose verstärkte den Kontakt zu Wider- Wende hob der Deutsche Bundestag
schaften und Bekanntschaften aus standszirkeln in anderen Städten und schließlich am 28. Mai 1998 alle in der
Schul- und Studienzeit. Den Kern fand im schon vorher verehrten Münch- NS-Zeit ergangenen Unrechtsurteile auf.
der Gruppe bildeten zunächst Hans ner Philosophieprofessor Kurt Huber
Scholl, Alexander Schmorell, Willi Graf einen wichtigen Mitstreiter. Nach der Die Achtzigerjahre markierten zugleich
und Christoph Probst. Allen gemein- Verkündung der Niederlage in Stalin- einen wichtigen Wendepunkt in der Be-
sam war die Begeisterung für Lite- grad am 3. Februar 1943 nahm man wertung der Weißen Rose. Die Bundes-
ratur, Musik und Sport. Die Motive auch ein größeres Risiko auf sich. Im republik der Nachkriegszeit hatte sich
für den Widerstand waren zunächst Schutz der Dunkelheit wurden Haus- trotz einer Würdigung immer mehr auf
unterschiedlich. Scholl war als An- wände des Universitätsviertels mit Frei- den militärischen Widerstand des 20.
hänger der Bündischen Jugend in die heitsparolen bemalt. Juli 1944 konzentriert. In der DDR wur-
Hitler-Jugend eingetreten, von deren de die Gruppe in die Rolle „antifaschisti-
autoritären Strukturen er sich jedoch Die Münchner Aktionen riefen nach den scher Widerstandskämpfer“ gedrängt,
bald abgestoßen fühlte. Schmorell späteren Worten des Gestapoermittlers religiöse und humanistische Motive
war durch sein Literaturstudium von Robert Mohr „Beunruhigung bis in dabei unterschlagen. Die Protestgene-
Russland begeistert. Probst und Graf höchste Parteikreise“ hervor. Es wird ration von 1968 hingegen sah die Wei-
wurden noch stärker als alle anderen vermutet, dass Scholl mit der äußerst ße Rose in einer Tradition, „die eine
vom christlichen Gedanken geleitet. riskanten Verteilung von Flugblättern an unpolitische, christliche, idealistische,
Letzterer kam aus der katholischen der Münchner Uni eine letzte publikums- bürgerliche und sehr deutsche Welt ge-
Jugendbewegung und war von An- wirksame Aktion vor seiner Verhaftung wesen ist“ (Christian Petry, 1968). Mit
fang an stark gegen den Nationalso- beabsichtigte. Dabei wurden er und dem Forschungsschub der Achtziger-
zialismus eingestellt. Sophie Scholl seine Schwester Sophie verhaftet. Sie jahre wurden die Motive der Gruppe in
stieß erst im Herbst 1942 hinzu, als wurden gemeinsam mit Christoph ihrer Gesamtheit betrachtet. Allerdings
sie durch Zufall auf die geheimen Probst in einem ungewöhnlich kurzen nahmen hier auch eine Glorifizierung
Aktivitäten ihres Bruders aufmerksam Prozess vom Volksgerichtshof am 22. und die Blickverengung auf die Ge-
wurde. Der Austausch mit einem weit Februar 1943 zum Tode verurteilt und schwister Scholl, insbesondere Sophie,
größeren Bekanntenkreis vertiefte noch am gleichen Tag hingerichtet. ihren Anfang.
den intellektuellen Zusammenhalt Nach einem zweiten Prozeß am 19.
nach und nach. April wurden auch Willi Graf, Alexander Die letzten Flugblätter der Weißen Rose
Schmorell und Prof. Kurt Huber hinge- unterscheiden sich im Stil wesentlich
Die frühen Flugblätter wurden per richtet. Das Vorgehen gegen einen von den vorherigen. Diese waren, neben
Post verschickt. Sie richteten sich „Hamburger Zweig der Weißen Rose“ praktischen Aufrufen zur Sabotage, mit
an Angehörige einer intellektuellen führte zu weiteren Todesurteilen. religiösen Bildern durchsetzt. Im Zusam-
Oberschicht, von denen man sich menhang mit Hitler und dem National-
eine rasche Verbreitung versprach. Michael Verhoeven stellte im Abspann sozialismus fielen abschreckende Vo-
Die Adressen wurden willkürlich aus seines Films „Die Weiße Rose“ (1982) kabeln wie „die Macht des Bösen“ und
Telefonbüchern herausgesucht. In fest, dass die Todesurteile gegen die „der stinkende Rachen der Hölle“. In
den Flugblättern fanden sich der Mitglieder der Gruppe noch immer langen Sätzen abgefasste staatstheo-
Aufruf zum passiven Widerstand rechtlichen Bestand hätten. Heute ist retische Erörterungen wurden mit Zita-
und philosophisch abstrakte Anklagen bekannt, dass die „Rose“-Urteile in ei- ten von Goethe, Aristoteles und Laotse
gegen den NS-Staat. Im Juli 1942 nigen Ländern der damaligen Besat- angereichert. Das fünfte und das sech-
musste der Widerstand eine Zwangs- zungszonen – in Bayern zum Beispiel ste Flugblatt hingegen zeichnen sich
pause einlegen: Die Wehrmachtsan- am 28. Mai 1946 – bereits in den Jah- durch eine direkte Anrede, kürzere
gehörigen Scholl, Schmorell und ren 1946 und 1947 aufgehoben wur- Sätze, präzise Informationen zum Kriegs-
Graf wurden an die Ostfront abberu- den. Die durch Verhoeven ausgelöste verlauf und die konkrete Einforderung
fen. Die dortigen Erlebnisse, unter an- Debatte führte zu einer Erklärung aller politischer Rechte aus.

18 Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE


Fünftes Flugblatt der Weißen ins Verderben. Sieg um jeden Preis!, Sechstes Flugblatt der Weißen
Rose; nach Entwürfen von Hans haben sie auf ihre Fahnen geschrie- Rose, nach einem Entwurf von
Scholl und Alexander Schmorell ben. Ich kämpfe bis zum letzten Kurt Huber mit Korrekturen von
mit Korrekturen von Kurt Huber, Mann, sagt Hitler – indes ist der Hans Scholl und Alexander
Januar 1943 (Auszug): Krieg bereits verloren. Schmorell, Februar 1943 (Auszug):

Aufruf an alle Deutsche! Deutsche! Wollt Ihr und Eure Kinder Kommilitonen! Kommilitoninnen!
dasselbe Schicksal erleiden, das den
Der Krieg geht seinem sicheren Ende Juden widerfahren ist? Wollt Ihr mit Erschüttert steht unser Volk vor dem
entgegen. Wie im Jahre 1918 ver- dem gleichen Maß gemessen werden Untergang unserer Männer in Stalin-
sucht die deutsche Regierung, alle wie Eure Verführer? Sollen wir auf grad. Dreihundertdreißigtausend deut-
Aufmerksamkeit auf die wachsende ewig das von aller Welt gehasste und sche Männer hat die geniale Strategie
U-Boot-Gefahr zu lenken, während ausgestoßene Volk sein? Nein! Darum des Weltkriegsgefreiten sinn- und ver-
im Osten die Armeen unaufhörlich trennt Euch von dem nationalsozialis- antwortungslos in Tod und Verderben
zurückströmen, im Westen die tischen Untermenschentum! Beweist gehetzt. Führer, wir danken dir!
Invasion erwartet wird. Die Rüstung durch die Tat, dass Ihr anders denkt! Es gärt im deutschen Volk: Wollen wir
Amerikas hat ihren Höhepunkt noch Ein neuer Befreiungskrieg bricht an. weiter einem Dilettanten das Schicksal
nicht erreicht, aber heute schon über- Der bessere Teil des Volkes kämpft unserer Armee anvertrauen? Wollen
trifft sie alles in der Geschichte seither auf unserer Seite. Zerreißt den Mantel wir den niederen Machtinstinkten einer
Dagewesene. Mit mathematischer der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Parteiclique den Rest der deutschen
Sicherheit führt Hitler das deutsche Herz gelegt! Entscheidet Euch, ehe Jugend opfern? Nimmermehr! Der Tag
Volk in den Abgrund. Hitler kann den es zu spät ist! [...] der Abrechnung ist gekommen, der
Krieg nicht gewinnen, nur noch ver- Abrechnung der deutschen Jugend
längern! Seine und seiner Helfer Freiheit der Rede, Freiheit des mit der verabscheuungswürdigsten
Schuld hat jedes Maß unendlich über- Bekenntnisses, Schutz des einzelnen Tyrannis, die unser Volk je erduldet hat.
schritten. Die gerechte Strafe rückt Bürgers vor der Willkür verbrecheri- Im Namen der deutschen Jugend for-
näher und näher! scher Gewaltstaaten, das sind die dern wir vom Staat Adolf Hitlers die
Grundlagen des neuen Europa. persönliche Freiheit, das kostbarste
Was aber tut das deutsche Volk? Unterstützt die Widerstandsbewe- Gut des Deutschen zurück, um das
Es sieht nicht und es hört nicht. gung, verbreitet die Flugblätter! er uns in der erbärmlichsten Weise
Blindlings folgt es seinen Verführern betrogen. [...]

Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE 19


erialien

Bericht der Gefängniswärter: Brief Sophie Scholls an ihren Sophie Scholls letzter Brief,
Verlobten Fritz Hartnagel, an ihre Freundin Lisa Remppis,
Sie haben sich so fabelhaft tapfer 5. September 1939 17. Februar 1943
benommen. Das ganze Gefängnis
war davon beeindruckt. Deshalb Lieber Fritz, Liebe Lisa!
haben wir das Risiko auf uns genom- Danke für Deinen schönen Brief. Ich lasse mir gerade das Forellen-
men – wäre es rausgekommen, hätte Hoffentlich muss ich auf den nächs- quintett vom Grammophon vorspie-
es schwere Folgen für uns gehabt –, ten nicht wieder so lange warten. len. Am liebsten möchte ich da selbst
die drei noch eine Zigarette miteinan- Es ist etwas vom gemeinsten, wenn eine Forelle sein, wenn ich mir das
der rauchen zu lassen. Es waren nur man dauernd im Ungewissen über Andantino anhöre. Man kann ja nicht
ein paar Minuten, aber ich glaube, es einen Menschen ist, und sei es nur anders als sich freuen und lachen, so
hat viel für sie bedeutet. „Ich wusste sein Aufenthalt. Hast du meinen letz- wenig man unbewegten oder trauri-
nicht, dass Sterben so leicht sein ten Brief aus Ulm gekriegt? [...] gen Herzens die Frühlingswolken am
kann“, sagte Christoph Probst. Und Nun werdet ihr ja genug zu tun Himmel und die vom Wind bewegten
dann: „In wenigen Minuten sehen wir haben. Ich kann es nicht begreifen, knospenden Zweige in der glänzen-
uns in der Ewigkeit wieder.“ dass nun dauernd Menschen in den jungen Sonne sich wiegen sehen
Dann wurden sie abgeführt, zuerst Lebensgefahr gebracht werden von kann. O, ich freue mich wieder so
das Mädchen. Sie ging, ohne mit der anderen Menschen. Ich kann es nie sehr auf den Frühling. Man spürt und
Wimper zu zucken. Wir konnten alle begreifen und ich finde es entsetzlich. riecht in diesem Ding von Schubert
nicht begreifen, dass so etwas mög- Sag nicht, es ist für’s Vaterland. förmlich die Lüfte und Düfte und ver-
lich war. Der Scharfrichter sagte, so Wenn es Dir nur immer gut geht. Gelt, nimmt den ganzen Jubel der Vögel
habe er noch niemanden sterben Du hast keinen gefährlichen Posten? und der ganzen Kreatur. Die Wieder-
sehen. [...] holung des Themas durch das Klavier
Wo seid ihr eigentlich genau, darfst – wie kaltes klares perlendes Wasser,
Quelle: Scholl, Inge: Die Weiße Rose, Du das nicht schreiben, und was hast oh, es kann einen entzücken.
Frankfurt am Main 1993, S. 83 Du alles zu tun? Hoffentlich kannst Lass doch bald von Dir hören.
Du mir bald schreiben. Herzlichst!
Alles Gute, Sophie Deine Sophie!

Quelle: Jens, Inge (Hrsg.), S. 130f Quelle: Jens, Inge (Hrsg.), S. 238

20 Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE


Der Schriftsteller Thomas Mann Bundespräsident Theodor Heuss
über die Weiße Rose über die Weiße Rose

Ja, sie war kummervoll, diese Anfäl- Als wir vor zehn Jahren, zuerst als
ligkeit der deutschen Jugend – gera- halbes Gerücht, dann mit der zu-
de der Jugend – für die nationalsozia- verlässigen Bestätigung von dem
listische Lügenrevolution. Jetzt sind kühnen Versuch erfuhren, womit
ihre Augen geöffnet, und sie legen die Geschwister Scholl und ihr Freun-
das junge Haupt auf den Block für deskreis das Gewissen der studieren-
ihre Erkenntnis und für Deutschlands den Jugend zu erreichen suchten, da
Ehre, legen ihn dorthin, nachdem sie wussten wir und sprachen es auch
vor Gericht dem Nazi-Präsidenten ins aus: Dieser Aufschrei der deutschen Marc Rothemund (Regie)
Gesicht gesagt: „Bald werden Sie hier Seele wird durch die Geschichte
stehen, wo ich jetzt stehe“, nachdem widerhallen, der Tod kann ihn nicht, Marc Rothemund, 1968 geboren,
sie im Angesicht des Todes bezeugt: konnte ihn nicht in die Stummheit sammelte nach seinem Abitur 1988
„Ein neuer Glaube dämmert an Frei- zwingen. Die Sätze, die auf Papier- erste Erfahrungen als Aufnahmeleiter
heit und Ehre.“ Brave, herrliche junge fetzen durch die Münchner Hoch- und Regieassistent. Er arbeitete
Leute! Ihr sollt nicht umsonst gestor- schule flatterten, waren ein Fanal und unter anderem zusammen mit
ben, sollt nicht vergessen sein. Die sind es geblieben. So wurde das tap- Helmut Dietl (ROSSINI, 1996), Bernd
Nazis haben schmutzigen Rowdies, fere Sterben der jungen Menschen, Eichinger (Das MÄDCHEN ROSEMA-
gemeinen Killern in Deutschland die gegen die Phrase und die Lüge RIE, 1996), Gérard Corbiau (FARI-
Denkmäler gesetzt. Die deutsche die Reinheit der Gesinnung und den NELLI, 1995) und seinem Vater Sigi
Revolution, die wirkliche, wird sie Mut zur Wahrheit setzten, im Aus- Rothemund. Mit dem renommierten
niederreißen und an ihrer Stelle eure löschen ihres Lebens zu einem Sieg. Drehbuchautor Fred Breinersdorfer
Namen verewigen, die ihr, als noch So muss ihre Erscheinung inmitten realisierte er ab 1997 eine Reihe
Nacht über Deutschland und Europa der deutschen Tragik begriffen wer- erfolgreicher Fernsehfilme wie DIE
lag, wusstet und verkündetet: „Es den – nicht als ein gegenüber der HOFFNUNG STIRBT ZULETZT
dämmert ein neuer Glaube an Freiheit Gewalt missglückter Versuch zur (2002). Einem größeren Publikum
und Ehre.“ Wende, sondern als das Abschirmen wurde er durch sein Kinofilmdebüt
eines Lichts in der dunkelsten DAS MERKWÜRDIGE VERHALTEN
Quelle: „Deutsche Hörer!“ Stunde. Und darum gehören ihrem GESCHLECHTSREIFER GROSS-
Rundfunkansprache vom Gedächtnis Dank und Ehrfurcht. STÄDTER ZUR PAARUNGSZEIT
27. Juni 1943 bekannt. Für die Komödie erhielt er
Quelle: Grußwort des 1998 den Bayerischen Filmpreis als
Bundespräsidenten zur bester Nachwuchsregisseur. Seinen
Gedächtnisfeier am zweiten Kinofilm, die leichte Teen-
22. Februar 1953 agerkomödie HARTE JUNGS (2000),
sahen 1,7 Millionen Zuschauende.
SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN
TAGE (2004) ist sein erster Versuch,
einen historischen Stoff umzusetzen.

Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE 21


■ ■ Literaturhinweise Links

Bald, Detlef: Die Weiße Rose. Von der Monaco, James: Film verstehen. www.sophiescholl-derfilm.de
Front in den Widerstand, Berlin 2003 Kunst, Technik, Sprache, Geschichte Website zum Film
und Theorie des Films und der
Benz, Wolfgang/Pehle, Walter H. Medien, Reinbek 2000 www.bpb.de/sophiescholl
(Hrsg.): Lexikon des deutschen Umfangreiches Online-Dossier zur
Widerstandes, Frankfurt am Main Scholl, Inge: Die Weiße Rose, Geschichte der „Weißen Rose“,
1994 Frankfurt 1993 speziell zu Sophie Scholl, mit Auszü-
gen aus bisher unveröffentlichten
Breinersdorfer, Fred (Hrsg.): Sophie Schüler, Barbara: „Im Geiste der Ge- Vernehmungs- und Gerichtsproto-
Scholl – Die letzten Tage. mordeten...“ Die „Weiße Rose“ und kollen sowie Fotos und audiovisuellen
Frankfurt/Main 2005 ihre Wirkung in der Nachkriegszeit, Dokumenten.
Paderborn 2000
Bundeszentrale für politische Bildung: www.bpb.de/publikationen/T51O7L,2,0,
Deutscher Widerstand 1933-1945. Siefken, Hinrich: Die Weiße Rose. Jugend_und_Studentenopposition.html
Informationen zur politischen Bildung, Student Resistance to National #art2
Heft 243, Bonn 2004 Socialism 1942/1943. Website der Bundeszentrale für politi-
Forschungsergebnisse und Erfah- sche Bildung mit einem Ausschnitt
Bundeszentrale für politische Bildung: rungsberichte, Nottingham 1994 aus dem Heft „Deutscher Widerstand
Widerstand und Zivilcourage. Das 1933-1945“ mit Flugblättern der
Parlament, Themenausgabe Nr. Steffahn, Harald: Die Weiße Rose, Weißen Rose.
27/04, Bonn 2004 Reinbek bei Hamburg 1992
www.dhm.de/lemo/html/nazi/
Jahnke, Karl Heinz: Weiße Rose Steinbach, Peter/Tuchel, Johannes: widerstand/weisserose
contra Hakenkreuz. Studenten im Widerstand gegen die nationalsoziali- Eine Seite des Deutschen Historischen
Widerstand 1942/43, Rostock 2003 stische Diktatur 1933-1945. Bonn Museums in Berlin mit Textauszügen
2004 (Schriftenreihe Bd. 438 der aus allen sechs Flugblättern.
Jens, Inge (Hrsg.): Hans Scholl Bundeszentrale für politische Bildung)
und Sophie Scholl, Briefe und www.weisserose.info
Aufzeichnungen, Frankfurt 2003 Tuchel, Johannes: Neues von der Neue Website des Weiße Rose Institut
„Weißen Rose“? Kritische Überlegun- e.V., gegründet von Angehörigen
Kandorfer, Pierre: Lehrbuch der gen zu „Detlef Bald: Die Weiße Rose. der Mitglieder der Weißen Rose. Der
Filmgestaltung. Theoretisch-techni- Von der Front in den Widerstand“, Verein errichtet ein interdisziplinäres
sche Grundlagen der Filmkunde, POLHIST; 15, Berlin 2003 Forschungs-, Bildungs- und Doku-
Gau-Heppenheim 2003 6 mentationszentrum in München.
Van Roon, Ger: Widerstand im Dritten
Knoop-Graf, Anneliese/Jens, Reich, München 1998 www.weisse-rose-stiftung.de
Inge (Hrsg.): Willi Graf: Briefe und Website der Stiftung „Weiße Rose“,
Aufzeichnungen, Frankfurt 1994 Vinke, Hermann: Das kurze Leben der die Projekte für Schüler/innen anbietet.
Sophie Scholl, Ravensburg 1997
Moll, Christiane: Die Weiße Rose,
in: Peter Steinbach/Johannes Tuchel
(Hrsg.), Widerstand gegen den Natio-
nalsozialismus in der Erinnerung der
Deutschen, Paderborn 2000

22 Filmheft SOPHIE SCHOLL – DIE LETZTEN TAGE


Publikationsverzeichnis Autor ■ ■ ■ ■
Herbst 2005

Filmpädagogisches, 100 Schritte Bestell-Nr. 8191


themenorientiertes Begleit- Aimée und Jaguar Bestell-Nr. 8218
Ali Bestell-Nr. 8235
material zu ausgewählten Alles auf Zucker! Bestell-Nr. 8181
nationalen und internationa- American History X Bestell-Nr. 8223
len Kinofilmen. Auf 16 bis Atash Bestell-Nr. 8172
Das Baumhaus Bestell-Nr. 8221
24 Seiten Inhalt, Figuren, Beautiful People Bestell-Nr. 8203
Thema und Ästhetik des Black Box BRD Bestell-Nr. 8237
Films; außerdem Fragen, Blue Eyed Bestell-Nr. 8240
Bowling for Columbine Bestell-Nr. 8233
Materialien, ein detailliertes Buud Yam Bestell-Nr. 8173 Philipp Bühler
Sequenzprotokoll und Comedian Harmonists Bestell-Nr. 8205
Literaturhinweise. Aktuelle Die Distel Bestell-Nr. 8219
Do the Right Thing Bestell-Nr. 8208 geb. 1971 in München,
sowie bereits vergriffene Drei Tage Bestell-Nr. 8209 Studium der Politikwissenschaft,
Hefte sind auch online East is East Bestell-Nr. 8199
Ein kurzer Film über die Liebe Bestell-Nr. 8214 Geschichte und Anglistik in
abrufbar unter
Elling Bestell-Nr. 8196 Stuttgart und Berlin. Zahlreiche
www.bpb.de/filmhefte Erin Brockovich Bestell-Nr. 8193 Filmkritiken für regionale und
Das Experiment Bestell-Nr. 8216
Falling Down – Ein ganz normaler Tag Bestell-Nr. 8204 überregionale Tageszeitungen
Die fetten Jahre sind vorbei Bestell-Nr. 8184 (Berliner Zeitung, die tageszei-
Fremder Freund Bestell-Nr. 8195
Gegen die Wand Bestell-Nr. 8187
tung), Online-Magazine
Geheime Wahl Bestell-Nr. 8192 (fluter.de, kinofenster.de)
Good Bye, Lenin! Bestell-Nr. 8234 und Filmpublikationen.
Hass Bestell-Nr. 8206
Hejar Bestell-Nr. 8227 Lebt in Berlin.
Im Gully Bestell-Nr. 8212
Im toten Winkel – Hitlers Sekretärin Bestell-Nr. 8239
In This World Bestell-Nr. 8229
Die Jury Bestell-Nr. 8200
Kick it like Beckham Bestell-Nr. 8190
Kinder des Himmels Bestell-Nr. 8232
Klassenleben Bestell-Nr. 8180
Kombat Sechzehn Bestell-Nr. 8171
Korczak Bestell-Nr. 8213
Kroko Bestell-Nr. 8189
Kurische Nehrung Bestell-Nr. 8211
Das Leben ist schön Bestell-Nr. 8225
Leni ... muss fort Bestell-Nr. 8222
Lichter Bestell-Nr. 8231
Lumumba Bestell-Nr. 8176
Luther Bestell-Nr. 8197
Montag Bestell-Nr. 8220
Mossane Bestell-Nr. 8178
Muxmäuschenstill Bestell-Nr. 8188
Das Netz Bestell-Nr. 8186
Der neunte Tag Bestell-Nr. 8183
Oi! Warning Bestell-Nr. 8215
Paradise Now Bestell-Nr. 8170
Propaganda Bestell-Nr. 8236
Rosenstraße Bestell-Nr. 8230
Sankofa Bestell-Nr. 8175
Schildkröten können fliegen Bestell-Nr. 8169
Das schreckliche Mädchen Bestell-Nr. 8194
Der Schuh Bestell-Nr. 8210
Sommersturm Bestell-Nr. 8185
Sophie Scholl – Die letzten Tage Bestell-Nr. 8179
Die Sprungdeckeluhr Bestell-Nr. 8207
Status Yo! Bestell-Nr. 8182
Swetlana Bestell-Nr. 8224
Der Taschendieb Bestell-Nr. 8217
Touki Bouki Bestell-Nr. 8174
Der Untertan Bestell-Nr. 8198
Wie Feuer und Flamme Bestell-Nr. 8238
Das Wunder von Bern Bestell-Nr. 8228
Willkommen im Tollhaus Bestell-Nr. 8202
Yaaba Bestell-Nr. 8177
Zug des Lebens Bestell-Nr. 8201
Das Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung

Thema Widerstand
und Zivilcourage?
Eine Fülle weiterer Informationen und Materialien bietet
www.bpb.de, die Website der Bundeszentrale für politische
Bildung. Sie hält ein Online-Dossier zu Sophie Scholl
(www.bpb.de/sophiescholl) mit zahlreichen Erläuterungen,
Dokumenten und Fotos zur Geschichte der Weißen Rose
bereit. Online können auch die Publikationen „Widerstand
gegen die nationalsozialistische Diktatur 1933-1945“ und
„Geschichte des Dritten Reichs“ aus der Schriftenreihe sowie
das Heft „Deutscher Widerstand 1933-45“ der Informationen
zur politischen Bildung bestellt oder heruntergeladen werden.
Anlässlich des 60. Jahrestages des Attentats auf Hitler hat
zudem die politische Wochenzeitung Das Parlament im Juni
2004 eine Themenausgabe zu „Widerstand und Zivilcourage“
herausgegeben, die ebenfalls über die Website www.bpb.de
bezogen werden kann. Die Dokumentationen „Widerstand in
Deutschland“ und „Der 20. Juli vor dem Volksgerichtshof“ aus
dem AV-Medienkatalog sowie das Kurz-Video „Weiße Rose“
aus der Reihe Apropos werden von zahlreichen Landesme-
dienzentren und -bildstellen verliehen. Im Rahmen der Initiative
zur Förderung politischer Beteiligung „Projekt P – misch dich
ein“ informiert auch die Internetseite www.projekt-p.de über
das gegenwärtige politische Engagement Jugendlicher in
Deutschland und macht auf die Relevanz politischer
Jugendbeteiligung aufmerksam.

Politisches Wissen im Internet www.bpb.de

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